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Schweizerisches Bundesblatt.

39. Jahrgang. I.

Nr. 2.

15. Januar ] 887.

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Bericht des

deutschen Berichterstatters der nationalräthlichen Kommission für Begutachtung der Konvention betreffend Gründung einer internationalen Union zum Schütze der litterarischen und künstlerischen Werke, vom 9. September 1886.

(Vom 21. Dezember 1886.)

Tit.

Am 9. September d. J. ist von Abgeordneten der Regierungen von Belgien, Deutschland, Frankreich, England, Haiti, Italien, Liberia, Spanien, Tunis und der Schweiz nach drei internationalen Konferenzen, welche 1884, '1885 und 1886 je im September in Bern stattgefunden haben, eine Uebereinkunft betreffend die Gründung einer internationalen Union zum Schutz der litterarischen und künstlerischen Werke abgeschlossen worden. Mit Botschaft vom 19. v. Mts. übermittelte der Bundesrath der Bundesversammlung diese Uebereinkunft und beantragt deren Genehmigung. Die Priorität der Behandlung ist dem Nationalrath zuerkannt worden. Die verordnete Kommission schlägt Ihnen einstimmig vor, die Konvention zu genehmigen, und beehrt sich, Ihnen zur Begründung dieses Antrags Folgendes vorzutragen.

Wir besitzen seit dem 23. April 1883 ein Bundesgesetz zum Schutz des litterarischen und künstlerischen Eigenthums, gehören also seither zu denjenigen Staaten, welche d i e s e Art des sog.

geistigen Eigenthums anerkennen. Es ist folgerichtig, daß wir an den Bestrebungen theilnehmen, welche die Angelegenheit v ö l k e r r e c h t l i c h ordnen wollen. Schon seit längerer Zeit bildet diese Frage den Gegenstand wissenschaftlicher Erörterung und eifriger Bundesblatt. 39. Jahrg. Bd. I.

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Propaganda seitens einer Anzahl von meist französischen Gelehrten und von Staatsmännern, unter welchen der gegenwärtige Vorsteher unseres Handelsdepartements eine hervorragende Stellung einnimmt, wie denn auch die Initiative zu der nun vorliegenden Union von unserer Bundesbehörde ausgegangen ist. Nach der Natur der Sache hat das sog. geistige Eigenthum für dessen Besitzer nur dann einen wirklichen Werth, wenn es in der ganzen zivilisirten Welt oder einem größern Theil derselben geschützt wird. Daraus ergibt sich der weitere Satz, daß die A r t dieses Schutzes in sämmtlichen Rechtsgebieten, wo er proklamirt ist, eine möglichst einheitliche sein sollte. Eine völlige Einheit kann nicht auf Ein Mal erreicht werden, sondern dürfte noch für lange Zeit ein unerreichtes Ideal bleiben.

Nach dem Gesagten muß die Aufgabe einer völkerrechtlichen Uebereinkunft über das sog. geistige Eigenthum darin bestehen, daß a. der Grundsatz der G e g e n s e i t i g k e i t ausgesprochen wird, und b. gewisse M i n d e s t f o r d e r u n g e n aufgestellt werden, denen das materielle Recht jedes Vertragsstaats genügen soll. Jeder beitretende Staat muß sich verpflichten, dem geistigen Eigenthum zum Mindesten denjenigen Schutz angedeihen zu lassen, welcher in der Konvention als Minimum festgesetzt ist. Im Uebrigen bleibt er befugt, diese Rechte noch mehr zu schützen und mit einzelnen Vertrags- oder Nichtvertragsstaaten besondere Verträge abzuschließen, durch welche dem sog. geistigen Eigenthum noch vermehrter Schutz zu Theil wird.

