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Bundesratsbschluss über

die Beschwerde des Octave Contat und Konsorten gegen den Entscheid des Staatsrats des Kantons Wallis vom 6./18. Februar 1903, betreffend Validierung der Wahl eines Bürgerratspräsidenten und -Vizepräsidenten der Gemeinde Monthey, vom 14. Dezember 1902.

(Vom 25. November 1903.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d-e s r a t hat

über die Besehwerde des Octave Contat und Konsorten gegen den Entscheid des Staatsrates des Kantons Wallis vom 6./18. Februar 1903, betreffend Validierung der Wahl eines Bü gerrats präsidenten und -Vizepräsidenten der Gemeinde Monthey, vom 14. Dezember 1902, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Am 28./30. März 1903 haben Octave Contât und 19 weitere Bürger von Monthey beim Bundesrat eine gegen den Entscheid des Staatsrats des Kantons Wallis vom 6./18. Februar 1903 gerichtete Beschwerde eingereicht. Durch diesen Entscheid war eine von 22 Bürgern gegen die Validierung der Wahl des Präsidenten

110 und des Vizepräsidenten des Bürgerrats von Monthey vom 14. Dezember 1902 erhobene Beschwerde abgewiesen worden.

Die Rekurrenten stellten beim Bundesrat folgende Begehren : 1. der Rekurs sei als begründet zu erklären; 2. die am 14. Dezember 1902 erfolgten Wahlen des Präsidenten und des Vizepräsidenten der Bürgergemeinde Monthey seien ungültig zu erklären und es sei nach Gesetz ein neuer Wahlgang anzuordnen; 3. der Entscheid des Staatsrats des Kantons Wallis vom 6. Februar 1903 sei, soweit er den Gegenstand der Beschwerde bilde, aufzuheben; 4. die Kosten seien dem Kanton Wallis zu überbinden.

Zur Begründung dieser Begehren brachten die Beschwerdeführer folgendes vor : Gemäß Art. 73 der Verfassung des Kantons Wallis sei die Bürgergemeindeversammlung von Monthey auf den 14. Dezember 1902 zur Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten des Bürgerrats einberufen worden. Das vom Wahlbureau verkündete Wahlresultat sei folgendes gewesen : Präsident des Bürgerrats: Aristide Martin, gewählt mit 134 von 267 eingelegten Stimmen.

Vizepräsident: Jean Raboud, gewählt mit 163 von 189 eingelegten Stimmen.

Da sowohl hinsichtlieh der Aufstellung der Wählerliste, als hinsichtlich der Wahlverhandlung selbst Unregelmäßigkeiten vorgekommen waren, sei innert nützlicher Frist ein Rekurs beim Staatsrat eingereicht worden, um die Annullierung der Wahlen aussprechen zu lassen. Der Rekurs sei mit Entscheid vom b./18. Februar 1903 abgewiesen worden. Dieser Entscheid bedeute eine Verletzung der durch Art. 3 der Kantons- und Art. 4 der Bundesverfassung gewährleisteten Rechte der Beschwerdeführer, weshalb sie gemäß Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege an den Bundesrat rekurrierten.

Die Beschwerde stütze sich auf folgende Gründe: a. V e r ö f f e n t l i c h u n g und Anschlag der Wählerliste. Art. 30 des Gesetzes über die Abstimmungen und Wahlen in den Urversammlungen vom 24. Mai 1876 sei, wie der Staatsrat in seinem Entscheid stillschweigend anerkenne, auch für die Bürgergemeindewahlen maßgebend. Danach hätte sechs Wochen vor den Wahl Verhandlungen eine Liste der stimmberechtigten Bürger veröffentlicht und angeschlagen werden sollen. Dies sei

Ili nicht geschehen. Es sei nun die Frage zu prüfen, ob diese Unterlassung einen Einfluß auf die Rechtskraft der Wahlverhandlungen ausübe. Die Frage sei zu bejahen; denn einzig die Veröffentlichung der Liste setze die Wähler in stand, die Durchführung der Art. 2 und 4 des Wahlgesetzes zu überwachen und das ihnen verfassungsmäßig gewährleistete Stimmrecht durch Einsprachen gegen die Zulassung Nichtberechtigter zum Wahlgeschäft zu wahren. Unterdrücke man die Veröffentlichung, so beraube man die Stimmfähigen dieses in Art. 30 des Wahlgesetzes ihnen vorbehaltenen Rechtsmittels, wie auch ihres Rechts, gegen die Entscheide der Gemeindebehörden über die Einsprachen gemäß Art. 31 leg. cit. an den Staatsrat zu rekurrieren. Es könne nun nicht in der Absicht des Gesetzgebers gelegen haben, die Umgehung der das Wahlrecht einzig sichernden Bestimmungen der Art. 30, 31, 32 und 33 des Wahlgesetzes bloß, wie der Staatsrat behaupte, mit einer unbedeutenden Buße zu bestrafen; vielmehr müsse angenommen werden, daß die Verletzung dieser für das Wahlsystem grundlegenden Bestimmungen in gewissen Fällen die Nichtigkeit der Wahl zur Folge habe. Ein solcher Fall liege hier vor, da es sich um eine Wahl handle, die gerade mit dem absoluten Mehr zu stände gekommen sei.

