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Schweizerisches Bundesblatt

39. Jahrgang. IV.

Nr. 44.

8. Oktober 1887.

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Verordnung des

schweizerischen Bundesgerichtes betreffend Ausführung des Art. 18 des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser, vom 23. Dezember 1886.

(Vorn 30. September 1887.)

Das schweizerische Bundesgericht, in Ausführung des Art. 18 des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser, vom 23. Dezember 1886, verordnet:

I. Ausmittlung der Entschädigungsansprecher.

Anmeldung ihrer Forderungen.

Art. 1. Die Eigenthümer bestehender Brennereien, welche gemäß Art. 18 des Bundesgesetzes, betreffend gebrannte Wasser, vom 23. Dezember 1886, Entschädigungsansprüche an den Bund geltend zu machen gedenken, werden zur Anmeldung ihrer Forderungen durch eine vom Bundesrathe zu erlassende Publikation öffentlich aufgefordert.

Art. 2. Diese Publikation wird durch Vermittlung der Kantonsregierungen den Gemeindebehörden mitgetheilt und ist von diesen sofort in ortsüblicher Weise bekannt zu machen. Die Gemeindebehörde hat über Datum und Ort dieser Bekanntmachung sofort nach deren Vollzug dem Bundesblatt. 39. Jahrg. Bd. IV".

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78 Bundesrathe durch Vermittlung der Kantonsregierung eine Bescheinigung einzusenden.

Art. 3. Binnen dreißig Tagen von der in Art. 2 gesehenen Bekanntmachung au haben die Eigenthümer Brennereietablissement ihre Entschädigungsansprüche dem Gemeinderathe des Ortes, wo ihr Etablissement befindet, schriftlich anzumelden.

vorvon bei sich

Art. 4. Die Eingaben müssen enthalten : 1) Die genaue Bezeichnung der Gebäude und Einrichtungen, für deren Minderwerth Entschädigung verlangt wird.

2) Die Bezifferung der Entschädigungsforderung.

In der Anmeldung einer Entschädigungsanspraehe liegt die Erklärung des Ansprechers, daß er gemäß Art. 18, Absatz l des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886 auf die durch Art. 32 bis der Bundesverfassung gestattete Fabrikation verzichte.

Dagegen enthält die Anmeldung von Entschädigungsansprüchen keinen Verzieht auf die Bewerbung um Brenuloose im Sinne der Artikel l und 2 des Gesetzes.

Art. 5. Nach Ablauf der in Art. 3 normirten dreißigtägigen Frist hat der Gemeinderath die bei ihm eingelangten Ansprachen sofort der Kantonsregierung zu Händen des Bundesrathes zu übermitteln.

Art. 6. Denjenigen Brennereieigenthümern, welche binnen der dreißigtägigen Frist des Art. 3 ihre Entschädigungsansprachen nicht vorschriftsgemäß angemeldet haben sollten,, ist zur Anmeldung ihrer Forderungen beim zuständigen Gemeinderathe eine Nachfrist von sechs Monaten (vom Ablaufe der dreißigtägigen Anmeldungsfrist an gerechnet) eingeräumt; dieselben haben sich jedoch dem Entscheide der Schatzungskommission in Bezug auf das Maß der Entschädigung ohne weiters zu unterziehen.

79 Wird auch binnen der sechsmonatlichen Nachfrist eine Entschädigungsforderung nicht angemeldet, so wird dies als Verzicht auf den Entschädigungsanspruch ausgelegt, und es geht somit jede Entschädigungsforderung gegenüber dem Bunde unter.

Art. 7. In der nach Art. l vom Bundesrathe zu erlassenden Publikation sind die Bestimmungen der Art. 2, 3, 4 und 6 dieser Verordnung anzuführen.

Die Kosten der in Art. l u. ff. vorgeschriebenen öffentlichen Bekanntmachung trägt die eidg. Alkoholverwaltung.

