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Bundesrathsbeschluß über

den Rekurs des Josef Johann Aal, aus Karlsruhe, Handelsmann, derzeit in Herisau, betreffend Entzug der Niederlassung.

(Vom 23. März 1887.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s rat h

hat in Sachen des Josef Johann A a l , aus Karlsruhe, Handelsmann, derzeit in Herisau, betreffend Entzug der Niederlassung, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements und nach Feststellung folgender aktenmäßiger Sachverhältnisse: I. Am 5. April 1886 ertheilte der Gemeinderath von Herisau dem Rekurrenten die Niederlassungsbewilligung, ohne dabei von ihm die Vorlegung des durch Art. 2 des deutsch-schweizerischen Niederlassungsvertrages vom 27. April 1876 zur Wohnsitznahme in der Schweiz geforderten Zeugnisses über den Vollgenuß der bürgerlichen Ehrenrechte und einen unbescholtenen Leumund zu verlangen.

II. Schon unterm 31. August 1886 entzog der Gemeinderath von Herisau dem Rekurrenten die Niederlassung, weil inzwischen bekannt wurde, daß der Rekurrent durch Urtheil des Schwurgerichts Karlsruhe, vom 22. Juni 1883, wegen Münzverbrechens zu 3 Jahren Zuchthaus verurtheilt worden war, und weil derselbe nicht im Besitze des oben erwähnten Ausweispapieres sich befand.

239 Gegen diese Verfügung des Gemeinderathes rekurrirte Josef Johann Aal an den Regierungsrath des Kantons Appenzell A. R.

Der Regierungsrath erklärte den Rekurs am 28. September 1886 für begründet, gestützt darauf, daß dem Rekurrenten seiner Zeit die Niederlassung ertheilt worden, ohne das vorgeschriebene Zeugniß zu verlangen, seither aber keine Gründe zur Kenntniß der Behörden gekommen, welche den Niederlassungsentzug rechtfertigen könnten.

III. Am 9. September und 25. Oktober 1886 wurde Josef Johann Aal vom Kriminalgericht und Obergericht des Kantons Appenzell A. R. wegen Betrugsversuchs, begangen dadurch, daß er dem Handelsregisterführer des Kantons bei der Anmeldung zur Eintragung iu's Handelsregister unrichtige Namensangaben gemacht hat, zu Fr. 80 Bußen in die Landeskasse, eventuell 16 Tage Gefängniß verurtheilt.

Unter Berufung auf das Urtheil des Karlsruher Schwurgerichts, das den Aal der bürgerlichen Ehrenrechte auf die Dauer von fünf Jahren verlustig erklärte, und unter Hinweisung auf die seit der Niederlassungsbewilligung erfolgte neue Verurtheilung Aal's beschloß der Gemeinderath von Herisau unterm 17. Januar 1887, neuerdings, demselben die Niederlassung au entziehen.

IV. Als Aal gegen diesen zweiten Gemeinderathsbeschluß wieder an den Regierungsrath von Appenzell A. R. rekurrirte, schützte diese Behörde die gemeinderäthliche Schlußnahme durch Entscheid vom 3. Februar Ï887.

Der Regierungsrath stellte dabei auf den. Wortlaut des Art. 2 des schweizerisch-deutschen Niederlassungsvertrages von 1876 ab, dessen Requisiten der Rekurrent nicht Genüge leisten könne, und erklärte -- entgegen der frühem Anschauung der Behörde -- unter Zugrundelegung der bundesräthlichen Praxis in anderen Rekursfälleu (Bundesblatt 1884, II, 744, und 1885, l, 65 ff.) die Gemeindebehörde für berechtigt, auch nach Ertheilung der Niederlassungsbewilligung die Beibringung der im Staatsvertrage vorgeschriebenen Requisite /u verlangen und im Falle des Nichtentsprechens die Niederlassung zurückzuziehen.

Ueberdieß zog der Regierungsrath in Betracht, daß Rekurrent Aal seit der Niederlassung vom Obergerichte des Kantons wegen Betrugsversuchs bestraft worden. ,,Wenn nun auch" -- sagt die Behörde -- ,,diese Bestrafung allein, da mit derselben kein Ehienentzug verbunden wurde, nicht hinreichen würde, um die Entziehung der Niederlassung -/M begründen, so beweist sie doch, daß Aal auch hier keinen "unbescholtenen Leumund genießt, und es

erscheint dadurch die Schlußnahme des Gemeinderathes um so mehr begründet."

