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Nimmt man dazu, daß die Wasserstandsbeobachtungen erst eigentlich nutzbar gemacht werden durch diejenigen Aufnahmen und Messungen, mit deren Hülfe die entsprechenden Abflußmengen berechnet werden können, so eröffnet sich damit die Aussicht auf ein ungemein großes Arbeitsfeld, dessen einigermaßen genügende Bearbeitung den dafür bestimmten eidgenössischen Funktionären allein auch jetzt noch nicht möglich ist, sondern die geeignete Mitwirkung von Seiten der Kantone nothwendig voraussetzt.

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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs von Job. Georg Eichin aus Wies (Großherzogthum Baden), Josef und Leopold Heizmann aus Immendingen (Baden), Jakob Schär und August Gsell aus dem Kanton Thurgau, Xaver Vogel von Klingnau (Aargau), sämmtliche in Basel, betreffend das Gesetz des Kantons Basel-Stadt, vom 13. November 1882, bezw. dessen Bestimmungen über das Trödel- und Pfandleihgewerbe.

(Vom 11. Februar 1887.) ' Der s c h w e i z e r i s c h e B U E d e s r a t h hat in Sachen des Rekurses von Johann Georg B i c h i n aus Wies (Großherzogthum Baden), Josef und Leopold H e i z m a n n aus Immendingen (Baden), Jakob S c h ä r und August G s e l l aus dem Kanton Thurgau, Xaver V o g e l von Klingnau (Kantons Aargau), sämmtliche in Basel, betreffend das Gesetz des Kantons Baselstadt vom 13. November 1882, beziehungsweise dessen Bestimmungen über das Trödel- und Pfandleihgewerbe, auf den Bericht des eidg. Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse: I. Unterm 14. Januar 1887 haben die Rekurrenten, welche in Basel theils Pfandleihaustalten, theils Trödelgeschäfte betreiben, dem Bundesrathe einen Rekurs eingereicht gegen das Gesetz des

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Kantons Baselstadt vom 13. November 1882 über das Hausirwesen, die Wanderlager, den zeitweiligen Gewerbebetrieb, die öffentlichen Aufführungen und Schauvorstellungen, das Trödel- und Pfandleihgewerbe.

Die Rekurrenten greifen das Gesetz im Ganzen und Einzelnen an, indem sie entweder dessen Unverträglichkeit mit dem in Artikel 31 der Bundesverfassung ausgesprochenen Grundsatze der Handels- und Gewerbefreiheit behaupten oder darin im Vergleiche zu anderen Gewerben eine Mißachtung des Grundsatzes der Rechtsgleichheit der Bürger (Art. 4 der Bundesverfassung) erblicken oder endlich den Rechtsbestand des Gesetzes im Hinblick auf Art. 64 der Bundesverfassung, d. h auf das dem Bunde zustehende und von ihm ausgeübte Gesetzgebungsrecht über die persönliche Handlungsfähigkeit und alle auf den Handel und Mobiliarverkehr bezüglichen Rechtsverhältnisse anfechten.

Im Einzelnen erscheinen den Rekurrenten folgende Bestimmungen als anstößig und unhaltbar : 1) § 11, welcher vorschreibt, daß zur Betreibung des Trödelund des Pfandleihgewerbes eine polizeiliche Bewilligung erforderlich sei, die nur in Basel niedergelassenen und gut beleumdeten Bewerbern gegen eine Gebühr von Fr. 5 jeweilen bis zu Ende des laufenden Jahres ertheilt wird.

2) § 12, Absatz l, nach welchem Trödler und Pfandleiher der Polizei sofort Anzeige zu machen haben, wenn ihnen Gegenstände ihres Gewerbes unter verdächtigen Umständen oder von verdächtigen Personen angeboten werden.

3) § 12, Absatz 2, der absolut verbietet, von Minderjährigen etwas zu kaufen oder in Pfand zu nehmen.

4) § 12, Absatz 3, der Vorschriften über die Buchführung aufstellt und insbesondere verlangt, daß das Buch der Trödler die Ordnungsnummer, das Datum des Ankaufs, die genaue Bezeichnung beziehungsweise Beschreibung des Gegenstandes, den Namen des Verkäufers und des Wiederkäufers, sowie den Betrag der vereinbarten Preise enthalte.

