136

# S T #

Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung über die größere Berücksichtigung der französischen Sprache am eidgenössischen Polytechnikum.

(Vom 4. Juni 1887.)

Tit.

Schon seit langer Zeit ist die Frage, inwieweit die polytechnische Schule in der Auswahl ihres Lehrerpersonals und in ihrem Unterricht der französischen Sprache größere Rechnung tragen könne (zu vergl. die Geschäftsberichte pro 1885 und pro 1886, sowie den Kommissionalbericht zu letzterem), in weitern Kreisen vielfach diskutirt worden. Der Schulrath selbst hat sich öfters und namentlich einläßlicher mit derselben beschäftigt bei Anlaß des Berichtes über die Reorganisation der eidgenössischen polytechnischen Schule vom November 1879. Er hat sodann in der Juli·sitzung 1884, um seitdem aufgetauchten Wünschen und Begehren nach Thunlichkeit gerecht zu werden, eine Kommission aus seiner Mitte bestellt, um die Angelegenheit einer erneuten Prüfung zu unterwerfen; Diese Kommission, bestehend aus dem Schulrathspräsidenten, dem Hrn. Schulrath Meyer und dem Direktor des Polytechnikums, hat in der Sitzung des Schulrathes vom 16. März -1885 über ihre Berathungen referirt und dabei folgende Gesichtspunkte geltend gemacht: Erfahrungsgemäß liefern weder die Vorbereitungsschulen der Schweiz noch diejenigen des Auslandes dem Polytechnikum Studirende, von denen man verlangen dürfte, daß sie mit gleicher

137 Leichtigkeit einem deutschen und einem französischen wissenschaftlichen Vortrag folgen könnten, und dieses thatsächliehe Verhältniß wird, auch größere Anstrengungen der schweizerischen Mittelschulen vorausgesetzt, fortbestehen. Die Zahl der Polytechniker, welche in Folge glücklicher Verumständungen dieser Bedingung genügen, wird also auch künftighin eine verhältnißmäßig geringe bleiben.

Eine Interpretation des Aufnahmeregulativs in dem Sinne, daß jeder Aspirant sich über vollständige Sicherheit und Fertigkeit in den beiden Hauptlandessprachen (deutsch und französisch) auszuweisen hätte, würde, ernsthaft angewendet, binnen Kurzem ebensowohl die germanischen, wie die romanischen Schüler von unserer Anstalt vertreiben. Der Ausweg, die Mehrspraehigkeit des Landes dadurch zu berücksichtigen, die sämmtlichen Lehrfächer doppelt, zugleich durch einen in deutscher und einen in französischer Sprache vortragenden Dozenten zu besetzen, ist aus finanziellen Gründen nicht ausführbar, abgesehen davon, daß Laboratorien, Sammlungen etc. naturgemäß unter einheitliche -Leitung gestellt werden müssen, so daß eine durchaus paritätische Behandlung der beiden Sprachgebiete doch nicht möglich wäre. Ein Versuch, in diesem Sinne vorzugehen, müßte rasch zu dem unmittelbar sich aufdrängenden Verlangen führen, die Anstalt zu trennen und den französischen Theil derselben von Zürich nach der romanischen Schweiz zu verlegen.

Will man daher, wie es in den Intentionen des Schulrathes liegt, dem romanischen Elemente an der Anstalt größere Geltung verschaffen, so ist es nur durch eine innerhalb leicht erkennbarer naturgemäß gezogener Grenzen gehaltene Weiterentwicklung des bereits Vorhandenen und Bewährten möglich. Man hat demnach an der siebenten (Freifächer-) Abtheilung die Anzahl der Lehrstellen französischer Zunge nach eintretendem Bedürfnis und passender Gelegenheit zu vermehren, an den Fachschulen aber, soweit nicht anderweitige Interessen dadurch gefährdet werden, auf die Ausdehnung des bereits bestehenden Systems der Doppelprofessuren in einigen Hauptrichtungen Bedacht zu nehmen.

