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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Gesuch des Kantons Tessin um Bewilligung eines Bundesbeitrages für die Straße von Centovalli.

(Vom 15. November 1887.)

Tit.

Die Regierung des Kantons Tessin hat mit Schreiben vom 2. März 1886 um Bewilligung eines Bundesbeitrages für den Bau einer Straße im Centovalli nachgesucht. Diese würde bei Cavigliano von der nach Onsernone führenden Verbindungsstraße abzweigen und, bei Intragna in das Thal von Centovalli gelangend, letzteres bis an die italienische Grenze durchlaufen. Indem sie in der Fortsetzung auf dem jenseitige» Gebiete bis Domo d'Ossola führen würde, wäre damit die Straßen Verbindung zwischen Locamo und letztgenannten), an der Simplonlinie liegendem Orte hergestellt.

Die Regierung von Tessin glaubte hierin die Befriedigung eines wichtigen strategischen Interesses erblicken zu sollen und motivirte wesentlich damit ihr Subventionsgesuch.

Unser Militärdepartement sprach sich aber in dem von ihm eingeholten Gutachten ganz gegentheilig aus, und wir fanden uns dadurch veranlaßt, der Regierung zu erwidern, der Bundesrath könne die Ansicht nicht theilen, daß die Unterstützung des fraglichen Straßenbaues von Seite des Bundes sich aus militärischen Gründet! rechtfertige, und er müsse es daher ablehnen, auf das gestellte Gesuch einzutreten.

Die Regierung wiederholte dann aber letzteres mit Schreiben vom 5. Juni 1886 unter Einsendung einer von den Gemeinden

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Pallagnedra, Borgnone und Intragna an die eidg. Rallie gerichteten Petition.

Diese weist auf die abgeschiedene Lage der erstgenannten beiden Gemeinden zuhinterst im Thaïe und ohne andere Verbindung als einen, theilweise sogar gefährlichen Fußweg, sowie darauf hin, daß es ihnen bei einer Bevölkerung von bloß 880 Seelen und einem Vermögen von Fr. 571,900 nicht möglich sei, den, ohne Bundesbeitrag, auf sie fallenden Theil der Baukosten der Straße zu tragen. Dann hebt sie als einen großen Vortheil dieser letztem hervor, daß das stark bevölkerte und reiche italienische Thal von Vigezzo mit dem Kanton Tessin und der Gotthardbahn, wie dann auch letztere mit dem Simplon in Verbindung gesetzt würde.

Das Schreiben der Regierung bestätigt und unterstützt diese Petition angelegentlichst und glaubt sich versichert halten zu dürfen, daß der Bund der ungünstigen Lage der in Rede stehenden Thalschaft Rechnung tragen werde, was der Kanton über die 50 °/o der Kosten hinaus, welche er nach gesetzlicher Bestimmung bestreiten müsse, nicht zu thun vermöge.

Indem wir infolge dieser Wiederholung des Gesuches von Seite der Regierung von Tessin dasselbe den eidg. Käthen vorlegen, fügen wir über das den Gegenstand desselben bildende Straßenprojekt an der Hand der Vorlage der Regierung und des Berichtes des eidg. Oberbauinspektorates Folgendes bei : Das Schreiben der Regierung von Tessin vom 2. März 1886 verbreitet sich über die Schwierigkeiten, welche das Zustandekommen der seit Langem von der zu wenig mehr als 2000 Seelen angegebenen Bevölkerung angestrebten Straße bisher verhindert haben. Da die Thalsohle meist wenig oder keinen andern als den vom Bett der sie durchfließenden Melezza eingenommenen Raum bietet, muß die Straße durch den einen der beiden steil abfallenden, von vielen Wasserrinnen durchfurchten (woher der Name Centovalli) und vielfach felsigen Hänge geführt werden. Eine auf der linken Seite in der sogenannten Frana di Corcapolo, einer durch oberhalb der Straßenlinie stattfindende Bodenablösungen bedrohten Strecke von etwa 300 m. Länge, bestehende lokale Schwierigkeit gab dazu Veranlassung, das Projekt zuerst für die rechte Seite auszuarbeiten.

Man begegnete aber dort einer solchen, die Kosten in unzuläßiger Weise steigernden Summe von Bauschwierigkeiten, daß schließlich, zugleich mit Rücksicht darauf, daß die linke die Sonnenseite ist, dennoch diese gewählt wurde.

518 Hier ist noch zu erwähnen, daß laut letztgenanntem Schreiben die vom Kanton subventionirte Straße von Centovalli erst beim Dorfe Intragna beginnt und sich von dort bis zur Landesgrenze erstreckt, indem von Cavigliano bis Intragna eine, auf Seite des letztern Ortes zwar wegen großer Steilheit verbesserungsbedürftige Fahrstraße schon besteht. Wir glauben aus dieser Bemerkung der Regierung schließen zu sollen, daß, trotzdem auch für letzteres Stück ein Projekt der Vorlage beigefügt ist, das Subveritionsgesuch eigentlich doch nur auf erstgenannte, die Centovalli-Straße in engerm Sinne bedeutende Strecke, zu beziehen sei.

