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Schweizerisches Bundesblatt.

55. Jahrgang. IV.

Nr. 44.

4. November 1903.

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Botschaft des

.Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn (streckenweise Zahnradbahn) von Appenzell nach dem Säntis (Säntisbahn).

(Vom

30. Oktober

1903)

Tit.

Die durch Bundesbeschluß vom 23. Juni 1887 (E. A. S. IX, 312) den Herren C. Sonderegger und J. U. Deutsch in Appenzell erteilte, und durch Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1893 (B. A. 8. XII, 632) auf die Herren C. Sonderegger und R. Fastenrath übertragene Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn (streckenweise Zahnradbahn) von Appenzell nach Wagenlucke (Säntisbahn) ist durch Dispositiv III des Bundesbeschlusses vom 22. Dezember 1899 (E. A. S. XV, 851) betreffend Konzession einer elektrischen Straßenbahn von Gais nach Appenzell und von Appenzell über Weißbad nach Wasserauen als erloschen erklärt worden.

Die Konzession Gais-Appenzell- Weißbad- Wasserauen ist infolge unbenutzten Ablaufes der zur Einreichung der vorschriftsmäßigen Vorlagen angesetzten Frist am 15. März 1901 erloschen (E. A. 8.

XVII, 315).

Durch Bundesbeschluß vom 10. Oktober 1902 (E. A. S. XVIII, 199) wurde sodann die unterm 25. Juni 1885 (E. A. S. VIII, Bundesblatt. 55. Jahrg. Bd. IV.

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. 167) erteilte Konzession für den Bau und Betrieb einer Straßeneisenbahn von St. Gallen nach Gais auf eine Fortsetzung dieser Bahn von Gais nach Appenzell unter einigen Abänderungen ausgedehnt. Die Strecke Gais-Appenzell ist gegenwärtig im Bau.

Mittelst Eingaben vom 11. Februar und 14. Mai 1903 unterbreiteten nun die Herren Nationalrat S o n d e r e g g e r in Appenzell, Dr. C. M e y e r , Advokat in Herisau, Bankdirektor E b n e t er und Gemeinderat Z w e i f e l - W e b e r in St. Gallen dem Eisenbahndöpartement zu Händen der Bundesbehörden das Gesuch, es möchte die unterm 23. Juni 1887 (E. A. S. IX, 312) erteilte und seither erloschene Konzession für eine schmalspurige Eisenbahn (streckenweise Zahnradbahn) von Appeuzell nach Wagenlucke zu ihren Gunsten zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft erneuert und gleichzeitig auf die Strecke WagenluckeSäntis ausgedehnt werden, beziehungsweise es möchte ihnen eine neue Konzession für eine schmalspurige Eisenbahn (streckenweise Zahnradbahn von A p p e n z e l l nach dem S ä n t i s ( S ä n t i s b a h n ) erteilt werden.

Diesem Gesuche legten die Konzessionsbewerber unter Bezugnahme auf die Konzessionsvorlagen Appenzell-Wagenlucke einen ergänzten allgemeinen und technischen Bericht, sowie Kostenvoranschlag, einen ergänzten Situationsplan und ein Längenprofil der Strecke Meglisalp-Säntis bei, in der Meinung, daß für die Strecke Appenzell-Meglisalp das im Jahre 1886 .vorgelegte Längenprofil maßgebend sein soll.

Im allgemeinen Bericht wird ausgeführt, die Säntisbahn zerfalle aus natürlichen Gründen in zwei Sektionen, die Talstrecke Appenzell-Wasserauen und die Bergstrecke Wasserauen-Säntis.

Die ganze Linie liege auf dem Territorium von Appenzell I./Rh.

Die 6,5 km. lange Talstrecke nehme ihren Anfang beim Bahnhof Appenzell der Appenzellerbahn und ihr Ende in Wasserauen. Es seien folgende 'Stationen vorgesehen : Appenzell, Steinegg, Weißbad, Schwendi, Wasserauen. Die Bahn sei eine Adhäsionsbahn mit l m. Spurweite auf eigenem Trace. Die 9,3 km. lange Bergstrecke dagegen beginne bei Wasserauen und endige mit der Quote 2327,50 unterm Säntiswirtshaus. An derselben liegen folgende Stationen : Wasserauen, Seealpsee-Wildkirchli, Meglisalp, Säntis. Die Spurweite betrage 0,s m.