b. F all des L o u i s D o n net. An der Wahl Verhandlung habe auch Louis Donnet, Sohn des Lénndrej teilgenommen. Hierin liege, da nach Art. 2 des Wahlgesetzes jeder Wähler der Bürgergemeinde auch Wähler der Einwohnergemeinde sei, schon insofern ·eine Ordnungswidrigkeit, als Donnets Name auf der Wählerliste der Einwohnergemeinde nicht eingetragen gewesen, .wohl aber am Tag vor der Wahl von der Hand des Kandidaten Martin auf die .zur Kontrolle der bürgerlichen Wähler dienende Liste gesetzt ·worden sei. Donnet habe gegen seinen Ausschluß von der Einwohnerwählerliste weder selbst noch durch das Wahlkomitee Einsprache erhoben. Donnet sei aber überhaupt nicht stimmfähig gewesen. Nach Art. 4, lit. c, des Wahlgesetzes seien Interdizierte vom Stirnmrecht ausgeschlossen. Donnet sei am 3. Mai 1890 vom Waisenamt interdiziert worden und habe damit sein Stimmrecht verloren. Einzig die unberechtigte Teilnahme dieser Person am Wahlgang genüge, um die Dichtigkeit der Wahl herbeizuführen.

Die Stimme Donnets müsse nämlich von der Zahl der 267 abgegebenen Stimmen abgezogen
werden, so daß 26(5 verbleiben. Absolules Mehr seien immer noch 134 Stimmen. Aber da Donnets Stimme ferner sowohl von der Zahl der Stimmen, die. auf Maxit, als von derjenigen, die auf Martin fielen, abzuziehen sei, so ergebe sich, daß Martin nur mehr 133 Stimmen, also eine weniger, als zum absoluten Mehr erforderlich seien, erhalten habe, weshalb er

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auch nach Art. 60 des Wahlgesetzes nicht als gewählt gelten köone.

Die Regierung des Kantons Wallis leugne zwar nicht, daß Donnet im Jahr 1890 interdiziert worden sei. Allein sie mache geltend, daß er zur Zeit der Wahl allgemein als stimmfähig gegolten habe, woraus zu schließen sei, daß in der Zwischenzeit die Interdiktion aufgehoben worden sei. Eine solche Schlußfolgerung stehe aber im Widerspruch mit den Bestimmungen der Art. 196, 338, 339 und 342 des Zivilgesetzbuchs. Die Art. 338 und 339 lauten: Art. 338. Die Interdiktion und die Bestellung eines gerichtlichen Beistandes hören mit den Ursachen auf, welche dieselben veranlaßt haben; demungeachtet kann der Interdizierte oder der mit gerichtlichem Beistand Versehene die Ausübung seiner Rechte .erst nach dem Aufhebungsurteile wieder erhalten.

Art. 339. Die Aufhebung der Interdiktion wird durch das Waisenamt nach Anhörung oder Einberufung des Familienrats verfügt.

Gemäß Art. 191 und 342 des Zivilgesetzbuches müßte die waisenamtliche Aufhebung der Bevormundung im Protokoll dieser Behörde oder im Amtsblatt verzeichnet sein. Weder das eine noch das andere sei hinsichtlich Doijnets der Fall. Da es aber eine stillschweigende oder ipso jure eintretende Aufhebung der Vormundschaft nicht gehe, so müsse angenommen werden, daß Donnet am 14. Dezember 1902 noch interdiziert und also nicht stimmfähig gewesen sei.

Der Staatsrat führe aus, daiß Louis Donnet am 3. Mai 1890 gleichzeitig mit zweien seiner Brüder interdiziert worden sei. Am 14. März 1901 habe dann das Waisenamt nur die Interdiktion von Jules und Adolphe Donnet bestätigt und ihnen einen Vormund bestellt und hierbei des Louis Donnet nicht Erwähnung getan.

Dies beweise nichts für eine Aufhebung der Vormundschaft; denn erstens sei nicht die Interdiktion, sondern der Vormund bestätigt worden, und zweitens gingen den Louis Donnet die hinsichtlich seiner Brüder getroffenen Maßnahmen gar nichts an.

Wenn Léon Martin und Claude Pernollet mit Donnei geschäftlich verkehrt hätten, so stehe das in keinem Zusammenhang mit ihrer.Eigenschaft als Mitglieder des Waisenamts. Martin habe als Fürsprech oder Notar, Pernollet, der übrigens seit 1900 dem Waisenamt nicht mehr angehöre, als Privatmann mit Donnet verkehrt.

Die Äußerungen, die Octave Donnet, der Trabant des Kandidaten Martin, dem Eduard Zumoffen zuschreibe, seien rein nach

113 Bedürfnis des Falles erfunden, und es sei überraschend, wie der Staatsrat. solchen Schwätzereien Glauben schenken und diesen Dingen maßgebenden Einfluß .auf seine Entscheidung einräumen könne.

c. F a l l des J o s e p h S a l z g e b e r. An der Wahl habeauch Joseph Salzgeber, der gar nicht Bürger von Monthey sei, teilgenommen. Als sein Stimmzettel schon in die Urne gelangt war,, habe das Bureau festgestellt, daß er nicht stimmberechtigt sei.

