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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Zollbefreiung für Schienen zur ersten Anlage von Eisenbahnen.

(Vom 25. März 1887.)

Tit.

Von dea schweizerischen Eisenbahnverwaltungen ist der Bundesversammlung ein Memorial betreffend Beibehaltung der Zollbefreiung für Schienen zur ersten Anlage von Bisenbahnen eingereicht worden.

Diese Kundgebung wurde veranlaßt durch die von Seite des Zolldepartements erfolgte Abweisung eines Begehrens der Direktion der westschweizerischen Bahnen um Zollrückvergütung für Schienen, welche erst nach dem 19. Juli 1884 zur Einfuhr gelangten, während zufolge des Bundesbeschlusses vom 10. Oktober 1874 (A S. n. F. I, 239) die gedachte Zollerleichterung mit jenem Termin ihr Ende erreicht hatte.

Wir unterlassen es, auf Erörterungen über den am Schlüsse des Memorials erwähnten Spezialfall, der rein administrativer Natur ist, einzutreten, und betonen bloß, daß die an jenen Vorgang anschließenden Bemerkungen, womit die Aufhebung der durch den Bundesbeschluss vom 10. Oktober 1874 bis zürn 19. Juli 1884 eingeräumten Vergünstigung der Zollbefreiung für Schienen der ersten Anlage in Frage gestellt werden möchte, in mehrfacher Hinsicht nicht zutreffend sind, indem sich die Thatsache, daß mit dem 19. Juli 1884 die erwähnte Vergünstigung hinfällig geworden, an Hand der offiziellen Erlasse unwiderlegbar nachweisen läßt. Es kann sieh mithin nicht darum handeln, gemäß demSchlussantragee des Memorials einfach zu e r k l ä r e n d a s s a ß die durch diBundesbeschlüssese

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vom 19. Juli 1854, 9. Juli 1864 und 10. Oktober 1874 gewährte Zollbefreiung für Schienen, die für die erste Anlage einer schweizerischen Eisenbahn bestimmt sind, auch w e i t e r h i n zu R e c h t bestehe" 1 , sondern es hat die Bundesversammlung förmlich B e s c h l u ß d a r ü b e r z u f a s s e n , o b d i e m i t d e m 19. J u l i 1884 e r l o s c h e n e B e g ü n s t i g u n g v o n d i e s e m T e r m i n ab, sei es auf u n b e s t i m m t e Zeit, sei es wie bei den f r ü h e r n B e s c h l ü s s e n a u f w e i t e r e 1 0 Ja h r e , zu g e w ä h r e n sei oder nicht.

Zu diesem Behufe erlauben wir uns, in gedrängter Kürze auf die frühern Verhandlungen über diesen Gegenstand zurückzukommen.

Infolge des Bundesbeschlusses vom 19. Juli 1854, betreffend Abänderung des Art. 3 des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen (Gesetzsammlung Bd. IV, S. 248) und der Erneuerung dieses Beschlusses vom 9. Juli 1864 (Gesetzsammlung Bd. VIII, S. 94) haben mit Bezug auf die Verzollung von Eisenbahnmaterial bis zum Jahre 1874 folgende Ausnahmeverhältnisse bestanden: 1) Zollbefreiung für Schienen, Schienenbefestigungsmittel, Ausweichungsvorrichtungen, Kreuzungen, Drehscheiben, Schiebbrüeken, Eisenbestandtheile zum Bau von eisernen Brücken, Räder, Achsen, Lokomotiven und Coke; 2) Zollermäßigung für Waggons aller Art auf 1 ^a % vom Werth ; 3) Zollbefreiung für Rohstoffe des sub l genannten Materials, welche von schweizerischen Fabriken eingeführt und verarbeitet wurden.

Im Jahi-e 1874 gelangte diese Angelegenheit neuerdings vor die Bundesversammlung, indem der Bundesrath in seiner Botschaft vom 1. Juni gleichen Jahres den Antrag gestellt hatte, die hievor genannten Vergünstigungen dahinfallen zu lassen.

Zur Begründung dieses Antrages wurde insbesondere Folgendes angeführt : Die Vergünstigungen seien gerechtfertigt gewesen in Rücksicht auf die großen Opfer, welche Kantone und Gemeinden für die un!er schwierigen Verhältnissen entstandenen Eisenbahnunternehmungen gebracht haben. Da jedoch in neuerer Zeit sich vorzugsweise das Privatkapital daran betheilige, so bestehe kein Grund mehr, dieselben günstiger zu behandeln als andere private Unternehmungen.

Das Nämliche gelte in Bezug auf die Frage einer etwaigen Belassung der Zollbefreiung für das zur ersten Anlage von Kisenbahnen dienende Material, abgesehen davon, daß es, und namentlich Bundesblatt. 39. Jahrg. Bd. I.

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beim Rollmaterial, schwierig wäre, festzustellen, ob dasselbe zur ersten Anlage oder als Ersatzmaterial bestimmt sei.

Zu weitern Bedenken hinsichtlich einer fernem Gewährung besonderer Ausnahmen zu Gunsten der Eisenbahngesellschaften gab sodann in zweiter Linie die damalige Beurtheilung der Finanzlage des Bundes Anlaß, indem für den Fall der Annahme der neuen Bundesverfassung ein jährliches Defizit von mehr als 3 1/2 Millionen vorausgesehen war.