5) § 22, welcher die Trödler und P.fandleiher verpflichtet, der Polizei jederzeit Zutritt in ihre Geschäftslokale und Einsieht in ihre sämmtlichen Bücher etc. zu gestatten, überhaupt jede bezügliche Auskunft zu ertheilen.

6) § 23, enthaltend die Strafbestimmungen, wonach ordnungswidriger Betrieb des Hausir-, Trödel- oder Pfandleihgewerbes nach den §§ 156 und 162 des baslerischen Polizeistrafgeselzes bestraft

598 wird und Trödlern und Pfandleihern, welche wiederholt wegen ·Ueberlretung des in Frage stehenden Gesetzes bestraft worden, der fernere Betrieb des Gewerbes gänzlich zu untersagen ist.

7) §§ 12 bis und mit 21, welche beiden Gewerben, besonders aber den Pfandleihern, noch viele andere, nach Ansicht der Rekurrenten ungerechtfertigte, lästige und drückende Bedingungen und Verpflichtungen auferlegen.

Die Rekurrenten schließen ihre Eingabe mit dem A n s u c h e n : Das Eingangs genannte Gesetz sei a:s aufgehoben zu erklären und dessen fernere Anwendung zu untersagen.

Ihr Gewerbebetrieb sei zulässig zu erklären ohne besondere Bewilligung und ohne Bezahlung einer Gebühr; eventuell sei die Bewilligung ohne weitere Bedingung gegen Erlag der Gebühren zu ertheilen.

Ueberdies ersuchen die Rekurrenten den Bundesrath um Erlaß einer provisorischen Verfügung behufs Aufrechthaltung des bisherigen Zustandes, d. h. Gestattung des einstweiligen Fortbetriebs ihrer Geschäfte während des Rekursveriahrens, da fünf der Rekurrenten die Erneuerung des Trödlerpatentes für 1887 verweigert wurde.

II. Der Regierungsrath des Kantons Basel-Stadt erklärt in seiner Vernehmlassung vom 26. Januar 1887 vorerst, daß er bis zum Entscheide des Bundesrathes die Rekurrenten in der Ausübung des Trödlergewerbes nicht hindern werde, nachdem das Poliaoidepartem.ent ihnen von sich aus bereits eine Frist bis Ende Januar 1887 zur Liquidation ihrer Geschäfte ertLieilt habe.

Zur Sache selbst bemerkt der Regieiuugsrath, daß sowohl das Trödel- als das Pfandleihgewerbe ihrer Natur nach eine polizeiliche Kontrole und Beschränkung durchaus rechtfertigen ; er sagt hierüber wörtlich Folgendes : ,,Die den Trödlern zum Kaufe angebotenen Sachen sind sehr häufig gestohlen, und überhaupt kann der betreffende Geschäftsbetrieb leicht als Deckmantel der Hehlerei mißbraucht werden und sind in Bezug auf denselben gewisse polizeiliche Vorsichtsmaßregeln absolut geboten. Fast in sämmtlichen Schweizerkantonen bestehen unseres Wissens hierüber bezügliche Bestimmungen, und es sind auch nach der deutschen Gewerbeordnung die Behörden befugt, Vorschriften über die Art der Buchführung und die polizeiliche Kontrole des Oreschäftsbetriebes der Trödler zu erlassen. Dasselbe gilt, und zwar in vielleicht noch vermehrtem Maße, vom

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Pfandleihergewerbe, welches leicht Anlaß zu wucherischer Ausbeutung der Kunden bietet und, wie das Trödlergewerbe, die Verwerthung gestohlener Sachen erleichtert, weßhalb in einzelnen Kantonen, wie überhaupt in den meisten Staaten, eine polizeiliche Kontroie und Beschränkung derselben eingeführt worden ist. Gerade mit Rücksicht auf .diese und andere, einer polizeiliehen Rontrole bedürftigen Gewerbe sind denn auch in Art. 31, Lemma e, der Bundesverfassung Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben und über Besteuerung des Gewerbebetriebes etc. vorbehalten worden, und es kann somit die von den Rekurrenten gegen das hiesige Gesetz vom 13. November 1882, speziell gegen die Bestimmungen über das Trödler- und Pfandleihgewerbe, erhobene Beschwerde als unbegründet bezeichnet werden. a Im Weitern theilt der Regierungsrath mit, was folgt: ,,Nachdem durch Urtheil des hiesigen Strafgerichts vom 23.