Die Säntisbahn sei der natürliche Abschluß der auf Er.Schließung des Appenzeller Bergländchens gerichteten Eisenbahnbestrebungen, und berufen, dem Fremdenverkehr in der Ost-

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Schweiz einen neuen Impuls zu geben. In den letzten Jahrzehnten sei der Anteil ihres Landes am großen schweizerischen Fremdenverkehr verhältnismäßig zurückgegangen. Derselbe ergieße sich nach der Zentralschweiz, dem Berner Oberland und Graubünden, da nach diesen Gegenden bequeme Kommunnikationen bestehen, denen im Appenzellerland nur ganz bescheidene Verkehrsmittel gegenüberständen. Trotzdem weise schon jetzt der Säntis eine erhebliche Besucherzahl auf. Dieselbe werde nach Erstellung der Bahn noch bedeutend vermehrt. Diese sei daher geeignet, ihrem Lande wieder mehr Fremde zuzuführen. Dieser vermehrte Verkehr komme der ganzen Ostschweiz zu gute. Vorab werde derselbe 'den beiden nach Appenzell führenden Bahnen zu teil werden.

Für diese sei die Erweiterung ihres Hinterlandes geradezu eine Lebensfrage.

Die Fortsetzung des Schienenweges von Appenzell weg ins Herz der Berge stärke jene Unternehmungen und werde, zumal der Appenzellerbahn, den notwendigen Ersatz bringen für den Verkehrsabgang, der ihr infolge der Erbauung derBodensee-Toggenburgbahn drohe. Das Gedeihen des appenzellischen Hinterlandes und Mittellandes sei aber in hohem Maße abhängig von der gedeihlichen Existenz der genannten Bahnen ; in diesen seien große Kapitalien investiert, die größtenteils von den interessierten appenzellischen und st. gallischen Gemeinden aufgebracht worden seien. Es sei also die Erbauung der Säntisbahn von größter volkswirtschaftlicher Bedeutung für die ganze Ostschweiz, und eine z w i n g e n d e N o t w e n d i g k e i t , sofern die beiden vorhandenen Bahnunternehmungen dem Gedeihen entgegengeführt werden sollen.

Im technischen Berichte wird bemerkt, die erste Sektion Appenzell-Wasserauen sei eine Fortsetzung der Appenzellerbahn.

Vorgesehen sei, daß diese Strecke durch eine der Zufahrtslinien, aber auf Rechnung der Säntisbahn betrieben werde.

Die zweite Sektion sei eine reine Zahnradbahn mit Zahnradlokomotiven und Zahnstangen nach bewährtem System (Abt oder Strub}. Vorgesehen sei Dampfbetrieb. Sofern sich aber die Möglichkeit ergeben sollte, einen d a u e r n d . g e s i c h e r t e n elektrischen Betrieb einzurichten, werde die Adoptierung desselben vorbehalten.

Das Trace der Säntisbahn' verlasse den Bahnhof Appenzell in östlicher Richtung, überschreite die Sitter mittelst 25 m. breiten Viadukts, und gehe von km. 0,?oo--3,o ziemlieh parallel der

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Straße Appenzell-Weißbad. Bei km. 2 sei eine Station für Steinegg vorgesehen.

Von Station Weißbad (km. 8,200) weg, überschreite die Linie zunächst mittelst einer 15 m. weiten eisernen Brücke den Brüllbach und folge dann so ziemlich dem Schwendibach. Station Schwendi werde bei km. 4,500 erstellt. Bei km. 4,soo werde der Schwendibach überschritten mittelst einer 12 m. weiten, eisernen Brücke, und es bleibe die Linie auf dem linken Ufer des Schwendibaches bis Station Wasserauen (km. 4,5i0).

Von Station Wasserauen weg folge die Linie dem sonnseitigen Talhang, und ersteige mittelst Lehnenbaus auf weiten Schutthalden die Höhe der Seealp. Es werde Sache der definitiven Projektierung sein, zu untersuchen, ob die wilde Felsnase "vor Seealp statt angeschnitten, durchbohrt werden solle. Station Seealp sei vorgesehen bei km. 8,9. Die Linie ziehe sich dann am ·sonnseitigen Talhang aufwärts, überschreite bei km. 10,s die Schlucht in der Klus mittelst eines steinernen Viaduktes von -4 Öffnungen zu 10 m., schneide dann die wilden Wände des Messmer an und erklimme in starker Steigung (270 °/oo) und 1/Vindung bei km. 12,2vo die Station Meglisalp. Von hier steige "die Linie dem schattenseitigen Talhang entlang, gehe bei km. 13,i auf den sonnseitigen über, der dann in starker konstanter Steigung von 270°/oo unter Traversierung der Felswände von Chrüsli erstiegen werde. Bei km. 14,2oo wende sich die Linie in einer gewaltigen Kurve von 60 m. Radius nach Osten und erreiche bei km. 14,5so, etwas unter der Wagenlucke, die Drehscheibe.