Auf Befragen habe Salzgeber dann erklärt, er habe für den Kandidaten Maxit gestimmt. Hierauf habe das Bureau im Augenblick der Stimmenauszählung einen auf den Namen Maxit lautenden Stimmzettel vernichtet. Dies sei ein ganz außerordentliches und ungesetzliches Vorgehen. Der Staatsrat beruhige sich allerdingsdabei, daß das Wahlbureau als sicher angenommen habe, Salzgeber habe für Maxit gestimmt, und daß in dieser Hinsicht kein Zweifel in der Versammlung laut geworden sei. Nun sei aber die Wahl geheim und man könne niemand, auch dem Stimmenden selbst nicht, auf sein Wort glauben, wenn er erkläre, für den oder jenen Kandidaten gestimmt zu haben. Auch das Wahlbureau habe nicht das Recht, eine solche Erklärung des Wählenden zu interpretieren oder für sicher zu halten. Der Erklärung Salzgebers sei auch ganz besonders deshalb kein Gewicht beizumessen, da er in Gegenwart des Kandidaten und Bureaupräsidenten Maxit e& kaum gewagt hätte, zu erklären, er habe für den ändern Kandidaten gestimmt. Wenn der Wahlzettel einmal in der Urne sei, so werde er damit unpersönlich, und kein Wähler habe mehr das Recht, sich in diesem oder jenem Sinn darauf zu berufen.

Zu berücksichtigen sei auch, daß Sulzgeber ja durch eine wissentlich oder irrtümlich falsche Erklärung, die sich in keiner Weise kontrollieren lasse, den einen Kandidaten zum Vorteil des ändern habe schädigen können. Der durch die unberechtigte Teilnahme Salzgebers an der Wahl entstandene Fehler hätte daher in gleicher Weise gutgemacht werden müssen, wie oben hinsichtlich Donnets Stimme angegeben sei. Das Resultat wäre dann unter Berücksichtigung beider Fälle folgendes gewesen : Abgegebene Stimmen einbegriffen diejenige Salzgebers, die nicht zerstört werden durfte) 267 -|- l = 268 Abzuziehen 2 Stimmen (Donnet und Salzgeber) . . .

2 Rest Absolutes Mehr 134.

Erhalten baben Stimmen: Aristide Martin 134 weniger 2 ungültige Paul. Maxit (Inbegriffen den vom Wahlbureau vernichteten Zettel) 132 weniger 2 ungültige

266 132.

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Bei richtiger Zählung hätte also kein Kandidat die absolute Mehrheit der Stimmen erhalten und es hätte ein neuer Wahlgang angeordnet werden müssen.

"od. V i z e p r ä s i d e u t e n w a h 1. Da gernäß Art. 50 des Wahlgesetzes die Wahl des Vizepräsidenten erst stattfinden könne, wenn die des Präsidenten zu stände gekommen sei, so falle mit der Nichtigerklärung der Präsidentenwahl auch die Wahl des Vizepräsidenten dahin.

U.

In seiner Antwort vom 8./16. Mai 1903 stellte der Staatsrat des Kantons Wallis folgende Begehren : a. der Bundesrat wolle wegen Inkompetenz auf die Be.schwerde nicht eintreten ; Für den Fall, daß die Einrede der Inkompetenz verworfen -würde : b. der Rekurs sei. als unbegründet zu erklären ; c. in beiden Fällen seien die Kosten den Beschwerdeführern zu überbinden.

Zur Begründung dieser Begehren führte der Staatsrat folgendes aus: Art. 189 des Organisationsgesetzes über die Bundesrechtspflege erkläre den Bundesrat kompetent zur Entscheidung über Beschwerden betreffend kantonale Abstimmungen und Wahlen und füge bei, daß diese Beschwerden auf Grundlage sämtlicher einschlägigen Bestimmungen des kantonalen Verfassungsrechts und des Bundesrechts zu prüfen seien. Es sei also nicht die Absicht des Gesetzgebers gewesen, der Bundesbehörde eine allgemeine, alle Fälle einer Auslegung der kantonalen Gesetzgebung umfassende Kompetenz einzuräumen, sondern im Gegenteil diese Zuständigkeit auf die Prüfung der Beschwerden vom Standpunkt des Verfassungsund Bundesrechts aus zu beschränken.

Weder Verfassungs- noch. Bundesrecht komme hier in Frage.

Die drei von den Rekurrenten zur Anfechtung des staatsrätlichen Entscheids angeführten Beschwerdegründe bezögen sich sämtlich .auf die Art und Weise, wie der Stuatsrat das Wahlgesetz vom 24. Mai 1876 interpretiert habe. Die Beschwerdeführer riefen allerdings auch die Art. 3 der Kantons- und Art. 4 der Bundesverfassung an, welche die Gleichheit der Burger vor dem Gesetz gewährleisten. Aber dies geschehe nur, um der vorauszusehenden Einrede der Inkompetenz des Bundesrates zu entgehen. Es sei in

