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Bericht der

Minderheit der ständeräthlichen Kommission über ein neues ßundesgesetz betreffend gebrannte "Wasser.

(Vom 19. Dezember 1887.)

Tit.

Mit Botschaft vom 5. d. Mts. legt der Bundesrath den eidgenössischen Räthen den Entwurf eines Bundesbeschlusses vor, laut welchem die A u s l e g u n g von Art. 32bis der Bundesverfassung zu beschließen ist: ,,Die Bestimmung von Art 32bis der Bundesverfassung, lautend : ,,Das Brennen von Wein, Obst und deren Abfällen, von Enzianwurzeln Wachholderbeeren und ähnlichen Stoffen fällt betreffend Fabrikation und Besteuerung nicht unter die Bundesgesetzgebung", bezieht sich nur auf Stoffe inländischer Herkunft."

Dieser Bundesbesehluß soll zugleich als dringlich erklärt werden.

Es ist das unseres Wissens der e r s t e Fall eidgenössischer Gesetzgebung, in welchem auf dem Wege eines dringlich zu erklärenden Beschlusses eine einschränkende Interpretation eines klaren Verfassungs- und Gesetzestextes -geschaffen werden soll. Es gebietet daher unsere Pflichtstellung, den vorliegenden Gegenstand eingehend zu prüfen. Und wenn wir dieses im Folgenden thun, ist es vorerst angezeigt, die für den Bundesbeschluss angebrachten Gründe der bundesräthlichen Botschaft zu vernehmen.

Letztere erklärt im Eingänge, daß Art. 32bis der Bundesverfassung, indem er von den gesetzlichen Vorschriften über Fabri-

935 kation und Besteuerung gebrannter Wasser ,,das Brennen von Wein, Obst und deren Abfällen, von Enzianwurzeln, Wachholderbeeren und ähnlichen Stoffen"1 ausnahm, lediglich eine dem inländischen Produzenten dieser Stoffe zu gewährende Erleichterung im Auge gehabt habe. Zur Erhärtung dieser Behauptung beruft sich der Bundesrath auf seine Botschaft betreffend die Revision der Bundesverfassung und auf die Protokolle der zur Begutachtung des Gesetzentwurfes über gebrannte Wasser niedergesetzten Kommission.

Abgesehen nun davon, daß da, wo ein klarer Verfassungs- und Gesetzestext im a l l g e m e i n e n Sinne vorliegt (wie es im vorliegenden Falle sieh erzeigt), mit Berufung auf Botschaften und Protokolle, welche der Volksabstimmung über Verfassung und Gesetze nicht zugleich mit unterliegen, nicht eine beschränkende Bedeutung gegeben werden kann, unterläßt der Bundesrath selbst auch den Nachweis, in wiefern die gedachte a l l g e m e i n lautende Bestimmung des Verfassungsartikels nach Botschaft und Protokollen doch wirklich eine beschränkte Bedeutung haben soll. Wir wollen die Beleuchtung der nun vorgeschlagenen Einschränkung eines Verfassungs- und Gesetzestextes aus Botschaft und Protokollen hier noch nicht einflechten, sondern die bundesräthliche Botschaft in ihrem interessanten Gange weiter begleiten.

Sie sagt im zweiten Absätze wörtlich: ,,Als es sich um die I n k r a f t s e t z u n g dieses Gesetzes handelte, 'glaubten wir für Qualitätsspirituosen die Rückerstattung der in Art. 3 desselben vorgeseheneu Monopolgebühr gewähren zu können. tt Als Grund hiefür wird die ,, V o r a u s s e t z u n g " angeführt, daß diese Spirituosen : Cognac u. dgl., weil im Preise sehr hoch stehend, den aus Kartoffeln, Cerealien und ähnlichen Stoffen gewonnenen keine Konkurrent machen könnten. Das zeigte sich dann anders und ,,hat die Erfahrung gelehrt -- fährt der Bundesrath wörtlich weiter -- daß Spirituosen, w e l c h e sich als das a u s s c h l i e ß l i c h e Produkt der in Art. 32bto a u s g e n o m m e n e n Stoffe darstellten, zu außerordentlich niedrigen Preisen in die Schweiz eingeführt werden könnten, so daß dieselben nach einmal erfolgter Rückerstattung der Monopolgebühr von Fr. 80 per Hektoliter billiger zu stehen kommen, als die durch die Monopolverwallung verkauften11.