Was zunächst die siebente Abtheilung anbetrifft, so existirt an derselben eine Professur für französische Sprache und Literatur und eine französische Professur für elementare Mathematik. Früher war auch die eine der beiden Professuren für ·
Nationalökonomie (sie ist jetzt eingegangen) durch einen französischen Lehrer besetzt.

Die permanente Parallelbesetzung dieser zweiten Stelle für Nationalökonomie würde sich in Berücksichtigung; des eigenthümlichen WanO O O dels der Grundanschauungen dieser Wissenschaft, wie er sich in Deutschland und Frankreich über Schutzzoll und Freihandel, StaatsBundesblatt. 39. Jahrg. Bd. Ili.

10

138 Sozialismus und Mancliesterthum zwar nicht in den praktischen, aber doch in den gelehrten Kreisen nahezu in entgegengesetztem Sinne vollzieht, durchaus empfehlen. Im Weitern könnte eine Professur für allgemeine Geschichte für einen französischen Dozenten gegründet, eventuell für Schweizergeschichte ein Professor romanischer Zunge berufen werden. In der letztgenannten Richtung war der Schulrath schon bald nach der Gründung der Anstalt vorgegangen, indem man zuerst an Herrn Vulliemin sich wandte und nachher an den Genfer Gaullieur eine Berufung für die Professur der Schweizergeschichte am Polytechnikum richtete, die aber naeli zuerst erfolgter Annahme wieder abgelehnt wurde. Nicht glücklicher waren die später bei einem dritten vaterländischen Geschichtsforscher romanischer Zunge gernachten Anstrengungen.

In den Fachschulen wird das französische Element zunächst für die VI. Abtheilung fruchtbar zu machen sein, einestheils wegen der etwas freiem Organisation derselben, anderntheils, weil die Abtheilung hauptsächlich von Landeskindern besucht wird, welche sich dem höhern Lehramt widmen wollen und denen also wohl in erster Linie die Kenntniß der beiden Hauptlandessprachen zuzumuthen ist. Der Schulrath hat auch seiner Zeit, leider ohne Erfolg, Anstrengungen gemacht, um einen französischen Dozenten für die obersten Kurse in Mathematik zu gewinnen. An den übrigen Fachschulen ist bereits für den Hauptkurs in Differential- und lutegralrechnung neben dem deutschen Professor eia französischer thätig, und es erscheint auch möglich, in darstellender Geometrie und Mechanik Doppelprofessuren einzuführen. In andern Fächern wie Chemie, Physik, Maschinenbau etc., bei denen gleichmäßige Berücksichtigung beider Sprachen unmöglich ist, kann durch französische Assistenten, die zugleich als Dozenten sich bewähren, nützlich gewirkt werden. Will man in diesem Sinne vorgehen, so ist allerdings nöthig, daß eine gewisse Summe ausdrücklich und spezifisch zu dem Zwecke bestimmt werde, die Zahl der Lehrstellen in französischer Zunge zu vermehren. Ein Betrag von ungefähr Fr. 30,000 jährlich, der zu keinem andern Zwecke verwendet werden dürfte, würde wohl ausreichen, zu den bereits bestehenden noch vier bis fünf andere solcher Professuten za kreiren.

Es konnte aber nicht genügen, sich die finanziellen Mittel zu.

sichern. Wollte
der Schulralh für die neu zu schaffenden Stellen Männer von hervorragender Bedeutung gewinnen (denn um der Sprache oder Nationalität willen würde man nicht mit minder begabten oder mittelmäßigen sich begnügen wollen), so waren noch andere Schwierigkeiten zu überwinden. In der That haben die bisherigen Erfahrungen gezeigt, daß Zürich, welches von den Gelehrten