115 der Tat nicht einzusehen, inwiefern das Prinzip der Rechtsgleich heit durch den staatsrällichen Entscheid verletzt sein sollte, inwiefern durch diesen Entscheid eine Gruppe von Bürgern parteiischbehnndelt werde. Es handle sich nur um eine Auslegung des Wahlgesetzes hinsichtlich der Pflicht zur Veröffentlichung und zum Anschlag der Wählerliste und der Folgen der Verletzung dieser Pflicht, um ·eine Auslegung der Bestimmungen, die die Wiedererlangung der bürgerlichen Rechte regeln, und um die Auslegung einer Handlung des Wahlbureaus. Die Rekurrenten gäben dies selbst in dem Satz ·der Beschwerdeschrift zu, wo es heiße: ,,Sie (die Beschwerdeführer) werden sich darauf beschränken, die wesentlichen Punkte hervorzuheben, bei denen eine Verschiedenheit der Anschauungen und der Auslegungen vorhanden ist." Der Staatsrat stelle daher ·das Begehren auf Nichteintreten wegen Inkompetenz und berufe «ich hierbei auf die Entscheide Neyer & Greller contra Bern und P. F. Ganna contra Tessin, -Bundesbl. 1903, I, S. 573, Ziffer 3.

Für den Fall der Ablehnung der Inkompetenzeinrede würden zu der Beschwerde folgende Gegenbemerkungen gemacht: a. V e r ö f f e n t l i c h u n g und Anschlag der Wählerl i s t e . Da die Wählerliste der Einwohnergemeinde allo Namen derer, die auch in der Bürgerversammlung stimmberechtigt sind, enthalte, so könne man sich fragen, ob der Anschlag beider Listen nötig sei. Jedenfalls sehe kein Gesetzesartikel diese doppelte Veröffentlichung vor. Diese habe bei weitem nicht die ihr von ·den Rekurrenten zugeschriebene Wichtigkeit.

Tatsächlich könne die Wählerliste keinen Einfluß auf das Stimmrecht haben; denn ein Bürger, der nicht darauf stehe, müßte doch zum Wahlgang zugelassen werden, wean er seine Stimmfähigkeit nachweist, und ein darin aufgelührter Bürger köonte bei der Stimmabgabe zurückgewiesen werden, wenn nachgewiesen würde, daß er nicht stimmfähig sei.

Die Frage des Anschlags der Wählerliste sei daher eine Frage der Ordnung und Regelmäßigkeit, weshalb auch der Gesetzgeber das Unterlassen der Veröffentlichung in Art. 63 des Wahlgesetzes nicht mit der Nichtigkeit des Wahlganges, sondern bloß mit einer Buße bedroht habe.

Der Staatsrat hätte somit eine Rechtsbeugung begangen, ·wenn er den gerügten Formfehler durch die Annullierung der Wahl hätte sühnen wollen.

b. F a l l des L o u i
s D o n n e t . Bei Untersuchung dieses Falles sei der Staatsrat davon ausgegangen, daß das Vorhandensein des Stimmrechts die Regel, sein Mangel die Ausnahme bilde, und

116 daß die dem öffentlichen Recht unterstellte Stimmfähigkeit nicht durch die Versäumung einer rein zivil- und prozeßrechtliche» Formalität vernichtet werden könne.

Das Wahlgesetz schließe in Art. 4, lit. b, diejenigen vom Wahlrecht aus, die einen Karenzakt ausgestellt haben. Das habe Donnet seinerzeit getan, und deshalb habe sein Name auf der Einwohnergemeiodewählerliste gefehlt. Aber am 13. Dezemher 1902 habe .sich Donnet, wie aus. einer Bescheinigung des Betreibungsamts hervorgehe, von diesem Karenzakt befreit und hiervon den Bürgergemeindeschreiber benachrichtigt. So sei sein Name auf die Bürgerwählerliste gekommen.

Louis Donnet sei im Jahre 1890 wegen Verschwendung, also aus einem wesentlich temporären Grund, interdiziert worden. Nach Art. 336 des Zivilgesetzbuches sei der bevormundete Verschwender dem nichtemanzipierten Minderjährigen gleichgestellt, d. h. ihm ist die Verwaltung seiner Güter entzogen, für ihn handelt sein Vormund. Dies sei Donnets Lage bis zum 14. März 1901 gewesen.

An diesem Tage habe das Waisenamt, das zugleich mit Louis Donnet auch seine zwei Brüder Jules und Adolphe interdiziert hatte, die Bevormundung der letzteren erneuert und ihnen einen neuen Vormund ernannt, ohne daß hierbei von Louis Donnet mehr die Rede gewesen sei. Seither verwalte er sein Vermögen, selbst, gehöre also nicht mehr zu den Bevormundeten. Zum Beweis dessen würden hier einige Rechtshandlungen Donnets angeführt, bei denen Beamte oder Behörden beteiligt gewesen seien, die die rechtliche Stellung Donnets von Amts wegen kennen müßten, 1. Am 8. August 1901 habe Donnet einen Brief von Advokat Martin -- der allerdings als Notar handelte, aber Präsident des Waisenamts sei -- erhalten, mit der Einladung, der Passation einer Teilungsurkunde beizuwohnen, und dem Zusatz, seine Anwesenheit sei nötig.

2. Einige Monate früher im gleichen Jahr habe Advokat Martin an Donnet persönlich eine Teilzahlung auf seine Erbschaftsquote im Betrag von Fr. 1300 geleistet.

3. Im gleichen Jahr habe Claude Pernollet, Mitglied de» Waisenamts, mit Donnet vor einem Notar ein Geschäft abgeschlossen, der Notar sei der Gerichtspräsident gewesen.

