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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreuend Abänderung des Bundesbeschlusses vom 6. Oktober 1899 (A. S. n. F. XVII, 819) und Wiederherstellung des ordentlichen Jahreskredites für Hebung und Förderung der schweizerischen Kunst.

(Vom 22. Juni 1903.)

Tit.

Durch den Bundesbeschluß vom 6. Oktober 1899, betreffend die Herstellung des Gleichgewichts in den Bundesfinanzen und Beschaffung der Mittel zur Durchführung der Versicherungsgesetze, haben Sie als eine der Maßregeln zum zuletzt angedeuteten Zwecke den im Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1887 für Hebung und Förderung der schweizerischen Kunst vorgesehenen jährliehen Kredit von Fr. 100,000 auf Fr. 50,000 herabgesetzt.

Die Reduktion gelangte nicht ohne ernsten Widerspruch und in beiden Räten nur mit einer verhältnismäßig geringen Stimmenmehrheit zur Annahme.

Nachdem sie auf 1. Januar 1900 in Kraft getreten war, fiel durch den Volksentscheid vom 20. Mai desselben Jahres der Zweck, dem sie dienen sollte, dahin ; d. h. das Bundesgesetz vom 5. Oktober 1899 betreffend die Kranken- und Unfallversicherung mit Einschluß der Militärversicherung wurde durch jenen EntBundesblatt. 55. Jahrg. Bd. III.

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scheid mit 341,914 ablehnenden (gegen 148,035 annehmende} Stimmen verworfen.

Ungeachtet dieser Tatsache besteht der Reduktionsbeschluß aus formellen Gründen noch zurecht und fährt fort, die schweizerische Kunstpflege in höchst nachteiliger Weise zu beeinflussen.

Im Interesse dieser Kunstpflege sehen wir uns bewogen, mit dem Antrage vor Sie zu treten, es sei jener Beschluß zu beseitigen und der ordentliche Kredit für Hebung und Förderung der Kunst wieder auf die vorige Höhe von Fr. 100,000 zu stellen.

Seit dem bald dreiundeinhalbjährigen Bestehen des im Eingange zitierten Bundesbeschlusses hat sich mehr und mehr herausgestellt, daß der Art. l desselben, d. h. der Reduktionsbeschluß, ein verwaltungsrechtlicher Fehler ist; er läßt nämlich die Aufgaben, welche der Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1887 betreffend Hebung und Förderung der schweizerischen Kunst der Bundesverwaltung stellt, in ihrer ganzen finanziellen Tragweite bestehen, entzieht ihr aber einen großen Teil der Mittel, die zur Lösung jener Aufgaben unumgänglich nötig sind.

Der zuletzt zitierte Bundesbeschluß enthält einerseits den kategorischen Satz, daß der Bund an den Bestrebungen für Förderung und Hebung der Kunst sich beteilige durch Veranstaltung periodischer, nationaler Kunstausstellungen, die in der Regel alle zwei Jahre stattfinden sollen; ferner durch Ankauf von Kunstwerken zur Ausschmückung öffentlicher Gebäude und zur Bereicherung öffentlicher Sammlungen. Anderseits erlaubt er dem Bund, öffentliche, monumentale Kunstwerke historischen und nationalen Charakters entweder selbst zu errichten oder deren Ausführung zu unterstützen.

Zu diesen zwei fakultativen Tätigkeiten des Bundes ist durch den Bundesbeschluß vom 18. Juni 1898 (A. S. n. F. XVI, 849) die weitere gekommen, daß er ,,auch tüchtigen Künstlern Unterstützungen zur Vollendung ihrer Studien an Kunststätten gewähren11 könne.

