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Bundesrathsbeschluß betreffend

die Kontrolirung der nach England bestimmten goldenen und silbernen Uhrgehäuse.

(Vom 24. Dezember 1887.)

Der schweizerische Bundesrath, gestützt auf Artikel l des Bundesgesetzes vom 23. De= zember 1880, betreffend Kontrolirung und Garantie des Feingehalts der Gold- und Silberwaaren, sowie Artikel 8 der Vollziehungsverordnung vom 17. Mai 1881 ; überdies Gebrauch machend von der Befugniß, welche ihm die durch das Bundesgesetz vom 21. Dezember 1886 dem Artikel 2 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1880 betreffend Kontrolirung und Garantie des Feingehalts der Gold- und Silberwaaren beigefügte Zusatzbestimmung verleiht ; auf den Antrag seines Handels- und Landwirthschaftsdepartements, beschließt: 1. Für goldene Uhrgehäuse, welche die Feingehaltsbezeichnung 18 c oder 0,755 oder beide zusammen tragen, und für silberne Uhrgehäuse mit der Feingehaltsbezeichnung 0,935 oder Sterling Silver 0,935 ist die Kontrolirung obligatorisch.

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Die Feingehaltsbezeiehnungen müssen mit Umrahmung versehen sein.

2. Die goldenen und silbernen Uhrgehäuse, welche nach England bestimmt sind und eine der oben erwähnten Feingehaltsbezeichnungen tragen, können den amtlichen Stempel erst erhalten, nachdem die mit jedem einzelnen derselben vorgenommene Probe ergeben hat, daß sowohl das Gehäuse als Ganzes, wie auch dessen einzelne und angelöthete Theile, mit Inbegriff der Staubdeckel, dem angegebenen Feingehalte wirklich entsprechen, unter Vorbehalt der Bestimmungen von Artikel 4 der Vollziehungsyerördnung vom 17. Mai 1881 betreffend die äußerlich angebrachten Einlagen und Ornamente.

Die Stempelung der Bügelringe ist obligatorisch.

3. Der Fabrikant, welcher nach England bestimmte Uhrgehäuse zur Stempelung vorweist, hat dies ausdrücklich in der durch Art. 2 der Vollziehungsverordnung vom 17. Mai 1881 vorgeschriebenen Deklaration zu erwähnen.

4. Die Stempelung der in Ziffer 2 des gegenwärtigen Beschlusses angeführten Waaren hat auf folgende Weise zu geschehen : für den F e i n g e h a l t G o l d 18 c oder 0,755 durch zwei Abdrücke des Stempels ,, g r o ß e H e l v e t i a " und einen Abdruck des Stempels ^ k l e i n e H e l v e t i att; für den F e i n g e h a l t S i l b e r 0,935 durch zwei Abdrücke des Stempels ,, g r o ß e r B ä r t t und einen Abdruck des Stempels ,, k l e i n e r B ä r a .

Diese Stempelzeichen werden auf den Deckeln und Staubdeckeln angebracht. Eine Instruktion des Schweiz. Handelsund Landwirthschaftsdepartementes wird näher bestimmen, wie die Feingehaltsbezeichnungen und die Stempelabdrucke anzubringen sind, um eine regelmäßige und einheitliche Anordnung zu bilden.

985 Die für die Gehäuse zu 0,755 bestimmten goldenen Bügelringe sollen zwei Abdrücke des Stempels ,, k l e i n e H e i v e t i a", und die für die Gehäuse zu 0,935 bestimmten silbernen Bügelringe zwei Abdrücke des Stempels ,, k l e i n e r Bär" erhalten.

Bezüglich der Stempelu der übrigen Theile des Gehäuses vvird an dea bisherigen Bestimmungen nichts geändert.

5. Wenn die zur Kontrole vorgewiesenen goldenen oder silbernen Gehäuse dem angegebenen Feingehalt, unter Berücksichtigung der durch Artikel 2 des Gesetzes vorn 23. Dezember 1880 für die Proben eingeräumte Fehlergrenze, nicht entsprechen, so haben die Kontroiämter nach den gesetzlichen und reglementarischen Bestimmungen zu verfahren.

6.

Der gegenwärtige Beschluß tritt sofort in Kraft.

B e r n , den 24. Dezember 1887.

Im Namen des Schweiz, ßundesrathes, Der Bundespräsident: Droz Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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Die Interpellation der EH. (Mi und Konsorten über den

Stand der Nordostbahnangelegenheit.

Verhandlungen des Nationalrathes vom 19. Dezember 188], Wortlaut der am 16. Dezember 1887 angekündigten Interpellation : ,,Die Unterzeichneten ersuchen den Bundesrath, dem Nationalrath über den Stand der Verhandlungen betreffend Erwerbung der Nordostbahn Aufschluß ertheilen zu wollen."

Sig Curli Brenner, Brunner, Cramer, hier, Künzli, Marti, Meister, Morel Scheuchzer Thommen Vigier, Wüest.

P r ä s i d e n t . Zur Begründung der Interpellation ertheile ich Herrn Curti das Wort.

Herr Curti Herr Präsident, meine Herren! Die Interpellanten, welche der Sprechende zu vertreten die Ehre hat, ersuchen den Bundesrath um Aufschluß über die Unterhandlungen, welche behufs Erwerbung der Nordostbahn im Gange sind. Allerdings besitzt der Nationalrath von diesen Unterhandlungen keine offizielle Kenntniß; aber es sind dieselben notorisch und man darf sagen, daß sie die öffentliche Meinung des Landes in hervorragendem Maße beschäftiget). Nun fehlen uns alte Anhaltspunkte, um über diese Angelegenheit zu einem klaren Urtheil zu gelangen. Bs ist wohl bekannt oder wird allgemein angenommen, daß diese Ange-

987 legenheit von großer Bedeutung und Tragweite sei, und eben um dieser Bedeutung und Tragweite willen geschieht es, daß wir den Bundesrath bitten, die möglichen Aufschlüsse über die gepflogenen Unterhandlungen und den Stand der ganzen Angelegenheit ung vertrauensvoll tnittheilen zu wollen.

