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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung, 68. Jahrgang.

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Bern, den 23. August 1916.

Band III.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Entwürfe : a. zu einem Bundesgesetz betreffend Abänderung und Ergänzung des Bundesgesetzes betreffend die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 24. Juni 1874; b. zu einem Bundesgesetz betreffend den Nachlassvertrag und die ausserordentliche Stundung für Eisenbahnund Schiffahrtsgesellschaften.

(Vom 8. August 1916.)

Wir haben die Ehre, Ihnen zwei Gesetzesentwürfe vorzulegen.

Der eine derselben bezweckt, die gegenwärtigen Gesetzesbestimmungen über die Verpfändung und Zwangsliquidation von Bisenbahnen auf die Schiffahrtsgesellschaften auszudehnen, der zweite, den Bisenbahn- und Schiffahrtsgesellschaften den Abschluss eines Zwangsnachlassvertrages, sowie zu ihren Gunsten die Gewährung einer ausserordentlichen Stundung zu ermöglichen. Wir gestatten uns, im folgenden die Vorlagen zu begründen.

I.

Der anfangs August 1914 ausgebrochene und gegenwärtig noch fortdauernde europäische Krieg übt auch auf die Lage der Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. III.

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schweizerischen Verkehrsanstalten einen ungünstigen Einfluss aus.

Der Verkehr hat allgemein, bei gleichzeitiger Verteurung dar Bauund Betriebsmaterialien, bedeutend abgenommen. Insbesondere erzeigt der Fremden- und Transitverkehr, welcher für die Schweiz eine grosse Rolle spielt, einen sehr starken Rückgang. Die notwendige Folge ist, dass sich vom zweiten Halbjahr 1914 an der Betriebsertrag vermindert hat, ja manchenorts in ein Defizit verwandelt worden ist.

Der Betrieb der schweizerischen Bahnen erzeigte in den Jahren 1913--1915 folgende Überschüsse: 1913: Fr. 85,053,969; 191 4 : Fr. 54,715,908 ; 1915 : Fr. 55,630,999. Werden die Ergebnisse der schweizerischen Bundesbahnen (l 913 : Fr. 70,315,599 ; 1914: Fr. 48,344,142; 1915: Fr. 50,742,223) abgezogen, so ergeben sich als Gesamtüberschuss der übrigen (Normalspur-, Schmalspur- und Zahnrad-) Bahnen: 1913: Fr. 14,738,370; 1914: Fr. 6,371,766; 1915: Fr. 4,888,776. Unter diesen übrigen Bahnen haben mit B e t r i e b s d e f i z i t e n gearbeitet: 1913: 6 Normalbahnen Fr. 48,994, 6 Schmalspurbahnen Fr. 55,139, l Zahnradbahn Fr. 12,545, Gesamtdefizit bei 13 Bahnen Fr. 116,678 ; 1914: 10 Normalbahnen Fr. 121,263, 11 Schmalspurbahnen Fr. 112,114, 4 Zahnradbahnen Fr. 80,252, Gesamtdefizit bei 25 Bahnen Fr. 313,629; 1915: 6 Normalbahnen Fr. 71,804r 13 Schmalspurbahnen Fr. 519,151, 10 Zahnradbahnen Fr. 340,915,, Gesamtdefizit bei 29 Bahnen Fr. 931,870.

Dass im verflossenen Jahre 29 Bahnen mit Betriebsdefiziten arbeiteten, also aus dem Betriebsergebnis nicht einmal den Coupon bezahlen, geschweige denn die vertraglichen Amortisationen vornehmen konnten, muss als eine bedrohliche Erscheinung bezeichnet, werden.

Schon im Frühherbst 1914 gerieten einige kleinere Bahngesellschaften in Geldverlegenheit und waren ausserstande, aus den Betriebseinnahmen die falligen Verpflichtungen zu erfüllen.