139 deutschen Sprachgebietes übereinstimmend als einer der angenehmsten Aufenthaltsorte gepriesen wird, eine ähnliche Anziehungskraft auf romanische Schweizer und auf Franzosen nicht ausübt. Man darf allerdings hoffen, daß, wenn eine größere Zahl französischer Dozenten berufen wird, für jeden Einzelnen derselben die Annehmlichkeit des Aufenthaltes wächst -- aber ein dauerndes Verwachsen mit unserer Anstalt oder auch nur ein nach Jahrzehnten zu berechnendes Verweilen an derselben wird kaum zu erwarten sein, so daß ein ziemlich rascher Wechsel dieser Lehrkräfte in Aussicht steht. So wenig im Fernern die Professuren deutschen Vertrags bloß mit Angehörigen der deutschen Schweiz besetzt werden können, ebenso wenig wird es möglich sein, die nöthige Anzahl französischer Professoren ausschließlich in der romanischen Schweiz zu finden. Man muß also in Frankreich ausgezeichnete aufstrebende Talente aufzufinden und für unsere Anstalt zu gewinnen suchen.

Wenn nun schon hervorragende Gelehrte der romanischen Schweiz aus übrigens leicht zu erklärenden persönlichen, familiären und lokalpatriotischen Gründen Bedenken tragen, nach Zürich überzusiedeln, so treten für den französischen Gelehrten noch besondere Hemmnisse auf, die sich seiner Versetzung nach der deutschen Schwt-iz entgegenstellen. Zunächst liegt dem eigentlichen Franzosen das Studium der deutschen Sprache ferner als unsern romanischen Eidgenossen ; der Franzose entbehrt auch der persönlichen Beziehungen zu Zürich, die unsern Landsleuten aus den welschen Kantonen fast durchweg zu Gebote stehen. Bis vor Kurzem hatte auch die französische Wissenschaft (gegenüber der deutschen, durchaus kosmopolitischen) einen stark ausgeprägten nationalen Charakter -- Gründe genug, daß eine Verpflanzung von Paris nach Zürich einer Wanderung in's Exil gleich sah. Im Weitern streben aber die ausgezeichnetsten der Jüngern wissenschaftlichen Talente Frankreichs nach einem Sitze im ,,Institut de France1*, was in Folge des eigentümlichen Bewerbungssystems um die freiwerdenden Stellen die Anwesenheit der Kandidaten in Paris fast unumgänglich nothwendig macht. Vor Allem aus kommen endlich die Anstellungsvevhältnisse in Betracht, die für Franzosen in Bezug auf die Rückkehr in's Vaterland bisher so viel ungünstiger lagen, als für die Deutschen. Ein Gelehrter Deutschlands, der an
eine schweizerische Universität oder die eidgenössische polytechnische Schule tritt, verliert nicht das Mindeste von seiner Austeilungsfähigkeit in Deutschland ; man darf sogar behaupten, daß, sofern er wirklich ein hervorragender Gelehrter ist, er die Anstellungs- und Berufungsfähigkeit für Deutschland eher erhöht. Die Minister deutscher Staaten stehen durchaus nicht an, ihre bedeutendsten Kräfte von unseren schweizerischen Anstalten nach Deutschland zurückzurufen ; sie thun

140

es sogar lieber, als eine ihrer Hochschulen zu Gunsten einer andern dem gleichen Lande angehörigen durch Versetzung eines bedeutenden Mannes her.a.bzustimrnen, resp. zu schädigen. Deutsche Gelehrte, welche in der Schweiz wirken, ja unsere eigenen vaterländischen Gelehrten ersten Ranges, ziehen die Augen deutscher Wahlbehörden in vollem Maße auf sich, und sie werden angestellt, indem ihnen die ganze Reihe ihrer Dienstjahre bei uns in Bezug auf Gehalt und Pensionsberechtigung auch für die deutsche Anstellung voll angerechnet wird. Nicht so war es bis jetzt in Frankreich: wer von dort wegging, wurde aus dem Cadre der französischen Universität gestrichen; er gab eine ganze Reihe von Vortheilen auf, und seine Rilckberufung in gleiches Recht mit den Männern, 'die in Frankreich selbst ebenso viele Jahre wirkten, war bis jetzt kaum einmal vorgekommen. An dieser Schwierigkeit sind die Bemühungen des schweizerischen Schulrathes wiederholt gescheitert. Vor einigen Jahren z. B. wurden die größten Anstrengungen gemacht, um, wie schon oben erwähnt, eine bedeutende Lehrkraft in mathematischer Richtung (Funktionentheorie) mit Aufwendung der höchsten Besoldungsansätze, die irgendwie ermöglicht sind, aus Frankreich zu beziehen; allein die Antworten der bedeutendsten Gelehrten Frankreichs benahmen jede Hoffnung auch in diesem Falle.