Dabei gedenken wir selbst zu unterscheiden: der Natur der Sache nach sind dem Bundesrathe ohne Zweifel Pflichten der Diskretion auferlegt. Es ist denkbar, daß der Zweck seiner Unterhandlungen durch uneingeschränkte Eröffnungen geschädigt werden könnte. Unsere Interpellation bewegt sich deßhalb nicht in dieser Richtung. Aber wir glauben auf der andern Seite, daß diese wichtige Angelegenheit mancherlei Seiten der Betrachtung dennoch offen läßt und vor uns beleuchtet zu werden verdient. Es sind, so scheint es wenigstens, auch die schweizerischen Eisenbahnpapiere mehr und mehr ihres volkswirtschaftlichen Charakters oder sozusagen ihrer moralischen Qualität verlustig gegangen. Es haben sich dieselben in einigen wenigen Händen angesammelt und wurden die Beute der Spekulation. Dieser beklagenswerte Zustand hauptsächlich ist es, welcher in unsere Bevölkerung Verwirrung und Verstimmung gebracht hat. Im Zusammenhang hiemit und im Gegensatz dazu ist nun die Frage aufgeworfen worden, welches der wirkliche Verkaufswerth der Nordostbahn sei. Man hat in dieser Beziehung sicher gesucht, für den betreffenden Werth einen arithmetischen Ausdruck zu finden ; uns jedoch fehlt für eine solche Schätzung jeder sichere Maßstal). Wäre nun der Bundesrath in der Lage, über diesen Punkt Mittheilungen zu machen, so bezweifeln wir nicht, daß die Wirkung dieser Mittheilungen eine sehr aufklärende und besehwiehtigende sein müßte. In manchen Gegenden und Karitonen unseres Landes sodann steht im Vordergrunde der Betrachtung die Moratorieofrage. Man kann es in der That den Bewohnern jener Gegenden nicBt verargen, wenn sie ihre Rechtsansprüche endlieh erfüllt sehen möchten, um so mehr, als sie darauf neuerdings für lange Jahre haben warten müssen, oder wenn sie wenigstens darüber Klarheit zu erhalten suchen, ob, wenn der Bund Käufer der Nordostbahn würde, die rechtliche Natur des Moratoriumsvertrages dadurch beeiaflußt werden könnte, mit andern Worten: Tritt der Bund in die privatrechtliche Succession der Nordostbahn ein, oder wie anders gedenkt
er sich zu verpflichten ?

Der Gedanke des Rückkaufs der Nordostbahn führt aber noch weiter. Wir stellen uns vor, daß der Bund nicht deßhalb an den Erwerb der Nordostbahn denkt, um ein Experiment zu machen, ein Experiment, von dessen Erfolg auch der Rückkauf der übri-

988 gen fünf schweizerischen Eisenbahnnetze abhängig wäre. Wir können uns auch weiter vorstellen, daß es sieh nicht bloß um ein solches Experiment handle, sondern daß gleichzeitig mit dem Projekte der Erwerbung der Nordostbahn vom Bundesrathe schon der Plan ausgearbeitet sei für den Staatsbetrieb der sämmtlichen Schweiz.

Bahnen, für den gesammten Rückkauf. Die Vermuthung, daß das Letztere der Fall sei, ist, wie ich glaube, die allgemeine. Trifft sie zu, dann ist zu begreifen, daß die Eisenbahnpolitik des Ostens und Westens unseres Landes von diesen Landestheilen noch nicht als eine abgeschlossene betrachtet wird, und daß es sich beim Gesammtrückkauf also darum handeln würde, die örtlichen Interessen der verschiedenen Landesgeçenden in's Gleichgewicht zu setzen.

"3^ Schließlich, meine Herren ! sind es die konstitutionellen Formen, welche in der öffentlichen Besprechung eine Rolle spielen.

Man möchte sich eine Vorstellung davon machen, welche Stellung der Staatsbetrieb der schweizerischen Bahnen in dem Systeme des schweizerischen Staatsrechts einzunehmen hätte, und man fragt sich nach dem Wege, wie der Rückkauf rechtlich vollzogen werden könne. Ihnen Allen ist bekannt, daß erst im Jahre 1898 die Frist wiederkehrt, \vo wir die Hauptstämme der schweizerischen Bahnen in den Besitz des Bundes bringen können, indem wir die betreffenden Konzessionen kündigen, welche Kündigung nicht früher als im Jahre 1902 wirksam wird. Wird der Rückkauf nun mittlerweile bewerkstelligt, so kann es nur geschehen durch das Instrument des Vertrages oder der Expropriation. Welche Gesetzesformeu sind hiebei zu beobachten? Denn es ist nicht anzunehmen, daß große politische Akte, wie dieser, daß Finanzoperationen von solchem Umfange einfach auf dem Bndgetwege erledigt werden könneu.

Von solcher Art, Herr Präsident, meine Herren! sind die Gedanken, welche zu dieser Interpellation geführt haben. Wir hoffen, daß die Beantwortung derselben die Wirkung übe, das Wirrsal der Meinungen aufzuheben, alles Persönliche aus der Tagespresse zurückzudrängen und an dessen Stelle nur die Betrachtung der Sache selbst und die patriotische Erwägung zu setzen. Indem sirh die Interpellanten einzig von dieser Absicht geleitet erklären, bitten sie den Herrn Vertreter des Bundesrathes, zur Beantwortung der Interpellation das Wort nehmen zu wollen.
Herr W e l t i , Vorsteher des Eisenbahndepartements, Berichterstatter des Bundesrathes. Herr Präsident, meine Herren ! Die Antwort, welche ich Ihnen zu ertheilen habe, ist sachlich vom Bundesrathe festgestellt worden. Meine Aufgabe ist nur die, dem

989 Beschlüsse des Bundesrathes durch das, was ich Ihnen vorzutragen die Ehre haben werde, Form zu geben.

Meine Herren! Ich beginne vorerst mit einer Frage, die von dem Herrn Interpellanten in Bezug auf die juristische Form, wie er sich ausgedrückt hat, der Erwerbung der Nordostbahn ausgesprochen worden ist. Nach den Konzessionen, welche für die Nordostbahn in Betracht kommen, würde der konzessionsgemäße Rückkauf erst im Jahr 1903 stattfinden. Es kann sich also im vorliegenden Falle nur um einen Rückkauf auf dem Wege des Vertrages handeln, d. h. um einen solchen Rückkauf, zu welchem sowohl die Nordostbahn als der Bund einwilligen müssen.

Meine Herren ! Die nächste Veranlaßung, welche uns dazu führte, einen solchen Vertrag der Nordosthahn vorzusehlagen, waren die Moratoriumslinien. Ich sage, die nächste Veranlaßung, nicht der Grund. Als die Aufgabe an den Bundesrath herantrat, in Bezug auf die Moratoriumslinien denjenigen Entscheid zu fällen, welcher ihm durch den Bundesbeschluß vom 14. Februar 1878 übertragen wurde, fand er nach reiflicher Erwägung, daß diese Angelegenheit in angemessener, den Interessen der betreffenden Landesgegenden, wie der gesammteri Eidgenossenschaft andienender Weise nur dann geordnet werden könne, wenn der Bund die Nordostbahn erwerbe. Es ist hier offenbar in dem engen Rahmen einer begrenzten Interpellation nicht am Platze, auf die Ausführung dieses Gedankens weiter einzutreten. Der Bund nahm Veranlaßung, die Nordostbahn anzufragen, ob sie bereit sei zu Verhandlungen über den Rückkauf ihrer Bahn. Die Gründe, welche wir hiefür hatten, sind allgemeiner Natur, und ich denke, es liege auch im Sinne der Herren Interpellanten, daß dieselben der hohen Versammlung erst dann unterbreitet werden, wenn wir im Falle sein werden, was noch keineswegs entschieden ist, Ihnen einen Kaufvertrag zur Ratifikation vorzulegen.