Versuche, bei Banken Vorschüsse zu erheben, schlugen fehl. Als infolgedessen Liquidationsbegehren angedroht wurden, ein solches auch bereits beim Bundesgericht anhängig war, vergegenwärtigte sich der Bundesrat, dass der Eintritt der Zwangsliquidation bei e i n e r Bahn offenbar nicht vereinzelt bleiben, sondern auch bei ändern notleidenden Bahnen die Katastrophe nach sich ziehen würde, Zwangsversteigerungen während des Krieges aber klägliche Resultate ergeben und bedeutende
Verluste zur Folge haben müssten. Eine allgemeine Diskreditierung der schweizerischen Eisen bahn wer te wäre die notwendige Folge gewesen. Auch auf dem.

Gebiete des Eisenbahnwesens galt es, den Stand unserer Volkswirtschaft während des Krieges nach Möglichkeit aufrecht zu erhalten.

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Gestützt auf diese Betrachtungen fassten wir am 27. November 1914, von unsern ausserordentlichen Vollmachten Gebrauch machend, den Beschluss, dass jedes beim Bundesgericht eingegangene Liquidationsbegehren gegen eine Eisenbahngesellschaft an unser Eisenbahndepartement zu leiten sei und dieses nach Prüfung der Lage der Eisenbahngesellschaft darüber zu entscheiden habe, ob dem Liquidationsbegehren zu entsprechen oder die Folgegebung zu verschieben sei, in welch letzterm Falle das genannte Departement die erforderlichen Anordnungen zu treffen hat, und zwar hauptsächlich zu dem Zwecke, dass kein Gläubiger bevorzugt werde.

Dieser Beschluss wurde am 16. März 1915, um eine zutage getretene Meinungsverschiedenheit zwischen Bundesgericht und Bundesrat zu heben, in einer bestimmten Richtung, die uns hier nicht weiter interessiert, erläutert.

Für den Wortlaut der beiden Bundesratsbeschlüsse dürfen wir auf die Eidg. Gesetzsammlung neue Folge, Band XXX, Seite 586, und Band XXXI, Seite 77, verweisen.

Die Massnahme wird bei Beendigung des gegenwärtigen bundesrechtlichen Ausnahmezustandes wieder aufgehoben werden, sofern dannzumal die Bundesversammlung nicht anders beschliesst.

Im Verlaufe sind unserm Eisenbahndeparternent durch das Bundesgericht Liquidationsbegehren gegen fünf Eisenbahngesellschaften überwiesen worden. In drei Fällen hat das genannte Departement den Eintritt des Liquidationsverfahrens aufgeschoben und den Weiterbetrieb unter seiner Aufsicht, sowie die vorläufige Einstellung von Zahlungen, soweit sie nicht zur Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlich sind, angeordnet. In zwei Fällen ist der Entscheid über die Behandlung der Liquidationsbegehren noch ausstehend.

n.

In der vorjährigen Junisession der Bundesversammlung haben sodann die Herren Ständeräte Kunz und Genossen folgende Motion eingereicht: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, zu prüfen und beförderlich darüber Bericht zu erstatten, ob nicht das Bundesgesetz vom 24. Juni 1874 über Verpfändung und Zwangsliquidation von Eisenbahnen zu ergänzen sei, und zwar in dem Sinne, dass auch Eisenbahngesellschaften die Rechtswohltat des Nachlassvertrages erlangen können und dass zur Wahrung gemeinsamer Interessen von Gläubigergruppen auch gegenüber einer widersprechenden Minderheit für alle verbindliche Massnahmen getroffen werden können."

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Diese Motion wurde vom Ständerate mit unserer Zustimmung erheblich erklärt, und das Eisenbahndepartement nahm die Vorarbeiten an die Hand.

Schon im Jahre 1877 hatte dasselbe infolge einer im Ständerat gemachten Anregung dem Bundesrat einen von Ständerat R u s s e n b e r g e r ausgearbeiteten Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend den Nachlassvertrag von Eisenbahnen unterbreitet. Das Bundesgericht empfahl den Erlass eines solchen Gesetzes. Der Bundesrat trat jedoch nicht auf den Entwurf ein und gab den .eidg. Räten hievon Kenntnis. Dieselben erklärten sich einverstanden. Aus welchen Gründen man die Angelegenheit auf sich beruhen liess, ist aus den Akten und Protokollen nicht ersichtlich.