Der Bundesrath erwähnt sodann
weiter: ,,Angesichts dieser T h a t s a c h e n haben wir keinen Anstand genommen, eine ,, V e r g ü n s t i g u n g ' 1 als dahingefallen zu erklären, welche einzig und allein auf unseren eigenen A n o r d n u n g e n beruhte 41 , und theilt seinen unterm 11. November gefaßten Beschluß mit: ,,1) Für Qualitätsspirituosen, welche vom 1. Dezember 1887 an eingeführt werden, findet k e i n e r l e i Rückvergütung der Monopolgebühr mehr statt.

936 ,,2) Die in Ausführung von Ziffer 3 des Beschlusses über successiven Vollzug des Gesetzes über gebrannte Wasser vom 15. Juli 1887 weiter gefaßten Bundesrathsbeschlüsse vom 17. August und 6. Oktober 1887 (Amtl. Samml. n. F. Bd. X, S. 127 ff. und 278) sind aufgehoben."

Der Bundesrath sagt nun im Weitern in sehr b e z e i c h n e n der Weise wörtlich: ,,Um nun jeden Zweifel (ein solcher ist auch nach Auffassung des Bundesrathes also doch möglich!) über die Tragweite der in Art. 32bis statuirten Ausnahme zu beseitigen, beehren wir uns, Ihnen heute den Entwurf eines jene Bestimmung interpretirenden Beschlusses zu unterbreiten."

Für einen solchen i n t e r p r e t i r e n d e n Beschluß wird im Folgenden sodann keine Art innerer, aus Verfassung und Gesetz fließender Gründe auch nur angeführt, sondern lediglich erklärt: "Bis jetzt ist das Brennen von importirten Erzeugnissen solcher Art (Wein, Weintrester, Drusen, frischen und getrockneten Trauben etc.)

in der Schweiz von nur sehr geringer Bedeutung gewesen. Es ist möglich, daß es Angesichts des Wortlautes der n eu e n Bestimmungen (so spricht wörtlich der Bundesrath auf S. 2 seiner Botschaft vom 5. d. Mts. !) vollständig aufhört."

War unsere Stellung so weit eine unter wörtlicher Anführung der Hauptstellen der bundesräthlichen Botschaft lediglich referirende, müssen wir uns nun gestatten, an Hand der gleichen Botschaft die Gesichtspunkte vorzuführen, welche uns zu unserrn Antrage führten.

Wenn der h. Bundesrath bei Inkraftsetzung des Bundesgesetzes betreffend gebrannte Wasser glaubte, für Qualitätsspirituosen die Rückerstattung der in Art. 3 des Gesetzes vorgesehenen Monopolgebühr gewähren zu können, ließ er sich natürlicher Weise von der in d i e s e m Sinne lautenden Auffassung von Verfassung und Gesetz leiten. Wahrscheinlich hat die Erwägung dabei m i tg e w i r k t , daß diese Spirituosen: Cognac u. dgl., weil im Preise sehr hoch stehend, den aus Kartoffeln, Cerealien und ähnlichen Stoffen gewonnenen keine Konkurrenz machen. Aus dem Grunde aber nun, daß sieh diese Erwartung n i c h t erfüllt hat, folgt unmöglich von selbst eine der ursprünglich leitenden Auffassung von Verfassung und Gesetz u m g e k e h r t e Bestimmung. Es kann auch unmöglich -- vvie der Bundesrath in seiner Botschaft sagt -- das ursprüngliche Vorgehen der V o l l z i e
h u ngs behörde bei Inkraftsetzung des Gesetzes bloß ,,als eine V e r g ü n s t i g u n g angesehen werden, die ohne Anstand als dahingefallen zu erklären ist, wei sie einzig und allein auf unsern (des Bundesrathes) eigenen Anord-

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nungen beruhte". So sehr wir die edle Resignation, die in dieser Stelle liegt, aufrichtig anerkennen, müssen wir doch gegenüber der bundesräthliehen Botschaft betonen, daß es sich nicht lediglich um eine ,,Vergünstigung", um einseitige Anordnungen des Bundesrathes handelt, die finanzpolitischen Erwägungen sich zu beugen haben, sondern um ein klares, richtiges Vorgehen der eidgenössischen Vollziehungsbehörde auf dem Boden von Verfassung und Gesetz. Erzeigen sich bei diesem ursprünglich eingeschlagenen r i c h t i g e n Vorgehen irgendwelche Mißstände praktischer Natur, ist es hinwiederum die Aufgabe des Gesetzgebers, auf dem Boden des Gesetzes selbst Remedur zu schaffen -- aber gewiß nicht kann im freien Volksstaate auf dem Wege eines dringlich zu erklärenden Bundesbeschlusses die E i n s c h r ä n k u n g einer nach klarem Texte a l l g e m e i n gehaltenen Bestimmung in Verfassung und Gesetz hineininterpretirt werden.