Dort sehe das Projekt Deutsch eine Kehrung des ganzen Zuges vor. Man werde dieselbe bei der definitiven Projektierung, wenn irgendwie möglich, zu vermeiden und durch eine Kurve, eventuell durch einen Kehrtuunel zu ersetzen suchen. Von der Drehscheibe weg folge die Linie in konstanter Steigung von 270°/oo den mittleren Gratzug und erreiche ohne Kurven von Belang bei km. 15,sso die Endstation Säntis, die dicht am großen Firnfeld (genannt ,,der große Schnee"1) und unmittelbar unterm letzten' schroffen Felsaufbau des Säntis in die Felsen eingeschnitten werde.

Der Kostenvoranschlag sieht für die 6,5 km. lange Talstrecke Fr. 747,500, also Fr. 115,000 per km. vor. Vergleichsweise wird darauf hingewiesen, daß die Baukosten der Appenzellerbahn auf der Linie Appenzell-Urnäsch Fr. 120,000 per Kilometer betrugen, wobei aber die Erstellung des 52 Meter langen Kaubach-Viadukts

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und die Bahnhofanlage Appenzell Inbegriffen gewesen seien. Für Rollmaterial sei nichts in Rechnung gebracht, weil vorgesehen sei, daß der Betrieb von einer der Zufahrtslinien und mit deren Material besorgt würde.

Für die 9,3 km. lange Bergstrecke sind folgende Hauptposten vorgesehen : a. Bahnbau und feste Einrichtungen per km.

Fr. 285,000 Fr. 2,655,150 b. Rollmaterial ,, 400,000 c. Vorarbeiten, Geldbeschaffung, Bauzinsen und Verwaltung ,, 397,350 Dazu die Kosten der Talstrecke . . . .

Fr. 3,452,500 ,, 747,500

Total

Fr. 4,200,000

Da für die Finanzierung des Unternehmens ein Gesamtkapitalbedarf von Fr. 4,500,000 in Aussicht genommen sei, so bleiben für Unvorhergesehenes, Weg- und eventuell Hotelanlagen Fr. 300,000 zur Verfügung, ein Betrag, der für alle Eventualitäten ausreiche.

Die Regierung des Kantons Appenzell I./Rh. bezweifelt in ihrer Vernehmlassung vom 16. September 1903, daß die Säntisbahn wirklich gebaut werde; es werde sich vielleicht später um die Ausführung eines kleinen Teiles dieses Projektes handeln.

Jedenfalls komme der Säntisbahn eine große volkswirtschaftliche Bedeutung für den Kanton Appenzell nicht zu. Immerhin liege die Erstellung der Säntisbahn im Interesse der beiden in Appenzell einmündenden Bahnen. Wenn die Bahn je zu stände komme, so solle die Talstrecke von Appenzell nach Schwendi unbedingt während des ganzen Jahres im Betriebe bleiben.

Für die Frage der Konzessionserteilung dürften für die Bundesbehörden folgende Erwägungen maßgebend sein : Die Ungewißheit, ob die Finanzierung einer Bahn durchgeführt werden kann, bildet keinen Grund für die Verweigerung der Konzession.

Wenn auch die Regierung des Kantons Appenzell I./Rh. dem Projekte nicht gerade sympathisch gegenübersteht, so spricht sie sich anderseits immerhin auch nicht gegen die Konzessionsertei-

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lung aus. Die Erstellung der Bahn wird zweifellos eine Hebung des Fremdenverkehrs im Kanton Appenzell und in einem großem Teile der Ostschweiz zur Folge haben, der sowohl den betreffenden Gegenden als den beiden in Appenzell einmündenden Bahnen von Nutzen sein wird. Es kommt also der Säntisbahn eine gewisse volkswirtschaftliche Bedeutung zu.

Wir sind daher im Falle, Ihnen die Erteilung der Konzession anzuempfehlen.

