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Bun desrathsbeschluß betreffend

die Verpflichtungen der Nordostbahngesellschaft gegenüber den sogenannten Moratoriumslinien.

(Vom 23. Juni 1887.)

Der schweizerische Bundesrath, hat

in Erledigung der ihm durch die Moratoriumsverträge der Nordosthahn, sowie durch den Bundesbeschluß vom 14. Februar 1878 zur Entscheidung übertragenen Frage den Akten entnommen : Die Nordostbahn hat in den Jahren 1872 und 1873 eine Reihe von Verträgen abgeschlossen, wodurch sie sich theils zum Bau und Betrieb verschiedener Bahnlinien, theils zur Betheiligung bei derartigen Unternehmungen verpflichtete.

Diese Verträge sind nach der Zeit des Abschlusses geordnet folgende : 1) Vertrag zwischen dem a a r g a u i s c h en R e g i e r u n g s r a t h e , N a m e n s des K a n t o n s A a r g a u , und den Eisen bahngesellsehaften der S c h w e i z . Ce n t r a i b a h n und der S c h w e i z .

N o r d o s t b a h n , vom 25. Februar 1872; 2) Vertrag mit dem C e n t r a l k o m i t e f ü r B e g r ü n d u n g einer l i n k s s e i t i g e n Zur i c h s e e b a h n , vom 4. Juli 1872; 3) Vertrag mit dem K o m i t e der E i s e n b a h n D i e l s d o r f N i e d e r w e n i n g e n , betreffend den Bau einer Eisenbahn zwischen diesen Ortschaften, vom 2. August 1872;

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4) Vereinbarung mit dem Or ii n dun g s k o m i t e f ü r d i e E i s e n b a h n E t z w e i l e u - S ch a f f h a u s e n z u r Betheiligung bei einer Eisenbahnunternehmung Etzweilen-Schaffhausen, vom 15. Februar 1873; 5) Vertrag mit dem I n i t i a t i v k o m i t e z u r A n s t r e b u n g einer Eisenbahn von B ü l a c h nach S c h a f f h a u s e n , vom 7. Mai 1873; 6) Vertrag mit der G e s e l l s c h a f t für B e g r ü n d u n g einer r e c h t s u f r i g e n Z ü r i c h s e e b a h n , vom 5. Juni 1873.

Zu Anfang des Jahres 1877 sah sich die Nordostbahn veranlaßt, die Erklärung abzugeben, daß sie sich außer Stande befinde, die von ihr theils allein, theils in Gemeinschaft mit der Centralbahn durch die genannten Verträge übernommenen Verpflichtungen zu erfüllen, und ersuchte den Bundesrath auf Grund eines Programmes um seine Dazwischenkunft /um Zwecke einer Verständigung mit den bei den Verträgen betheiligten Kantonalbehörden und Komites.

Da dieses Interventionsgesuch von den Regierungen der Kantone Schaffhausen, Aargau und Thurgau unterstützt wurde, gewährte der Bundesrath seine lediglich geschäftliche Vermittlung, bestehend in der Veranlaßung und Leitung der zu dem angestrebten Zwecke nöthigen Verhandlungen (siehe Botschaft des Bundesrathes vom 15. Dezember 1877).

Diese Verhandlungen führten zum Abschluß der sogenannten Moratoriumsverträge, welche von der Nordostbahn mit den Eingangs erwähnten Kontrahenten (mit Ausnahme des ,,Komite der Eisenbahn Dielsdorf- Niederweningen "· und der Gesellschaft für Begründung einer rechtsufrigen Zürichseebahn) am 1. Juni 1877 abgeschlossen wurden.