Diese Strecke erhält eine Länge von 9800 m. und sie ist devisirt: Baukosten Fr. 371,234. 60 Expropriationskosten ,, 28,765. 40 Projekt und Verwaltung .

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,, 20,000. -- Total Fr. 420,0007^was also ungefähr Fr. 43 für den Meter Straßenlänge ergibt. Die diesem Voranschlage zu Grunde gelegte Straßenbreite beträgt 4 m.

Die Kosten fallen, wie nach oben Gesagtem leicht begreiflich, zum weitaus größten Theile auf Felssprengung, Stütz- und Wandmauern, sowie Brücken und kleinere Wasserdurchlässe, woraus sich auch von selbst der hohe Betrag derselben erklärt.

Daß trotzdem das Projekt den Bodenverhältnissen angepaßt werden mußte, ist nicht minder selbstverständlich. Immerhin wurden das Befahren beeinträchtigende Kurven vermieden und das Längenprofil konnte, da das allgemeine Thalgefäll nicht sehr groß ist, so gestaltet werden, daß auf längeren Strecken Gefalle von ungefähr l % und bis 3 und 4 °/o bestehen, das auf bloß einer Strecke vorkommende Maximum aber 7,5 °/o beträgt.

Es darf somit wohl anerkannt werden, daß diese Straße ihren Zweck erfüllen wird, wenigstens abgesehen von der den Verkehr an der oben genannten Stelle bei Corcapolo bedrohenden Gefahr.

Es fragt sich aber, ob ihr damit diejenige Bedeutung zukomme, welche für den Anspruch auf Bundessubvention erforderlich ist.

Daß dieser Zweck kein anderer als der einer Thalstraße sei, so zwar, daß ohne das, allerdings sehr begründete, Verlangen der Bewohner von Centovalli nach einem bessern Verbindungsmittel keine genügende Veranlassung zum Bau derselben bestünde, steht wohl außer Zweifel. Zwar mag es auch für den herwärtigen Landestheil noch einen gewissen Vortheil mit sich bringen, daß das Vigezzothal nach dieser Seite eine Ausmündung erhält. Was dagegen die in den vorliegenden Eingaben hervorgehobenen weitern

519 Verkehrsbeziehungen betrifft, so vermögen wir denselben eine allgemeine Bedeutung im Sinne von Art. 23 der Bundesverfassung nicht beizumessen. Daß dies namentlich in militärischer Beziehung gilt, haben wir schon erwähnt und wir wiederholen es Angesichts der Anrufung des Art. 2 der Bundesverfassung in der Petition der Gemeinden von Centovalli.

Nun mag es sein, daß auch schon Bundesbeiträge für Straßen bewilligt worden sind, deren allgemeine Bedeutung für den Verkehr zweifelhaft sein konnte. Dann bestund aber doch in größerm oder geringeren Maße ein militärisches Interesse; dieser Kategorie dürften beispielsweise die betreffenden Straßenstreekeu am Thunerund Vierwaldstättersee angehören. Im vorliegenden Falle fehlt aber der in diesem Interesse liegende Ausgleich vollständig, und wir finden, es stelle sich, selbst wenn in der Anlage nichts positiv Gefährdendes erblickt werden wollte, die Frage immerhin so, ob, trotz des absoluten Mangels eines militärischen Interesses, einer Straße, welcher nach Lage und Bestimmung keine andere Bedeutung als die des Kommunikationsmittels für eine Thalschaft von 2000 Einwohnern zukommt, auf Grund der genannten Verfassungsbestimmung ein Bundesbeitrag zugewendet werden könne. Daran sehließt sich aber von selbst die weitere Frage, ob nach einem solchen Vorgange nicht für jede andere Straße des gleichen bloß lokalen Charakters das nämliche Zugeständniß gemacht werden müßte.

Wir finden, daß diese letztere Frage zu bejahen sei, indem damit zugestanden wäre, daß der Bund bloße Verbindungsstraßen im Innern der Kantone zu Subventioniren habe.

Wir vermögen aber der betreffenden Bestimmung der Bundesverfassung diesen Sinn nicht beizulegen und können daher auch das vorliegende Gesuch von Tessin nicht unterstützen. Demgemäß erlauben wir uns, Ihnen den nachfolgenden Beschlußentwurf zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 15. November 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Bingier.

520 (Entwurf)

Bundesbschluss betreffend

das Gesuch des Kantons Tessin um Bewilligung eines Bundesbeitrages für die Straße von Centovalli.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1) von zwei Schreiben der Regierung des Kantons Tessin, vom 2. März und 5. Juni 1886 : 2) einer Botschaft des Bundesrathes, vom 15. November 1887, beschließt: 1. Auf das Gesuch der Regierung von Tessin betreifend einen Bundesbeitrag für die Straße von Centovalli wird nicht eingetreten.

2. Der Bundesrath ist mit Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend das Gesuch des Kantons Tessin um Bewilligung eines Bundesbeitrages für die Straße von Centovalli. (Vom 15. November 1887.)

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19.11.1887

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