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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs schweizerischer Tafelhonigfabrikanten gegen die Verordnung des Kantons Graubünden vom 31. Juli 1886, betreffend den Verkauf von Honig, wegen angeblicher Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 der Bundesverfassung).

(Vom 11. Jauuar 1887.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h hat in Sachen des Rekurses von schweizerischen Tafelhonigfabrikanten (10 Firmen), vertreten durch Herrn Advokat H. H a u s e r in Pfäffikon, Kantons Zürich, gegen die kleinräthliche Verordnung des Kantons Graubünden vom 31. Juli 1886, betreffend den Verkauf von Honig, wegen Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse : Hg e

A. Im Auftrag des Kleinen Rathes des Kantons Graubünden entwarf die Sanitätsbehörde des genannten Kantons im Jahre 1886 eine Verordnung gegen den Verkauf solcher Butter und solchen Honigs, welche, mit allerlei zum Theil gesundheitsschädlichen Surrogaten vermischt, unter Bezeichnungen in den Handel kommen, die geeignet sind, das Publikum über die eigentliche Natur der Waare zu täuschen. Der Kleine Rath genehmigte am 31. Juli 1886

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die vom Sanitätsrathe entworfene Verordnung und machte dieselbe im Amtsblatte des Kantons vom 6. August 1886 zu allgemeiner Nachachtung bekannt.

Die unmittelbare äußere Veranlassung zu dieser Verordnung hatte ein Kreisschreiben des Schweiz. Handels- und Landwirthschaftsdepartements vom 18. Februar 1886 gebildet, in welchem den Kantonsregierungen eine Eingabe des Vorstandes des ,,Vereins schweizerischer Bienenfreunde" an das eidgenössische Departement vom 10. Juli 1885, unterstützt durch die Direktion des ,,Schweiz.

landwirtschaftlichen Vereins" mittelst einer Zuschrift an das Departement vom 16. Juli 1885, zur Berücksichtigung empfohlen wurde.

Die erwähnte Eingabe an das Schweiz. Handels- und Landwirthschaftsdepartement schließt mit einer Reihe von Vorschlägen, von denen der erste lautet, wie folgt: ,,Es wolle der Bundesrath mittelst Kreisschreibens die Kantonsregierungen auf den vorwürfigen Gegenstand, beziehungsweise auf die Wünschbarkeit aufmerksam machen, daß in Betreff der Honigsurrogate eine scharfe gewerbepolizeiliche Kontrole ausgeübt werde und insbesondere die Deklaration der Fabrikate als Honig unzulässig sei."

B. Die kleinräthliche Verordnung des Kantons Graubünden vom 31. Juli 1886, betreffend den Verkauf von Butter und Speisefetten und von Honig, enthält in Hinsicht auf den Honig folgende Bestimmungen: ,,§ 4. Als ,,Honig" darf nur das reine, von den Bienen bereitete Naturprodukt verkauft werden u ,,§ 5. Die bisher unter dem Namen wie ,,Tafelhonig", ,,Schweizerhonig" u. s. w. im Handel gehenden Surrogate (meist aus Stärkezuckersyrup oder aus Mischungen von solchen mit geringem Honig bestehend) dürfen nur unter ihrem wahren Namen als ,,Syrup" u. s. w., nicht aber unter Bezeichnungen verkauft werden, in denen das Wort ,,Honig" vorkommt."

,,§ 6. Die Gefässe, in denen diese Produkte in den Verkaufslokalen aufbewahrt werden, sollen deutlich sichtbar als Aufschrift die wahren Namen, als "Syrupa u. s. w., tragen; diese Bezeichnung soll auch auf den betreffenden Fakturen und Prachtbriefen angewendet werden."

,,§ 7. Zuwiderhandlungen gegen diese Bestimmungen werden mit Geldbußen und eventuell auch mit Konfiskation der betreffenden Waaren bestraft, nach Maßgabe des § 12 des Gesetzes über die staatliche Kontrole von Lebens - und Genußmitteln vom 14. Juli 1881."