Jeder dieser Verträge enthält folgenden Artikel: ,,Zur Inangriffnahme der Arbeiten an der Linie . . .

wird der Schweiz. Nordostbahngesellschaft Frist bis Ende 1885 gewährt, und zwar in dem Sinne, ,,o. daß dannzumal dei- Bundesrath zu entscheiden hat, ob die Nordostbahn wieder genügend erstarkt sei, um die Arbeiten an den Linien und eventuell Zürich-Rappersweil und Dielsdorf-Niederweningen an die Hand zu nehmen, und in welcher Reihenfolge dies zu geschehen habe, und ^b. daß, wenn in der Zwischenzeit ein Bewerber die Linie auf einen frühern Zeitpunkt zu vollenden

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übernehmen wollte, die Nordostbahngesellschaft gehalten wäre, die Konzessionen demselben abzutreten, sofern sie nicht binnen Frist die gleiche Verpflichtung erfüllen zu wollen erklären würde."

Am 16. Januar 1878 kam auch ein Vertrag mit der ,,Gesellschaft für Begründung einer rechtsufrigen Zürichseebahn zu Stande, dessen erster Artikel also lautet: ,,Die Bestimmungen des am 3. und 4. Mai und 1. Juni 1877 von den Unternehmungen Bülach-Schaffhausen, Etzweilen-Schaffhausen, Thalweil-Zug und Koblenz-Stein der schweizerischen Nordostbahn gewährten Moratoriums, wonach die Bauten bis Ende 1885 eingestellt bleiben dürfen und der Bundesrath zu entscheiden hat, ob dannzumal die Nordostbahngesellschaft wieder genügend erstarkt sei, um die Arbeiten wieder aufzunehmen, und in welcher Reihenfolge dies zu geschehen habe, finden auch auf die rechtsufrige Zürichseebahn Anwendung.

Ueber die Linie Dielsdorf-Niederweningen kam eine Vereinbarung nicht zu Stande.

Mit Schreiben vom 1./2. November 1877 stellte die Nordostbahn an die Bundesversammlung das Gesuch, es möchte dieselbe für die sechs genannten Linien diejenigen Fristverlängerungen gewähren, welche den getroffenen Moratoriumsvereinbarungen entsprechen. Diesem Gesuche haben die beiden Räthe durch Beschluß vom 14. Februar 1878 Folge gegeben, indem sie in Bezug auf die in den Konzessionen bestimmten Fristen einerseits und in Bezug auf die dem Bundesrathe übertragene Entscheidung anderseits in Art. 3 des genannten Beschlusses folgende Bestimmung trafen : ,,Unter Vorbehalt erworbener Rechte werden die für die Bahnkonzessionen Thalweil-Zug, Etzweilen-Schaffhausen, Bülach Schaffhausen, Kob!enz-Stein , rechtsufrige Zürichseebahn und Dielsdorf-Niederweningen von den kantonalen und Bundesbehörden für den Finanzausweis, Beginn der Erdarbeiten und Inbetriebsetzung dieser Linien aufgestellten Fristen um H Jahre erstreckt.

,,Soweit unter den Betheiligten eine diesbezügliche Vereinbarung besteht,, hat der Bundesrath nach Ablaut' des Jahres 1885 zu entscheiden, ob die Nordostbahngesellschaft wieder genügend erstarkt sei, um den Bau der vorgenannten Linien an Hand zu nehmen (beziehungsweise, was die Linien Etzweilen-Schaffhausen und Koblenz-Stein betrifft, ihre bezüglichen Vertragspflichten zu erfüllen), und in welcher Reihenfolge dies zu geschehen habe,

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und er wird dann unvorgreiflich den gesetzlichen Befugnissen der Bundesversammlung für jede einzelne Linie die Ausweisund Bautermine neu festsetzen."1 Durch diesen Beschluß wurde die Baufrist für sämmtliche Bahnen, also auch für die rechtsufrige Zurichseebahn und die Dielsdorf-Niederweningen, um 8 Jahre erstreckt, obschon im punkte des Beschlusses (14. Februar 1878) beide Bahnen weigerten, dem Moratorium beizutreten.

sechs Linie Zeitsich

Um den Schwierigkeiten zu entgehen, welche sich bei der vertragsmäßigen Erledigung der Baufrage voraussehen ließen, sagte auf den Wunsch der Moratoriumslinien der Bundesrath im Oktober 1883 seine Vermittlung zur Erzielung eines gütlichen Abkommens zu ; beide Theile traten darauf ein, aber es blieben die Verhandlungen ohne Erfolg. -- Ein späterer Vergleichsversuch, der von der Nordostbahn eingeleitet wurde, hatte kein besseres Ergebniß.