Mit Rücksicht auf alle diese Umstände würde der Schulrath von erneuten Anstrengungen zur Gewinnung französischer Lehrkräfte abgesehen haben, wenn nicht eine Reihe von Anzeichen dafür gesprochen hätten, daß in der gelehrten Welt und in der Unterriehtsverwaltung Frankreichs eine Wendung der Anschauungen eingetreten sei. Seit dem großen Kriege des Jahres 1870 beginnt allgemach die Einsicht sich zu verbreiten, daß die frühere nationale Abgeschlossenheit der französischen Wissenschaft durch eine freie Wechselwirkung mit den Errungenschaften anderer Nationen zu ersetzen sei. Man erkennt die Bedeutung dieser Strömung in allen Gebieten besonders schlagend daran, daß gerade die deutsche wissenschaftliche Arbeit in Frankreich die aufmerksamste Würdigung findet. In der Diskussion der Organisationsfragen des höhern Unterrichtswesens wird ebenfalls überall die Vergleichung mit dem Auslande herangezogen und wieder (wie z. B. die Schriften Michel Bréals, des Inspecteur général de renseignement supérieur
beweisen) ausdrucklich die vorragende Bedeutung Deutschlands anerkannt.

Wollte der Schulrath daher angesichts dieser Thatsachen die Vermehrung der französischen Professuren am Polytechnikum neuerdings anstreben, so mußte man, um des Erfolges sicher zu sein, zunächst und vor Allem sich darüber Gewißheit verschaffen, ob im französischen Unterrichtsministerium Geneigtheit vorhanden sei,

141 diesen Bestrebungen durch Beseitigung der angedeuteten Hindernisse entgegenzukommen. Es war namentlich die Vergünstigung auszuwirken, daß französische Professoren, welche einem Rufe au das eidgenössische Polytechnikum folgen, dadurch ihre Ansprüche auf Ruhegehälter im Heimatlande nicht einbüßen.

Die daherigen Bemühungen unserer Gesandtschaft in Paris waren vom besten Erfolge begleitet. In einer Note des französischen Ministers des Auswärtigen vom 17. Juli 1886 wurde das gewünschte Zugestänclniß nicht nur in Bezug auf das eidg. Polytechnikum bereitwillig ertheilt, sondern auch auf alle andern öffentlichen Uuterrichtsanstalten in der Schweiz ausgedehnt, wovon den Regierungen der betreffenden Kantone zur gutfindenden Benutzung Kenntniß gegeben wurde.

Man hatte aber nicht nur mit den Behörden Fühlung zu suchen.

Wenn das Polytechnikum irn Stande gewesen ist, jeweilen von den ausgezeichnetsten Jüngern Gelehrten Deutschland's an sich zu ziehen, so lag dies daran, daß der Präsident des Schulrathes seit einem Vierteljahrhundert durch persönliche Begegnungen auf seinen Reisen mit den Koryphäen deutscher Wissenschaft ausgebreitete Beziehungen angeknüpft hat, die bei jeder Berufung gute Dienste leisteten. Etwas Aehnliches mußte für Frankreich, namentlich für Paris, das immer noch den größten Theil der Intelligenz der Nation absorbirt, angestrebt werden. Vorzugsweise war eine gewisse Fühlung mit Leitern und Lehrern von Instituten herzustellen, in denen die Jüngern Talente gebildet werden und zum ersten Male sich hervorthun : also mit den Direktoren, resp. Professoren der Ecole normale supérieure, der Ecole polytechnique, der Sorbonne, der Ecole libre des sciences politiques etc. Besonders war die Ecole normale in Berücksichtigung zu ziehen, weil dieselbe die Aufgabe hat, ihre Schüler für das höhere Lehramt vorzubereiten. Die ganze Einrichtung der Anstalt bürgt dafür, dnß die Vorsteher derselben mit vollständigster Sachkenntniß über ihre Zöglinge (auch wenn dieselben schon an Lehrstellen übergegangen sind) Auskunft ertheilen können.