128 C. Mittelst einer Eingabe, datirt Pfäffikon (Zürich) im September 1886, hat Herr Advokat H. Hauser Namens nachbenannter Firmen (,,Tafelhonigtabrikanten") : 1. J. Kaufmann & Cie. in Wädensweil, 2. Peter-Graf (Hürlimann''s Nachfolger) in Rapperswyl, 3. Jakob Egli in Wolfikon (Wyl), 4. Bernet & Cie. in Rheineck, 5. Jos. Anton Baldegger in Oberutzwyl, 6. Karl Baldegger in Ganterswyl, 7. Johannes Egli in Flawyl, 8. Jakob Egli zur Säge in Flawyl, 9. Joseph Ginür in Außersihl, 10. Christian Singer Sohn's Wittwe in Zürich gegen die mehrerwähnte graubündnerische Verordnung wegen Beeinträchtigung der Handels- und Gewerbefreiheit beim Bundesrathe Beschwerde eingelegt.

Die Argumentation der Rekurrenten geht im Wesentlichen dahin : Es ergebe sich aus dem Tenor der der angefochtenen Verordnung beigegebenen amtlichen Bekanntmachung, sowie aus den Strafbestimmungen derselben (§ 7), daß sich die Verordnung auf die den Kantonen im Gebiet der Lebensmittelpolizei eingeräumten Befugnisse stütze. Demgemäß werde es sich zunächst fragen, ob der von den Rekurrenten fabrizirte Artikel (Tafelhonig) unter die gesundheitsschädlichen Lebens- und Genulämittel zu rechnen, eventuell ob dessen Fabrikation die Fälschung eines Lebensmittels in sich schließe und seinem Vertrieb die Absicht unredlicher Täuschung der Konsumenten zu Grunde liege.

Was die erste Frage anbetrifft, so sei im Jahr 1883 anläßlich der schweizerischen Landesausstellung in Zürich die Gesundheitssshädlichkeit des ,,Tafelhonigs'1 von den Bienenzüchtern selbst nicht behauptet, sondern in einer Petition von über 150 derselben bloß verlangt worden, daß die Bezeichnung ,,Tafelhonig" in ,,Kunsthonig"1 umgewandelt werde. Wenn heute eine gegentheilige Behauptung aufgestellt werden wolle, so berufen sich die Rekurrenten eventuell auf eine vom Bundesrath zu veranstaltende chemische Expertise, in erster Linie aber auf die Ausführungen des Herrn Dr. Schutnacher-Kopp von Luzern in seinem Bericht über Gruppe 25 der schweizerischen Landesausstellung (Nahrungs- und Genußmittel, III. Konserven"), sodann auf eine Erklärung der Ortsgesundheitskotnmission Oberutzwyl vom 15. Juni 1878 und auf ein Reskript der zürcherischen Sanitätsdirektion vom 29. Mai 1883 an die Ge-

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liegen bei den Aktem.)

(Sämmtliohe drei Belegstücke

Ebensowenig wie von Gesundheitsschädlichkeit könne von einer Fälschung die Rede sein. Der Fälschung liege eine betrügliche, auf materielle Benachteiligung der Konsumenten gerichtete Absicht zu Grunde, und diesen Vorwurf wagen die Gegner selbst nicht gegen die Rekurrenten zu erheben. Dagegen werden sie (die Rekurrenten) beschuldigt, daß sie das einheimische und fremde Publikum über die eigentliche Natur ihrer Waare täuschen und durch unredliche Konkurrenz gegenüber der Naturhonigproduktion ausbeuten. Auch diese Beschuldigung sei thatsächlich unbegründet.

Der sogenannte Tafelhonig habe den reinen Bienenhonig aus den Hotels und vielen Privathäusern verdrängt, weil der letztere sehr bald kandire (krystallisire), körnig, dick und fest und daher unansehnlich werde. Diesem Uebelstande werde dadurch abgeholfen, daß man dem Bienenhonig einen ganz unschädlichen, naturgemäßen Zusatz (Va--Va Glykose) beigebe, der, ohne dem Aroma viel zu schaden, die, vielen Konsumenten unangenehme Schärfe des Naturhonigs mildernd, das Kandiren desselben verhindere und einen stets hellen und flüssigen Honig erzeuge. Ueberdies falle der erhebliehe Preisunterschied (circa 50 °/o) zu Gunsten des Tafelhonigs in's Gewicht.

Aus dem Gesagten erhelle, daß von einer absichtlichen oder fahrlässigen Täuschung der Konsumenten durch die Fabrikation und den Vertrieb des Tafelhonigs u n t e r d i e s e r B e z e i c h n u n g nicht gesprochen werden könne. Die Berufung auf die der Souveränetät der Kantone überlassene Gesetzgebung über die Lebensmittelpolizei sei daher unstatthaft und demzufolge die angefochtene Verordnung verfassungswidrig.