Bei dieser Sachlage sah sieh der Bundesrath verpflichtet, auf die Vorbereitung der ihm übertragenen Entscheidung Bedacht zu nehmen und zunächst von der Nordostbahn eine Darstellung und einen Ausweis über alle diejenigen Verhältnisse einzuverlangen, welche bei dieser Entscheidung in Betracht fallen.

Insbesondere wurde verlangt : 1) die Baukostenrechnung für jede der einzelnen Linien, unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Preisverhältnisse; 2) die sowohl für jede der einzelnen Linien besonders herzustellende, als auch unter der Voraussetzung der Erstellung der sämmtlichen verschobenen Linien hinsichtlich der Gesammtheit derselben zu entwerfende Berechnung der muth maßlichen Betriebsergebnisse in Einnahmen und Ausgaben; 3) die Darstellung der Wirkungen, welche der Betrieb jeder einzelnen der verschobenen Linien sowohl als der Gesammtheit derselben muthmaßlich auf die Betriebsergebnisse des dermaligen Nordostbahnnetzes haben wird.

Die Nordostbahn kam diesem Auftrage durch Einsendung eines reichhaltigen Aktenmaterials, dessen letzter Theil am 25. November 1885 einlangte, nach. Schon vor diesem Termine, am 17. November, ernannte der Bundesrath eine Expertenkommission in den Personen der Herren Ingenieure G. Koller in Bern, M. Buri in Basel und Jules Grandjean in Chaux-de-Fonds, und stellte denselben die Aufgabe,

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1) für jede einzelne der Moratoriumslinien unter Berücksichtigung der gegenwärtigen Preisverhältnisse eine Baukostenberechnung aufzustellen ; 2) die muthmaßlichen Betriebsergebnisse in Einnahmen und Ausgaben zu berechnen, und zwar sowohl für jede einzelne Linie als für die Gesammtheit der verschobenen Linien; 3) die Wirkungen darzustellen, welche der Betrieb jeder einzelnen der verschobenen Linien sowohl als der Gesammtheit derselben muthmaßlich auf die Betriebsergebnisse des dermaligen Netzes der Nordostbahn haben wird.

Die Experte°n wurden angewiesen, in erster Linie das von der Nordostbahn vorgelegte Material zu ergänzen und einer genauen Prüfung zu unterstellen, ferner sich mit den Vertretern der verschiedenen Linien in Verbindung zu setzen und dieselben zu veranlaßen, sich sowohl über die Frage der Baukosten zu äußern, als namentlich auch die in deren Bereich liegenden Angaben über die Verkehrsverhältnisse den Experten zur Verfügung zu stellen; im Weitern die Vertreter der Bahnen vor der Kommission anzuhören, um sie auf alle maßgebenden Punkte aufmerksam zu machen und ihnen freizustellen, ihre Anliegen auch schriftlich entweder der Kommission oder dem Departemente einzureichen. Endlich wurden die Experten angewiesen, durch Besichtigung des Terrains sich die erforderlichen Aufschlüsse zu verschaffen.

In der ersten Hälfte des vorigen Jahres ging dio Expertise dem bundesräthlichen Programm zufolge vor sich und am 10. August 1886 waren die Sachverständigen in der Lage, ihren schriftlichen, sehr einläßlichen Bericht zu erstatten, aus dem sich namentlich auch ergibt, daß alle Betheiligten die Gelegenheit erhalten und benützt haben, sich über ihre Interessen mündlich und schriftlich auszusprechen.