Zur gehörigen Wahrnehmung dieser fünf Richtungen der Kunstpflege, Inbegriffen die damit verbundenen administrativen Ausgaben, stellte der Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1887 uns einen jährlichen Kredit von Fr. 100,000 zur Verfügung. Es ist dies im Verhältnis zu dem, was unsere Nachbarstaaten für die bildenden Künste tun, sowie zu dem, was unser Staat zu gunsten mehrerer anderer idealer Aufgaben leistet, eine sehr bescheidene

575 Summe zu nennen. Aber dank der im Bundesbesohlusse enthaltenen zweckmäßigen Bestimmung, daß, was in einem gegebenen Jahre von dem Kredite nicht zur Ausgabe gel'angt, zu späterer Verwendung in einen Kunstfonds geworfen wird, wurde es uns möglich, mit diesem Kredite seit 1889 ganz Namhaftes für die Unterstützung der schweizerischen Kunst zu leisten. Es sei uns erlaubt, etwas näher hierauf einzutreten.

Zunächst wurde seit 1890 regelmäßig alle zwei Jahre eine nationale Kunstausstellung veranstaltet. Die ersten drei fanden in Bern statt, 1896 folgte die schweizerische Landesausstellung in Genf, mit einer wohl ausgestatteten Abteilung für die nationale bildende Kunst 5 1898 nahm die Kunsthalle in Basel die nationale Kunstausstellung auf, 1900 war dieselbe in der schweizerischen Abteilung der Weltausstellung in Paris installiert, und 1901 -- anstatt 1902 -- wurde sie, der günstigen Gelegenheit wegen, mit der waadtländisehen Landesausstellung in Vivis verbunden.

Durch diese Ausstellungen war den schweizerischen Künstlern' reichliche Gelegenheit geboten, ihre neuen Werke dem Publikum vorzuführen, und es wurden bei diesen Anlässen auch nicht unbedeutende Verkäufe solcher Werke an Kunstliebhaber erzielt.

Der Bund selbst kaufte seit 1890 an diesen Ausstellungen und bei einigen andern Gelegenheiten Kunstwerke für eine Summe von Fr. 503,000, was auf das Jahr eine Durchschnittsausgabe von Fr. 38,700 ergibt.

Nebstdem erhielt Basel im Jahre 1893 einen größern Beitrag an die Ankaufssumme eines Werkes von Bildhauer Schlöth.

Die angekauften Kunstwerke wurden zum größten Teil den kantonalen Kunstsammlungen zur Aufbewahrung übergeben. Eine kleine Zahl wurde zur Ausschmückung von Räumen des Bundesrathauses zurückbehalten.

Mit der Deponierung der vom Bunde angekauften Kunstwerke in kantonalen Sammlungen wurde den meisten derselben ein Dienst erwiesen ; wenigstens ließen die stets zahlreichen Bewerbungen derselben, denen nie im gewünschten Maße entsprochen werden konnte, hierauf schließen.

Neben den nationalen Kunstausstellungen gingen die vom Schweizerischen Kunstverein veranstalteten sogenannten Turnusausstellungen, die der Bund von 1889 bis 1899 mit einem jährlichen Beitrage von Fr. 12,000 unterstützte, eine Summe, die von den Sektionen des Vereins jeweilen ebenfalls zu Erwerbungen

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von Kunstwerken, welche Eigentum ihrer Sammlungen bleiben, verwendet wurde.

Ferner beteiligte der Bund sich seit dem Inkrafttreten des zitierten Bundesbeschlusses (1888) an der Aufführung von 14 wohlgelungenen, nationalen Kunstdenkmälern mit einer Beitragssumme von rund Fr. 234,200, d. h. mit einer jährlichen Durchschnittsausgabe von Fr. 19,500.

Aus dem ordentlichen Kunstkredit von Fr. 100,000 hat der Bund ferner als Kunstwerke auf eigene Rechnung ausführen lassen die Ausschmückung von 4 Fassadenischen des eidgenössischen Polytechnikums mit allegorischen Figuren von Bildhauer Albisetti und die Ausschmückung der großen Waffenhalle des Landesmuseums durch drei Wandgemälde von Hodler.