Richtet sieh das Polytechnikum auf eine größere Anzahl französischer Lehrstühle ein, so wird es auch den zu berufenden Lehrern einen möglichst großen Zuhörerkreis bieten wollen. Bis jetzt werden die französischen Vorlesungen an der Anstalt, wenn man von den eigentlichen
Sprachkursen absieht, hauptsächlich von romanischen Schweizern, dann von Italienern und Elsäßern besucht; eigentliche Franzosen finden sich nur selten unter den Schülern ; Man sollte daher Mittel finden, eine größere Zahl von französischen Schillern anzuziehen. Der Zudrang zu der Ecole normale, der

142

Ecole polytechnique, der Ecole centrale geht weit über die Zahl der Aufzunehmenden hinaus. Was im Besonderu die Ecole centrale anbetrifft, welche kein Internat besitzt, und zudem bestrebt ist, sich aus eigenen Mitteln zu erhalten, so erwachsen ihren Studirenden für Schulgeld (jetzt Fr. 1000") und Unterhalt in dem theuren Paris Ausgaben, die mehr als das Doppelte dessen betragen, was für die - nämlichen Bedürfnisse in Zürich ausgegeben werden muß. Es liegt somit für die französischen Behörden kein Grund vor, das Studium in Zürich zu erschweren, während für die Studirenden noch die Anziehungskraft der billigern Preise hinzukommt.

Im Weitern kann es für Frankreichs Industrie, Wissenschaft und Administration nur vorteilhaft sein, wenn eine Anzahl jüngerer Techniker und Gelehrter sich bei uns mit deutscher Sprache und Wissenschaft vertraut gemacht haben. Es wäre demzufolge zu wünschen, daß die französische Regierung, die schon Stipendien für Seminaristen ausgeworfen hat, welche zu ihrer weitern Ausbildung in die deutsche Schweiz kommen, in ähnlichem Sinne zu Gunsten unserer Anstalt handeln wollte. Es spricht dafür der besondere Grund, daß noch auf Jahre hinaus die politische Stimmung gegen Deutschland in Frankreich nicht derart sein wird, um einen direkten Austausch geistiger Kräfte zwischen den beiden Nachbarländern zu gestatten.

Zu unsern Gunsten wird noch der Umstand in die Waagschale fallen, daß das eidgenössische Polytechnikum binnen Kurzem für Chemie und Physik über Räumlichkeiten zu Unterrichts- und Forschungszwecken zu verfugen haben wird, wie sie in Frankreich nirgends annähernd in gleich zweckmäßiger Art existiren. Weder die Ecole polytechnique noch die Ecole centrale, von denen die cratere ein neues Physikgebäude, die letztere einen vollständigen Neubau besitzt, sind auf den eigentlichen Laboratoriumsbetrieb in unserm Sinne eingerichtet, trotzdem hervorragende französische Techniker in vollständiger Uebereinstimmung mit den Anschauungen des schweizerischen Schulrathes in der Anleitung zur selbständigen wissenschaftlichen Beobachtung physikalischer und chemischer Thatsachen ein Fundament in der Erziehung der künftigen Techniker erblicken. Eine Schwierigkeit existirt allerdings : der Franzose lernt nur schwer und ungern deutsch, und es wird doch trotz der Vermehrung unserer französischen
Professuren nothwendig sein, daß die zu uns kommenden Schüler wenigstens einigermaßen die deutsche Sprache beherrschen. So vorzüglich nun die Staatslyceen in anderer Beziehung sind, so konservativ verhalten sie sich gegenüber dem Verlangen nach besserer Berücksichtigung der modernen Sprachen, namentlich des Deutschen. Wenn wir also auch die vereinigten Bachelierzeugnisse (es-lettres und es-scienees zusammen) zum prü-