Die Prüfung dieses Berichtes, der sowohl der Nordostbahn, als den Moratoriumsbahnon, sowie den betreffenden Regierungen unii der Centralbahn mitgetlieilt wurde, veranlaßte den Bundesrath (aus Gründen, deren Erörterung nicht an diese Stelle gehört) zu dem Beschlüsse, es seien mit der Verwaltung der Nordostbahn über den käufliehen Erwerb dieser Unternehmung zu Händen des Bundes Vertragsunterhandlungen anzuknüpfen.

Infolge dieses Beschlusses wurden von einer Delegation des Bundesralhes neue Vergleichsverhandlungen zwischen der Nordostbahn und den Vertretern der Moratoriumslinien angebahnt und am Schlüsse derselben die Nordostbahn veranlaßt, sich in bestimmter Weise schriftlich über die ihr mitgetheilten Begehren der Komites

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auszusprechen. Am 21. März d. J. laugten die Anerbietungen der Nordostbahn ein und wurden den Betheiligten mit der Einladung eröffnet, ihre endgültigen Erklärungen bis zum 20. Mai an das Eiseubahndepartement gelangen zu lassen.. Sämmtlicho eingegangene Antworten lauten ablehnend, uncf es stellen sich die Differenzen als so bedeutend heraus, daß der Bundesrath die Fortsetzung der Unterhandlungen als durchaus erfolglos betrachten müßte.

Bei dieser Sachlage hat der Bundesrath gegenüber den sämmtlichen bei den Moratoriumsverträgen Betheiligten die Verpflichtung, diejenige Entscheidung zu treffen, welche ihm durch die genannten Verträge übertragen und zu welchen er durch den Bundesbeschluß vom 14. Februar 1878 ermächtigt worden ist. Bei diesem Entscheid fällt die Linie Dielsdorf-Niederweningen außer Betracht, da dieselbe einen Moratoriumsvertrag nicht abgeschlossen hat und eine Urtheilskompetenz durch die auch für diese Bahn geltende Konzessionsverlängerung nicht begründet worden ist.

Die Entscheidung des Bundesrathes stützt sich auf folgende E r w äg ung e n: Die zu entscheidenden Fragen gehen dahin : ob die Nordostbahn wieder genügend erstarkt sei, um die Arbeiten an den Linien Thalweil - Zug, Etzweilen - Schaff hausen, Bülach - Schaffhausen, Koblenz - Stein, Zürich - Rapperswyl und Dielsdorf-Niederweningen an die Hand uu nehmen, und in welcher Reihenfolge dies zu geschehen habe.

1) In erster Linie ist zu erörtern, welchen Blaßstab der Bundesrath bei der Beurtheilung der ^Erstarkung" der Nordostbahn anzulegen habe. Nach dem Wortlaut der Verträge soll die letztere genügend sein, ,,um die Arbeiten an den Moratoriumslinien an die Hand zu nehmen'"1. Der Sinn, welchen die Kontrahenten mit diesen Worten verbunden haben, ergibt sich aus den Bestimmungen der von ihnen abgeschlossenen Bauverträge. Vier dieser Verträge sprechen sich ohne Ausnahme dahin aus, daß die Nordostbahn den Bau und B e t r i e b der betreffenden Eisenbahnlinien zu übernehmen und der fünfte (Etzweilen-Schaffhausen), daß sie sieh bei dem Bau u n d B e t r i e b dieser Linie zu betheiligen habe. Es folgt hieraus, daß nach dem Willen der Kontrahenten die Untersuchung sieh nicht bloß auf die Erörterung der Mittel beschränken darf, welche erforderlich sind, um, im engern Sinne des Wortes, ,,den Bau der Linien an die Hand -L» nehmen", sondern daß der Bundesrath festzustellen hat, ob die Nord ostbahn im Stande sich befinde,