Unter teilweiser Benützung des Russenbergerschen Entwurfes arbeitete nun, auf Ansuchen unseres Eisenbahndepartementes, Herr Ständerat Isler einen neuen Entwurf aus, in welchem er einen zweiten Abschnitt, über die ausserordentliche Stundung, einfügte. Über diese Vorlage haben sich das ßundesgericht und die Generaldirektion der Bundesbahnen vernehmen lassen ; ebenso der Verband Schweizerischer Sekundärbahnen, der einen von Herrn Professor v. S a l i s ausgearbeiteten selbständigen Entwurf einreichte. Sodann berief das genannte Departement zur Beratung der Entwürfe · eine Kommission von Fachleuten ein. Dieselbe bestand aus den Herren Ständerat I s l e r ; Bundesrichter 0 s t e rt a g ; Dr. K a i s e r vom Justizdepartement; Ständerat B ö h i ; Advokat A. B o n z a n i g o , Bellinzona; Advokat Eugen C u r t i , Zürich ; Dr. Th. G e e r i n g, Basel ; Generaldirektor H a a b ; Ständerat K un z; Bankier M o r e l, Lausanne; Nationalrat Gustav M ü l l e r ; Prof. v. Salis, Marschlins; S c h ä t z , Generalsekretär des Sekundärbahnen-Verbandes ; Nationalrat S t r ä u l i ; Nationalrat v. S t r e n g ; Direktor v. W a l d k i r c h , Eidg. Bank, Zürich, und W i n k l e r, alt Bundesrichter ; nebst den Herren B i e d e r m a n n , P e s t a l o z z i , R a t h g e b und B a u m b e r g e r vom Eisenbahndepartement.

Dieser Fach-Ausschuss pflog am 6. und 7. Oktober vorigen Jahres, unter der Leitung des Departementsvorstehers, einlässliche Beratung. Das Protokoll der Verhandlungen, sowie die genannten Vorarbeiten werden Ihnen hiermit übergeben. Nach Massgabe der Beratungen der Kommission stellte das Eisenbahndepartement
unter Mitwirkung von Herrn alt-Bundesrichter W i n k l e r in Bern einen neuen Entwurf zu einem Bundesgesetze betreffend den Nachlassvertrag und die ausserordentliche Stundung auf, den wir heute unserseits gutgeheissen haben.

445 Sollten die ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates, gestützt auf welche wir die Beschlüsse vom 27. November 1914 und 16. März 1915 (siehe: I, oben) gefasst haben, erlöschen, bevor der vorgenannte Entwurf Gesetzeskraft erlangt, so wird die Bundesversammlung, über die weitere Geltung der beiden Bundesratsbeschlüsse in der Zwischenzeit, das Nötige anzuordnen haben.

III.

· Während der Vorarbeiten für die Erledigung der Motion K u n z stellten einige Dampfschiffgesellschaften das dringende Gesuch, es möchte ihnen auf irgendeine Weise ermöglicht werden, den Schiffspark zu verpfänden, ohne dass derselbe zu Faustpfand gegeben werden müsse, was letzteres eine Unmöglichkeit wäre, wenn der Schiffahrtsbetrieb fortgesetzt werden solle. Das Gesuch wurde von den Kantonsregierungen von Tessin, Schaffhausen und Thurgau angelegentlich befürwortet. Wir haben demselben entsprochen, indem wir am 11. April d. J., gestützt auf unsere ausserordentlichen Vollmachten, beschlossen : ,,Art. 1. Diejenigen schweizerischen Aktiengesellschaften, welche gestützt auf eine Bundeskonzession die Schiffahrt betreiben, werden im gleichen Masse, wie bisher die Eisenbahngesellschaften, dem Bundesgesetz vom 24. Juni 1874 über die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, abgeändert am 20. Dezember 1878 und 2. Juli 1880, sowie durch die Bundesratsbeschlüsse vom 27. November 1914 und 16. März 1915, unterstellt.

Art. 2. Vorstehender Beschluss tritt am 11. April 1916 in Kraft. a (Siehe Gesetzsammlung n. F., Bd. XXXII, S. 150).

