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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs des Pierre Joseph Chappuis, Wirth zur ,,Union" in Estavayer-le-Gibloux (Freiburg) gegen einen Beschluß des Staatsrathes des Kantons Freiburg vom 11. Januar 1887, betreffend Wirthschaftspatentverweigerung.

(Vom 13. Juni 1887.)

Der schweizerische Bundesrath, hat in Sachen des P i e r r e J o s e p h C h a p p u i s , Wirth zur "Union" in Estavayer-le-Gibloux (Freiburg), gegen einen Beschluß des Staatsrathes des Kantons Freiburg vom 11. Januar 1887 betreffend Verweigerung eines Wirthschaftspatentes ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse: I. Pierre Joseph Chappuis suchte im Monat November v. J.

beim Staatsrathe von Freiburg um Erneuerung der Konzession zum Betriebe der Wirthschaft zur ,,Union" in Estavayer-le-Gibloux pro 1887 nach. Der Staatsrath wies aber mit Beschluß vom 11. Januar 1887 das Gesuch ab, gestützt auf Art. 8 Ziffer 3 des Dekretes vom 10. Dezember 1879 betreffend Wirthshäuser, Kaffeehäuser etc., weil Chappuis wegen zu später Schließung seiner Wirthschaft am 7. März 1886 bestraft worden ist und am 7. November gì. J. es unterlassen hatte, einen Polizeibeamten zu rufen, als mehrere Gäste nach der Polizeistunde die Wirthschaft nicht verlassen wollten und deshalbwieder bestraft wurde.

122 II. Hiegegen rekurrirt H. Pierre Sudan, Advokat in Freiburg, Namens des Pierre Joseph Chappuis mittelst Eingaben vom 22. und 31. Januar d. J. an den Bundesrath, mit dem Begehren um Aufhebung des angefochtenen Beschlusses, durch welchen Art. 31 der Bundesverfassung (Handels- und Gewerbefreiheit) verletzt werde, und um Gestattung des Fortbetriebs der Wirthschaft.

Zur Begründung des Rekurses wird geltend gemacht: Der Art. 8 Ziffer 3 der Verordnung vom 10. Dezember 1879, auf welche der Staatsrath von Freiburg sich stützt, laute: ,,Das Patent oder die Bewilligung, eine Wirthschaft zu bedienen, wird verweigert : ,,3. Demjenigen, welcher wegen Uebertretung der Wirthschaftspolizei bestraft wurde oder der sich einer daherigen Geldbuße unterworfen hat.

,,Die Erneuerung des Patentes kann einem Patentinhaber verweigert werden, welcher sich mehrere derartige Uebertretungen zu Schulden kommen ließ."

Daraus ergebe sich klar, daß bei Patenterneuerungen, wie im vorliegenden Falle, die Konzession zum Fortbetriebe einer Wirthschaft einzig verweigert werden könne, wenn mehrere Uebertretungen der Wirthschaftspolizei vorliegen. Rekurrent habe aber, wie der Staatsrath in seinem Beschlüsse selbst konstatire, bloß e i n e r solchen Uebertretung, am 7. März, sich schuldig gemacht.

Bezüglich des andern Vorfalles vom 7. November werde dem Rekurrenten nur der V o r w u r f gemacht, daß er es unterlassen habe, einen Polizeiagenten oder dergleichen zu rufen, eine Strafe sei aber diesfalls einzig den Wirthschaftsgästen auferlegt worden. Trotzdem verweigere min der Staatsrath von Freiburg dem Rekurrenten die Erneuerung des Patentes. Es sei dies um so auffallender und ungerechtfertigter, aïs vielen Wirthen, welche im letzten Jahre mehrere Male bestraft worden, die nachgesuchte Konzession ertheilt worden ; sei. Der Rekurrent nehme an, es sei die Abschlagung seines Gesuchesnur deßhalb erfolgt, weil er im letzten Dezember bei Anlaß der allgemeinen Neuwahlen für den ; Großen Rath eine Versammlung der Freisinnigen in seiner Wirthschaft geduldet habe.

Zum Schlusse verweist der Rekurrent noch,, auf das vorn Gemeinderath zu Estavayer-le-Gribloux ' am 10. November 1886 ihm ausgestellte günstige Zeugniß.

III. Unterm 15. Februar d. J. übermittelte Herr Advokat Pierre Sudan in Freiburg eine von 133 Bürgern der Gemeinden

123 Villarlod, Villarsel, Rueyres und Estavayer (welche zusammen die Kirchgemeinde Estavayer-le-Gibloux bilden) unterzeichnete Petition an den Bundesrath. Diese stellen das Gesuch, es möge der Rekurs des P. J. Chappuis, der ein ordnungsliebender und braver Mann sei, für begründet erklärt werden, indem die von ihm geführte Wirthschaft die vorzüglichste in der ganzen Gemeinde sei und an Sonn- und Festtagen, besonders bei kaltem und nassem Wetter, unleugbar gute Dienste leiste.

IV. Der Staatsrath des Kantons Freiburg, welchem die Rekursschrift, wie auch die genannte Petition zur Vernehmlassung übermittelt worden, antwortete mit Schreiben vom 11. März d. J., es sei ihm seiner Zeit das Gesuch des P. J. Chappuis um Erneuerung des Wirthschaftspatentes mit einem ungünstigen Berichte seitens des Gemeinderathes von Estavayer-le-Gibloux zugekommen. Diesem habe der Präfekt des Saanebezirkes noch die Bemerkungen beigefügt, daß die fragliche Wirthschaft sehr nahe bei der Mädchenschule und gegenüber der Kirche, wenn auch in reglementarischer Entfernung, gelegen sei, daß dort die Polizeiaufsicht sehr zu wünschen übrig lasse und daß die Wirthschaft auch schon an Sonn- und Festtagen während des Gottesdienstes geöffnet gewesen sei ; es wäre zum Besten der Gegend* wenn jene Wirthschaft aufgehoben würde.