Meine Herren! Ich will nunmehr historisch alle diejenigen Hauptpunkte der Unterhandlungen durchgehen, welche die öffentliche Meinung sowohl als Sie beschäftigt haben, und von denen wir dringend wünschen müssen, daß darüber das gehörige Licht verbreitet werde. Wir sind nicht im Falle, in dieser Angelegenheit in irgend einer Weise auf Diskretion Anspruch zu machen, sondern befinden uns in der glücklichen Lage, Ihnen Alles und Jedes mittheilen zu können, was bis heute
verhandelt worden ist, ohne irgend welche Ausnahme.

Auf die erwähnte Anfrage erklärte sich die Nordostbahn zu Verhandlungen über den Rückkauf bereit. Bei der ersten Besprechung,

990 welche am 13. November vorigen Jahrps statt hatte, erklärte der Vorsitzende der bundesräthlichen Delegation, daß diese Unterhandlungen von Seite des Bundesrathes unter einem doppelten Vorbehalt eingeleitet werden ; der eine, auf die Nordostbahn bezügliche, gehe dahin, daß während der Unterhandlungen der status quo des Vermögens der Nordostbahn im großen Ganzen erhalten bleibe. Wir wollten nicht über den Kauf eines Hauses in Unterhandlung treten, das möglicherweise während der Unterhandlungen umgebaut würde.

Unserseits verpflichteten wir uns dagegen, den Entscheid, welcher über die Moratoriumslinien damals noch zu treffen war, bis zum Schluß der Unterhandlungen aufzuschieben. Dieser Vorbehalt hatte den Sinn, daß wir jeden Schein vermeiden wollten, alt sei durch den Entscheid des Bundesrathes über die Moratoriumslinien auf die Nordostbahn bei diesen Verhandlungen irgend ein Druck ausgeübt worden.

Das waren die beiden Vorbehalte. Nach deren Natur konnte es sich keineswegs darum handeln, den einen oder andern Theil zu verpflichten. Der Sinn war vielmehr der, daß der Rücktritt des einen Theils vom Vorbehalt auch den andern Theil entbinde. Ich trete auf diese .Verhältnisse deshalb in genauer Weise ein, weil sie zum Gegenstand von unbegründeten Vorwürfen gegen den Bundesrath gemacht worden sind.

Das war der eine Punkt. Der andere Punkt betraf die Art und den Gang der Verhandlungen. Es machte der Bundesrath den Vorschlag, neben den eigentlichen Kaufsverhandlungen mit der Nordostbahn gleichzeitig auch über die Ordnung und Regelung der Moratoriumsverhältnisse mit den Interessirten selbst zu unterhandeln.

Die Nordostbahndelegation erwiderte hierauf des Bestimmtesten, daß die Angelegenheit der Moratoriumslinien vor Allem aus vollständig erledigt und liquidirt sein müsse, bevor Unterhandlungen über den Ankauf der Nordostbahn und über den Preis derselben stattfinden können, und es weigerte sich die Nordostbahn förmlich, vorher über den Preis mit dem Bundesrath in Unterhandlungen MI treten. Wir waren Kontrahenten; ein Zwang unsererseits war nicht beabsichtigt und von vornherein ausgeschlossen, wir mußten uns daher bequemen, diesen Gang der Unterhandlungen einzuschlagen.

Es nahmen also sofort die Unterhandlungen mit den Moratoriumskomites ihren Anfang, und zwar in dem gleichen Sinne, wie dieselben schon
früher, im Jahr '1883, betrieben worden waren zu dem Zwecke, zwischen der Nordostbahn und den betreffenden Interessenten,einen Vergleich über den Bau dieser Linien herbeizuführen. Diese Unterhandlungen hatten kaum begonnen, O O i als uns am 1. Dezember die

991 Nordostbahn die Anzeige machte, es sei ihr von der Kreditanstalt in Zürich der Antrag gemacht worden, die sämmtlichen Anleihen der Nordosttmhn im Betrage von 87 Millionen -- nämlich sämmtliche, soweit sie nicht bereits konvertirt waren -- zur Konversion zu bringen. Mit Rücksicht auf den Vorbehalt, welcher bei Beginn der Unterhandlungen von Seite des ßundesrathes gemacht worden sei, wünsche die Nordostbahn die Ansicht des letztern zu kennen. Unsere Antwort konnte nicht zweifelhaft sein. Wir erklärten der Nordostbahn, daß die Konversion der Anleihen den Vorbehalt hinfällig mache, den wir beim Beginn der Unterhandlungen gemacht haben, daß wir deßhalb diese Konversion nicht wünschen, da sie dem Bunde nachtheilig sei. Diese Konversion hätte zur Folge, daß die Zinse der Nordostbahn um rund 500,000 Franken vermindert, resp. der Kaufpreis um den entsprechenden Kapitalwerth vermehrt würde. Es war das aber nicht der einzige Nachtheil, ein weiterer lag noch darin, daß das konvertirte Anleihen während 10 Jahren nicht kündbar und dadurch dem Bunde beim Erwerb der Bahn die Möglichkeit benommen wäre, noch bessere Bedingungen zu erhalten, was namentlich nach dem daunzumaligen und vielleicht auch nach dem heutigen Geldmarkte möglich gewesen wäre. Auf diese Vorstellung antwortete die Nordostbahn, daß sie, namentlich auch mit Rücksicht auf den zu Anfang der Unterhandlungen gemachten Vorbehalt, auf die Konversion verzichte, sich aber das Recht vorbehalte, später auf dieselbe zurückzukommen, ein Recht, das wir ihr, wie ich schon auseinandergesetzt habe, nicht bestritlen haben. In gleicher Weise lehute der Bundesrath es ab, auf eine modifizirte Konversion einzutreten, welche später zur Sprache kam. Auch hierauf erwiderte die Nordostbahn, daß sie auf die Konversion verzichte, wesentlich mit Rücksicht auf unsern Vorbehalt.

Die Verhandlungen mit den Moratoriumslinien nahmen unterdessen ihren Fortgang, bis am 16. Mai dieses Jahres uns die Nordostbahn die Mittheilung machte, daß sie nunmehr die Konversion ihrer sämmtlichen Anleihen beschlossen habe. Von einer Anfrage in dem Sinne, was der Bundesrath dazu sage, war nicht mehr die Rede, und ebenso wenig von dem Vorbehalte, der bis jetzt berücksichtigt worden war. Es begnügte sich die Nordostbahn damit, uns zu erklären: ,,Wir wollten nicht ermangeln, die bundesräthliclie
Delegation hievon in Kenntnili zu setzen11. Damit war diose Sache abgethau, und wir mußten sie als abgethan betrachten, indem uns, -vie gesagt, ein Recht nicht zur Seite stand, um gegen die Konversion aufzutreten.