Auch aus nationalökonomischen Gesichtspunkten sei diese Verordnung nicht gerechtfertigt. Die schweizerische Produktion au Tafelhonig beziffere sich auf jährlich 4000--5000 Zentner und bilde darum eine nicht zu unterschätzende Quelle des Nationalwohlstandes. Das Gesammtprodukt von schweizerischem Bienenhonig verhalte sich nun zu obiger Ziffer im günstigsten Falle wie l : 3. Mit der zürcherischen Sanitätsdirektiou (vergi, deren oben erwähntes Reskript!) müsse angenommen werden, daß das durch Verdrängung des Tafelhonigs frei werdende Absatzgebiet nicht durch den Naturhonig eingenommen werden könne. Denn, wie schon gesagt, sage dieses Produkt durchaus nicht überall zu und die schweizerischen Bienenzüchter wären unter den günstigsten Verhältnissen nicht in der Lage, die Bedürfnisse der Konsumenten auch nur annähernd Bnndesblatt. 39. Jahrg. Bd. I.

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130 zu decken. Die Folge wäre daher eine Reduktion des Honigkonsums und eine Begünstigung der ausländischen Konkurrenz; mit andern Worten, es würde eine Quelle des Nationalvvohlstandes verstopft, ohne daß der Ausfall einem andern einheimischen Erwerbszweige zu Statten käme. Wollten übrigens die schweizerischen Bienenzüchter nach Verdrängung des Tafelhonigs den Honigkonsum auf der bisherigen Höhe erhalten und allein befriedigen, so müßten sie sich zu einer so bedeutenden Preisermäßigung verstehen, daß sie dabei nicht mehr bestehen könnten. Endlich sei auch noch der Umstand in Betracht zu ziehen, daß in Fehljahren -- auf e i n gutes Honigjahr kommen vier mittelmäßige oder schlechte -- das Fabrikat der Rekurrenten ein sehr willkommenes Aushülfsmittel bilde, weßhalb Naturhonig und Tafelhonig wirthschaftlk-h sehr wohl neben einander bestehen können und beide richtigevweise vereint gegen die unredliche Konkurrenz zu Felde ziehen sollten.

Statt auf solche Weise vorzugehen, sei es die Absicht der Bienenzüchter, dem Tafelhonig durch Aufzwingung der ebenso lächerlichen als boshaften Benennung ,,Syrupa den Markt zu verschließen. Lächerlich sei diese Benennung, weil Syrup bekanntlich als eine konzentrirte Zuekerlösung sich darstelle, während der Tafelhonig als seinen Grundbestandteil ächten Bienenhonig enthalte. Boshaft sei die Bezeichnung, weil unter der Flagge ,,Syrupa alles Mögliche und Unmögliche zu segeln pflege, Die Bienenzüchter hätten absichtlich diesen Deklarationszwang in Vorschlag gebracht, weil derselbe einem Verbote, einer thatsächlichen Verunmöglichung des Verkehrs mit Tafelhonig gleichkomme. Ein solcher Zwang bedeute demzufolge einen Einbruch in die bundesverfassungsmäßig gewährleistete Gewerbefreiheit.

E v e n t u e l l , wenn überhaupt eine Aenderung der bisherigen Bezeichnung gerechtfertigt erscheinen sollte, würden sich die Rekurrenten die Deklaration ^Kunsthonig"1 gefallen lassen, welche 1883 die 150 petitionirenden Bienenzüchter vorgeschlagen, und mit welcher sich auch Herr Dr. Schumacher in seinem oben zitirten Fachberichte einverstanden erklärt hat. Immerhin wäre auch die Bezeichnung ^Kunsthonig11 nicht zutreffend, da sie streng genommen nur für ein Surrogat passen würde, das künstlich, aus allerlei fremden Ingredienzen ohne Beigabe von Bienenhonig, hergestellt wäre, nicht aber auf
ein Produkt, das zu einem beträchtlichen Theil aus reinem Bienenhonig bestehe.

D. In seiner Vernehmlassung auf die Rekursschrift, d. d.

27. Oktober 1886, erklärt der Kleine Rath des Kantons Graubünden vorab, daß er sich nur auf diejenigen Theile der Beschwerdeschrift

131 einlassen werde, die auf die angefochtene Verordnung Bezug haben, nicht aber auf die Polemik der Rekurrenten gegen den ,,Verein schweizerischer Bienenfreunde a und auf ihre Ausführungen über den nationalökonomischen Werth des sogenannten Tafelhonigs.