Wir halten es für angezeigt, den Bericht unseres Eisenbahndepartementes an den Bundesrat vom 7. April d. J. hier einzuschalten, mit dem es den Antrag, diesen Beschluss zu erlassen, begründet hat. Der Bericht lautet: ,,Die schweizerischen Schiffahrtsgesellschaften befinden sich ausnahmslos in einer sehr schwierigen Lage. Die Betriebseinnahmen sind gering und reichen .bei mehreren Gesellschaften nicht hin, um die Betriebsauslagen zu bestreiten. Verfügbare Geldmittel oder Werttitel sind nicht mehr vorhanden, und es besteht für die Gesellschaften zurzeit kein gesetzliches Mittel, um gegen Verpfändung des Eigentums Darleihen zu erheben und

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damit den Weiterbetrieb zu sichern. Dieses Eigentum besteht ausschliesslich oder zum weitaus grössten Teile aus den Fahrzeugen nebst Zubehörden. Diese Gegenstände können jedoch nur auf dem Wege der Faustpfandbestellung verpfändet werden ; die Hingabe zu Faustpfand aber verunmöglicht den Weiterbetrieb der Unternehmung.

Diese Umstände erheischen gebieterisch, dass auf irgendeinem Wege die Pfandgabe des Schiffsparkes ermöglicht werde.

Hierfür stehen zwei Mittel zu Gebote. Die Ermöglichung der Spezialpfandbestellung ohne Besitzesübergabe oder die Ermöglichung der Generalpfandbestellung nach dem Vorbild der Verpfandung einer Eisenbahn. Einen dritten Weg gibt es nicht; insbesondere erscheint der, von einem hervorragenden Rechtsgelehrten, allerdings unter allen Vorbehalten, Ihrem Justizdepartemente vorgeschlagene, die Schiffe als Zubehörde zu den Liegenschaften der Schiffahrtsgesellschaft zu erklären, als offenbar untunlich, insbesondere da, wo die Gesellschaft gar keine Liegenschaften besitzt.

Fragen wir uns nun, welcher der beiden arideren Wege einzuschlagen sei, so muss beachtet werden, dass die Aufstellung der Rechtssätze, nach welcher die Verpfändbarkeit des Schiffsparkes ohne Besitzesübergabe durchgeführt werden könnte, eine komplizierte und schwierige Arbeit erheischen würde und dass eine besondere neue Rechtsordnung geschaffen werden müsste, was bei der verhältnismässig kleinen Anzahl der in Frage kommenden Unternehmungen und der verhältnismässig geringen Rolle, welche dieselben in unserem wirtschaftlichen Leben spielen, sich kaum der Mühe lohnen würde.

AU' dem gegenüber machen wir darauf aufmerksam, dass wir bereits eine ausführliche und erprobte Rechtsordnung besitzen, welche seinerzeit geschaffen worden ist, um dem Kreditbedürfnisse ganz ähnlicher wirtschaftlichen Unternehmungen gerecht zu werden: das Generalpfandrecht für die Eisenbahnen. Diese Art der Bestellung und Realisierung einer Sicherheit für Darleihen passt genau auch für die Schiffahrtsunternehmungen, vom Anfange his zum Ende der durch das Bundesgesetz betreffend die Verpfändung und Zwangsliquidation der schweizerischen Eisenbahnen ein- und ausgeführten Rechtsordnung. Das neue Anwendungsgebiet ist in zuverlässiger Weise umschreibbar : es umfasst die vom Bunde konzessionierten Schiffahrtsgesellschaften, über deren gegenwärtigen Bestand wir ein Verzeichnis vorlegen (siehe den Anhang zu der gegenwärtigen Botschaft). Es bedarf also keiner

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neuen Rechtsordnung, sondern nur der Anwendung einer bestehenden Rechtsordnung auf ein neues Gebiet. Hiefür genügt vorläufig ein einziger Satz.

Nun entsteht aber die schwierige Frage : können und sollen wir die Unterstellung der Schiffahrtsgesellschaften unter das sogenannte Verpfändungsgesetz, gestützt auf unsere ausserordentlichen Vollmachten, beschliessen, oder ist der verfassungsmässige Gesetzgebungsweg einzuschlagen ?

Wir machen darauf aufmerksam, dass unmittelbar nach Inkrafttreten der neuen Ordnung die Verpfändung des unbeweglichen und beweglichen Eigentums mehrerer Schiffgesellschaften für bedeutende, verhältnismässig langfristige Darleihen stattfinden wird, so dass wohlerworbene Rechte entstehen, deren Wirksamkeit länger dauern wird als die ausserordentliche Vollmacht des Bundesrates. Eine Rückkehr zur heutigen Rechtsordnung müsste grosse Schwierigkeiten verursachen.