4. Am 12. April 1902 habe der Gemeindekassier dem Louis Donnet persönlich ein Einzugsmandat für die Steuern pro 1901 zugeschickt.

5. Die Bank Bruttin, deren Geschäftsführer Gemeindepräsident von Honthey ist, habe auf den Namen Louis Donnets persönlich

117 ·eine Rechnung eröffnet und ihn mit Brief vom 14. Mai 1902 von einem auf seine Rechnung abgeschlossenen Geschäft benachrichtigt.

Angesichts dieser Tafsachen könne man den Salz nicht mehr aufrecht erhalten, Louis Donnet habe seine politischen Rechte nicht ausüben können, weil das Waisenamt eine Formalität nicht erfüllt habe, die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts nicht unerläßlich sei.

Das Grundprinzip des Art. 333 des Zivilgesetzbuches, wonach die Bevormundung mit Wegfall der sie verursachenden Gründe aufhöre, müsse auch im Fall Donnet zur Anwendung kommen.

Wenn jener Artikel in formeller Hinsicht beifüge, der Bevormundete könne die Ausübung seiner Rechte nicht aufnehmen, bevor vom Waisenamt ein Beschluß über Aufhebung der Interdiktion gefaßt worden sei, so habe dies nur die Bedeutung einer Ordnungsvorschrift im Interesse Dritter, die auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts keinen Einfluß habe.

c. F a l l des J o s e p h S a l z g e b e r. Weder aus den Protokollen über die Ausschüttung der Stimmzettel, noch aus den offiziellen Akten des Wahlbureaus gebe hervor, daß Salzgeber am Wahlgang teilgenommen habe. Auf Grund der.in Gegenwart des staatsrätlichen Kommissärs bestätigten Schilderung des Vorgangs durch die Rekurrenten könne man tatsächlich sagen, Salzgeber habe an der Wahl Verhandlung nicht teilgenommen; denn sein Stimmzettel sei vernichtet gewesen, ehe die Auszählung begonnen habe. Der materielle Fehler, der in der unvollkommenen, übrigens gutgläubigen Teilnahme Salzgebers liege, sei während der Dauer der Sitzung durch das Bureau und seiuen Präsidenten in guten Treuen und unter Billigung durch die ganze Wählerversammlung berichtigt worden. Er könne das Resultat der Wahl also nicht verändert haben und man könne die Wahl aus diesem Grunde nicht kassieren.

d. V i z e p r ä s i d e n t en w ä h l . Der Staatsrat begnüge sich damit, festzustellen, daß gegen diese Wahl kein Beschwerdegrund vorgebracht worden sei.

III;

In ihrer Replik vom 26./27. Juni 1903 äußerten sich die Beschwerdeführer folgendermaßen zur Kompetenzfrage : Wenn Donnet nicht stimmfähig gewesen sei, so seien durch seine Teilnahme an der Wahl die Art. 58 und 78 der Kantonsverfassurig in Verbindung mit Art. 2 und 4 des Wahlgesetzes zu seinen Gunsten Ubertreteu und das durch Art. 3 der Kantons- und Art. 4 der Bundesverfassung gewährleistete Prinzip der Rechts-

118 gleichheit zum Schaden derjenigen Bürger, die wirklich stimmberechtigt waren, verletzt worden.

Im B'all Salzgeber komme doch die Zerstörung eines Wahlzettels, der auf den Namen Maxit lautete, einer Fälschung der Abstimmung gleich, da es ja nicht sicher war und gesetzlich wegen des Wahlgeheimnisses nicht sicher sein konnte, daß der abgegebene Zettel des Nichtbürgers wirklich diesem Kandidaten zu gute gekommen sei. Mit solchem Vorgehen begünstige man einen Kandidaten zum Schaden seines Gegners und verhindere den freien Ausdruck des Willens der Wählerversammlung.

Bezüglich der Veröffentlichung der Wählerliste wurde noch auf folgendes hingewiesen : Da im vorliegenden Fall die Liste nicht vor der Wahl be^ kannt gemacht worden sei, so habe man erst im Augenblick der Abstimmung selbst davon Kenntnis bekommen, daß ein nicht Stimmberechtigter auf der Liste stehe, und in diesem Augenblick sei es einfach unmöglich, die Beweise für seine Nichtstimmfähigkeit zu liefern. Gerade das von det Regierung gebrauchte Argument zeige also aufs deutlichste, wie notwendig die Veröffentlichung des Wählerverzeichnisses sei, ohne die es für den Wahlkörper keine Sicherheit gebe.

Im übrigen enthält die Replik nichts Neues.

IV.

In der Duplik des Staatsrats vom 24. August 1903 wurdehinsichtlich der Kompetenzfrage noch darauf hingewiesen, daß dieAufwerfung dieser Frage um so gerechtfertigter erscheine, als essich nicht um die Wahl eines politischen Beamten handle, der sich mit den öffentlichen Angelegenheiten zu befassen habe.

V.

Für die Entscheidung des vorliegenden Falles sind folgende gesetzliche Bestimmungen von wesentlicher Bedeutung: G e s e t z d e s K a n t o n s W a l l i s v o m 2 4 . M a i 1876 über die Abstimmungen und Wahlen in den Urversammlungen : Art. 4. Die Bundesgesetzgebung bestimmt die Fälle, in welchen einem Schweizerbürger die politischen Rechte entzogen werden können.