II. Organisation der Schatznngskommissionen und Verfahren derselben.

Art. 8. Kommt zwischen dem Entsehädigungsansprecher und dem Bunde eine gütliche Verständigung über die Entschädigung nicht zu Stande, so ist vom Bundesrathe die Einberufung der zuständigen Schatzungskommission durch den Vorstand (das erste Mitglied derselben) zu veranlaßen.

Nach Ablauf von drej Monaten, von Uebermittlung seiner Ansprache an den Bundesrath an gerechnet, ist jeder Entschädigungsansprecher befugt, die sofortige Zusammenberufung der Schatzungskommission zur Behandlung seiner Forderung zu verlangen.

Art. 9. Es wird für jeden Kanton, aus welchem gemäß Art. 4 und 6 Eingaben eingehen, eine Schatzungskommission gebildet. Ausnahmsweise werden indeß für den Kanton Bern zwei Schatzungskommissionen, die eine für den deutsch-, die andere für den französisch-sprechenden Kantonstheil bestellt.

Art. 10. Die Schatzungskommission besteht aus drei Mitgliedern.

Das erste Mitglied wird durch das Bundesgericht, das zweite durch den Bundesrath, das dritte durch die Regierung

80 desjenigen Kantons gewählt, in dessen Gebiet die zu entschädigende Brennerei sich befindet. Für jedes Mitglied werden von der betreffenden Wahlbehörde zwei Ersatzmänner bestellt.

Art. 11. Den Vorsitz hat das von dem Bundesgerichte gewählte Mitglied oder der für dasselbe einberufene Ersatzmann.

Art. 12.

Zur Gültigkeit der Verhandlungen der Schatzungskommission ist, unter Vorbehalt der in Art. 15 enthaltenen Beschränkung, die Anwesenheit von drei Mitgliedern, beziehungsweise Ersatzmännern erforderlich.

Art. 13. Die Schatzungskommission ist zur möglichsten Beschleunigung des Verfahrens verpflichtet.

Art. 14. In Beziehung auf den Ausstand von Mitgliedern der Schatzungskommission gelten die einschlägigen gesetzlichen Bestimmungen betreffend die Mitglieder des Bundesgenchtes.

Art. 15. Handelt es sich um den Ausstand eines Mitgliedes der Sehatzungskommission und sind über denselben dse beiden andern Mitglieder getheilter Ansicht, oder kommt der Ausstand mehr als eines Mitgliedes in Frage, so treten für die diesfälligen Entscheidungen die Ersatzmänner an die Stelle derjenigen Mitglieder, um deren Ausstand es sich handelt.

Ein Rekurs gegen die Entscheidung findet nicht abgesondert statt, sondern eine allfällige Beschwerde ist bei Behandlung der Hauptsache vor dem Bundesgerichte anzubringen.

Art. 16. Die Schatzungskommission steht unter der Aufsicht des Bundesgerichtes. Infolge dieses Aufsichtsrechtes hat die Schatzungskommission sich allen, die Form des Verfahrens betreffenden Weisungen zu unterziehen, welche ihr

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vom Bundesgerichte oder vom Bundesgerichtspräsidenten im Allgemeinen oder bezüglich auf einzelne Fälle ertheilt werden.

Art. 17. Das Aktuariat bei den Verhandlungen der Schatzungskommission kann durch ein Mitglied derselben besorgt werden, jedoch ist es ihr unbenommen, einen eigenen Aktuar beizuziehen. Die Entschädigung für die Aktuariatsgeschäfte wird von der Schatzungskommission festgesetzt.

Art. 18, Die Schatzungskommission hat die gestützt auf Art. 18 des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886 eingereichten und ihr zugewiesenen Entschädigungsforderungen zu beurtheilen. Als zu vergütender Schaden ist der Minderwerth zu betrachten, welchen die zur Fabrikation von gebrannten Wassern verwendeten Gebäude und Einrichtungen der Entschädigungsansprecher durch die Vollziehung des Art. l des Gesetzes vom 23. Dezember 1886 erleiden.

Der bisher durch die Brennerei erzielte Gewinn darf nicht in Rechnung gebracht werden.