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die aus dem Bau und dem B e t r i e b der neuen Bahnen sich voraussichtlich ergebenden Lasten zu übernehmen, ohne ihren finanziellen Bestand und ihre den Konzessionen und den Gesetzen gemäße Leistungsfähigkeit zu gefährden. Diese Auffassung ist auch ·dem Gutachten der Experten und den Schlußfolgerungen desselben zu Grunde gelegt; dasselbe gelangt zu dem Schlüsse, daß die Nordostbahn durch den künftigen Betrieb der. von ihr zu erbauenden Linien eine jährliche Einbuße von Fr. 1,741,911 erleiden werde.

Diese Einbuße muß durch die Erträgnisse der jetzigen Linien der Nordostbahn gedeckt werden. Die Rechnung des Jahres 1886 weist einen Reingewinn auf von Fr. 1,349,704. 50; derselbe wird sich in Folge der vorgenommenen Schuldenkonversion die folgenden Jahre um Fr. 448,000 vermehren und demnach in Zukunft, wie anzunehmen ist, in runder Summe Fr. 1,800,000 betragen. Aus diesem Zahlenverhältniß, bei welchem sich die Deckung des Defizits der Morntoriumslinien ergibt, darf aber keineswegs die Erstarkung der Nordostbahn im Sinne des Vertrages abgeleitet werden. Neben der Größe des Reinertrages kommt die Art der Verwendung desselben für die Entscheidung der Erstarkungsfrage wesentlich in Betracht.

Das Expertengutachten geht von der Annahme aus, es werde die Nordostbahn die zum Bau der Moratoriumslinien nöthigen Gelder auf dem Wege des Anleihens beschaffen und die Zinse des letztern aus den jährlichen Reinerträgnissen bestreiten ; offenbar ist aber auch der andere Fall in's Auge zu fassen, daß die Reinerträgnisse zur Bestreitung der Baukosten herbeigezogen werden und die Kontrahirung von Bauschulden entweder gar nicht oder nur in beschränktem Mäße nothwendig wird. Der Unterschied ist in die Augen springend.

Im erstem Falle vermehrt die Nordostbahn ihre Obligatiouensohuld während der Bauperiode um den endlichen Betrag von annähernd Fr. 40,000,000 (wobei der Antheil der Centralbahn für die Linie Koblenz-Stein in Abzug gebracht und die Geldbeschaffungskosten nach dem Expertengutachten mit rund 3 Millionen Franken zugerechnet sind). Aus dieser Schuld erwächst eine bleibende jährliche Zinslast von Fr. 1,600,000, welche somit der von den Experten berechneten Totaleinbuße von rund Fr. 1,740,000 beinahe gleichkommt. Dieser Sachlage gegenüber kann die Nordostbahn auch bei einer Jahresreineinahme von Fr. l,bOO,000
keineswegs als ,,erstarkt"1 betrachtet werden. Abgesehen davon, daß diese Zahlen, als auf bloßer Schätzung beruhend, nicht auf absolute Richtigkeit Anspruch machen können, würden durch die Kapitalbeschaffung die Passiven der Nordostbahn Jahr für Jahr vermehrt, die Wahrscheinlichkeit, für den Bau unrentabler Linien Kredit zu finden, Bundesblatt. 39. Jahrg. Bd. III.

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stetig verringert und am Ende der Bauperiode die heutige Bauverpflichtung vom finanziellen Standpunkt aus nicht etwa getilgt, sondern in eine Obligationsschuld umgewandelt, deren Zinslast nicht bloß die Leistungsfähigkeit der Nordostbahn, sondern sogar ihre Existenz in Frage stellt, sobald der bei den erfahrungsmäßigen Wechselfällen einer Eisenbahnunternehmung in Rechnung zu ziehende Fall eintritt, daß sich die Reineinnahmen um einen nicht sehr bedeutenden Betrag von etwa Fr. 200,000 vermindern.