Allerdings wurden wir auch von unserem eigenen Vorbehalte frei, und es war nun der Bundesrath genöthigt, auf den Entscheid über

992 die Moratorien einzutreten. Dieser Entscheid war schon zu Beginn des Jahres 1886 fällig geworden. Durch die Vorgänge, welche ich Ihnen eben geschildert, habe, war die Möglichkeit des Rückkaufes wesentlich in die Ferne gerückt, und wir waren deßhalb nicht berechtigt, diese Angelegenheit der Moratoriumslinien länger und auf unbestimmte Zeit hinauszuschieben. Es erfolgte daher am 23. Juni 1887 der Entscheid des Bundesrathes in dieser Angelegenheit und zwar in dein Sinn,> daß die Nordostbahn als hinlänglich erstarkt O erklärt wurde, um ihren Verbindlichkeiten nachzukommen. Arn gleichen Tage erließ der Bundesrath einen zweiten Bescheid, welcher wesentlich auf folgende Verhältnisse sich stützt. In der Darstellung der finanziellen Folgen der Moratoriumslinien wurde von der Nordostbahn dem Bundesrathe gegenüber der finanzielle Nachtheil der Erstellung und des Betriebes der Moratoriumslinien für das gestimmt u Unternehmen auf jährlich 2 1/2 Millionen Frankenangeschlagen. Die Baukosten d e r Moratoriumslinien waren damals a u f 3 8 um diese Summe hätte nicht nur keinen Gegenwerth in dem Bau der Linien gefunden, sondern einen jährlichen Verlust v o n 2 1/2j Millionen Franken verursacht. Und darum hielten wir es für unsere Pflicht, der Nordostbahn zu erklären, daß die Moratoriumslinien keineswegs aus neuen Schuldgeldern, sondern vor Allem aus den jährlichen Erträgnissen der Bahn zu erstellen seien, wobei immerhin vorbehalten werde, daß unter Umständen auch noch neue Obligationenschuldekontrahirrt werden könnten.

Es können hier, da diese Fragen heute nicht aktuell sind, diejenigen Schritte füglich Übergängen werden, welche von Seiten der Nordosthahngesellschaft gegen diesen Entscheid des Bundesrathes gethan worden sind; dagegen erscheinen folgende Betrachtungen noth wendig.

Wie ich Ihnen sagte, erklärte die Nordostbahn auf eine sehr einläßliche Untersuchung hin, welche sie im Jahre 1885 vorgenommen hatte, daß der jährliche Verlust des Betriebes der Moratoriumslinien mindestens 2 Va Millionen Franken betrage.. Es ist einleuchtend, daß von diesem Verhältniß der Werth der Nordostbahn, resp. der Werth der Aktien, im allerhöchsten Grade abhängig ist, und es ist meine Pflicht --.namentlich auch der speziellen Forderung gegenüber, welche von Seiten des Herrn Interpellanten aufgestellte worden ist -- mich hierüber
näher zu erklären.

Wenn die künftigen Reineinnahmen dei- Nordostbahn, wie dies in einer neuesten Schrift eines Mitgliedes des Verwaltungsrathes dieser Bahn geschehen ist, auf jährlich 3'/2 Millionen Franken angesetzt werden und der Verlust nach der eigenen Behauptung der

993 Nordostbiihndirektion 2 Va Millionen Franken beträgt, so bleiben zur Verfügung der Aktionäre noch eine Million Franken. Nach den Statuten und der finanziellen Organisation der Nordostbahn hätten von dieser Million die Prioritätsaktien die Summe von Fr. 6(50,000 zu beziehen, so daß also für die Stammaktionäre noch ein Betrag von Fr. 340,000 übrig bleibt, was auf die einzelne Aktie nicht einmal ein Prozent ergibt. Dies also ist das Ergebniß, wenn auf Grund der eigenen Angaben der Nordostbahndirektion der Werth der Aktien berechnet wird.

Meine Herren ! Ich überspringe einige Monate und komme auf die allerneueste Zeit zu sprechen, und zwar auf eine Veröffentlichung, welche hier in Frage kommen muß, weil sie nicht bloß aus den Kreisen der Nordostbahn hervorgeht, sondern von einem hervorragenden Mitgliede des Verwaltungsrathes herrührt, das, ich kann das wohl sagen, wie keines mit den Verhältnissen -- den finanziellen sowohl, als auch den übrigen -- der Verwaltung vertraut ist. Entgegen der Rechnung, die ich Ihnen soeben aufgestellt habe und deren Daten und Elemente uns von der Nordostbahndirektion geliefert worden sind, findet diese neue Publikation, daß für die Zukunft der eigentliche und reelle Ertrag der Nordostbahnaktien 6,78 °/o betragen werde. Während die Nordostbahndirektion erklärt, der Verlust betrage 2 lh Millionen Franken jährlieh, wird durch diesen Experten der Verlust plötzlich in einen Gewinn der Aktionäre umgewandelt, der zu einer Rendite von 6,73 °/o führt.

Daß es unter diesen Umständen schwierig, ja unmöglich ist, den eigentlichen Werth der Nordostbahn zu bestimmen, wenn man auf ihren eigenen Daten und Angaben fußen will, bedarf keines weitern Nachweises, und es ist anderseits sehr begreiflich, wenn im Publikum die widersprechendsten Ansichten hierüber bestehen, und wenn die Thatsachen, welche ich nannte, je nach der Parteistellung und nach der Stellung der Interessen gebraucht und noch viel öfter mißbraucht werden.

Meine Herren ! Ich habe dieses Verhältniß namentlich deßhalb hervorgehoben, weil es nicht an Leuten fehlte, welche behaupteten, daß diese Unsicherheit in der Preisbestimmung der Aktien der Nordostbahn in dem Verhalten der Bundesbehörden ihren Grund finde. Es ist uns vorgeworfen worden, wir hätten die Veranlaßung dazu gegeben, daß diese Schwankungen eingetreten seien,
durch unsere eigenen Schätzungen, unsere eigenen Erklärungen und unsere eigenen Indiskretionen. Ich habe Ihnen hierüber die folgende bestimmte und formelle Erklärung abzugeben : Die besprochenen Schätzungen des Werthes der Nordostbahn und ihrer Aktien sind das Ergebniß der eigenen Behauptungen der Nordostbahn. Der

994 Bundesrath hat diese Behauptungen nie zu den seinigen gemacht und thut es auch heute nicht. Er hat überhaupt nie einen Preis festgesetzt oder auch nur sich darüber schlüssig gemacht, und ebenso wenig ist dies durch seine Kommission oder das Eisenbahndepartement geschehen. Alle gegenteiligen Behauptungen sind unrichtig und es muß das Departement seine in dieser Beziehung wiederholt abgegebenen öffentlichen Erklärungen wiederholen. Diese Erklärung geben wir hier nochmals fest und bestimmt und weisen alle gegenteiligen Behauptungen und alle Folgerungen, welche man daraus hat ziehen wollen, mit aller Entschiedenheit zurück. Bei diesem Anlaße kann ich nicht umhin, auch das Departement des Eisenbahnwesens im Allgemeinen, abgesehen von meiner Person, des Bestimmtesten gegen die Anschuldigungen in Schutz zu nehmen, welche auch gegen einzelne Beamtete dieses Departements erhoben worden sind und welche meiner innigen Ueberzeugung nach ebenso wenig irgend einen Grund haben, als die gegen das Departement, die bundesräthliche Kommission und den Bundesrath erhobenen.