Bis zur Veröffentlichung dieser Gesetzgebung können weder stimmen noch gewählt werden :

119 e. Die Interdizierten, die Wahnsinnigen und solche, deren Blödsinnigkeit notorisch ist.

Art. 30. Die Munizipalitäten sind gehalten, die Namen aller in den Gemeinden stimmberechtigten Bürger amtshalber in das Matrikelregister einzutragen.

Sechs Wochen vor den Wahlverhandlungen haben sie das Namens Verzeichnis der zur Zeit der Wahl vornähme stimmfähigen Bürger veröffentlichen und anschlagen zu lassen und ein Doppel davon bei dem Gemeindesekretariat zu hinterlegen. Dieses Verzeichnis ist nach alphabetischer Ordnung auszufertigen, und es soll von Amts wegen bei jeder Abstimmung und jeder Wahl rektifiziert und vervollständigt werden.

Art. 50. Zu den Wahlen wird in der hiernach bezeichneten; Ordnung geschritten : c. Zu jener des Präsidenten und Vize-Präsidenten, mittelst einzelnen Wahlganges.

Art. 60. Die Teilnahme Nichtberechtigter an der Abstimmung zieht die Nichtigkeit derselben nur dann nach sich, wenn diese Teilnahme das Resultat der Abstimmung verändern kann.

Art. 63. Die Munizipalbeamten, welche den Artikeln 30 und 38 zuwiderhandeln, verfallen in eine Buße von dreissig, Franken zu gunsten der Staatskasse.

Z i v i l g e s e t z b u c h des K a n t o n s Wallis: Art. 338. Die Interdiktion und die Bestellung eines gerichtlichen Beistandes hören mit den Ursachen auf, welche dieselbenveranlaßt haben ; demungeachtet kann der Interdizierte oder dormit gerichtlichem Beistande Versehene die Ausübung seiner Rechteerst nach dem Aufhebungsurteile wieder erhalten.

Art. 339. Die Aufhebung der Interdiktion wird durch das Waisenamt nach Anhörung oder Einberufung des Familienratesverfügt.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Der Staatsrat des Kantons Wallis hat die Einrede der Inkompetenz des Bundesrates zur Beurteilung der vorliegenden Beschwerde erhoben, indem er darauf hinwies, daß der Rekurs sich nur gegen die Interpretation kantonalen Gesetzesrechts richte, die-

120 einzig und allein Sache der kantonalen Behörden sei. Dieser Standpunkt ist angesichts der in vielen Entscheiden über Beschwerden betreffend kantonale Wahlen und Abstimmungen zum Ausdruck gekommenen Praxis des Bundesrats nicht haltbar. Die Bundesbehörden (Bundesrat und Bundesversammlung) haben sich immer dann das Recht der Nachprüfung eines kanlonalen Entscheides gewahrt, wenn behauptet wurde, 'die dem Entscheid zu Grunde liegende Art der Anwendung kantonalen Gesetzesrechts verstoße gegen Sätze des Bundesrechts oder des kantonalen Verfassungsrechts, insbesondere gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Gleichheit der Bürger vor dem Gesetz. (Vergleiche Salis, Bundesrecht, 2. Auflage, Band III, Nr. 1120 ff., 1132 ff., 1179, 1230 u. a. m.) Dabei hat der Bundesrat stets daran festgehalten, daß die Vorschrift des Art. 4 der Bundesverfassung nur dann verletzt sei, wenn entweder ein Willkürakt oder ein Akt rechtsungleicher Behandlung vorliegt. Ob eine derartige Rechtsverletzung vorhanden sei, hat der Buudesrat auch im vorliegenden Fall zu prüfen; denn die Beschwerdeführer behaupten, die Auslegung und die ihr entsprechende Anwendung kantonalen Gesetzesrechts durch dea Staatsrat stehe im Widerspruch zum Prinzip der Rechtsgleichheit.

II.

Bei Prüfung der drei vorgebrachten Beschwerdegrüude von diesem Gesichtspunkt aus ergibt sich folgendes : a. V e r ö f f e n t l i c h u n g und Anschlag der Wählerl i s t e . Der Staatsrat hat im angefochtenen Entscheid vom 6. Februar 1903 anerkannt, daß die Veröffentlichung und der Anschlag einer besondern Bürgerwählerliste gemäß Art. 30 des Wahlgesetzes vom 26. März 1876 hätte stattfinden sollen, und er hat dieser Ansicht dadurch besonders deutlichen Ausdruck gegeben, daß er den Bürgerrat von Monthey wegen Versäumnis der Publikationspflicht gebüßt hat.

Streitig ist nur, ob diese Pflichtversäumnis auch einen Einfluß auf die Rechtsbeständigkeit der.'Wahl habe oder-nicht. Die Beschwerdeführer behaupten, die Versäumnis ziehe die Nichtigkeit der Wahl nach sich. Allein sie sind nicht im stände, zur Unterstützung dieser Behauptung eine gesetzliche Bestimmung anzuführen. Der Staatsrat ist dagegen der Ansicht, die Außerachtlassung dieser Formalität könne nicht die Ungültigkeit der Wühl zur Folge haben, und er verweist, um dies zu begründen, auf Art. 63 des Wahlgesetzes, wonach die Gemeindebeamten, die dem Art. 30 leg. cit. zuwiderhandeln, in eine Buße verfallen.