Im Zeitpunkte, als die Reduktion des Kredites eintrat, waren an solchen Werken ferner begonnen die Ausschmückung der Außenseite des nämlichen Museums durch Mosaikgemälde von Sandreuter und die Ausschmückung der Eingangshalle des Bundesgerichtsgebäudes mit Marmorreliefs von Bildhauer Siber in Zürich.

Endlich wurde 1899 mit der Verleihung von Stipendien an angehende Künstler begonnen und in jenem Jahre eine Summe von Fr. 8500 als derartige Unterstützung an 4 Künstler verabfolgt.

In die oben dargelegte Tätigkeit für Hebung und Förderung der schweizerischen Kunst hat die mit 1900 eingetretene Reduktion des ordentlichen Kredites nun eine höchst nachteilige Stockung gebracht. Dieselbe wird von allen schweizerischen Kunstkreisen um so schwerer empfunden, als, wie gesagt, die im Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1887 jenen Kreisen gemachten Zusicherungen aufrecht geblieben sind.

Die schweizerische Künstlerschaft, die dermalen bei 800 bis 900 Vertreter zählt, hat nach jenem Bundesbeschluß ein Recht auf Fortführung der nationalen Kunstausstellungen und auf angemessene Leistungen des Bundes für Ankäufe von Kunstwerken.

Außerdem ist die Lust zur Errichtung von nationalen historischen Denkmälern durch den Bundesbeschluß im Volke mächtig geweckt worden. Gegenwärtig sind nicht weniger als drei größere derartige Unternehmungen, die Denkmäler für Fontana in Chur, für Vadian in St. Gallen und für die nationale Erhebung in Chaux-de-Fonds, im Werke; auch Tessin führt ein Nationaldenkmal auf, und es sind Beiträge des Bundes an die Kosten

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derselben zugesichert; andere sind neu geplant, wie ein Denkmal für General Herzog in Aarau, eines für Morgarten und je eines für Berthelier und für Amiel in Genf. Für alle diese Denkmäler ist bereits die finanzielle Beteiligung des Bundes anbegehrt.

Angesichts dieser Regsamkeit für die Verherrlichung nationaler Gedanken kann für den Bund kaum die Rede sein, die bisherigen Ausgaben für monumentale Kunstwerke einzuschränken.

Auch in den Ausgaben für Ankäufe von Kunstwerken an nationalen Kunstausstellungen und bei andern Anlässen wird er nicht stark unter die bisherige Durchschnittssumme gehen können.

Nehmen wir indessen an, dieselben werden auf die jährliche Summe von Fr. 25,000 reduziert, welches anstandshalber für den Staat wohl als die geringst zulässige zu betrachten ist, so erhält man an der Hand der obenstehenden Ausführungen folgendes Schema für die Bedürfnisse in Sachen der Kunstpflege: Jährliche Durchschnittskosten der Ausstellungen . Fr. 5,785 Ankäufe von Kunstwerken ,, 25,000 Beiträge an Denkmäler und monumentale Kunstwerke ,, 19,500 Beitrag an den Schweizerischen Kunstverein . . ., 6,000 Ausgabe für Stipendien ,, 9,000 Verwaltungskosten (Sitzungsgelder der Kunstkommission, Expertisen in Sachen der Kunst, Druckkosten etc.)

,, 7,305 Total

Fr. 72,590

In diesem Sparbudget ist aber nichts vorgesehen für die Kunstwerke, die der Bund nach dem ßundesbeschlusse von 1887 auf eigene Rechnung ausführen kann und von denen gegenwärtig zwei mit Hülfe von Extrakrediten in Ausführung sind. Sollen auch die Ausgaben für diese im ordentlichen Budget Aufnahme finden, so gelangt man reichlich auf eine jährliche ordentliche Ausgabe von Fr. 100,000.

Aus dem Vorstehenden werden Sie, wie wir hoffen, die Überzeugung gewonnen haben, daß die auf der eidgenössischen Kunstpflege lastende Reduktion des ihr dienenden Kredites unhaltbar ist. Durch den hieraus entspringenden Mangel an notwendigen Mitteln sehen wir uns geradezu vor die Alternative gestellt, entweder auf irgend eine außerordentliche Beschaffung

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von Mitteln Bedacht zu nehmen oder auf Abschaffung des Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 1887 anzutragen.