Bevor wir zur Entwicklung unseres schon aus der Botschaft des Bundesrathes vom 5. dieses Monats sich naturgemäß ergebenden Antrages übergehen, betrachten wir es als Pflicht, gegenüber dem Bundesrathe darzuthun, daß er ursprünglich in Vergütung der Monopolgebühr auf Qualitätsspirituosen, soweit diese Produkte die in Art. 32bis ausgenommenen Stoffe darstellen, ganz, richtig gehandelt hat und wir so lange auf diesem korrekten Standpunkte stehen, als nicht in l e g a l e r Weise Revision geschaffen wird.

Indem wir von der Erörterung t h a t s ä c h l i c h e r Natur zu derjenigen r e c h t l i c h e r Natur übergehen, stellen wir vorerst den G e g e n s t a n d unserer Prüfung genau fest. Wir thun dieses nach der bundesräthlichen Botschaft vom 5. d. M., die sich wörtlich dahin ausspricht, ,,daß Spirit u o s e n , w e l c h e s i c h a l s d a s a u s s c h l i e ß l i c h e P r o d u k t d e r i n A r t . 3 2bis ausgenommenen Stoffe darstellten, zu außero r d e n t l i c h n i e d r i g e n P r e i s e n i n d i e S c h w e i z eingeführt w e r d e n k o n n t e n , so daß . . . ." (folgt die finanzpolitische Erwägung).

Betrachten wir nun die Frage im Lichte von Verfassung und Gesetz, zeigt sich uns, daß hiebei nicht sowohl der vielgenannte Art. 32bis der Verfassung, als vielmehr das über denselben hinausgehende Monopolgesetz betreffend gebrannte Wasser in Betracht fallt.

Während es
sich nämlich in t h a t s ä c h l i c h e r Beziehung um eine gewisse, gesetzlich näher zu bestimmende E i n f u h r von Erzeugnissen handelt, spricht der Art. 32bis lediglich davon, daß der Bund berechtigt sei, im Wege der Gesetzgebung Vorschriften

938 ü b e r die F a b r i k a t i o n und den Ve r k a u f gebrannte r W a s s e r zu e r l a s s e n . Und die diesfalls ausgesprochene Ausnahme : ,,Das Brennen von Wein, Obst und deren Abfällen, von Enzianwurzeln, Wachholderbeeren und ähnlichen Stoffen fällt b e t r e f f e n d d i e F a b r i k a t i o n u n d B e s t e u e r u n g nicht unter die Bundesgesetzgebung"- trifft nach bekannten Interpretationsregeln das hier in Betracht fallende Verhältniß der E i n f u h r in keiner Weise.

Der Art. 32bis erklärt einerseits allerdings das Brennen von Wein, Obst u. s. w. ( u n d z w a r o h n e E i n s c h r ä n k u n g a u f E r z e u g n i s s e e i n h e i m i s c h e n U r s p r u n g s ) hinsichtlich F a b r i k a t i o n u n d B e s t e u e r u n g monopolfrei, berührt aber anderseits nicht das in vorwürfiger Frage im Vordergrunde stehende Verhältniß der E i n f u h r . Es war diese Regulirung thatsächlich dem G e s e t z e vorbehalten, mit andern Worten: der Art. 32bis der Verfassung stand noch nicht auf dein Boden des Bundesmonopols;, auf welchen sodann das Gesetz, gestellt wurde.

Letzteres ist nun durch die Volksabstimmung über die Verfassung hinaus zur vollendeten Thatsache geworden und ist die Frage daher wesentlich nach Maßgabe des G e s e t z e s zu beantworten.