Für den Fall, daß die Baukosten der Moratoriumslinien auf dem Wege des Anleihens beschafft werden sollen, ist demnach die Frage der Erstarkung zur Zeit zu verneinen.

Wesentlich verschieden gestaltet sich die Antwort unter der zweiten der oben erwähnten Voraussetzungen, auf den Fall nämlich, daß zur Bestreitung der Baukosten die jährlichen Reineinnahmen herbeigezogen werden. Wird in dieser Weise vorgegangen, so erscheinen die mit dem Anleihen verbundenen Bedenken als erledigt. Durch die Zuwendungen aus dem Reingewinn wird die in den Baukosten sich darstellende Schuld jährlich vermindert, die finanzielle Erstarkung der Nordostbahn nimmt also stetig zu, sie wird dadurch in die Lage versetzt, die allfällig nöthige Vermehrung der Baugelder sich auch auf dem Wege des Anleihens leichter zu beschaffen, und am Schlüsse der Bauperiode findet sich zufolge des Wegfalles der Anleihenszinse voraussichtlich auch der größte Theil der von den Experten berechneten Totaleinbuße beseitigt.

Wenn nun ferner in Betracht gezogen wird, daß abgesehen von weitern bei dem Finanzausweise zu erörternden finanziellen .Mitteln die Moratoriumslinien die Summe von Fr. 10,282,000 als .Anleihen aufzubringen haben, und daß laut Rechnung für das Jahr 1886 die ,,noch nicht bezahlten Dividenden11 die Summe von Fr. 2,947,862. 50 ausmachen, so gelangt der Bundesrath zu dem Schlüsse, daß die Nordostbahn bei Inanspruchnahme der jährlichen Reingewinne genügend erstarkt sei, um den Bau der verschobenen Moratoriumslinien an die Hand zu nehmen und die gebauten Linien zu betreiben.

2) Durch die Erklärung des Bundesrathes, daß die Nordostbahn genügend erstarkt sei, wird dieselbe verpflichtet, die Mittel, welche ihre finanzielle Stärke ausmachen, zum Bau der verschobenen Linien zu verwenden und sich jeder Maßregel zu enthalten, durch welche die Erstarkung
wieder gefährdet werden könnte.

Es kann daher der Nordostbahn nicht freistehen, die Baukosten der Moratoriumslinien in beliebiger Weise zu decken, sondern es hat dieselbe denjenigen Grundsätzen Rechnung zu tragen, welche

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in diesem Beschlüsse über die Frage der Erstarkung aufgestellt sind. Diese Grundsätze wird der Bundesrath im eiozelnen Falle, bei der Erledigung der Jahresrechnungen, sowie bei Prüfung des für die einzelnen Linien zu leistenden Finanzausweises, in Vollziehung setzen.

Selbstverständlich bleiben im Weitern alle gesetzlichen Verfügungen, welche der Bundesrath als solcher zu treffen hat, vorbehalten.

3) Nach den Moratoriumsverträgen hat der Bundesrath sich nicht bloß über die Frage auszusprechen, ob die. Nordostbahn den Bau der Linien an die Hand zu nehmen habe, sondern er hat eventuell auch zu bestimmen, in welcher Reihenfolge dies geschehen soll. Ueber diesen Punkt ist vorerst grundsätzlich zu bemerken : Die Garantie, welche für die Moratoriumsliuien in der Erstarkung der Nordostbahn liegl, muß für alle dieselbe sein. Die später zum Bau gelangenden Linien dürfen nicht Gefahr laufen, daß die Mittel zu ihrer Ausführung schwieriger oder gar nicht aufzubringen seien, und die volle Gleichberechtigung der einzelnen Linien darf daher auch nicht durch die Anordnung des successiven Baues angetastet werden.

Diesem Ansprüche der Moratoriumslinien hat die Nordostbahn dadurch gerecht zu werden, daß in der oben ausgeführten Weise durch Zuziehung der Reinerträgnisse die Erstarkung nicht bloß .erhalten, sondern im Verlaufe der Bauperiode erhöht wird.