Indem so der völkerrechtliche Vertrag in das materielle Privatund Strafrecht des einzelnen Staates eingieift, ergibt sich staatsrechtlich der Satz, daß im einzelnen Staat die Uehereiukunft nur auf dem Weg genehmigt werden kann, auf dem ein gültiges G e s e t z zu Staude kommt. Wenden wir diesen Satz auf die S c h w e i z an, so müssen wir sagen, daß folgerichtig die Genehmigung auf dem Weg des Erlasses eines G e s e t z e s ausgesprochen werden sollte. Unsere Bundesverfassung hat nun aber dieses Verhältnis anders geordnet und überläßt in Art. 85, Absatz 5 solche Genehmigungsbeschlusse dem souveränen Entscheid der Bundesversammlung, während einem G e s e t z die sog. Referendumsklausel oder die DringlichkeitserkläruDg beigefügt werden muß. (Art. 89 der lîundesveri'assung.) Es liegt auf der Hand,
daß diese Ungleichheit oft Unzukömmlichkeiten irn Gefolge hat, weil auf diese Weise der schweizerischen Aktivbürgerschaft die Theilnahme an der Gesetzgebung versagt wird, sobald es beliebt, die betreffende Materie

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i n t e r n a t i o n a l zu ordnen. Auf alle Fälle aber ergibt sieh aus dem Vorgetragenen die E i n e Regel für das Verhalten der eidg.

Räthe : es soll nicht auf dem zur Stunde noch a u ß e r g e w ö h n l i c h e n Wege des völkerrechtlichen Vertrages w i c h t i g e s n e u e s i n t e r n e s Recht geschaffen und nicht das auf dem Weg der ordentlichen Gesetzgebung zu Stande gekommene e i d g . Recht durch einen völkerrechtlichen Vertrag e r h e b l i c h geändert werden.

Messen wir nun die vorliegende Konvention an den aufgestellten allgemeinen Grundsätzen, so finden wir unsere erste Forderung (die Reziprozitätsklausel) erfüllt in den Art. 2 und 3 des Vertrags. Wir sind auch mit der daselbst niedergelegten Einzelausführung des Grundsatzes einverstanden, und es veranlaßte im Schooße der Kommission lediglich die Bestimmung des letzten Absatzes von Art. 2 eine Diskussion.

Ueber den zweiten nothwendigen Bestandtheil der Konvention, die Mindestforderungen, erlassen die Art. 4 bis 12 und das Schlußprotokoll eine größere Anzahl von Bestimmungen. Wir haben dieselben mit dem Bundesgesetz vom 23. April 1883 verglichen.

Sie gehen in zwei Richtungen über unser bisheriges materielles Recht hinaus und schaffen in zwei Richtuneen neues Bundesrecht.

O E r s t e n s wird in Art. 5 die Dauer des ausschließlichen U eb e r s e t z u n g s r e c h ts auf z e h n Jahre festgesetzt, während wir bisher, nach einem verwandten System, nur f ü n f Jahre hatten.

(Art. 2, Absatz 3 des Bundesgesetzes.)

Z w e i t e n s gewährt die Konvention der autorisirtcn P h o t o g r a p h i e eines geschützten Kunstwerkes denselben Schutz auf die gleiche Dauer, wie ihn das Kunstwerk selbst besitzt, und zwar ist diese Bestimmung in Absatz 2 von Ziffer l des Schlußprotokolls u n b e d i n g t aufgestellt und nicht etwa mit der Beschränkung, daß dieser Schutz im einzelnen Staate immerhin nur in dem MalJe, als es seine Gesetzgebung erlaube, stattfinde. Diese Auffassung ergibt sich auch aus dein Protokoll der Konferenz von 1885, pag. 55, 2. Absatz. So gewiß sie richtig ist, so gewiß liegt hier eia Widerspruch vor mit der Bestimmung von Art. 11, Ziffer 7 des Bundes. gesetzes.

Die Kommission empfindet keine Freude an diesen Neuerungen und erblickt in denselben keinen Fortschritt. Sie theilt den Enthusiasmus für den Schutz des
sog. geistigen Eigenthums nicht.