Aus den Angaben der Nordostbahn selbst also ergibt sich keine richtige Schätzung des Werthes dieser Bahn. Man muß denselben deßhalb anderswo suchen, und wir werden Gelegenheit haben, nachher darauf zurückzukommen. Vorher berühre ich hier zur Aufklärung der öffentlichen Meinung noch einen weitern Punkt, der eine spezielle Seite der Rechnung der Nordostbahn betrifft.

Die Nordostbahn ist infolge des Rechnungsgesetzes vom Jahre 1883 verhalten worden, eine Summe von 25 Millionen Franken, welche in ihren Aktiven der Bilanz figurirten und welche dem Gesetze gegenüber als non valeur betrachtet wurden, zu ersetzen resp. zu amortisiren. Diese Amortisation geschieht in der Weise, daß die Nordostbahn während 21 Jahren jährlich die Summe von Fr. 1,040,000 zu be/.ahlen hat. Hernach hört die Zahlung auf und in jenem Momente treten dann die Aktionäre in den Genuß des Ergebnisses der Amortisation und es ist nicht zu bestreiten, daß dannzumal der Werth der Nordostbahnaktien wesentlich vermehrt sein wird. So lange dieser Genuß erst in entfernter Zeit, erst in 21 Jahren, erwartet werden kann, muß dieser Aufschub selbstverständlich auch in dem Werthe der Aktien seinen Ausdruck finden.

Sobald aber von einem Ankauf der Bahn durch den Bund die Rede ist, muß umgekehrt
wieder jener Werth, auf den heutigen Tag berechnet, im Kaufpreis seine Berücksichtigung finden. Es ist daher sehr einleuchtend, daß der Tageskurs und der Kaufpreis nicht miteinander in Vergleichung gezogen werden können.

Ich glaubte, auf diesen Punkt zur Aufklärung hinweisen zu sollen, und komme, nach Darstellung des historischen Verlaufs der Sache,

995 wieder auf die Moratoriumslinien zu sprechen. Der Bundesrath darf sich das Zeugniß geben, daß .er schon im Jahre 1883 und wiederum im Laufe dieses Jahres sich alle Mühe gegeben hat, diese Verhältnisse zu liquidiren. In dieser Frage der Moratorien liegt ein hauptsächliches Moment für die Werthbestimmung der Nordostbahn. Alle andern Elemente sind völlig liquid, und es können in Bezug auf die übrigen Verhältnisse nur sehr untergeordnete Punkte in Frage kommen. Die Hauptfrage wird darin bestehen: Welches sind die Baukosten der Moratoriumslinien und welche Folgen knüpfen sich an ihren Betrieb? Die Nordostbahn hat bei den Verhandlungen, welche in dieser Beziehung im Jahre 1883, sowie in diesem Jahre gepflogen worden sind, es sich zur Aufgabe gemacht, diese Moratoriumsverpflichtungen so viel als möglich zu beschränken, und es ist diese Tendenz noch bis in die allerneueste Zeit vorwaltend gewesen. Erst in allerletzter Zeit hat die Nordostbahn es für gut gefunden, in dieser Beziehung eine andere Stellung einzunehmen, von der Behauptung ausgehend, daß diese Linien nicht den Nachtheil für die gesammte Bahn ausüben, wie er bis anhin angenommen worden sei, und daß die Nordostbahn sich verpflichten wolle, in dieser Beziehung die sämmtlichen Verträge bis auf den letzten Nagel zu erfüllen.

Meine Herren ! Ich will auf die Motive dieses Verhaltens nicht näher eintreten, sondern zur Beantwortung der Frage des Herrn Interpellanten übergehen, wie sich der Bund den Uebergang dieser sogenannten Moratoriumsverpflichtungen auf den Bund denke. Ich muß hier übrigens die Erklärung vorausschicken, daß der Bundesrath sich mit dieser Frage nicht befaßt hat, da er aus dem Wortlaute der Interpellation schließen mußte, daß sie sich lediglich auf den Stand der Unterhandlungen, nicht aber auf Zweck, Erfolg und künftige Wirkung eines allfälligen Ankaufes beziehen werde. Nichtsdestoweniger will ich wenigstens die Meinung der Kommission dea Bundesrathes und meine eigene aussprechen. Es geht dieselbe dahin, daß mit der Erwerbung der Nordostbahn durch den Bund auch die sämmtlichen^mvatrechtlichen Verbindlichkeiten übergehen, aber selbstverständlich nur in ihrem jetzigen Rechtsbestand. Mit andern Worten: Die Uebernahme von privatrechtlichen Verbindlichkeiten kann nur unter dem Vorbehalt der Hoheitsrechte des Bundes geschehen, soweit
die Erfüllung jener Verpflichtungen durch diese Rechte bedingt ist. Durch diese staatliche Hoheit sind die Bauverträge über die Moratoriumslinien jetzt schon, vor dem Verkauf und ohne denselben, bedingt, insofern sie an die Konzession des Staates gebunden sind. Diese Behauptung hat nun aber keineswegs die Bedeutung, daß der Bundesrath von der Absicht

996 ausginge, die Verpflichtungen aus jenen Verträgen auf die Seite zu setzen. Wenn ein solcher Antrag gestellt würde, wäre der Bundesrath der Erste, demselben entgegenzutreten. Es ist aber unbestreitbar, daß der Bund kraft seines Hoheitsrechtes es unter keinen Umständen zugeben kann, daß auf dem Wege des PrivatvertrHgus das schweizerische Eisenhahnwesen geordnet und geregelt und in's Leben geführt werde. Eine Bahn kann in der Schweiz nur gebaut und betrieben werden, wenn dazu die Erlaubniß der Bundeshehörden ertheilt ist, wenn eine Konzession vorliegt, in welcher der Bund sich über alle materiellen Verhältnisse der Bahn, sowie über ihre Betriebsweise ausspricht. Würde die gegenteilige Ansicht Platz greifen, daß bloße Privatverträge über den Bau einer Eisenbahn auch für den Bund Geltung hätten, so wäre selbstverständlich die Hoheit des Bundes vernichtet. Es gäbe keine Konzessionen mehr und es würde in der Schweiz nicht bloß der Privatbau stattfinden, sondern die Anarchie im Eisenbahnwesen eintreten. Dies ist der oberste Grundsatz, der in dieser Sache gilt, und ich glaube, es müssen die Bundesbehörden unter allen Umständen daran festhalten, daß derselbe in seinem ganzen Umfange anerkannt werde.