Demgegenüber muss aber festgestellt werden, dass bei Beobachtung des verfassungsmässigen Ganges (Gesetzesberatung in beiden Kammern des Parlamentes und ReferendumsfrisQ die Hülfe viel zu spät käme und eine Anzahl von Schiffahrtsunternehmungen mangels von Betriebsmitteln die Fahrten für längere Zeit einstellen müssten. Des weiteren dürfen wir wohl darauf hinweisen, dass die bisher unbeachtet gebliebene Lücke in unserem bestehenden Privatrechte, welches tatsächlich keine Möglichkeit gewährt, die im Betrieb befindlichen Schiffe zu verpfänden, unter allen Umständen ausgefüllt werden muss, nachdem sie empfindlich fühlbar geworden, und der ordentliche Gesetzgeber wohl zu keiner anderen, als der von uns gefundenen, materiellen Lösung gelangen würde. Drittens machen wir darauf aufmerksam, dass zwei an der Angelegenheit interessierte Kantonsregierungen, diejenigen von Schaff hausen und Thurgau, dringend darum nachsuchen, wir möchten die Angelegenheit von uns aus, gestützt auf die uns verliehene Zuständigkeit, ordnen.

Die Dringlichkeit ist ja eine Folge der schlimmen Betriebsergebnisse, und diese stehen im engsten Zusammenhange mit dem europäischen Kriege, im Hinblick auf welchen dem Bundesrate die ausserordentlichen Vollmachten erteilt sind.

Es Hesse sich freilich etwas Drittes denken, nämlich der Erlass einer Gesetzesnovelle durch die eidgenössischen Räte in der nächsten Junitagung, ohne Referendumsklausel. So würde die Bundesversammlung die ausserordentliche Funktion, die sie dem Bundesrat übertragen, im vorliegenden Falle für sich selbst

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in Anspruch nehmen und selbst ausüben. Dadurch würde aber eine neue, dritte Figur des Staatsrechtes, neben dem ordentlichen Verfassungsrechte und dem ausserordentlichen Notverordnungsrechte des Bundesrates, ins Leben treten, und die Unsicherheit, wer im einzelnen Falle in ausserordentlicher Weise einschreiten solle, würde zu einer negativen Konkurrenz zwischen Bundesrat und Bundesversammlung führen, die hemmend wirken müsste und dem Landesinteresse schaden würde. Ganz abgesehen hievon aber käme die Hülfe zu spät, da zwischen dem Tage, da der Bundesrat beschliessen kann, und dem Tage, da die Sache im Monat Juni durch die eidgenössischen Räte zur endgültigen Erledigung gebracht werden könnte, wenigstens zwei Monate liegen.

Wir schlagen Ihnen also nach reiflicher Überlegung vor, die Angelegenheit sofort von Ihnen aus zu ordnen. Wie Sie wissen, ist eine Revision des sogenannten Verpfändungsgeset/es im Gange, und zwar mit Bezug auf das Akkommodement und ähnliches. Die Lösung dieser Revisionsfrage ist schwierig und die Art, sowie der Umfang der Lösung sehr bestritten. Sie wird auf dem ordentlichen Gesetzgebungswege erfolgen. Bei diesem Anlasse steht es dann den verfassungsmässigen gesetzgebenden Gewalten frei, für die Zukunft die uns heute beschäftigende Angelegenheit anders zu ordnen als wir sie geordnet haben werden, und es müsste dann nur der Übergang von der neuen zur neuesten Rechtsordnung geregelt werden; eine allerdings schwierige, jedoch nicht unlösbare Aufgabe.