Das B u n d e s g e s e t z betreffend gebrannte Wasser vom 23. Dezember 1886 enthält nun allerdings eine Bestimmung über E i n f u h r , indem es in Art. l sagt : ,,Das Recht zur Herstellung und zur E i n f u h r gebrannter Wasser aus Stoffen, deren Brennen der Bundesgesetzgebung unterstellt ist, steht ausschließlich dem Bundezu."1 Klarer könnte die Frage doch wohl kaum liegen: das Gesetz (nicht die Verfassung) räumt dem Bunde ausschließlich das Recht zur B in f u h r gebrannter Wasser ein, jedoch nur aus Stoffen, deren Brennen der B u n d e s g e s e t z g e b u n g unterstellt ist. Die V e r f a s s u n g hinwiederum normirt diese Stoffe, indem sie von ,, g e b r a n n t e n Wassern" spricht, a l l e i n diejenigen von Wein, Obst und deren Abfallen, von Enzianwurzeln, Wachholderbeeren und ähnlichen Stoffen (ohne jede Unterscheidung auf einheimischen oder fremdländischen Ursprung) ausnimmt.

Eine natürliche Auslegung des G e s e t z e s kann also nur dahin gehen, daß der Bund das a u s s c h l i e ß l i c h e Recht zur Einfuhr
gebrannter Wasser hat, soweit diese nicht von Wein, Obst und deren Abfällen u. s. w. herrühren.

Die Genesis des Gesetzes kann d i e s e Auffassung natürlich nur belegen und thut es auch. Wir erlauben uns, speziell auf dieses Moment aus dem Grunde aufmerksam zu machen, weil man

939 für die I n t e r p r e t i r u n g an Stelle der von uns beantragten, einzig richtigen Ergänzung des lückenhaften Gesetzes ziemlich allgemein anführt, es habe bei Schaffung und Annahme des Gesetzes keine andere Auffassung gewaltet, als daß sich die a l l g e m e i n (d.h. ohne Unterscheidung auf den Landesursprung gewisser Erzeugnisse) gehaltene Ausnahme n u r auf die e i n h e i m i s c h e n Produkte bezogen habe. Wir wollen nicht bestreiten, daß man sich diese Einschränkung in Volkskreisen (falls man sieh in letztern überhaupt nach gleicher Richtung Klarheit verschaffte, nach welcher sie nach Ablauf eines Jahres im Kreise der Gesetzgeber n i c h t besteht) in das Gesetz hineindenken mochte; es war aber auch in diesem Falle nur ein H i n z u t h un nach einer gewissen, natur- und erfahrungsgemäß dem B i l l i g k e i t s s i n n folgenden Lebensanschauung des Volkes. Im Gesetze liegt diese Beschränkung, wie gesagt, nicht; der Gesetzgeber w o l l t e sie aber auch n i c h t h i n e i n l e g e n , was wir noch in kurzen Zügen zeigen wollen: In den ,,Berathungen der vom Schweiz. Nationalrathe bestellten Kommission zur Behandlung der Frage der Bekämpfung des Alkoholismus" (gehalten in Zürich) bemerkte in der Sitzung vom 25. Januar 1885 Herr Berger, daß er mit der Einschränkung der Vorschriften auf das Brennen von mehlhaltigen und von Hackfrüchten einverstanden; ,,sie entspricht auch einem Unterschied in der technischen Behandlung, da diese Stoffe einem besondern Verzuckerungsprozeß unterworfen werden müssen, während dies bei den Stoffen der landwirtschaftlichen Brennerei nicht der Fall ist.

Er hat aber ein Bedenken gegen diese Fassung. Der Entwurf entspricht allerdings der gegenwärtigen Technik. Wenn aber neue Stoffe zur Fabrikation von Alkohol mit einbezogen werden, so entziehen sich diese dem Einflüsse des Art. 32bis, und es muß, um dieselben ebenfalls den Bundesvorschriften zu unterwerfen, der ganze Apparat einer Verfassungsrevision in Scene gesetzt werden. Es wäre daher eine allgemeine Fassung vielleicht vorzuziehen." Was hier nach a n d e r e r Richtung von der Wünschbarkeit einer a l l g e m e i n e r u Fassung gesagt ist, hat gewiß auch seine Bedeutung für u n s e r e Frage. Nur hinsichtlich des in Bewegung Setzens des Verfassungsapparates darf nicht übersehen werden, daß das G e s e
t z über die Verfassung h i n a u s die Grundlage eines Monopolgesetzes erhalten hat und es sich sonach nur um eine G e s e t z e s n o v e l l e handeln kann.