Art. 19. Die Schatzungskommission hat in allen Fällen, auch dann, wenn seitens dps Bundes die Entschädigungspflicht aus irgend welchem Grunde prinzipiell bestritten werden sollte, eventuell die Abschätzung des entstandenen Minderwerthes vorzunehmen.

Art. 20. Die Schatzungskommission versammelt sich, wenn nicht besondere äußere, das Verfahren hindernde Umstände in den Weg treten, längstens innert 14 Tagen, von dem Zeitpunkte an, wo der Bundesrath das Begehren um Einberufung derselben bei dem Vorstande der Schatzungskommission gestellt hat.

Art. 21. Der Vorstand wird 1) die beiden andern Mitglieder der Schatzungskommission von Ort und Zeit des Zusammentrittes in Kenntniß setzen ;

82 2) durch Vermittlung der Kantonal-, beziehungsweise Bezirks- oder Gemeindebehörden die betheiligten Brennereieigenthümer unter Angabe von Zeit und Ort zu dea Verhandlungen einladen, und zwar so, daß dieselben wenigstens sieben Tage vor der Verhandlung hievon Kenntniß erhalten ; 3) an den Bundesrath eine schriftliche Einladung erlassen.

Art. 22. Ist ein Mitglied der Schatssungskommission aus erheblichen Gründen, welche es dem Vorstande bescheinigt einzureichen hat, verhindert, an den Verhandlungen Theil zu nehmen, so hat es, unter Mittheilung der erhaltenen Einladung, seinen ersten Ersatzmann statt seiner zu be stellen. Auf ähnliche Weise soll der Vorstand in sich ergebendem Falle für seine eigene Ersetzung sorgen.

Art. 23. Jedes Mitglied der Schatzungskommission i&t verpflichtet, den Verhandlungen, zu welchen dasselbe einberufen wurde, bis zu Ende beizuwohnen.

Art. 24. Im Falle des Ausbleibens der Betheiligten findet das Schat/ungsverfahren gleichwohl statt.

Art. 25. Die Schatzungskommission prüft die Eingaben, besichtigt die der Abschätzung unterliegenden Objekte und hört in Beziehung auf dieselben sowohl die Gründe des Eigenthümers als des Bundesrathes an.

Art. 26. Die Schatzungskommission ist befugt, wenn sie es als nothwendig erachtet, besondere Sachverständige zu Rathe zu ziehen, deren Entschädigung sie selbst festsetzt.

Art. 27. Ueber jeden von der Schatzungskommission behandelten Fall ist ein besonderes Protokoll zu führen.

Dasselbe soll, nebst den Namen der Parteien und der Beschreibung der Gebäude und Einrichtungen, für deren Minderwerth Ersatz verlangt wird, den Entscheid der Korn-

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mission und die gedrängte Angabe der Entscheidungsgründe enthalten. Dagegen ist von den Parteianbringen in das Protokoll nichts aufzunehmen, außer wenn zwischen den Parteien eine gütliche Verständigung abgeschlossen wird.

Auf ausdrückliches Begehren einer Partei sind auch solche Anerbietungen oder Forderungen, welche von den ursprünglichen abweichen, zu protokolliren Art. 28. Wenn die beiden anderen Mitglieder der Schatzungskommission sich nicht auf einen Entscheid einigen, so steht dem Vorstande das Recht der Entscheidung zu.

Er ist an die Voten der beiden Schatzungsmänner nicht gebunden, wohl aber verpflichtet, seinen Entscheid innerhalb der Grenzen der einzelnen Anträge der zwei Mitglieder der Schatzungskommission abzugeben.

Art. 29. Das Protokoll ist vom Vorstande und Aktuar der Schatzungskommission im Namen derselben zu unterzeichnen.

Art. 30. Von dem Protokolle ist dem Buudesrathe und dem Entschädigungsansprecher je eine vollständige Abschrift mitzutheilen.

Im Original des Protokolles ist der Tag der Zustellung an die Betreffenden zu bemerken.