Als Gegenstand der Neuunterstellung unter das sog. Verpfändungsgesetz sind zu bezeichnen : ,,Die schweizerischen Aktiengesellschaften, welche gestützt auf eine Bundeskonzession die Schiffahrt betreiben". Damit fallen ausser Betracht: Die nichtschweizerischen Unternehmungen (Nr. 3, sowie 14 des Verzeichnisses), der Betrieb, welcher Eigentum einer Handelsfirma ist (Nr. 17), sowie die der Gemeinde Sils gehörende Unternehmung (Nr. 18). Da eine Anzahl von Schiffen, die hier in Betracht fallen, nicht mittelst Dampfes, sondern mittelst anderer Kraft betrieben werden, kann man nicht von ,,Dampfschiffgesellschaften" sprechen. Endlieh besitzen eine Anzahl von kleineren Schiffahrtsunternehmungen keine Bundeskonzession, sondern nur eine kantonale Bewilligung und fallen richtiger Weise ausser Betracht."

Dies der Bericht des Eisenbahndepartementes,
der unseren Beschluss vom 11. April d. J. veranlagst hat.

Wir halten es nun für notwendig, den Gegenstand jetzt schon endgültig, auf dem Wege der ordentlichen Gesetzgebung, zu

Abkommen über Ehescheidung.

(Ehescheidungen von -Ausländern in der Schweiz.)

Ist Ehescheidung zulässig?

(Art. l, Absatz l, des Abkommens.)

Scheidungsgründe

Ist Trennung von Tisch und Bett zulässig?

(Art. 2, Absatz l, des Abkommens).

(Art. l, Absatz 2, des Abkommens.)

Trennungsgründe (Art. 2, Absatz 2, des Abkommens).

Ist die Gerichtsbarkeit des Heimatstaates der Eheleute ausschliesslich zuständig für Scheidungs- oder Trennungsklagen?

(Art. 5, Ziffer 2, des Abkommens.)

Welches sind die Vorschritten Über die Ladung eines Beklagten, die beobachtet werden müssen, damit das in einem ändern Vertragstaat ergangene Versäumnisurteil vom Heimatstaate anerkannt wird?

(Art. 7 des Abkommens.)

10. Ungarn.

a. Ungarn im engern Sinne.

b. Kroatien-Stavonien.

Ja.

Gesetzesartikel XXXI, 1894, § 73.

Fällt aber im Hinblick auf die Antwort in Kolonne 5 für die schweizerischen Gerichte praktisch ausser Betracht.

Die Scheidungsgründe sind enthalten Ja; Gesetzesartikel XXXI, 1894, § 104; Die Scheidungsgrnnde. Gesetzesartikel in Gesetzesartikel XXXI, 1894, §§ 76--82 fällt aber im Hinblick auf die Antwort XXXI, 1894, §§ 104 und 105.

und 107. Sie fallen jedoch im Hinblick in Kolonne 5 für die schweizerischen GeSie fallen ebenfalls im Hinblick auf die auf die Antwort in Kolonne 5 für die richte praktisch ausser Betracht.

Antwort in Kolonne 5 für die schweizeschweizerischen Gerichte praktisch ausser rischen Gerichte praktisch ausser Betracht.

Betracht.

Ja für Evangelische beider Konfessionen Nach österreichischem allgemeinem bürund für Israeliten (für die die Bestim- gerlichem Gesetzbuch sind Scheidungsmungen des österreichischen allgemeinen gründe : bürgerlichen Gesetzbuches * massgebend 1. für Evangelische beider Konfessionen : sind), sowie die Angehörigen der grieEhebruch; Verbrechen, das eine Gechisch-orientalischen Konfession.

fängnisstrafe von mindestens fünf In bezug auf letztere fällt indessen (vgl.

Jahren zur Folge hatte; böswillige Kolonne 5) die Kompetenz zur Scheidung Verlassung; Nachstellung nach dem der Ehe den geistlichen Gerichten zu.

Leben oder der Gesundheit ;wiederholte Nein für Angehörige der katholischen** schwere Misshandlungen ; gegenseitige unüberwindliche Abneigung (in welch Konfessionen.

letzterem Falle indessen vorerst die In bezug auf Mischehen vergleiche AntTrennung von Tisch und Bett auswort in Kolonne 5.

zusprechen ist). Österreichisches allgemeines bürgerliches Gesetzbuch,

§ 115; 2. für Israeliten: Gegenseitiges Einverständais, wenn die Ehegatten mit Zeugnis ihres Geistlichen nachweisen, dass sie trotz dessen Bemühen von ihrem Vorhaben nicht abzubringen sind ; ferner Ehebruch des ändern Ehegatten. Österreichisches allgemeines bürgerliches Gesetzbuch, §§ 133-136; 3. die Scheidungsgründe für Angehörige der griechisch-orientalischen Konfesqion fallen für die Praxis der schweizerischen Gerichte nicht in Betracht, weil die Scheidung der Ehe solcher Personen den geistlichen Gerichten vorbehalten ist (vgl. Kolonne 5).