Oktober 1886 die Trödler Leopold Heizmann, Jakob Schär, Joseph Heizmann, Xaver Vogel und Johann Georg Bichin wegen Hehlerei, erstgenannter zu einmoaatlicher, zweitgenannter zu einwöchentlicher und die drei letztgenannten zu je dreitägiger Gefängnißstrafe verurtheilt worden, weil dieselben von einem 14 Jahre alten Knaben Sachen, die derselbe auf betrügerische Weise erhoben, unter gravirenden Umständen, beziehungsweise auf strafbare Weise erworben hatten, haben wir den Betreffenden am 20. Dezember 1886 notiflzirt, daß ihnen nach Ablauf des für das Jahr 1886 ertheüten Trödlerpatentes kein neues Patent ertheilt werde. Gegen diese Verfügung haben Leopold Heizmann, Jakob Schär, Xaver Vogel und J. G. Eichin rekurrirt, sind aber durch Beschluß vom 31. Dezember 1886 abgewiesen worden.

,,Diese Verfügung stützt sich auf den § 11 des angefochtenen Gesetzes, welcher vorschreibt, daß die polizeiliche Bewilligung zur Betreibung des Trödlergewerbes nur solchen Bewerbern ertheilt werden dürfe, welche gut beleumdet sind."

Der Vernehmlassung des Regierungsrathes sind die Akten der einschlägigen Strafprozedur beigelegt, aus denen sich unter Anderem auch ergibt, daß gegen den Rekurrenten Schär Vorbestrafungen vorliegen ; in E r w ä g u n g :

1) Den Kantonen ist durch Art. 31, litt, c, der Bundesverfassung das Recht vorbehalten, Verfügungen über Ausübung von Handel und Gewerben, über Besteuerung des Gewerbebetriebes und über die Benützung der Straßen zu erlassen, sofern dieselben den Grundsatz der Handels- und Gewerbefreiheit selbst nicht beeinträchtigen.

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Das Gesetz des Kantons Basel Stadt vom 13. November 1882 über das Hausirwesen, die Wanderlager, den zeitweiligen Gewerbsbetrieb, die öffentlichen Aufführungen und Schauvorstellun°;en, das Trödel- und Pfandleihgewerbe stellt sich als eine derartige kantonale Verfügung dar.

Es wird durch dasselbe nicht die Ausübung eines der genannten Gewerbe beeinträchtigt oder unmöglich gemacht, sondern der Gewerbebetrieb bestimmten, im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Sittlichkeit liegenden Bedingungen und Beschränkungen und einer, angemessene Grenzen nicht überschreitende a Steuer unterworfen.

Vom Standpunkte des Art. 31 der Bundesverfassung aus kann daher weder gegen das fragliche Gesetz im Allgemeinen, noch gegen die von den Rekurrenten namhaft gemachten einzelnen Bestimmungen desselben etwas eingewendet werden.

2) Wenn die Rekurrenten sieh außerdem auf Artikel 4 der Bundesverfassung berufen, um die Anfechtbarkeit gewisser Bestimmungen des Gesetzes zu erweisen, so ist bloß daran zu erinnern, daß dieser Beschwerdegrund nicht der Kognition des Bundesrathes,, sondern eventuell derjenigen des Bundesgerichtes anheimfällt.

3) Ebensowenig liegt es in der Kompetenz des Bundesrathes, die Frage .zu beurtheilen, ob einzelne Bestimmungen des angefochtenen Basler Gesetzes in das Gebiet der Bundesgesetzgebuugiiber die persönliche Handlungsfähigkeit und das Obligationenrecht einschlagen und deßhalb hinfällig seien; dia Entscheidung über die civilrechtliche Bedeutung und Wirksamkeit dieser Bestimmungen ist Sache der Gerichte; beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Basel-Stadt und zuhanden der Rekurrenten -- unter Rückschluß zweier Belege -- dem Herrn Xaver Vogel, Gerbergäßleiu in Basel, schriftlich mitzutheilen.

B e r n , den 11. Februar 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Kingler.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs von Job. Georg Eichin aus Wies (Großherzogthum Baden), Josef und Leopold Heizmann aus Immendingen (Baden), Jakob Schär und August Gsell aus dem Kanton Thurgau, Xaver Vogel von Klingnau (Aargau), sämmtliche in Basel...

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