121

Von den Beschwerdeführern ist nicht behauptet und nicht ·nachgewiesen worden, die Regierung habe in ähnlichen Fällen schon anders entschieden, die Bestimmungen des Wahlgesetzes über die Veröffentlichung der Wählerliste und die Folgen ihrer Übertretung anders interpretiert. Anderseits kann aber die Handhabung der gesetzlichen Bestimmungen durch den Staatsrat nicht willkürlich genannt werden, da sie sowohl dem Text des Art. 63 ·des Wahlgesetzes als dem ganzen Geist dieses Gesetzes entspricht, das die offenbare Tendenz hat, die Fälle der Nichtigkeit von Wahlen und Abstimmungen möglichst zu beschränken (vergleiche Art. 58, 60, 63, 64 des Wahlgesetzes).

b. F a l l des L o u i s D o n n e t . Aus dem verfassungsmäßig gewährleisteten politischen Stimmrecht fließt auch der Anspruch der stimmberechtigten Bürger darauf, daß keine Wahl als gültig anerkannt werde, die nicht durch ihre Stimmgebung allein, sondern durch die Teilnahme nicht Stimmberechtigter am Wahlgang zu stände gekommen ist (vergleiche Salis, a. a. O., Nr. 1132, II).

Dieser Satz, der in der bundesrätlichen Praxis allerdings nur insoweit zur Anwendung kommt, als die Teilnahme nicht Stimmfähiger wirklich im stände war, das Wahlresultat zu beeinflussen, hat in Art. 60, Alinea l, des Wahlgesetzes seinen Ausdruck, und zwar mit der eben genannten Beschränkung, gefunden. Es ist klar, daß nicht nur dieser Gesetzesartikel, sondern das verfassungsmäßig garantierte Stimmrecht der stimmfähigen Bürger Montheys durch den angefochtenen Entscheid des Staatsrats verletzt würde, wenn sich zeigen sollte, daß der Staatsrat in willkürlicher oder rechtsungleicher Weise das Resultat der Bürgergemeindewahlen anerkannt hätte, trotzdem ihm bekannt war, daß dieses Resultat nur durch die Teilnahme nicht stimmberechtigter Personen am Wahl,gang zu stände gekommen sei.

Art. 4, lit. c, des Wahlgesetzes schließt unter anderm die Interdizierten vom Stimmrecht aus. Es ist nicht bestritten, daß Louis Donnet im Jahr 1890 interdiziert wurde und daß ein Beschluß des Waisenamts, wodurch die Bevormundung aufgehoben worden wäre, weder im Amtsblatt veröffentlicht noch im Protokoll ·der Waisenbehörde überhaupt verzeichnet worden ist. Dagegen wird vom Staatsrat geltend gemacht, daß Louis Donnet vom Jahr 1901 an die Verwaltung seines Vermögens allein besorgt habe, ·daß verschiedene mit
seinen Verhältnissen wohl vertraute Personen seither mit ihm Geschäfte abgeschlossen hätten, daß man ihn also für vollkommen handlungsfähig gehalten habe. Hieraus sei der Schluß zu ziehen, daß seine Bevormundung de facto aufgehoben ·und er daher am Wahltag stimmfähig gewesen sei.

Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. V.

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122 Diese Schlußfolgerung steht in offenbarem Widerspruch sowohl mit Art. 338 des Zivilgesetzbuchs des Kantons Wallis alsmit Art. 4, lit. c, des Wahlgesetzes. Nach Art. 338 C. G. B. kann der luterdizierte die Ausübung seiner Rechte, trotzdem die Ursachen der Bevormundung dahingefallen sind, erst nach dem Aufhebungsurteil des Waisenamts wieder erhalten. Es geht aus der Einleitung des zweiten Salzes dieses Artikels mit dem Wort ,,demungeachtet11 aufs deutlichste hervor, daß der Gesetzgeber ein sehr großes Gewicht auf das im zweiten Satz vorgeschriebene Formerforderais legen wollte, daß er nichts anderes sagen wollte als, die Beschränkung in der Handlungsfähigkeit und damit auch der Verlust des Stirntnrechts durch die Bevormundung dauere so lange fort, bis ein Aufhebungsurteil ergangen ist. Für die Annahme, daß hinsichtlich Donnets ein solches Aufhebungsurteil ergangen sei, ist kein Beweis vorhanden. Es kann daher kein Zweifel darüber bestehen, daß auf ihn zur Zeit der Wahl Art. 4, lit. c, des Wahlgesetzes anzuwenden, daß er vom Stimmrecht ausgeschlossen war. Die Eintragung seines Namens in die Wählerliste war eine objektiv in keiner Weise gerechtfertigte Maßnahme, und die Anerkennung seiner Stimmfähigkeit durch den siaatsrätlichen Entscheid erscheint durchaus willkürlich. Denn daß verschiedene Personen mit Donnet seit 1901 in geschäftlichen Verkehr traten, ändert an der Tragweite des Art. 338 des C. G. B. in Verbindung mit Art. 4, lit. c, des Wahlgesetzes nichts und ist nicht im stände, auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts eine Präsumtion zu gunsten der Stiinmfähigkeit Donnets zu begründen. Es hieße dem an sich nicht anfechtbaren Satz, jeder Bürger müsse bis zum Nachweis des Gegenteils als stimmfähig gelten, eine seiner ganzen Natur widerstrebende Tragweite verleihen, wenn man ihn auch auf solche Bürger anwenden wollte, von denen bekannt ist, daß sie ihres Stimmrechts verlustig gegangen sind. Und es wäre Willkür, wenn Behörden sok-he Personen zum Stimmrecht zuließen, es sei denn, diese Personen hätten den Nachweis dafür erbracht, daß sie wieder iu den Besitz ihrer bürgerlichen Rechte gelangt sind. Deshalb kann auch der Ansicht des Staatsrats nicht beigepflichtet werden, wonach das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der waisenamtlichen Vormundschaftsaufhebung für das öffentliche Recht bedeutungslos
sei.