143 fungsfVeien Eintritt in das Polytechnikum anerkennen, so fehlt eben doch ein bedeutungsvolles Moment der Vorbildung. Glücklicherweise existiren in Paris neben den Staatsschulen noch höchst bedeutende kommunale und private Erziehungsanstalten, wie Collège Chaptal, Ecole Monge, St-Barbe, die sieh freier bewegen können.

Mit diesen sollte ein Abkommen betreffend Anerkennung ihrer Zeugnisse angestrebt werden, wodurch in diesen Anstalten ein Interesse an unserer polytechnischen Schule geweckt würde, das der Gewinnung einer größern Schülerzahl günstig wäre. Ohnedies regt sich in Frankreich ein starker Widerwille gegen die schablonenhafte Vorbereitung auf die Staatsschulen; es ist also möglich, daß auch in Privatkreisen unsere Initiative sympathisch begrüßt würde.

Wir dürfen darauf verweisen, daß eine große Anzahl unserer frühern Schüler gegenwärtig in Frankreich thätig sind, einige davon in ganz hervorragenden Stellungen. Diese haben unserer Anstalt namentlich in technischen Kreisen einen guten Ruf verschafft, und sie würden gewiß die Bestrebungen der Schulbehörde gerne mit ihrem Rathe und ihrem Einflüsse unterstützen.

Sollte es auf diesem Wege gelingen, eine größere Zahl von französischen Schülern zu gewinnen, so würden wir dies auch als einen Vortheil für unsere deutschsprechenden Studirenden, namentlich die schweizerischen unter denselben, erachten. Der Verkehr mit den leichter beweglichen romanischen Studiengenossen, verbunden mit der vermehrten Gelegenheit, lehrreiche französische Vorträge über die verschiedenen Wissenschaften zu hören, könnte nur nützlich wirken.

Wir konnten uns mit den Ansichten des Schulrathes über eine derartige Einführung romanischer Sprache und Wissenschaft am schweizerischen Polytechnikum, durch welche die bisherige so glückliche Einwirkung deutschen Geistes und deutscher Wissenschaft an unserer Anstalt keineswegs zurückgedrängt, sondern vielmehr auf das Wirksamste ergänzt nnd erhöht werden würde, nach reiflicher Prüfung nur einverstanden erklären und ertheilten gerne die gewünschte Ermächtigung zur Entsendung einer Delegation, die mit französischen Schulbehörden und Gelehrten behufs eventueller Gewinnung tüchtiger Lehrkräfte aus Frankreich in Verbindung treten sollte. Diese aus den Herren Vizepräsident Bleuler, Schulrath Meyer und Direktor Geiser bestehende Abordnung,
welche sich in den verwichenen Osterferien nach Paris verfügte, hatte die Lösung folgender Aufgaben anzustreben, beziehungsweise vorzubereiten : 1) Besprechungen mit den maßgebenden Personen des französischen Unterrichtsministeriums über die Art, in welcher Lehrkräfte, die diesem Ministerium unterstellt sind, in den Dienst des Polytechnikums gezogen werden könnten.

144 2) Anknüpfung von Beziehungen zu Männern, die eine ausgebreitete Personalkenntniß unter den jüngeren Gelehrten Prankreichs besitzen und die in gewissen Disziplinen mit unbestrittener Autorität über die wissenschaftliehe und pädagogische Befähigung allfällig sich präsentirender Kandidaten ein zuverlässiges Urtheil abzugeben im Stande sind.