Meine Herren ! In Bezug auf die Moratoriumslinien kommen aber neben diesem obersten Grundsatze besondere und eigenthümliche Verhältnisse in Betracht, welche es dem Bunde nicht erlauben, die Verträge über die Moratoriumslinien, auch wenn er es in seinem Interesse fände, kurzweg als unverbindlich und hinfällig zu erklären. Im Jahre 1878 hat sich die Bundesversammlung in einer Weise mit der Angelegenheit der Moratoriumsverträge befaßt, welche sie heute zwingt, in anderer Weise vorzugehen. Wir haben damals, im Jahre 1878, auf ihr dringendes Ansuchen die Nordostbahn dadurch vor dem drohenden Konkurse gerettet, daß wir ihr eine Frist von acht Jahren gestatteten, um ihre Vertragspflichten zu erfüllen. Wir haben also in einer Weise in dieser Angelegenheit intervenirt, welche uns verpflichtet, die Landes- und Verkehrsinteressen derjenigen Landesgegenden, welche jene Verträge abgeschlossen haben, zu schützen. Aber auf der andern Seite sehließt dieser Umstand selbstverständlich die Befu&niß des Bundes nicht aus, die Moratorium simien in der Weise zu gestalten, wie e r es den Verkehrsinteressen jener Landesgegenden in
Wirklichkeit angemessen erachtet. Wenn der Bund findet, es sei jenen Verkehrsinteressen durch die Modifikation der Verträge besser gedient, als durch strikte und wörtliche Ausführung derselben, so übt er damit ein unveräußerliches Recht aus. Ich glaube, es dürfte das die Antwort auf die Frage sein, welche vom Herrn Interpellanten in Bezug auf die Uebernahme dieser Horatoriumsverpfliehtungen gestellt worden ist.

997 Wie gesagt, hatten die Bemühungen des Bundesrathes, die Angelegenheit auf friedlichem Wege zu erledigen, keinen Erfolg, und da die Nordostbahn von vornherein erklärt hatte, sie verhandle über den Rückkauf nur, wenn diese Angelegenheit geordnet sei, so trat auch in den Verhandlungen zwischen uns ein Stillstand ein, ohne daß dieselben förmlich von Seite des Bundesrathes oder der Nordostbahn abgebrochen worden wären, und es schleppte sich die Sache so hin bis Mitte November. In diesem Zeitpunkte trat eine Wandlung ein. Bin Aktionär der Nordostbahn erschien bei der bundesräthlichen Delegation -- und zwar ungerufen, aus freien Stücken -- und erklärte derselben, er sei in der Lage, über eine bedeutende Anzahl von Nordostbahnaktien und in nächster Zukunft über das absolute Mehr sämmtlicher Aktien verfügen zu können, und stelle dem Bundesrathe diese Aktien zur Verfügung unter der Bedingung, daß ihm für die Prioritätsaktien ein Preis von Fr. 600 und für die Stammaktien ein solcher von Fr. 500 in 3 3 1/2 °/o eidgenössischen Obligationen bezahlt werde. Ich bin genöthigt, mich bei diesem Angebot und seinem ersten Auftreten einige Zeit aufzuhalten. Man hat es dem Bundesrath von verschiedener Seite u n d namentlich auch v o n Seite d e r Nordostbahnverwaltung o

irgend einer Weise dadurch zu verfehlen, daß wir diesen Aktionär nicht von vornherein mit seiner Offerte abgewiesen haben, wie dieß von anderer Seite erwartet wurde. Wir hatten dazu keinen Grund, namentlich auch keinen persönlichen, denn derselbe Aktionär hatte kurz vorher im Namen der Nordostbahn mit einzelneu Moratoriumslinien verhandelt, und es befindet sich ein betreffender Vertragsentwurf bei unsern Akten Das Unrecht würde also darin liegen, daß wir überhaupt auf den Kauf von Nordostbahnaktien eingegangen sind. Unserseits fanden wir keinen Grund, den Ankauf der Nordostbahn selbst als zulässig und denjenigen der Nordostbahnaktien als unzulässig zu halten. Im Gegentheil konnten wir es nur bedauern, daß wir nicht früher Gelegenheit hatten, diese Aktien, «'eiche uns angeboten wurden, anzukaufen. Wenn es dem Bundesrathe nicht verboten wäre, Aktien zu kauten, wenn wir überhaupt eine staatliche Organisation des Finanzwesens hätten, wenn eine Bundesbank bestünde, so wären wir in der angenehmen Lage gewesen, vielleicht schon vor zwei oder drei Jahren mit dem Ankauf von Nordostbahnaktien zu beginnen, um heute in dem Besitze der Mehrheit oder annähernd derselben zu sein und zwar zu einem Preise, der jedenfalls unter demjenigen stünde, der uns nun für die Aktien gefordert wird. Allein diese finanzielle Organisation der Eidgenossenschaft besteht nicht, und das Begehren Bundesblatt.

39. Jahrg. Bd. IV.

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998 einer Vollmacht seitens der Bundesbehördeu zum Ankauf von Nordostbahnaktien würde selbstverständlicli zum gegenteiligen Ziele geführt haben. Wir überlassen es in der Eidgenossenschaft den Privatbanken und den Spekulanten, die Eisenbahnpapiere zu erwerben, und wenn wir in der Lage sind, eine Bahn zurückkaufen /M wollen, sind diese Herren infolge unserer eigenen Organisation in den Vortheil gesetzt, daß das Sprichwort an uns währ werde, wir hätten der Katze den Schmeer ab'/.ukaufen.

Meine Herren ! Wir sahen uns aus diesen Gründen in keiner Weise veranlaßt, dieses Anerbieten von vornherein zurückzuweisen, sondern wir haben es entgegengenommen, allerdings in der Weise, daß wir erklärten, der Bundesrath behalte sich das volle Recht vor, dieses Anerbieten anzunehmen oder abzulehnen, welches Recht, er heute noch besitzt. Es ist eine von den vielen falschen Nachrichten, welche in der Presse kolportirt worden sind, dal.l sich der Rundesrath durch Annahme der Offerte gegenüber dem betreffenden Aktionär bereits osebunden habe.

Meine Herren! Das ist die eine Seite der Sache. Allein diese Angelegenheit hat noch eine andere und wesentlich bedenklichere Seite. Als uns dieses Anerbieten gemacht wurde, konnten wir uns eines Gefühls des Schmerzes nicht erwehren, von einer einzelnen Person die Nordostbahn der Eidgenossenschaft anbieten zu scheu.

Wer im Besitze der Mehrzahl der Aktien ist, kann dieselben nicht bloß uns. sondern jedem Dritten verkaufen. Wir wissen es heute nicht, an welcher Börse, in welchem Tempel des goldenen Kalbes in der Schweiz oder im Auslande die schweizerischen Bahnen morgen auf den Markt kommen. Es ist eine betrübende Erscheinung, hier erklären zu müssen, daß die Delegation des Bundesrathes bei Anlaß dieser Verhandlungen in Erfahrung gebracht hat, daß die schweizerische Nordostbahn, ebenso wie andere Bahnen, nicht mehr im Besitz der Aktiengesellschaften sind, sondern daß an die Stelle dieser Gesellschaften in Wahrheit wenige Personen getreten sind, welche 10-, 20-, 30,000 Aktien hinter i-ich haben und sie kommandiren. Die Organisation der Aktiengesellschaften ist ein Scheinbüd, in welchem der kleine Aktionär längst aufgehört hat, etwas zu bedeuten.