Dazu komme nun, daß der Rekurrent im letzten Jahre nicht bloß einmal, sondern zweimal wegen Uebertretung der Wirthschaftspolizei bestraft worden sei. Es sei ihm nämlich in dem zweiten oben erwähnten Falle (,,vom ,7. November v. J.) eine Buße von Fr. 16 auferlegt worden, welche dann allerdings von den Gästen bezahlt wurde. Außerdem sei Chappuis erst neuerdings wieder, im Jahre 1887, mit Fr. 10 wegen zu später Schließung der Wirthschaft bestraft worden. "Wie der Gemeinderath von Estavayer erkläre, habe der Rekurrent auch öfters, entgegen den Vorschriften von Art. 107 des Wirthschaftsgesetzes von 1864, während des Gottesdienstes am Sonntag seine Wirthschaft offen gehalten. Es sei diese Thatsache indessen nicht amtlich mit Aufzeichnung der Daten konstatirt worden.( ; Gestützt auf diese .mehrfachen Uebertretungen des Wirthschaftsgesetzes und den Antrag des Gemeinderathes sei seiner Zeit die Erneuerung des, Patentes dem Rekurrenten verweigert worden und es halte der Staatsratli auch dermalen seinem bezüglichen, Beschluß aufrecht.

' Mit Bezug auf die von Bürgern der -Kirchgemeinde Estavayerle-Gibloux eingereichte Petition verweist der Staatsrath auf den dies-

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falls seitens des Präfekten des Saanebezirkes abgegebenen Bericht, Darin ist gesagt, es sei jener Petition kein großer Werth beizumessen, da es für einen Wirth nicht schwer sei, Unterschriften am Fuße eines derartigen Schriftstückes zu erhalten. Im Falle der Gemeindcrath eine Gegenpetition aufstellen würde, könnte er ohne Zweifel eine noch größere Anzahl von Unterschriften für die Aufhebung der fraglichen Wirthschaft zusammenbringen.

Schließlich bemerkt der Staatsrath, daß in Estavayer-le-Gibloux zur Zeit zwei Wirtschaften bestehen, daß jedoch eine einzige für die bestehenden Bedürfnisse hinreichend sei, da jener Ort nur 143 Einwohner und 58 Stimmberechtigte zähle; er beantrage daher Abweisung des Rekurses.

V. Aus den vom Staatsrath nachträglich, auf den Wunschdes Bidg. Justiz- und Polizeidepartements, zu den Akten gegebenen Belegen erhellt: 1) daß der Gemeinderath von Estavayer-leGibloux dem Rekurrenten am 10. November 1886 bloß deßwegen ein günstiges Zeugniß ausgestellt hat, weil derselbe vorgab, er wolle von Estavayer-le-Gibloux wegziehen und bedürfe eines solchen Zeugnisses, um sich ira Dorfe Broc niederzulassen; der Gemeinderath habe der Zukunft des Mannes nicht schaden wollen; es halte aber die Behörde ihr Verlangen aufrecht, dass die fragliche Wirthschaft in Estavayer aufgehoben werde und zwar thue sie es im allgemeinen Interesse jener Gegend ; 2) dass der I^ekurrent sich wiederholt gegen das freiburgische Wirthschaftsgesetz verfehlt hat und deßhalb bestraft worden ist, nämlich : a. am 20. Juli 1886 wegen nächtlichem Ueberwirthen mit Fr. 5; b. am 13. November 1886 wegen desselben Vorganges mit Fr. 16, welcher Buße der Rekurrent unter Vorbehalt des Rückgriffs gegen die nach seiner Aussage durch ihn gewarnten Gäste sieh unterzog; c. am 16. Februar 1887 wegen Nichtbeobachtung der Polizeistunde in der Nacht des 15. Januar 1887 und wegen Wirthens am Sonntag, 16. Januar 1887, während der kirchlichen Vesperfeier, wobei die Gäste sich sogar in der Wirthschaft zankten, mit Fr. 10, -- jedes Mal unter Auflage der Kosten; in Er w äg u n g :

daß die freiburgische Gesetzgebung über das Wirthschaftswesen die Bestimmung enthält, es könne die Erneuerung eines Wirthschaftspatentes dem Patentinhaber, der sieh mehrerer Uebertretungen der Wirthschaftspolizei schuldig gemacht habe, verweigert werden ;

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daß diese Bestimmung eine ganz gerechtfertigte polizeiliche Vorschrift ist und sich mit Art. 31, litt, c und e der Bundesverfassung sehr wohl verträgt; daß dieselbe im Rekursfalle nach Maßgabe der Akten mit Grund auf den Rekurreoten angewendet worden ist; beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist dem Staatsrath des Kantons Freiburg und zu Händen des Rekurrenten dem Herrn Advokaten P. Sudan in Preiburg schriftlich mitzutheilen, -- unter Aktenrückschluß an beide Theile.

B e r n , den 13. Juni 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Riiigier.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs des Pierre Joseph Chappuis, Wirth zur ,,Union" in Estavayer-le-Gibloux (Freiburg) gegen einen Beschluß des Staatsrathes des Kantons Freiburg vom 11. Januar 1887, betreffend Wirthschaftspatentverweigerung. (Vom 13. J...

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22.10.1887

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