Was die Reihenfolge selbst anbelangt, so ist es der Sache angemessen, daß dieselbe nicht von vornherein für alle Linien aufgestellt werde. Die Bestimmung der Reihenfolge soll aus sachlichen Gründen geschehen, welche aus dem öffentlichen Bedürfnis sowohl als aus den jeweiligen Verhältnissen der Nordostbahn zu entnehmen sein werden und demnach zur Zeit noch nicht in Berechnung gezogen werden können. Der Bundesrath wird ohne Verzug zur Bezeichnung der zuerst zu bauenden Linie schreiten, sobald die Untersuchungen über die in .Betracht kommenden Verhältnisse ergänzt sein werden.

4) Durch den Spruch, daß die Nordostbahn genügend erstarkt sei, um den Bau der Moratoriumslinien an die Hand zu nehm'en, entscheidet der Bundesrath kraft des unter den Parteien geschlossenen Kompromisses eine rein civilrechtliehe Frage, ohne dadurch den Rechten und Pflichten, welche die eidgenössischen Behörden in ^ Eisenbahnsachen ausüben, irgend etwas zu vergeben, wie auch in gleicher Weise
der Buudesbeschluß vom 14. Februar 1878 die gesetzlichen Befugnisse der Bundesversammlung vorbehalten hat (Art. 3, AI. 2). Die über den Bau der Moratoriumslinien abge-

492 schlossenenn Verträge sind nur unter den Kontrahenten verbindlich, und es übernimmt daher die Eidgenossenschaft durch den Entscheid, daß die Bedingung der Baupflicht eingetreten sei, keinerlei Verbindlichkeit, bei den Beschlüssen, welche in Betreff der Konzessionsverlängerung zu fassen sein werden, die Bestimmungen jener Verträge zur Vollziehung zu bringen. Die Bundesbehörden behalten sieh vielmehr vor, auch gegenüber den Moratoriumslinien in allen Fällen die öffentlichen Interessen gemäß den gesetzlichen und verfassungsmäßigen Rechten und Pflichten in gleicher Weise zu wahren, wie dieses gegenüber denjenigen Bahnen stattfindet, zu deren Bau eine privatrechtliche Verpflichtung nicht besteht.

Gestützt auf obige Thatsachen und Erwägungen hat der Bundesrath in Entscheidung der ihm durch die Moratoriumsverträge, sowie durch den Bundesbeschluß vom 14. Februar 18.78 (Art. 3, AI, 2) zur Erledigung übertragenen Frage beschlossen: 1. Die Gesellschait der schweizerischen Nordostbahn ist genügend erstarkt, um den Bau der linksseitigen Zürichseebahn (Thalweil-Zug), der Eisenbahn von Bülach nach Schaffhausen und der rechtsufrigen Zürichseebahn an die Hand zu nehmen und, was die Linie Koblenz-Stein und diejenige von Etzweilen nach Schaffhausen betrifft, die bezüglichen Vertragsverpflichtungen zu erfüllen.

2. Der Bundesrath wird die Reihenfolge bestimmen, in welcher die Erfüllung der obigen Verpflichtungen zu geschehen hat, und es erhält das Eisenbahndepartement den Auftrag, den daherigen Bericht und Antrag ohne Verzug vorzulegen.

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3. Die gesetzlichen Befugnisse der Bundesbehörden in Bezug auf die Verlängerung der für diese Linien ertheilten Konzessionen, den Finanzausweis, sowie in Bezug auf die Bautermine, bleiben vorbehalten.

B e r n , den 23. Juni 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, -Der Bundespräsident: Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft:

Bingier.

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Bundesrathsbeschluß betreffend die Verpflichtungen der Nordostbahngesellschaft gegenüber den sogenannten Moratoriumslinien. (Vom 23. Juni 1887.)

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25.06.1887

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