Art. 31. Die Originalien der Protokolle nebst den Eingaben der Entschädigungsansprecher und die Korrespondenzen sind von der Schatzungskommission nach Beendigung ihrer Verrichtungen dem Schweiz. Bundesgerichte zur Niederlegung im Archiv desselben zuzustellen.

Art. 32. Die Kosten des gesammten Schatzungsverfahrens trägt die eidg. Alkoholverwaltung; ein Verzeichniß der Kosten der Schatzungskommission ist, durch den Vorstand unterzeichnet, dem Bundesrathe zuzustellen, der für die Auszahlung zu sorgen hat.

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Art. 33. Die Mitglieder der Schatzungskommission beziehen ein Taggeld von Fr. 20, sowie die in Art. l des Bundesgesetzes vom/16. Augstmonat 1878 festgesetzte Reiseentschädigung.

III. Rekurs an das Bnndesgericht.

vor demselben.

Verfahren

Art. 34. Gegen den Entscheid der Schatzungskommission kann jeder Betheiligte innerhalb 30 Tagen nach Zustellung des Entscheides beim Bundesgerichte Beschwerde führen.

Geschieht dies nicht, so ist der Entscheid der Schatzungskommission als in Rechtskraft erwachsen anzusehen.

Art. 35. Nach Eingang einer Beschwerde gegen den Entscheid einer Schatzungskommission bezeichnet der Präsident des Bundesgerichtes ÄU weiterer Leitung des Prozesses einen Instruktionsrichter, welchem freisteht, zum Augenschein ein oder zwei weitere Mitglieder des Bundesgerichtes beizuziehen.

Art. 36. Für das Verfahren vor Bundesgericht gelten im Uebrigen die allgemeinen diesbezüglichen gesetzlichen Bestimmungen, jedoch mit folgender Müßgabe : Nach Vollendung der Prozeßinstruktion theilt der Instruktionsrichter den Parteien seinen Urtheilsentwurf schriftlich mit, indem er ihnen eine angemessene Frist setzt, um sich darüber zu erklären, ob sie denselben annehmen oder nicht.

Erklären beide Parteien die Annahme des Urtheilsantrages, so erwächst derselbe in Rechtskraft, und es wird die Sache als erledigt abgeschrieben. Wird dagegen nicht von beiden Parteien die Annahme des Urtheilsantrages erklärt, so überm'acht der Instruktionsrichter die Akten dem Bundesgerichtspräsidenten zur Anordnung der Schlußverhandlung vor dem Plenum des Gerichtshofes.

85 Art. 37. Für die Vertheilung der durch das bundesgerichtliche Verfahren entstehenden Kosten gelten die allgemeinen gesetzlichen Bestimmungen.

IV. Bezahlung der Entschädigungen.

Art. 38. Die Ausbezahlung der Entschädigungen kann mit dem Tage gefordert werden, an welchem der Entscheid einer Schatzungskommission oder ein Urtheilsantrag des bundesgerichtliehen Instruktionsrichters oder ein bundesgerichtliches Urtheil in Rechtskraft, erwächst.

Dieselbe erfolgt auf Kosten der eidgenössischen Alkoholverwaltung und durch Vermittlung der Regierung des Kantons, in welchem die betreffenden Gebäude und Einrichtungen liegen.

Die letztere wird die allfällig zu Sicherung von Rechten Dritter (Hypothekargläubiger und dergleichen) nöthig erscheinenden Maßnahmen treffen.

Art. 39. Dieses Reglement soll in die amtliche Gesetzessammlung der Eidgenossenschaft aufgenommen werden und tritt mit der Zeit seiner Bekanntmachung in Kraft."

L a u s a - n n e , den 30. September 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesgerichtes, Der Präsident:

A. Eopp.

Der Gerichtsschreiber: Rott.

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Verordnung des schweizerischen Bundesgerichtes betreffend Ausführung des Art. 18 des Bundesgesetzes über gebrannte Wasser, vom 23. Dezember 1886. (Vom 30. September 1887.)

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08.10.1887

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