Indem die Rekurrenten -- sagt der Kleine Rath -- selbst zugeben, daß sich die Verordnung vom 31. Juli 1886 auf die den Kantonen im Gebiete der Lebensmittelpolizei eingeräumten Befugnisse stützt, lassen sie die Behauptung einer Verletzung des Art. 31 der Bundesverfassung im Grunde wieder fallen. Der Bundesrath werde hiernach die verlangte Aufhebung der Paragraphen 4--7 der Verordnung als außerhalb seiner Kompetenz liegend ablehnen, und zu einer weitern Auslassung könne den Kleinen Rath bloß der Bventual-Antrag der Rekurrenten auf Gestattung der Bezeichnung ,,Kunsthonig" veranlassen. Die Behörde müsse auch diesem Begehren gegenüber an der Verordnung vom 31. Juli festhalten.

Ob die Sunogate des Bienenhonigs gesundheitsschädlich ' seien oder nicht, falle gar nicht ausschließlieh in Betracht; denn gemäß dem bündnerischen Gesetze vom 14. Juli 1881 über die staatliche Kontrole von Lebens- und Genußmitteln erstrecke sich die (§ 4) Kontrole auch auf n i c h t gesundheitsschädliche Veränderungen von Waaren. Man wolle eben der Gepflogenheit entgegenwirken, ein Fabrikat unter dem Namen Honig zu verkaufen, das möglicherweise, wie eine Probe in Graubünden dargethan habe, keine Spur ächten Bienenhonigs enthalte, sondern ganz; und gar aus StärkeSyrup bestehe, regelmäßig aber als eine Mischung von höchstens Va Bienenhonig mit 2ls Stärke- oder Kolonialzucker-Syrup (G-lykose) sich darstelle. Der Ausdruck ,,Syrup"1, welchem übrigens nach dem Wissen des Kleinen Rathes keine üble oder gehässige Bedeutung anklebe, würde daher auf das Fabrikat der Rekurrenten keineswegs mit Unrecht angewendet. Allein der Kleine Rath verlange ja nicht unter allen Umständen die Bezeichnung ,,Syrup", sondern lasse sich auch andere Benennungen gefallen, wenn nur der Ausdruck ,,Honig" dabei vermieden werde. Eben deßhalb sei in der Verordnung (§ 5) hinter dem Worte ,,Syrup"1 ein ,,etc.a beigesetzt.

Es werde also dem Verschleiße des Erzeugnisses der Rekurrenten kein Hinderniß in den Weg gelegt, sondern nur verlangt, daß das Kind bei seinem wahren Namen genannt werde.

Der Kleine Rath schließt
seine Vernehmlassung mit dem Begehren, der Bundesrath möge das Rekursbegehren in jeder Richtung abweisen, weil 1) der Art. 31, litt, c, der Bundesverfassung durch die berufene Verordnung in keiner Weise verletzt und 2) die Verordnung sich durchweg auf das kantonale Gesetz über die staatliche Kontrole der Lebens- und Genußmittel stütze.

132 E. Das schweizerische Landwirthschaftsdepartement, vom Justiz- und Polizeidepartement um seine Ansicht in vorliegender Rekurssache befragt, äußerte sich darüber unterm 13. Nov. 1886, wie folgt: .,,Wir sind noch heute der Ansicht, es wäre im Interesse der Konsumenten wünschenswerth, wenn in allen Kantonen in der bezeichneten Weise vorgegangen würde, indem dadurch der Zweck, das Publikum vor Täuschung Über die Beschaffenheit der Waare zu schützen, am ehesten erreicht werden kann. Der Zusammensetzung des Surrogats erscheint die Bezeichnung ,,Syrup" jedenfalls eher angemessen, als das Prädikat ,,Honig". Wer über diese Zusammensetzung nicht im Zweifel ist und die Waare kaufen will, wird dies auch dann thun, wenn für dieselbe die Bezeichnung ,,Syrup" oder irgend eine andere Benennung, in welcher das Wort ,,Honig" nicht vorkommt, vorgeschrieben ist, und es kann unseres Erachtens infolge dieser Maßnahme der Absatz solcher Surrogate nur insoweit geschmälert werden, als derselbe bisher auf einer Täuschung der Konsumenten beruhte.

,,Außer dem Interesse der Letztern kommt hiebei auch dasjenige eines nicht zu unterschätzenden Produktionszweiges der Landwirthschaft in Frage. Es steht fest, daß eine Hebung der Schweiz.

