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Botschaft des

Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend den am 4. Juni 1887 zwischen der Schweiz und Belgien abgeschlossenen Niederlassungsvertrag.

(Vorn 10. Juni 1887.)

Tit.

Aus Anlaß der Revision des Zolltarifs waren wir im Jahre 1868 genöthigt, den Vertrag mit Belgien vom 11. Dezember 1862 zu kündigen. Da in dem gleichen Vertrage die Niederlassungsverhältnisse geordnet waren , so mußten auch die hierauf bezüglichen Bestimmungen dahinfallen. Im November 1879 und Januar 1880 haben wir uns jedoch mit der belgischen Regierung mittelst Austausches identischer Noten dahin verständigt, daß sich beide Staaten in Bezug auf alle Rechtsverhältnisse, welche durch jenen Vertrag geregelt worden waren, auf dem Fuße der Gleichstellung mit der meistbegünstigten Nation behandeln wollen, und zwar so lange, bis ein neuer Vertrag abgeschlossen oder einer der beiden Theile von diesem Uebereinkommen zurückgetreten sein werde.

(Amtl. Samml. n. F. IV, 365 und 447.)

Da jedoch in neuerer Zeit von Seite belgischer Militärbehörden Versuche gemacht worden waren, junge Schweizer, die in Belgien geboren sind, der belgischen Militärgesetzgebung zu unterstellen, so waren wir genöthigt, hiegegen zu reklamiren, weil im Sinne der vereinbarten Meistbegünstigung die in der Schweiz wohnenden Belgier gemäß Art. 4 des Niederlassungsvertrages zwischen der

315 Schweiz und Frankreich vom 23. Februar 1882 von jeden Leistungen für militärische Zwecke befreit gewesen wären, also die Vortheile des Art. 5 des Vertrages zwischen Belgien und der Schweiz von 1862 auch fernerhin genossen hätten , während den in Belgien wohnhaften Schweizern die gleichen Vortheile nicht bewilligt werden wollten. Die gegenwärtige belgische Regierung glaubte nämlich, die 1879/80 auf dem Korrespondenzwege getroffene Vereinbarung in Zweifel ziehen zu können, weil sie nicht den gesetzgebenden Behörden zur Ratifikation vorgelegt worden. Wir vertheidigten zwar die Ansicht, daß vermöge der Kontinuität der sich folgenden Regierungen eines Staates in ihren Beziehungen zu auswärtigen Staaten dieses Raisonnement nicht zuläßig sei, und daß Belgien in Fortsetzung des alten Vertrages der Schweiz dieselben Vortheile gewähren müsse, die es in der Schweiz genießt. Allein die einmal aufgetretenen Zweifel belehrten uns, daß hierauf nicht vertraut werden könne. Wir sahen uns daher veranlaßt, der belgischen Regierung den Abschluß eines neuen und von andern Materien getrennten Niederlassungsvertrages auf Grundlage der bezüglichen Bestimmungen des Vertrages von 1862 oder des Vertrages zwischen der Schweiz und Frankreich vom 23. Februar 1882 vorzusehlagen.

Die belgische Regierung trat auf diesen Vorschlag ein, indem sie unsern Vertrag mit Frankreich beinahe vollständig acceptirte.

In dieser Weise waren die beidseitigen Bevollmächtigten in der glücklichen Lage, den Vertrag nach kurzen Verhandlungen am 4. Juni a. c. unterzeichnen zu können, selbstverständlich immerhin unter Vorbehalt seiner Ratifikation durch die gesetzgebenden Behörden.

Wir glauben, an der Ratifikation dieses Vertrages von Ihrer Seite nicht zweifeln zu dürfen, da derselbe, wie bereits erwähnt, fast wörtlich übereinstimmt mit dem gegenwärtig in Kraft stehenden Niederlassungsvertrag mit Frankreich, welcher im April 1882 Ihre Genehmigung erhalten hat. Es sind lediglich die Art. 2 und 7 des Niederlassungsvertrages zwisi-hen der Schweiz und Frankreich gestrichen worden.

Der Art. 2 im schweizerisch-französischen Vertrag schreibt vor, daß die Franzosen zur Legitimation ihrer Niederlassung in der Schweiz mit einem ihre Staatsangehörigkeit bezeugenden Immatrikulationsscheine versehen sein müssen, welcher von Seite der französischen Botschaft
oder einem Konsulate oder Vizekonsulate in der Schweiz ausgestellt wird. Da jedoch weder die belgische Gesandtschaft, noch die belgischen Konsulate Listen führen über die in der Schweiz wohnenden Belgier, so sind sie nicht in der

316 Lage, Inmatrikulationsscheine auszustellen. Weil nun aber gemäß Art. l des neuen Vertrages die Belgier künftig auf gleichem Fuße aufzunehmen und zu behandeln sind, wie die Angehörigen der andern Kantone, so werden diese von den Belgiern , welche die Niederlassung verlangen, die gleichen Ausweispapiere beanspruchen können, wie sie die Angehörigen anderer Kantone beibringen müssen. Der Vertrag mit Belgien von 1862 enthielt auch keine bezügliche Bestimmung, und es wurde dieser Umstand nicht als ein Mange] empfunden. Es mag für die künftige Praxis auf das Kreisschreiben unseres Justiz- und Polizeidepartements vom 24. Oktober 1874 (Bundesbl. 1874, III, 250) verwiesen werden.

Der Art. 7 des schweizerisch-französischen Vertrages betrifft die Ausdehnung desselben auf die französischen Kolonien. Da Belgien keine Kolonien hat, so war hier die Streichung selbstverständlich.

Wir schließen mit dem Antrage, Sie möchten dem Niederlassungsvertrage mit Belgien vom 4. Juni 1887 durch Annahme des folgenden Entwurfes zu einem Bundesbeschlusse Ihre Genehmigung ertheilen.

Wir benutzen auch diesen Anlaß, um Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r u, den 10. Juni 1887.

Im Namen des Schweiz. Bundesrathes, Der Bundespräsident: Droz.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf)

Bundesbeschluß betreffend

den zwischen der Schweiz und Belgien am 4. Juni 1887 abgeschlossenen Niederlassungsvertrag.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 10. Juni 1887, beschließt: Art. 1. Der zwischen der Schweiz und Belgien am 4. Juni 1887 abgeschlossene Niederlassungsvertrag ist genehmigt.

Art. 2. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

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Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend den am 4. Juni 1887 zwischen der Schweiz und Belgien abgeschlossenen Niederlassungsvertrag. (Vorn 10. Juni 1887.)

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18.06.1887

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