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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungs-gesuche des wegen Tramgefährdung bestraften Alfred Kamber, Wagenführers der Basler Straßenbahnen.

(Vom 3. März 1903.)

Tit.

Kamber, welcher seit zwei Jahren als Wagenführer bei den Straßenbahnen des Kantons Baselstadt im Dienste stand, fuhr am 11. September 1902 abends nach 10 Uhr auf der vorletzten Tour vom Barfüßerplatz durch die Allschwilerstraße nach der Kantonsgrenze. Gegen das Ende der Fahrt hängte der Angeklagte, während der Wagen in vollem Laufe war, das Absperrgitter auf der vorderen Plattform aus, um den Wagen für die Rückfahrt, d. h. zum Einsteigen bereit zu machen. Hierbei wurde der Angeklagte, als der Wagen eine Kurve passierte, auf die Straße geworfen und der Wagen fuhr führerlos weiter. Obwohl der Billeteur hinten am Wagen bremste, fuhr dieser noch 27 Meter über das Geleiseende hinaus und blieb dann, die Räder im Straßenkörper eingegraben, stehen. Der Angeklagte erlitt einen Schlüsselbeinbruch und war, wie er angibt, 10 Wochen arbeitsunfähig.

Der Billeteur wurde nicht verletzt; andere Personen waren nicht mehr im Wagen. Dieser war nicht beschädigt und konnte wieder gehoben werden. Aus diesen tatsächlichen Momenten zog das Strafgericht des Kantons Baselstadt den Schluß, Kamber habe sich der fahrlässigen Tramgefährdung schuldig gemacht. Es erblickte eine Verletzung der Dienstvorschriften des Wagenführers darin, daß er nicht vor der Kurve und der darauffolgenden Weiche den Strom ausgeschaltet habe und noch mit der hohen Geschwindigkeit von 8 Kilometern gefahren sei, ferner darin, daß Kamber während der Fahrt seinen Posten und die von ihm zu bedienenden Apparate verlassen und das Gitter ausgehängt habe.

Das Verschulden wurde vom Gericht als ein nicht leichtes qualifiziert und mit Rücksicht auf mehrfache dienstliche Vorstrafen,

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sowie im Hinblick auf die nach Aussage der Verwaltung mangelhafte Führung und Leistungen des Petenten, eine Strafe von drei Tagen Gefängnis ausgemessen, verbunden mit der Verpflichtung zur Bezahlung der Prozeßkosten mit Einschluß einer Urteilsgebuhr von Fr. 5.

Kamber ersucht um gnadenweisen Erlaß der Gefängnisstrafe, indem er geltend macht, er habe, was ihm zur Last gelegt werde, nur getan, um die Rückfahrt des ihm anvertrauten Wagens unter Vermeidung von Verspätung zu ermöglichen, er sei durch den ihm selbst zugestoßenen Unfall bereits genügend bestraft und hätte ohne dessen Eintritt den Wagen ganz wohl rechtzeitig «um Stillstand bringen können.

Petent hat nach den Feststellungen des Strafgerichtes durch fahrlässiges Zuwiderhandeln gegen dienstliche Vorschriften den seiner Führung anvertrauten Tramwagen und den darauf postierten Kondukteur sowie sich selbst einer nicht unerheblichen Gefahr ausgesetzt. Er wurde daher mit vollem Grunde des Vergehens im Sinne des Art. 67 des Bundesstrafrechtcs schuldig erklärt.

Und was die Strafe und das Strafmaß anbetrifft, so hat das Gericht, trotzdem die Novello vom 5. Juni 1902 die Ausfällung bloßer Geldbuße gestattet hätte, dennoch wogen der besonderen Umstände des Falles eine kurze Gefängnisstrafo ausgesprochen.

Die vom Verurteilten nachgesuchte Abänderung des Urteilsspruches hätte zur Folge, daß auf dem unzweifelhaft Schuldigen gar keine Strafe mehr lasten bliebe, was mit dem Gesetze nicht wohl vereinbar wäre.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A nt r ag: Es sei das Begnadigungsgesuch des Alfred K a m b e r abzuweisen.

B e r n , den 3. März 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : Riiigier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Tramgefährdung bestraften Alfred Kamber, Wagenführers der Basler Straßenbahnen.

(Vom 3. März 1903.)

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Jahr

1903

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04.03.1903

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606-607

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