Sie gewährt gern dem Schriftsteller, was des Schriftstellers, und dem Künstler, was des Künstlers ist, nämlich einen Schutz innert mäßiger Grenzen. Sie möchte aber auch dem Publikum sein Recht lassen. Dieses Recht besteht darin, daß der Mensch, welcher sich Bildung, Lektüre und den Genuß des Schönen verschaffen, und daß

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der Mensch, welcher eigene geistige Arbeit auf diejenige Anderer aufbauen will, nicht allzu lang und nicht allzu hohe Eintritts- und Lösegelder entrichten muß. Wir haben im Bundesgesetz die Grenze für uns gezogen, und zwar nicht leicht- und nicht eilfertig. Wir haben vielleicht schon damals dem Drängen der Enthusiasten allzusehr nachgegeben. Wir sind, um es zu wiederholen, gar nicht damit einverstanden, daß man auf dem Weg des Schutzes weiterschreite, und sind nebenbei gesagt etwas verwundert darüber, daß der Standpunkt unseres Gesetzes von den schweizerischen Abgeordneten in den Konferenzen so gut wie gar nicht vertreten worden ist, im Gegensatz zu andern Abordnungen, so z. B. der österreichischungarischen.

Anderseils hält die Kommission die beiden Aenderungen nicht für so erheblich, daß sie deshalb dem Nationalrathe, der nur Ja oder Nein sagen und Nichts ändern kann, Ablehnung der Ratifikation beantragen möchte.

Außer der Reziprozitätsklausel und den Minimalvorschrifteri enthält der Vertrag einu d r i t t e Neuerung. Er schafft ein i n t e r n a t i o n a l e s B u r e a u für den Schutz des litterarischen und künstlerischen Eigenthums. mit Sitz in der Schweiz, unter der Aufsicht des Schweiz. Bundesraths, mit einem vorläufigen Ausgabenvoranschlag von jährlich Fr. 60,000 zu Lasten der Vertragsstaaten. Der betreffende Beschluß bedeutet eine Ehre für unser Land und soll deshalb auch hier verdankt werden. Unseres Brachtens werden insbesondere die wissenschaftlichen Kreise dei1 Schweiz aus der Nähe des Sitzes der Anstalt erheblichen Vortheil ziehen können.

Dagegen ist es vielleicht eine etwas zu optimistische Auffassung, wenn man sich aus der Thatsache, daß wir wichtige völkerrechtliehe Anstalten beherbergen, mit Bezug auf die Achtung der Neutralität des Landes auch in schwierigen Fällen sehr viel verspricht und sogar davon träumt, unsere Bundesstadt werde als Sitz solcher Institute ein zweites Delphi.

Bei diesem Anlaße spricht die Kommission den Wunsch aus, es möchte der Bundesrath die Frage prüfen und beantworten, ob die Funktionäre der in der Schweiz befindlichen internationalen Anstalten den Charakter und die Verantwortlichkeit von Bundesb e a m t e n besitzen.

B e r n , den 21. Dezember 1886.

Der deutsche Berichterstatter: L. Forrer.

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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend den Militärpflichtersatz.

(Vom 7. Januar 1887.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Veranlaßt durch einzelne Rekursfalle, welche unserem letztinstanzlichen Entscheide unterstellt wurden, haben wir unterm 22. Mai 1885 nachfolgendes Kreisschreiben an die Kantone erlassen: ,,In der Durchführung des Bundesgesetzes betreffend den Militärpflichtersatz vom 28. Juni 1878 sind Zweifel darüber entstanden, wie es hinsichtlieh der Ersatzpflicht gehalten werden soll in Fällen, wo eingetheilte Wehrpflichtige den Dienst antreten, jedoch aus sanitarischen oder andern Gründen vor Schluß des betreffenden Dienstes durch Vertilgung der Militärbehörde entlassen werden.

,,Um für die Prüfung dieser Frage mögliehst zuverläßiges Material zu erhalten, ersuchen wir Sie hiemit um Ihre gefällige Vernehmlassung darüber, wie solche Fälle bis jetzt in Ihrem Kanton behandelt worden sind, beziehungsweise ob und unter welchen Voraussetzungen die Betreffenden zur Bezahlung des Militärpflichtersatzes angehalten wurden."

Nachdem die Antworten der Kantone eingelangt sind, haben wir, um zu einem der Billigkeit möglichst entsprechenden, im Uebrigen der bisherigen Praxis einer erheblichen Anzahl der größeren Kantone thunlichst Rechnung tragenden, einheitlichen Verfahren zu

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Bericht des deutschen Berichterstatters der nationalräthlichen Kommission für Begutachtung der Konvention betreffend Gründung einer internationalen Union zum Schütze der litterarischen und künstlerischen Werke, vom 9. September 1886. (Vom 21.

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15.01.1887

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