Das Resultat der Wahlen und Abstimmungen soll dem Willen der stimmberechtigten und nur der stimmberechtigten Bürger Ausdruck geben ; indem Art. 4 des Wahlgesetzes gewisse Personen von der Teilnahme an den Wahlverhaud'lungen ausschließt, bildet er einen Schutz für das verfassungsmäßig garantierte Stimmrecht der im Genuß ihrer bürgerlichen Rechte stehenden Personen, das bei Teilnahme iiicht Stimmberechtigter beeinträchtigt wird, wenn dadurch die

123 Wahlresultate verändert werden, in ihnen also nicht mehr bloß der Wille der Stimmfähigen zum Ausdruck kommt. Nach Art. 4, lit. c, und 60, Alinea l, des Wahlgesetzes tritt eine solche Beeinträchtigung u. a. dann ein, wenn ein Bevormundeter an einer Wahlverhandlung teilnahm und seine Teilnahme das Resultat der Wahl verändern konnte. Die Frage, ob dies im vorliegenden Fall zutrifft, ist zu bejahen. Weder die Verfassung noch das Wahlgesetz des Kantons Wal lis enthalten besondere Bestimmungen darüber, wie bei der Stimmenauszählung zu verfahren ist, wenn ein von einem Nichtstimmfähigen herrührender Stimmzettel vorhanden ist. Die Beschwerdeführer behaupten, es müsse nach feststehender Praxis sowohl von der Zahl der abgegebenen, als von der Zahl der auf jeden Kandidaten gefallenen Stimmen je eine abgezogen werden.

Der Staatsrat hat diese Behauptung nicht bestritten, und sie wird durch die bei Salis, a. a. 0. unter Nr. 1229, I, 3 und II, 3, angeführten Entscheide bestätigt. Berechnet man nun das Resultat der angefochtenen Wahl des Bürgerratspräsidenten von Monthey nach obigen Regeln, so ergibt sich in der Tat, daß eine Wahl nicht zu stände gekommen ist, weil keiner der Kandidaten das absolute Mehr der Stimmen auf sich vereinigt hat.

III.

Da nach dem vorstehenden die angefochtene Wahl schon allein aus dem Grunde nichtig ist, weil sie zu stände kam durch die vom Staatsrat willkürlich gutgeheißene, das verfassungsmäßig garantierte Stimmrecht der stimmfähigen Bürger beeinträchtigende Teilnahme des nichtstimmfähigen Donnet am Wahlgang, so besteht für den Bundesrat keine Veranlassung mehr, auf den letzten Beschwerdegrund, die Teilnahme des Nichtbürgers Salzgeber an der Wahl, einzugehen.

IV.

Das Begehren der Rekurreuten um Aufhebung der Wahl des Vizepräsidenten des Bürgerrats von Monthey erweist sich als unbegründet, da Art.. 50 des Wahlgesetzes bloß bestimmt, die Wahl des Präsidenten und des Vizepräsidenten müsse je in einem besonderen Wahlgang vorgenommen werden, ohne daß jedoch die Vizepräsidentenwahl ausdrücklich von der Gültigkeit der Wahlverhandlung zur Besetzung des Präsidentenamts abhängig gemacht würde.

Auf die von beiden Parteien gestellten Begehren auf Verurteilung der Gegenpartei in die Kosten des Verfahrens ist nicht

124

einzutreten, da im staatsrechtlichen Rekurs verfahre n keine Kosten gesprochen werden.

Demgemäß wird erkannt: 1. Die Beschwerde wird als begründet erklärt, soweit sie sich gegen die Wahl des Bürgerratspräsidenten der Gemeinde Monthey vom 14. Dezember 1902 richtet. Diese Wahl wird als ungültig erklärt und die Regierung des Kantons Wallis eingeladen, einen neuen Wahlgang anzuordnen.

2. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abge· wiesen.

B e r n , den 25. November 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bundesratsbeschluss über die Beschwerde des Octave Contat und Konsorten gegen den Entscheid des Staatsrats des Kantons Wallis vom 6./18. Februar 1903, betreffend Validierung der Wahl eines Bürgerratspräsidenten und -Vizepräsidenten der Gemeinde Month...

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1903

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02.12.1903

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109-124

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