Das Protokoll aus gleicher Sitzung enthält aber auch eine ganz direkte Beleuchtung der v o r l i e g e n d e n Frage. Es sagt auf Seite 8:

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Herr B e z z o la regt an, ob nicht der Antrag des Hrn. Curti durch eine Beschränkung auf das Eigengewächs amendirt werden könnte. Er wünscht zu wissen, ob der Bundesrath diesen Punkt in Berathung gezogen. Ohne diese Einschränkung könnte es vorkommen, daß z. B. Tessin massenhaft Trester aus Italien beziehen und brennen würde.

Herr K u m m e r gibt Aufschluß, daß eine solche Einschränkung nicht angehe, einerseits weil eine Kontrole darüber geradezu unmöglich sei, ob e i n e r nur seine eigenen Obstabfälle brenne oder auch die von Nachbarn gekauften; zum Zweiten, weil auch keine große Gefahr in letzterem liege, da die Masse des zur Verwendung kommenden Rohmaterials eine begrenzte und das Produkt kein an sich gesundheitsschädliches sei; endlich aber auch, weil eine solche Einschränkung das Brennen von Enzian und ähnlichen Stoffen mittreffen würde.

Es ist unnöthig, noch weitere Stellen (z. B. interessante Voten der Herren Stößel und Geigy, erwähnt auf Seite 10) anzuführten.

Doch können wir nicht umhin, eines den vorstehend erwähnten Berathungen sich anschließenden, ,,Zur Branntweinsteuer" betitelten Artikels des Hrn. Direktor Milliet, in der Grenzpost vom 9. Marx 1886, zu gedenken, worin kurz und gut gesagt ist: ,,Dem Gesetz sind nur Brennereien unterstellt, welche Kartoffeln, Korn, Mais, Melasse, Brauereiabfälle etc. verarbeiten, während die Obst- und W e i n t r e s t e r b r e n n e r e i nicht davon berührt wird." Die in weitem Kreisen angesehene Redaktion des Blattes bemerkt hiezu : ,,Wir können dies keineswegs als einen Vorzug betrachten".

Noch wichtiger als die vorstehenden Zeugnisse ist die Ihnen bekannte Botschaft des Bundesrathes an die Bundesversammlung betreffend die Ausführung der Art. 31, 32, 32bis und Uebergangsbestimmung, die sich auf S. 59 also über die Bedeutung der in A r t . 32 bis ausgesprochenen A u s n a h m e vernehmen läßt: "(Spezielle Bemerkungen zu den Einzelbestimmungen.) Art. 1.

Die hier stipulirte Pflicht zur Erlangung einer Bundeskonzession bezieht sich auf alle Betriebe, die mehlhaltige Stoffe, Rüben, Melasse und andere nicht ausdrücklieh durch Alinea l von Art. 32bis der Bundesverfassung von der Fabrikationssteuer ausgenommene Materialien zu Spiritus verarbeiten. Bei den gegenwärtig bestehenden Verhältnissen der schweizerischen Brennerei kommen in praxi zunächst ausschließlich Kartoffeln und Getreide in Betracht. Der Artikel beschlägt auch die beim Inkrafttreten des Gesetzes bereits bestehenden Brennstätten.

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,,Von der Konzessionspflicht befreit sind die nach Art. 15 der kantonalen Beaufsichtigung zugewiesenen Bren nereien, die aus Wein. Obst und deren Abfällen, aus Enzianwurzeln, Wachholderbeeren und ähnlichen Stoffen geistige Getränke herstellen."

Der kompetenteste Zeuge ist aber das Protokoll der nationalräthlichen Kommission, welche dem G e s e t z e den M o n o p o l g e d a n k e n zu Grunde legte. Dieselbe spricht, sieh in dem Ihnen ebenfalls bekannten gedruckten Protokoll (S. 52) also zu Art. 3 des Gesetzes aus: ,, A r t . 3 r e g e l t d i e F r a g e der Ei n f u h r von Q u a l i t ä t s « p ir i t u o s e n d u r c h P r i v a t e .