Entgegen dem bundesräthlichen Antrage machte indessen die ständeräthliche Eisenbahnkomission in ihrem Berichte vom 23. Juni 1874 Bundesbl. 1874, Bd. II, S. 585) geltend, daß eine gänzliche Aufhebung aller bisher bestandenen Zollvergünstigungen das naturliche Billigkeitsgefühl in hohem Maße verletzen würde, indem die Schwierigkeiten für Erstellung neuer Bahnlinien nach wie vor fortbestehen und das Baukapital der neuen Gesellschaften in weit stärkerem Verhältniß als früher aus öffentlichen Fonds geschöpft sei, während die von Privaten gezeichneten Aktien nur ein sehr kleines Betreffniss des Gesellschaftskapitals ausmachen; auch sei O

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d i e Annahme d e s Bundesrathes i n Betreff d e r Rentabilität diene sogar jede Lokalbahn, die mit einem größern Netz in Verbindung gebracht werden könne, dem allgemeinen Verkehr, habe also nicht weniger Anspruch auf die Vergünstigung als die bereits bestehenden Hauptlinien des schweizerischen Eisenbahnnetzes.

Daß die Zollbefreiung nicht nur für die erste Anlage, sondern auch für die Unterhaltung und Erneuerung bereits bestehender Linien gewährt wurde, bezeichnet die Kommission als ein unrichtiges Prinzip, wogegen die Zollbefreiung für die Einfuhr von Schienen erster Anlage im Interesse der Weiterentwicklung der Kommunikationsmittel gerechtfertigt sei, zumal mit Leichtigkeit der erstmalige Bedarf auf Grund der Kilometerlängen ermittelt werden k . ne.

Unterm 9./10. Oktober 1874 wurde hierauf von den Rathen beschlossen : 1) Die durch Beschluß der Bundesversammlung vom 19. Juli 1854 und 9. Juli 1864 für die Einfuhr von Eisenbahnmaterial gewährten Zollerleichterungen werden, soweit sie sieh auf Eisenbahnschienen beziehen, bis z u m l 9. J u l i 1884 e r n e u e r t , j e d o c b mit der B e s c h r ä n k u n g , daß die B e f r e i u n g vom Ein g a n g s z o 11 a u f d e m W e g e d e r R ü c k v e r g ü t u n g n u r f ü r solche Schienen gewährt w i r d , w e l c h e für die erste A n l a g e einer v o n d e n K a n t o n e n oder v o m B u n d e k o n ze d i r t e n E i s e n b a h n b e s t i m m t sind.

.735 Alle andern in dem Beschluß vom 19. Juli 1854 bewilligten Zollerleichterungen sind mit dem 19. Juli 1874 außer Kraft getreten.

2) Der Bundesrath wird eingeladen, über die Tarifiruog von zollpflichtigen Gegenständen für Eisenbahnbetrieb und Eisenbahnbauten, wie Lokomotiven, Wagen, eiserne Brücken u. s.w., die weiter erforderlichen Vorlagen einzubringen.

3) Wofern das Bundesgesetz über das schweizerische Zollwesen oder der Zolltarif einer Revision unterzogen wird, kann der vorliegende Beschluß ebenfalls einer Aenderung unterworfen werden.

4) Referendumsklausel.

Am 24. Dezember 1874 erfolgte dann, gestützt auf die bundesräthliche Botschaft vom 28. Oktober gì. J., die Beschlußfassung über die Verzollung von Eisenbahnmaterial (s. Ziffer 2 hievor), bezw. die Aufstellung eines Differenzialiarifs.

Die Zollbefreiung für Schienen erster Anlage erlosch, weil von den Käthen nicht erneuert, mit dem 19. Juli 1884, und mit 31. Dezember gleichen Jahres trat auch in Gemäßheit von Art. 6 des neuen Zolltarifgesetzes jener Spezialtarif außer Kraft.

Was nun die Frage anbelangt, ob die im Jahre 1874 eingeräumte Vergünstigung der Zollbefreiung für Schienen erster Anlage neuerdings zu gewähren sei, so dürften die Motive, welche damals zu einer vom Antrage des Bundesrathes abweichenden Schlußnahme führten, auch jetzt noch in gleichem Maße zur Geltung kommen, da die Verhältnisse im Betreff der Anlage von neuen Linien sich seither nicht wesentlich verändert haben und die Bahngesellschaften gegenüber früher ohnehin insofern ungünstiger gestellt sind, als ihr Material seit 1. Januar 1885 nicht mehr nach besonderm Ausnahme-Tarif verzollt wird.

Wir beehren uns daher, die Ausdehnung der mit dem 19. Juli 1884 dahingefallenen Zollbefreiung für Schienen erster Anlage auf fernere 10 Jahre zu beantragen und dementsprechend nachfolgenden Beschlußentwurf vorzulegen.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommensten Hochachtung.

B e r n , den 25. März 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident:

Pro/.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : ßingier.

136 (Entwurf)

Bundesbeschluss betreffend

Zollbefreiung fUr Schienen zur ersten Anlage von Eisenbahnen.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 25. März 1887, beschließt: 1. Für Schienen, welche zur ersten Anlage einer vom Bund konzessionirte Eisenbahnlinie bestimmt sind, wird die durch den Bundesbeschluß vom 10. Oktober 1874 (Amtl.

Samml. n. F. I, 239) gewährte Vergünstigung auf die Dauer von weitem 10 Jahren, vom 19. Juli 1884 an gerechnet, erstreckt.

2. Der Bundesrath wird beauftragt, gemäß den Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Beschlusses zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung, betreffend Zollbefreiung für Schienen zur ersten Anlage von Eisenbahnen. (Vom 25. März 1887.)

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02.04.1887

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