Mit Rücksicht auf den Umstand, daß es sich nicht um ein neues Projekt, sondern vielmehr um das Wiederaufleben und die Erweiterung des Projektes Appenzell-Wagenlucke (Säntisbahn) handelt, hat das Eisenbahndepartement im Einverständnis mit allen beteiligten Parteien von der Anordnung konferenzieller Verhandlungen abgesehen.

Zum Konzessionsentwurf, der den Konzessionsbewerbern und der Regierung des Kantons Appenzell I./Rh. zur Äußerung zugestellt worden war, wurden von keiner Seite Einwendungen erhoben.

Im nachstehenden Beschlußentwurfe haben wir die Bestimmungen der unterm 23. Juni 1887 (E. A. S. IX, 312) erteilten Konzession für eine Säntisbahn, soweit dieselben nicht mit den Bestimmungen der neuern Konzessionen im Widerspruch stehen, wieder aufgenommen ; die Taxen sind die nämlichen wie in der frühem Konzession.

Von den Konzessionsbewerbern ist für die Bergstrecke eine Spurweite von 80 cm. in Aussicht genommen worden. Da wir der Ansicht sind, daß keine Bergbahnen (namentlich nicht solche mit über 25°/o Steigung) mit nur 80 cm. Spurweite mehr gebaut werden sollten, ist im Art. 8 des Beschlußentwurfes die Frage der Spurweite auf der Bergstrecke in dem Sinne geregelt worden, daß über die Zulässigkeit einer Spurweite unter l Meter der Bundesrat nach Anhörung der Gesellschaft entscheidet.

Dem von der Regierung des Kantons Appenzell I./Rh. gestellten Begehren um Einführung des Winterbetriebes auf der Strecke Appenzell-Schwendi haben wir in dem Sinne Rechnung getragen, daß gemäß Art. 14, Alinea 2, über die Führung von Zügen während des Winters auf der genannten Strecke der Bundesrat nach Anhörung der Gesellschaft entscheidet.

Zu weitern Bemerkungen gibt uns der nachstehende Beschlußentwurf keinen Anlaß.

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Wir empfehlen Ihnen denselben zur Annahme und benützen; den Anlaß, Sie, Tit.. unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 30. Oktober 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

468 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn (streckenweise Zahnradbahn) von Appenzell nach dem Säntis (Säntisbahn).

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Herren Nationalrat Sonderegger in Appenzell, Dr. C. Meyer, Advokat in Herisau, Bankdirektor Ebneter und Gemeinderat Zweifel-Weber in St. Gallen vom 14. Mai 1903 ; 2. einer Botschaft des Bundesrates vom 30. Oktober 1903, beschließt: Den Herren Nationalrat S o n d e r e g g e r in Appenzell, Dr.

C. M e y e r , Advokat in Herisau, Bankdirektor E b n e t e r und Gemeinderat Z w e i f e l-W e be'r in St. Gallen wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer schmalspurigen Eisenbahn (streckenweise Zahnradbahn) von A p p e n z e l l nach dem S ä n t i s unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

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Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren,, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Appenzell.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, sind dem Bundesrat die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Brdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 3 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter erstellt und mit Dampf oder Elektrizität betrieben.

Über die Zulässigkeit einer eventuell noch geringeren Spurweite auf der Bergstrecke Wasserauen-Säntis entscheidet der Bundesrat nach Anhörung der Gesellschaft.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Appenzell I.-Rh. und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes

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obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe .zu jeder Zeit Einsicht VOB allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, daß Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen «ines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlaß zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt in erster Linie den Transport von Personen, Gepäck und Stückgütern ; die allgemeine Verpflichtung zum Transport von Wagenladungsgütern und Vieh ist auf die Talstrecke Appenzell-Wasserauen beschränkt.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 14. Die Gesellschaft kann den Betrieb auf der Strecke Schwendi-Säntis auf die Zeit vom 1. Mai bis 31. Oktober beschränken. Im allgemeinen ist es der Gesellschaft anheimgestellt, die Zahl der täglichen Züge und deren Kurszeiten festzustellen.

Immerhin sollen alle daherigen Projekte, soweit sie sich auf fahrplanmäßige Züge beziehen, dem Eisenbahndepartement vorgelegt werden und dürfen vor der Genehmigung nicht vollzogen werden.

Über die Führung von Zügen während des Winters auf der Strecke Appenzell-Schwendi wird der Bundesrat nach Anhörung der Gesellschaft entscheiden.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

471 Art. 15. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen mit zwei Klassen aufstellen, deren Typus vom Bundesrat genehmigt werden muß.