,,Nach Ansicht der Subkommission ist die V e r fa s s u n g s w^mäßigkeit eines E i n f u h r m o n o p o l s für a l l e A r t e n von Spirituosen unzweifelhaft; d e n n d i e i n A r t . 3 b i s l s d e r B u n d e s v e r f a s s u n g m i t B e z u a u f Qualitätsspirituosenen gemachte A u s n a h m e betrifft nur die Reglirung und B e s t e u e r u n g de r Fabrikation, n i c h t aber die Ein fuhr.

,,Unter solchen Qualitätsspirituosen, deren E i n f u h r Privaten gestattet sein soll, sind erstlich alle Spirituosen verstanden, w e l c h e hinsichtlich de r Fabrikation n i c h t u n t e r die Bundesg e s e t z g e b u n g f a l l e n , ferner alle jene feinern Trinkbranntweine (wie z. B. Kombranntwein), mit deren Vertrieb sich der Bund aus venvaltungstechnischen Gründen nicht leicht würde befassen können. u Tit. Nachdem ich Ihnen sowohl aus der Botschaft des Bundesrathes vom 5. d. Mts. (bezw. aus dem Vorgehen der Exekutivbehörde), als aus Verfassung und Gesetz in gedrängtester Weise den Beweis geführt zu haben glaube, daß es sieh in der Einschränkung der Monopolfreiheit der bekannten Erzeugnisse nach dem e i n h e i m i s c h e n Ursprünge um eine n e u e Bestimmung handelt, wird es kaum mehr einer Frage unterstellt sein können, daß Solches nicht in der augebahnten Weise der Fall sein kann, .sondern auf dem Wege eines Bundesgesetzes zu geschehen hat.

Der Berichterstatter der Minderheit der Kommission glaubt sich in der diesfallsigen Ausführung möglichst kurz halten zu können und lediglich folgende wesentliche Punkte betonen zu sollen-: Schon die Abweichungen des Ingresses zum vorgeschlagenen Bundesbeschlusse zeigen, daß man sich auf mehr als schwankendem
Boden befindet. Der ßundesrath, der am Schlüsse seiner Botschaft nicht verhehlt, a u c h v o r s c h l a g e n z u k ö n n e n , d a s G e s e t z v o m 23. D e z e m b e r 1886 d u r c h b e s o n d e r e BestimBundesblatt. 39. Jahrg. Bd. IV.

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942 m u n g e n z u e r g ä n z e n , schlägt gleichwohl eine Interpretation von Art. 32bis der Bundesverfassung in einem dringlich erklärten Bundesbeschlusse vor. Der Nationalrath hinwiederum hat das Gefühl, daß von einer ,, A u s l e g u n g " doch nicht wohl die Rede sein könne, geht aber immerhin n o c h e i n e n Sch r i t t w e i t e r und sagt sogar ,,in A n w e n d u n g des Art. 32bis während der Boden für die A u s l e g u n g von ihm als ein unhaltbarer betrachtet wird.

Und während der Bundesrath den gordischen Knoten zu lösen sucht, der Nationalrath ihn d u r c h h a u t , läßt die Mehrheit der ständeräthlichen Kommission denselben einfach liegen, indem sie gur keine Bezugnahme auf Verfassung oder Gesetz vorschlägt und doch eine sehr wesentliche Einschränkung einer V e r f a s s u n g s - , beziehungsweise G e s e t z e s b e s t i m m u n g durch dringlichen Bundesbeschluss aufstellt. Sie werden dem Berichterstatter der Minderheit verzeihen, wenn er seinerseits diesen m a n n i g f a c h e n Lösungen nicht zu folgen vermochte und Ihnen vorschlagt, eine offenbare Lücke des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886 durch ein n e u e s Gesetz zu ergänzen, welchem naturgemäß und nach Art. 89 der Bundesverfassung der Vorbehalt der allfälligen Volksabstimmung nicht fehlen darf.

