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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch der wegen Übertretung forstpolizeilicher Bestimmungen bestraften Frauen Eugénie Baume und Louise Baume in Sous-les-Rangs, Gemeinde Les Bois, Amtsbezirk Freibergen (Kanton Bern).

(Vom 5. November 1903.)

Tit.

Die beiden iu gemeinsamer Haushaltung lebenden, Landwirtschaft treibenden Frauen Eugénie und Louise Baume sind Eigentümerinnen eines- Waldgrundstückes in der Gemeinde Les Bois, in welchem sie gemäß Bewilligung der kantonalen Behörde 40 bis 50 Bäume mit 50 bis 60 Kubikmeter Holz abzuschlagen berechtigt waren. Im Frühjahr 1903 beobachtete der Gendarm Coeudevez, daß dieses Grundstück kahl abgeholzt wurde, wovon er dem Regierungsstatthalteramt mit der Bemerkung Anzeige machte, nach seiner Schätzung seien statt der bewilligten 50 bis 60 Kubikmeter im ganzen 250 bis 280 Kubikmeter geschlagen und zu Klötzen und Balken für Zimmerleute verarbeitet worden (débité en billes et bois de charpente).

Vor den Polizeirichter wegen Übertretung des eidgenössischen Forstgesetzes zur Verantwortung gezogen, anerkannten die Frauen Baume, die behördliche Bewilligung hinsichtlich des Quantums des Holzschlages überschritten und das Grundstück völlig abgeholzt zu haben. Das letztere sei aber notwendig gewesen, weil viel schadhaftes Holz und Fallholz habe geräumt werden müssen, ohne

900 dessen Beseitigung die Wiederaufforstung nicht möglich gewesen.

Die Verzeigten bestritten ferner die vom vorzeigenden Landjäger gemachte Angabe über die Masse des gefällten Holzes.

Durch Expertise wurde das Quantum des gefällten Holzes auf 135 Kubikmeter im ganzen, diejenige dea widerrechtlich gefällten Holzes auf 85 Kubikmeter festgestellt.

Der Polizeirichter von Freibergen sprach trotz diesen Tatsachen die Frauen Baume frei mit der Begründung, daß zum Vollzug der im eidgenössischen Forstgesetz enthaltenen Strafandrohung wegen gesetzwidrigen Abholzens im Gebiet des Kantons Bern ein Beschluß des großen Rates notwendig wäre, welcher noch ausstehe, und nicht, wie auch schon versucht worden, durch bloßes Dekret des Regierungsrates ersetzt werden könne.

Infolge Appellation der Staatsanwaltschaft gelangte die Sache vor die Polizeikammer des Kassations- und Appellationshofes des Kantons Bern. Hier wurden die Angeklagten schuldig erklärt mit der Begründung : Das eidgenössische Forstgesetz sei in seiner Ausdehnung auf das ganze Gebiet der Eidgenossenschaft in Kraft erwachsen durch einea im Amtsblatt des Kantons Bern veröffentlichten und in die kantonale Gesetzgebung aufgenommenen Bundesratsbeschluß vom 29. Juli 1898, wonach in den Privatwaldungen des Kantons, auch soweit sie bisanhin der eidgenössischen Oberaufsicht nicht unterstellt gewesen, in Zukunft kein Kahlschlag vorgenommen werden dürfe ohne vorherige Bewilligung der kantonalen Oberbehörde. -- Das Gericht nahm an, die Frauen Baume hätten die Holzschlagsbewilligung um ein Quantum von 85 Kubikmeter übersehritten, und verhängte in Anwenduog des Art. 27, Ziffer 6, .des eidgenössischen Forstgesetzes über jede der Fehlbaren eine Strafe im Verhältnis von Fr. 2 per Festmeter, gleich Fr. 170, unter Kostenfolge.

Namens der Gebüßten stellt E. Péquignot, Advokat, in Saignelégier, das Gesuch, daß die ausgesprochene Buße um 2/a ermäßigt werde. Neben Bemängelung des zweitinstanzlichen Urteils wird dabei im wesentlichen darauf abgestellt, daß es sich nur um Abschlagen von faulen und schadhaften Bäumen gehandelt habe, daß die Frauen Baume der Strafbarkeit ihrer Handlung sich nicht bewußt gewesen seien, dass das Quantum des zu viel geschlagenen Holzes nicht genau feststehe, und daß es sich endlich um zwei arme Frauen handle, die in einem abgelegenen Weiler
der Freiberge leben und keine Erfahrung in Geschäftssachen besitzen.

Der Amtsschaffner des Bezirks Freibergen, angefragt, welches die Vermögensverhältnisse der Frauen Baume seien, berichtet, er schätze dieses Vermögen, niedrig gerechnet, auf Fr. 60,000.

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901 Der Vertreter der Potenten beschränkt sich im Begnadigungsgesuch darauf, um Milderung der Geldbußen zu bitten, welche vom bernischen Gerichte auferlegt wurden. Er verzichtet somit darauf, die Verurteilung als solche im Ernste anzufechten, und mit Recht, denn die Begründung des zweitinstanzlichen Erkenntnisses ist derart, daß Einreden gegen dasselbe nicht gehört werden könnten: Was aber das -Quantitativ der ausgesprochenen Buße anbelangt, so muß in diesem Verfahren als festgestellt betrachtet werden, daß die Frauen Baume die erlangte Bewilligung um mindestens 85 Kubikmeter überschritten haben, und der Bericht 'des verzeigenden Polizeibeamten beweist genügend, daß es sich in der Hauptsache um gesundes Holz handelte. Das Bundesgesetz vom 24. März 1876 bedroht derartiges Abholzen mit Bußen von Fr. l bis Fr. 10 für jeden Festmeter, weshalb das gerichtlich angewendete Strafmaß von Fr. 2 als niedrig und Reduktion um so weniger als gerechtfertigt erscheint, als die Gebüßten sich laut Zeugnis der Heimatbehörde in guten ökonomischen Vernältnissen befinden.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A nt r a g:

Es sei das Begnadigungsgesuch der Frauen Eugénie und Louise Baume abzuweisen.

B e r n , den 5. November 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

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11.11.1903

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