In der Regel sind allen Personenzügen Wagen beider Klassen beizugeben ; Ausnahmen kann nur der Bundesrat gewähren.

Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, daß alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden, wenn immer möglich, durch denselben und zwar auf Sitzplätzen befördert werden können.

Auf Verlangen des Bundesrates sind auch mit Warenzügen Personen zu befördern.

Art. 16. Die Gesellschaft kann für die Beförderung von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze, pro Kilometer der Bahnlänge, beziehen : a. auf der Talstrecke (Appenzell-Wasserauen) : 20 Rappen in der II. Klasse ; 10 ,, ,, ,, III.

,, b. auf der Bergstrecke (Wasserauen-Säntis) : 140 Rappen in der II. Klasse für die Bergfahrt;

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,,

,, ,, m.

,,

,, ,,

80 ,, ,, ,, II.

,, ,, ,, Talfahrt; 60 ,, ,, ,, III.

,, ,, ,, ,, Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in allen Wagenklassen zu zahlen. Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfte der Taxe berechtigenden Altersgrenze verlangen.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

ïrii. · Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementebillette zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 17. Für die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist auf der Talstrecke die halbe Personentaxe zu berechnen. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

[| j$ Der Bundesrat wird hierüber die näheren Bestimmungen aufstellen.

472 Art. 18. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann per 100 Kilogramm und per Kilometer eine Taxe von höchstens 10 Rappen auf der Talstreckeund 30 Rappen auf der Bergstrecke bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat dieTaxe fest.

Art. 19. Bei der Erstellung der Gütertarife ist im allgemeinen vom Gewicht und Umfang der Warensendungen auszugehen, aber, soweit es die Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft rechtfertigen, auch auf den Wert und die wirtschaftliche Bedeutung der Waren Rücksicht zu nehmen.

Es sind Klassen aufzustellen, deren höchste für die Talstreckenicht über 4 und für die Bergstrecke nicht über 12 Rappen und deren niedrigste für die Talstrecke nicht über 2 und für die Bergstrecke nicht über 6 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt. Die Wagenladungstaxen kommen jedoch für die Bergstrecke nicht zur Anwendung.

Bei Beförderung von Waren in Eilfracht kann die Taxe um 100 % des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Die für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft erforderlichen Rohstoffe sollen am niedrigsten taxiert werden.

Art. 20. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind auf der Talstrecke, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

Art. 21. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, ist die

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·Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten,Kartoffeln,Futtermitteln u. s.w. zeitweise niedrigere Taxen zu bewilligen, welche vom Bundesrat nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 22. Für den Transport lebender Tiere mit Güterzügen auf der Talstrecke sind Taxen zu beziehen, welche nach Klassen Tind Transportmengen (Stückzahl, Wagenladungen) abzustufen sind und den Betrag von 40 Rappen per Stück und Kilometer für die höchste und 7 Rappen für. die niedrigste Klasse nicht übersteigen ' dürfen. Bei Beförderung in Eilfracht kann ein Taxzuschlag bis ·auf 40 °/o erhoben werden.

Art. 23. Die Minimaltransporttaxe für Gepäck, für Gütersendungen und für Tiersendungen beträgt höchstens 40 Rappen.

Art. 24. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von ·den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von W agenladungs.gütern, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 25. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Bezüglich des Gewichtes werden Sendungen in Eilfraeht und in gewöhnlicher Fracht bis auf 20 kg. für volle 20 kg. gerechnet und Gepäcksendungen bis auf 10 kg. für volle 10 kg. ; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg. für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr. 500 .als volle Fr. 500 gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der gemäß diesen Vorschriften berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird dieselbe auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, insofern der 'Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. -26. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

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Art. 27. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrat zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 28. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrat und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 29. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äufnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das.

Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 30. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundesoder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des KantonsAppenzell I.-Rh. gelten folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen.

Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

475 e. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1940 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1940 und I.Januar 1955 erfolgt, den 221/sfachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1955 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds' einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 31. Hat der Kanton Appenzell I.-Rh. den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 30 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 32. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche am 1. Dezember 1903 in Kraft tritt, beauftragt.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Konzession einer schmalspurigen Eisenbahn (streckenweise Zahnradbahn) von Appenzell nach dem Säntis (Säntisbahn). (Vom 30. Oktober 1903.)

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