Dasselbe Verhältnis findet sich bei der Centralbahn, der Goühardbahn und den Westbahnen. Wie es mit der Union suisse bestellt: ist, ist
mir unbekannt; aber sehr wahrscheinlich sind die Verhältnisse dort dieselben wie bei der Nordostbahn.

Meine Herren ! Ich brauche es sicher vor dieser hohen Versammlung nicht auseinanderzusetzen, mit welchen Gefahren für das

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Land solche Zustände verbunden sind. Diese Gefahren sind nicht bloß wirthschaftlicher Natur, sie beziehen sich nicht bloß auf den Betrieb und den künftigen Bau der Eisenbahnen, sondern können unter Umständen auch einen politischen Charakter annehmen. Wer unsere Bahnen in den Händen von Spekulanten, von Börsenmännern und von großen Geldinstituten belassen will, hat keinen Sinn für die wichtigsten Interessen des Landes, und der Bundesrath hält es für seine Pflicht, mit allen Mitteln dahin zu wirken, daß die Aktien den Spekulanten aus den Händen genommen und dahin gebracht werden, wohin sie gehören, in die Hände des Landes. Es kommt rnir nicht in den Sinn, das formelle und materielle Recht, welches an den Besitz dieser Aktien geknüpft ist, zu bestreiten. Es kommt mir ebenso wenig in den Sinn, behaupten zu wollen, es dürfe der Staat irgend ein Zwangsmittel anwenden, um sich durch irgend einen Gewaltakt in den Besitz der Aktien und damit der Bahnen zu setzen. Aber sicher ist es die Aufgabe derjenigen, welche berufen sind, die Geschicke der Eidgenossenschaft zu leiten, Alles aufzubieten, um die bestehenden ungesunden und gefahrlichen Zustände zu beseitigen.

Grerade der Umstand, daß uns von einer einzelnen Person die Nordostbahn zum Kauf angeboten wurde, war ein Grund, dieses Anerbieten nicht von der Hand zu weisen, sondern dasselbe mindestens zur Prüfung entgegenzunehmen. Wollten wir zum Ziele gelangen, so mußten wir noch aus einem andern Grunde so verfahren. Um die gleiche Zeit, wo uns die Offerte gemacht wurde, beschloß der Verwaltungsrath der Nordostbahn, das Aktienkapital um 22,000 Aktien /,u erhöhen, und zwar zu dem Zwecke, um durch die Einzahlung dieses Kapitals die Mittel zum Bau der Moratoriumslinien zu finden. Die Nordostbahn knüpft daran die Hoffnung, daß sich auf diese Weise der Bau ausführen lasse, ohne Mittel der Gesellschaft in Anspruch zu nehmen und ohne hiefür die jährlichen Reinerträgnisse verwenden zu müssen. Es ist augenscheinlich, daß, wenn diese Hoffnung der Nordostbahn in Erfüllung geht, damit die Situation, welche schon durch die Konversion beim Beginn der Unterhandlungen verändert worden ist, vollends umgestaltet sein wird. Wenn durch Vermehrung des Aktienkapitals die jährlichen Reinerträgnisse der Bahn wieder frei werden, vermehrt sich dadurch im gleichen Verhältniß auch das
Interesse der Aktionäre und der Werth der Aktien.

Wenn wir aus diesen Thatsachen den Schluß ziehen, daß die Nordostbahn durch diese Vermehrung ihres Aktienkapitals den Willen bekundet habe, ihre Existenz fortzusetzen und keineswegs zu dem Rückkauf Hand zu bieten, so theilen Sie wohl ohne Anderes diese

Anschauung, und deßhalb hatten wir um so weniger Grumi, die Offerte des Aktionärs von vornherein von der Hand zu weisen indem aus nur auf diese Weise die Möglichkeit blieb, in der Sache unser Ziel zu erreichen. Es ist nämlich hier zu konstatir -- und es ist das ein Punkt, auf den ich mit dem Bundesrathe die grösste Wichtigkeit lege -- daß uns außer dem Anerbieten, das ich mehr lach genannt habe, kein weiteres Augebot von irgend einer Seite gemacht worden ist. Ich konstatire diese Thatsache gegenüber den unwahren Behauptungen, welche durch die Presse gelaufen sind, insbesondere gegen die Behauptung einer deutschen Zeitung, welche erklärte, es habe der Banquier Herr Eduard Hentsch von Paris dein Sprechenden -- oder der Kommission, ich kann das nicht genau behaupten -- die Offerte gemacht, dem Bunde die Nordostbahn zu dem Preise von Fr. 370 per Aktie zu verkaufen. Herr Eduard Hentsch von Paris, der Präsident der schweizerischen Eisenbahnbank hat allerdings mit den verschiedeneu Mitgliedern unserer Eisenbahnkom mission Besprechungen gepflogen, die sich aber keineswegs auf den Rückkauf der Bahn bezogen, sondern lediglich den Zweck hatten, uns zu erklären, es werde Herr Hentseh von sich aus oder durch das Mittel der Nordostbahn dem Bundesrathe über die Ordnung der Moratoriumslinien Vorschläge machen. Von einein Rückkauf der Nordostbahn war dabei nicht die Rede und also ebenso wenig von einem Preis. Es ist deßhalb nach meiner Meinung auch ausgeschlossen, daß bei der Nachricht, welche in jenem deutschen Blatte verbreitet wurde, irgend ein Irrthum obwaltete. Vielmehr darf mit Sicherheit angenommen werden, dass dieser Behauptung nichts Anderes gebührt, als die häßliche Bezeichnung einer Lüge. Ich wiederhole, Haß dem Bundesrathe keine anderen Offerten gemacht worden sind, als diejenigen, von denen ich Ihnen soeben gesprochen habe.

Die Aktienvermehrung, von der wir eben handelten, bringt mich, in Verbindung mit dem eben genannten Namen des Präsidenten der schweizerischen Eisenbahnbank, auf dieses Institut seihst. Ich würde den Kamen des Herrn Hentseh nicht hier hereingezogen haben, wenn nicht von Seite der Nordostbahn uns erklärt worden wäre, es sei dieselbe auf die Erhöhung des Aktienkapitals eingegangen ,,auf Veranlassung der schweizerischen Kreditanstalt und des mit unserer Unternehmung seit Jahren
befreundeten Herrn Hentsch". Meine Herren, diese Freundschaft datirt vom Jahre 1878. In diesem Jahre wurde die schweizerische Eisenbahnbank gegründet, in dem Momente, wo durch den mehrerwähnten Beschluß der Bundesversammlung die Nordostbahn vor dem Konkurse gerettet wurde. Die Eisen bahnbank ist so viel ich weiß, ein spezifisch schweizerisches Institut.

Ich glaube nicht, daß in irgend einem andern Lande eine Bisenbahn-

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bauk bestellt, und glücklich das Land, welches keine Eisenbahnbank braucht! Denn diese Eisenbahnbank qualifizirt sich als eia Eisenbahnspital für kranke Eisenbahnen, ein Spital, in dem namentlich die Operationen der niedern Chirurgie virtuos betrieben werden.