Von dem Betreten des letzteren Ausweges kann im Interesse des Ansehens der schweizerischen Eidgenossenschaft wohl nicht die Rede sein. Auch wäre die Preisgabe der staatlichen Pflege der Kunst eine Versündigung an den materiellen Interessen des allgemeinen Wohls. Bei den Verhandlungen über den Reduktionsbeschluß vom 6. Oktober 1899 wurde für die Herabsetzung wiederholt geltend gemacht, daß die bildende Kunst für den Staat ein Luxus sei. Dieser Ansicht müssen wir des bestimmtesten entgegentreten. Die Ausgaben für bildende Künste mögen, wenn sie von einzelnen Bürgern ausgehen, als Luxus betrachtet werden; für den Staat ist die Pflege der Kunst geradezu eine notwendige, wie diejenige der Kunstindustrie, denn letztere erhält ihre Befruchtung nur von der eigentlichen Kunst. Mit bezug hierauf verweisen wir auf dasjenige, was wir schon in unsern Botschaften vom 11. Oktober 1865 (Bundesbl. 1865, III, 699) und 3. Juni 1887 (Bundesbl. 1887, III, 515) gesagt haben.

Den Ausweg der außerordentlichen Beschaffung von Mitteln für die Kunstpflege haben wir schon betreten, als es sich im Jahre 1900 um die Fortsetzung des Sandreuterschen Mosaikwerkes am Landesmuseum und der Ausschmückung der Eingangshalle des Bundesgerichtsgebäudes mit Marmorreliefs von Siber handelte (vgl. Bundesbl. 1900, HI, 147), und man könnte ihn weiter in der Weise ausnützen, daß man auch für die Gewährung von Bundesbeiträgen an die Kosten nationaler Denkmäler jeweilen um Bewilligung von Extrakrediten bei Ihnen einkäme.

Der reduzierte ordentliche Kredit würde dann für die Veranstaltung der Ausstellungen, für Ankäufe, für Gewährung von Stipendien und Deckung der Verwaltungskostcn zur Verfügung bleiben. Allein dieser Ausweg empfiehlt sich vom Standpunkte einer geordneten Staatsverwaltung nicht. Das einzig Empfehlenswerte ist die Herstellung des Kunstkredites in seinem ursprünglichen Bestände.

Diesem scheinen sich um so weniger Hindernisse entgegenzusetzen, als einerseits der Zweck, für den die Reduktion beschlossen wurde, gar nicht in Wirksamkeit getreten ist und anderseits die Staatseinnahmen sich seit 1899 wieder bedeutend verbessert haben.

In Betracht alles dessen stehen wir nicht an, das Gesuch an Sie zu richten, Sie möchten den folgenden Entwurf zu Ihrem Beschlüsse erheben.

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Im übrigen benutzen wir den Anlaß, Sie, Tit., unserer vollkommenen Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 22. Juni 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

D euch er.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Ringier.

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(Entwurf.)

Buiiclesbeschluß betreffend

Wiederherstellung des Kunstkredites.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 22. Juni 1903, beschließt: Art. 1. Der Art. l des Bundesbeschlusses vom 6. Oktober 1899 betreffend die Herstellung des Gleichgewichts in den Bundesfinanzen und Beschaffung der Mittel zur Durchführung der Versicherungsgesetze (A. S. n. F. XVII, 819) ist aufgehoben.

Die in Art. 2 des Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 1887 betreffend Hebung und Förderung der schweizerischen Kunst zu diesem Zwecke vorgesehene, alljährlich in den Voranschlag aufzunehmende Summe wird wieder auf Fr. 100,000 gesetzt.

Art. 2. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874 betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse die Bekanntmachung dieses Bundesbeschlusses zu veranlassen.

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24.06.1903

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