Bienenzucht wesentlich davon abhängt, daß der Absatz ihres Hauptprodukts, des Honigs, vor der Konkurrenz unrichtig deklarirter Waare geschützt wird.

,,Wir würden sonach vom landwirtschaftlichen Standpunkte aus die Abweisung des Rekurses befürworten."

F. Auf Anregung des Schweiz. Handels- und Landwirthschaftsdepartements haben im Jahre 1886 noch mehrere andere Kantone, z. B. Unterwaiden ob dem Wald, Zug, Waadt, Gesetze oder Verordnungen im Sinne des graubündnerischen Dekretes erlassen; in E r w ä g u n g : 1) Es gehört unzweifelhaft zu den legislativen Befugnissen der Kantone, im Gebiete der Lebensmittelpolizei Vorschriften zu erlassen. Vorschriften dieser Art fallen unter die Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben, welche Art. 31, litt, c, der Bundesverfassung gegenüber einer zu weit gehenden Auffassung und Ausdehnung des Grundsatzes der Handels- und Gewerbefreiheit ausdrücklich vorbehält.

Immerhin sind einschlägige Verfügungen nicht ohne Weiteres

133 als zulässig anzusehen; es muß ihnen vielmehr ein wirkliches öffentliches Interesse zur Seite gehen, das sie zu rechtfertigen vermag.

2) Als ein solches Interesse erscheint in erster Linie der Schutz der Konsumenten vor gesundheitsschädlichen Stoffen. Aber auch die Sicherung des Publikums vor Täuschung und Uebervortheilung in Handel und Verkehr darf als eine in dieses Gebiet einschlagende Aufgabe der Gesetzgebung gelten, und auch in dieser letztbezeichneten Richtung gesetzgeberisch vorzugehen ist den Kantonen nicht verwehrt, so lange der Bund von der ihm krafi des Art. 64 di j r Bundesverfassung zustehenden Kompetenz, allgemeine Vorschriften zur Bekämpfung unredlicher Konkurrenz zu erlassen, nicht Gebrauch gemacht hat, und vorausgesetzt, daß die kantonalen Dekrete nicht, über das zu erreichende Ziel hinausgehend, den Grundsatz der Handels- und. Gewerbefreiheit seibat beeinträchtigen.

3) Die von den Rekurrenten angefochtenen Bestimmungen der graubündnerischen Verordnung vom 31. Juli 1886 über den Verkauf von Butter und Speisefetten und von Honig beruhen wesentlich auf der zuletzt besprochenen Tendenz der kantonalen Gesetzgebung über Lebensmittelpolizei. Es will durch dieselben verhindert werden, daß einem Fabrikat ganz oder theilweise ein Name beigelegt werde, der einem Naturprodukt zukommt, das in jenem Fabrikate nur zum Theil, in größerer oder geringerer Quantität, oder, was auch vorkommt, überhaupt nicht vorhanden ist.

Das bezügliche Verbot hat daher den Zweck,' das Publikum vor Irrtbum über die eigentliche .Natur der Waare zu schützen.

Ein Verbot, das betreffende Fabrikat in den Handel zu bringen, ist nicht beabsichtigt und nicht erlassen; ebenso wenig eine positive Vorschrift, wie die Waare -- von der unzulässig erklärten Bezeichnung abgesehen -- zu benennen sei.

4) In einer innerhalb dieser Schranken sich haltenden legislativen Verfügung kann nicht eine Beeinträchtigung der Handelsund Gewerbefreiheit als solcher erblickt werden.

Dem Verschleiße des Fabrikates nach Maßgabe der wirklichen Eigenschaften und der Preiswürdigkeit desselben wird durch das in Frage liegende Verbot nicht entgegengetreten. Dagegen müßte, falls wirklich der Verschleiß ohne die zu Verwechslungen mit dem Naturprodukt Veranlassung gebende Bezeichnung unmöglich wäre oder unerheblich werden sollte, mit der Regierung des Kantons Graubünden angenommen werden, es sei bis jetzt doch das Publikum beim Ankauf des Fabrikates über dessen wirkliche Natur gar

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oft nicht im Klaren gewesen, was eben den Erlaß der angestrittenen Verordnung als sehr zeitgemäß und thatsächlich wohlgerechtfertigt erscheinen ließe; beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist dem Kleinen Rath des Kantons Graubünden, sowie -- zu Händen der Rekurrenten -- dem Herrn Advokaten H. Hauser in Pfäffikon, Kantons Zürich, schriftlieh milzutheilen.

B e r n , den 11. Januar 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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22.01.1887

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