Die Verhandlungen, welche die Nordostbahn mit der Eisenbahn bank gepflogen hat, hatten einen Kursverlust an Aktien und Obligationen im Betrage von annähernd 18 Millionen Franken zur Folge, gage a c h t z e h n M i l l i o n e n F r a n k e n . Die Eisenbahnbank hat ihrerseits bei dieser Gelegenheit bessere Geschäfte gemacht, und zwar so gute, daß sie beschloß, ihr Zelt- auf einem neuen Punkte aufzuschlagen, wo es wiederum Kranke und Verwundete gibt. . Ich habe hei dieser Erklärung nicht die Verwaltung
ich wiederhole nochmals: es ist darf nicht die Schuld der Eisenbahnverwaltungen, sondern unserer Organisation des Eisenbahnwesens, zunächst des privaten Baues und Betriebes; denn davon ist keine Rede, daß, wenn der Staat den Bau un.d Betrieb au die Hand genommen hätte, er sich je dazu bequemt haben würde, Bedingungen einzugehen, welche zu jenen Konsequenzen geführt haben. Er hätte vielleicht nicht so viele Eisenbahnen gebaut; aber es ist die Frage, ob die wenigeren, weiche er sich wohlfeiler hätte verschaffen können, dein Laude nicht größere Dienste geleistet, hätten, als es gegenwärtig seitens der mehreren der Fall ist.

Die Finanzgeschichte unserer Bahnen ist eine traurige; die Wiederholung dessen, was wir
erlebt haben, wird erst ausgeschlossen sein, wenn der Staat die Bahnen besitzt.

Der Herr Interpellant stellt die Frage, ob der Bundesrath beabsichtige, neben der Nordostbahn auch noch andere oder alle Bahnen

1002 der Eidgenossenschaft zu erwerben. Ich muss auch hier erklären, dass der Bundesrath sich hierüber in seiner heutigen Sitzung nicht ausge-sprochen hat, hege aber nicht das mindeste Bedenken,gleichwohl!

im Namen des Bundesrathes es auszusprechen, daß unsere Idee bei den Unterhandlungen wegen Rückkaufs derNordostbahnn nicht dahin geht, die Unterhandlungen auf diese Bahn zu beschränken, sondern daß selbstverständlich successiv auch die übrigen Bahnen nacho folgen sollen.

Auch darüber glaube ich dem Herrn Interpellanten eine Ant-wort geben zu können, daß keineswegs die Meinung besteht, als ob nach dem Erwerb der Bahnen ein anderer Betrieb irgend welcher Art, als der Staatsbetrieb,Platz/ greifen dürfe.

Was die weitere Frage der finanziellen Organisation anbetrifft, so hat das Departement dem Bundesrathe besondere Vorlagen noch nicht gemacht und es sind in dieser Richtung die Vorarbeiten nicht so weit gediehen, wie es der Herr Interpellant anzunehmen scheint.

Speziell in Bezug auf die Nordostbahn ist zu bemerken, daß die Angebote, welche uns gemacht worden sind, dahin gehen, daß die, Aktien mit 3 Va prozentigen eidgenössischen Obligationen zu bezahlen seien, was somit die Aufnahme eines Anleihens aussehließen würde.

Ich füge dieser Bemerkung noch die weitere bei, daß die Offerte des Aktionärs, die dem Bundesrathe gemacht wurde, sofort auch der Nordostbahn mitgetheilt worden ist, mit der Einladung, wenn sie es wünsche, weitere Kaufsunterhandlungen mit uns zu pflegen.

Die Kordostbahn hat sich bereit gezeigt, die Verhandlungen wieder aufzunehmen, erklärte aber an der betreffenden Konferenz, daß sie sieh über den Preis nicht aussprechen wolle, und daß sie über denselben auch nicht verhandeln werde, weil dem Bundesrath von dritter Seite die Mehrzahl der Aktien angeboten worden sei. Sie war aber bereit, über alle andern Bedingungen mit dem Bundesrathe einen Vertrag zu entwerfen, und es sind diese Verhandlungen nun noch im Gange. Bei der gleichen Gelegenheit haben wir der Nordostbahn eröffnet, daß die Offerte des Aktienkaufes vom Bundesrath noch nicht angenommen sei, daß er dagegen seinerseits der Nordostbahn das Anerbieten mache, die Bahn in ihrem gesammten Soll und Haben und allen Zubehörd gegen den Preis von 450 Franken per Aktie zu übernehmen. Auf diese Offerte haben wir noch keine Antwort.

Ici:
denke nicht, daß es am Platze sei, diese Offerte heute vor Ihnen zu begründen. Wenn die weiteren Verhandlungen zu einem Ziele führen, wird erst der richtige Moment dazu gekommen sein ; in dem engen Rahmen einer Interpellation ist diese Ausführung un-

1003 möglich und auch unnütz. Ich glaube, es genügt, daß in dieser Beziehung die Summe genannt worden ist, welche von Seite des Bundesrathes der Nordostbahn angeboten wurde.

So glaube ich nun das Thema, der Interpellation erschöpft zu haben. Ich erkläre Ihnen hiemit, daß Ihnen mit diesen Eröffnungen der Gang und Verlauf der Unterhandlungen in allen ihren verschiedenen Phasen und in allen ihren Resultaten bekannt geworden ist. Wir haben weiter nichts zu sagen und auch nichts mehr zu thun, als die Verhandlungen nach beiden Seiten -- mit dem Aktionär und mit der Nordostbahn -- abzuschließen. Ich bin völlig außer Stande, Ihnen erklären zu können, ob nach der einen oder andern Seite ein Abschluß zu Stande kommen wird. Wir werden unsererseits nach den Prinzipien, welche ich Ihnen ausgesprochen habe, unbeirrt und unentwegt unsern Weg weiter gehen, und Ihnen das Resultat unserer Bemühungen s. Z. unterbreiten.

Entscheiden Sie darüber, meine Herren, so oder anders; wir begnügen uns mit der Zuversicht, daß Ihre Ziele nicht höher sein werden, als die unsern. Was wir erstreben, gilt dem Nutzen und Frommen des Vaterlandes.

Herr C u r t i . Herr Präsident, meine Herren! Ich danke dem Herrn Chef des Eisenbahndepartements und dem Bundesrath für die werthvollen Aufschlüsse, die uns ertheilt worden sind, und erkläre den Zweck der Interpellanten, die Ansichten des Bundesrathes in dieser Frage kennen zu lernen, als erreicht.

P r ä s i d e n t . Wird das Wort in dieser Angelegenheit weiter verlangt? -- Wenn nicht, so erkläre ich die Diskussion als geschlossen und diese Angelegenheit als erledigt.

Schluß der Sitzung um 5Va Uhr.

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Bundesrathsbeschluß betreffend die Kontrolirung der nach England bestimmten goldenen und silbernen Uhrgehäuse. (Vom 24. Dezember 1887.)

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1887

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56

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31.12.1887

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