V. Mittelst eines Memorials vom 8. Februar 1887 legte das Advokaturbüreau Suter in St. Gallen im Namen von J. J. Aal gegen den regierungsräthlichen Entscheid beim Bundesrathe Beschwerde ein.

Die Beschwerde wird damit begründet, daß gesagt wird, der Entscheid des Regierungsrathes vom 28. September 1886, welcher vom Gemeinderathe nicht weitergezogen worden sei, bilde ein juristisches Faktum, sei ein rechtskräftiges Erkenntniß, das nicht wieder umgestoßen werden könne. Im Vertrauen auf die Gutheißung seines Rekurses durch den Regierungsrath habe Aal sein Niederlassungsrecht nunmehr für fest begründet gehalten, ein Haus gekauft und sein Waarenmagazin vergrößert und entsprechend bestellt, so daß ihm aus der plötzlichen Wegweisung ein schwerer Schaden entstehen müßte.

Mit einer nachträglichen Eingabe vom 5. März 1887 reichte Herr Fürsprecher Suter Namens des Aal ein Schreiben des Großherzoglich-badischen Ministeriums der Justiz, des Kultus und Unterrichts an denselben ein, in welchem dem Aal mitgetheilt wird, daß die mit seiner Verurtheilung vom 22. Juni 1883 verbundene Nebenstrafe des Ehrenverlustes für die Dauer von 5 Jahren ihm im Gnadenwege nachgelassen sei. Damit -- fügt der rekurrentische Bevollmächtigte bei -- sei nun Aal wieder in den Besitz, seiner vollen bürgerlichen Ehrenfähigkeit gelangt und der vom Regierungsrathe gutgeheißene Grund der Wegweisung falle gänzlich dahin.

VI. Der Regierungsrath beruft sich in seiner Vernehmlassung vom 18. Februar 1887 einfach auf die Motivirung seines Erkenntnisses vom 3. Februar und erwähnt, daß die amtliche Verschreibung des Kaufes, durch welchen Aal in Herisau ein Haus erwarb, am 30. Januar stattgefunden habe, obgleich er seit 17. Januar den ihm die Niederlassung entziehenden Gemeinderathsbeschluß kannte; in E r w ägu n g :

1) Es steht fest, daß der Rekurrent sich nicht im Besitze eines von seiner zuständigen Heimatsbehörde ausgestellten Zeugnisses befindet, welches bescheinigt, daß er einen unbescholtenen Leumund genießt, und er ist im Hinblick auf die Thatsache, daß er im Jahre 1883 in Karlsruhe wegen Münzverbrechens schwurgerichtlich zu 3 Jahren Zuchthaus verurtheilt wurde, auch nicht in der Lage, sich ein solches Leumundszeugniß zu verschaffen.

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2) Seitdem ihm die Niederlassung in Herisau bewilligt wurde, ist der Rekurrent wegen Betrugsversuchs, begangen am Niederlassungsorte, gerichtlich bestraft worden.

3) Angesichts dieser Thatumstände kann die Berechtigung der Appenzellischen Behörden, in Anwendung von Art. l, 2 und 7 des schweizerisch-deutschen Niederlassungsvertrages vom 27. April 1876 dem Rekurrenten die Niederlassung zu entziehen, nicht bezweifelt werden (vergleiche bisherige bundesrechtliche Praxis im Bundesblatt 1884, II, 744; 1885, I, 65; II, 689 und 690; 1886, I, 956): beschlossen: 1. Der Rekurs wird als unbegründet abgewiesen.

2. Dieser Beschluß ist der Regierung des Kantons Appen.zell A. R. und zu Händen des Rekurrenten dem Advokaturbüreau Suter in St. Gallen schriftlich mitzutheilen.

B e r n , den 23. März

1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

Bundesblatt. 39. Jahrg. Bd. II.

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Bundesrathsbeschluß über den Rekurs des Josef Johann Aal, aus Karlsruhe, Handelsmann, derzeit in Herisau, betreffend Entzug der Niederlassung. (Vom 23. März 1887.)

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20.04.1887

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