3) Wenn schon während des Aufenthaltes der Delegation in Paristüchtige junge Männer gefunden würden, die bereit wären, nach Zürich zu kommen, so sollten mit denselben beidseitig orientirende Besprechungen stattfinden.

4) Ein weiteres Augenmerk war darauf zu richten, Mittel und Wege ausfindig zu machen, die zu einer Vermehrung der Anzahl der Schüler französischer Zunge und Nationalität führen könnten.

5) Endlich war zuständigen Orts die Frage in Anregung zu bringen, ob nicht den von unserer Schule ausgestellten Zeugnissen auf irgend welche Art eine Anerkennung in Frankreich zu verschaffen sei.

Ueber den- Erfolg der Mission nach diesen verschiedenen Riclitungen ist ein einläßlicher Bericht erstattet worden, welcher de» Kommissionen der Käthe zur Verfügung gehalten wird. Wir glauben auf die in demselben enthaltenen Details im Allgemeinen hier nicht weiter eintraten, sondern lediglich bemerken zu sollen, daß der Zweck der Delegation im Wesentlichen als erreicht betrachtet werden kann.

Was speziell die beabsichtigte Erweiterung des Unterrichts anbetrifft, so wurde durch die Abordnung festgestellt, daß es gegenwärtig möglich ist, in einzelnen Disziplinen den Lehrkörper des Polytechnikums durch tüchtige junge Gelehrte französischer1 Zunge zu ergänzen und namentlich für allgemeine Geschichte, eventuell in Verbindung mit Geographie, sowie für Nationalökonomie und Finanzwissenschaft, um welche beiden Lehrstühle es sich nach der Ansicht des Schulrathes in erster Linie handelt, geeignete Kräfte in Prankreich zu gewinnen. Zur Besetzung der in zweiter Linie angeregten französischen Doppelprofessur für ein technisches Fach (man denkt zunächst an Mechanik und theoretische Maschinenlehre) würde der Schulrath ebenfalls einen passenden Kandidaten aufzufinden suchen.

Die jährliche Ausgabe für diese drei Doppelstellen, mit deren Errichtung die proponine Erweiterung des Lehrkörpers ihren vorläufigen Abschluß finden soll, wird sich auf zusammen etwa Fr. 20,000 belaufen. Dieses Mehrbedürfniß, für welches in dem durch Bundes-

145

beschluß vom 25. Juni 1881 (A. S., n. F. V, 428} auf Fr. 447,000 festgesetzten ordentlichen Jahresbüdget der Schule nicht vorgesorgt ist, wird, wenigstens interimsweise, d. h. bis zu der wegen anderweitiger Mehrausgaben (erhöhte Betriebskosten für die neuen chemischen und physikalischen Laboratorien) bereits in Aussicht genommenen gesetzlichen Neuordnung des Schulbüdgets, durch Aussetzung eines Extrakredites gedeckt werden müssen.

Indem wir Sie daher ersuchen, dem nachstehenden Bundesbeschluß Ihre Genehmigung ertheilen zu wollen, versichern wir Sie, Tit., neuerdings unserer ausgezeichneten Hochachtung.

B e r n , den 4. Juni 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes,.

Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

146

(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

die größere Berücksichtigung der französischen Sprache am eidgenössischen Polytechnikum.

Die B u n d e s v e r s a m m l u n g der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 4. Juni 1887, b eschl feß t : Art. 1. Für die Erweiterung des Unterrichts am eidgenössischen Polytechnikum durch Anstellung französischer Lehrkräfte wird bis zur gesetzlichen Neuordnung des Schulbüdgets ein Extrakredit von jährlich Fr. 20,000 ausgesetzt.

Art. 2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt, welcher als nicht allgemein verbindlicher Natur sofort in Kraft tritt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung über die größere Berücksichtigung der französischen Sprache am eidgenössischen Polytechnikum. (Vom 4. Juni 1887.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1887

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

27

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

11.06.1887

Date Data Seite

136-146

Page Pagina Ref. No

10 013 553

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.