Der Berichterstatter stellt die legale Form über die Interessen des Fiskus, denen der vorgeschlagene Bundesbeschluß in so außergewöhnlicher Weise entgegenkommen soll. Aber s e l b s t auch die von ihm vorgeschlagene l e g a l e Form hindert in keiner Weise., das durch die seit der Inkraftsetzung des Bundesgesetzes vom 23. Dezember 1886 gemachte Erfahrung gestellte Postulat zu berücksichtigen, das die U m g e h u n g eines im Gesetze fataler Weise n i c h t ausgesprochenen Grundgedankens der öffentlichen Meinung sofort verunmöglicht und damit auch zugleich den fiskalischen Interessen billiger Weise gerecht wird. Es geschieht dieses, indem wir einem Präzedenzfalle in der eidgenössischen Gesetzgebung vom 20. Juni 1879 (Amtl. Samml. n. F., Bd. IV, 8. 207 und 347) folgen und zu der von uns vorgeschlagenen Bundesgesetz n o v e i l e einen dringlich zu erklärenden Bundesbeschluß vorschlagen, der das nicht nach seiner Rechtsnatur und nach Verfassung, wohl aber nach den wirtschaftlichen Verhältnissen dringliche Gesetz, v o r l
ä u f i g in Kraft setzt.

Indem wir Ihnen den gedruckt ausgetheilten Antrag eiues Bundesgesetzes und eines diesem z u d i e n e n d e n Bundesbeschlusses*) als der Gerechtigkeit und Billigkeit zugleich entsprechend empfehlen, bitten wir Sie, nicht eine Fährte in der eidgenössischen Gesetzgebung betreten zu wollen , die das Palladium der Volksabstimmung nur mehr als eine Konvenienz betrachten ließe , und wenn

94 man uns hiegegen einwendet, es handle sieh im vorliegenden Falle ja nur um eine s e l b s t v e r s t ä n d l i c h e Interpretation, erwidern wir, auch für den Fall, daß es sich w i r k l i c h also verhalten würde (was aber bei genauer Erdauerung der Sache sich eben n i c h t erzeigt), mit dem römischen Dichter : principiis obsta!

Tit. Wir empfehlen also nochmals den Ihnen ausgetheilten Antrag der Minderheit Ihrer Kommission.

B e r n , am 19. Dezember

1887.

Für die Minderheit der ständeräthlichen Kommission: J. B. E. Rusch.

*) Der Entwurf lautet:

Bundesgesetz betreffend

gebrannte "Wasser.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 5. Dezember 1887, beschließt: Art. l, wie Nationalrath.

Art. 2. Der Bundesrath ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Bundesgesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

Bundesbeschluss betreifend provisorische [Anwendung des Bundesgesetzes vom. Dezember 1887 betreffend gebrannte Wasser.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrathes vom 5. Dezember 1887 und unter Bezugnahme auf das Bundesgesetz vom --. Dezember 1887 betreffend gebrannte "Wasser,

944 beschließt: Art, 1. Der Bundesrath ist ermächtigt, die durch Bundesgesetz vom --. Dezember 1887 fälligen Monopolgebühren sofort zu beziehen, unter der Bedingung, daß für den betreffenden Bezug Rückerstattung geleistet werde, wenn m einer Volksabstimmung das genannte Bundesgesetz verworfen würde.

Art. 2. Der im vorstehenden Artikel enthaltene Beschluß wird nach Art. 89 der Bundesverfassung dringlich erklärt.

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Kreisschreiben des

Bundesrathes an sämmtliche eidgenössische Stände, betreffend die Abrechnungen über vom Bunde subventionirte Werke.

(Vom 16. Dezember 1887.)

Getreue, liebe Eidgenossen!

Die Vollziehungsverordnung vom 8. März 1879 zum eidg.

Wasserbaupolizeigesetze vom 22. Juni 1877 setzt in § 7 fest: Die Abrechnungen über vom Bunde subventionnée Werke sollen auf Grund derselben Maßeinheiten aufgestellt sein, nach welchen der definitive Voranschlag angefertigt war, und überhaupt so detaillirt und klar gehalten sein, daß eine Verifikation ohne Schwierigkeit ausgeführt werden kann.

Dieser Vorschrift wird aber nicht überall nachgelebt; denn es gehen öfter Abrechnungen ein, welche das eine Verifikation ermöglichende Detail nicht enthalten. Es ist allerdings wahr, daß die Kantonsregierungen nur solche Abrechnungen einsenden, hinsichtlich welcher sie sich überzeugt haben, daß sie die wirklichen Kosten richtig angeben und daher geeignet sind, die reelle Grundlage für die nach dem festgesetzten Verhältnisse zu berechnende

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Bericht der Minderheit der ständeräthlichen Kommission über ein neues Bundesgesetz betreffend gebrannte Wasser. (Vom 19. Dezember 1887.)

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.12.1887

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934-944

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