Das österreichische allgemeine bürgerliche Gesetzbuch (hinsichtlich der Evangelischen und Israeliten) und das katholische Eherecht lassen die Trennung von Tisch und Bett zu (vgl. aber Kolonne 5), während das Eherecht der griechischorientalischen Kirche diese Bestimmung nicht kennt.

Ja. Im Eheprozesse (Scheidung und Ist mit Rücksicht auf die Antwort in Trennung) eines ungarischen Staatsbürgers Kolonne 5 gegenstandslos.

ist nur das Urteil eines ungarischen Gerichtes wirksam. Gesetzesartikel XXXI, 1894, § 114.

Nach dem österreichischen allgemeinen Nach den kroatisch-slavonischen Rechtsbürgerlichen Gesetzbuch (hinsichtlich der normen sind die kroatisch-slavonischen Evangelischen und Israeliten) hat das Gerichte nicht ausschliesslich kompetent, Gericht die Trennung von Tisch und Bett über die von ungarischen Staatsangehörigen im Falle des beidseitigen Einverständnisses kroatisch-slavonischer Gemeindezuständigstets zu bewilligen, wenn die Ehegatten keit wegen Scheidung oder Trennung der sich über die Bedingungen der Trennung Ehe eingeleiteten Prozesse zu entscheiden.

geeinigt haben. In Ermangelung des gegenIn derlei Prozessen von Evangelischen seitigen Einverständnisses kann das Ge- beider Konfessionen und von Israeliten richt beim Vorliegen wichtiger Gründe ist das Gericht des letzten Aufenthalts(österreichisches allgemeines bürgerliches ortes des Ehemannes, und bezüglich der Gesetzbuch, § 107) die Trennung aus- Ehegatten katholischer Konfession oder sprechen.

griechisch-orientalischer Konfession das Die nach dem Eherechte der katho- geistliche Gericht des ordentlichen Wohnlischen Kirche gegebenen Trennungsgründe sitzes des Ehemannes kompetent; wenn fallen für die Praxis der schweizerischen aber die katholischen Ehegatten von Tisch Gerichte ausser Betracht, weil auch die und Bett getrennt sind, ist das geistliche Trennung katholischer Ehen den geist- Gericht des ordentlichen Aufenthaltsortes lichen Gerichten vorbehalten ist.

des Beklagten kompetent. In Scheidungs-, sowie in Trennungsprozessen solcher in Kroatien - Slavonien gemeindezuständigen Ehegatten, von welchen der eine Teil römisch-katholisch ist, sind nur die katholischen geistlichen Gerichte kompetent.

* Einzelne Teile oder gewisse Bestimmungen des österreichischen allgemeinen bürgerlichen Gesetzbuches haben in verschiedenen Gebieten Ungarns als einstweilig rezipiertes Recht Geltung.

** Unter dem Ausdrucke ,,katholische Konfessionen" sind römisch-katholische und griechisch-katholische Konfession verstanden.

In Kroatien-Slavonien existiert keine besondere Vorschrift darüber, in welcher Weise der in Kroatien-Slavonien gemeindezuständige ungarische Staatsangehörige vor ein ausländisches Gericht zu laden ist, damit ein Versäumnisurteil dieses Gerichtes Geltung haben könne.

Vormundschaffcsabkommen.

Vormundschaffcsabkommen.

Bevormundung von Ausländern in der Schweiz.

Bevormundung von Schweizern im .Ausland.

Gründe für den Beginn der Vormundschaft

(Art. 5 des Abkommens)

Behörden des Heimatstaates, die fUr die Anordnung der Vormundschaft über minderGründe fUr die Beendigung der Vormundschaft jährige Staatsangehörige im Ausland zu(Avt. 5 des Abkommens) ständig sind

(Art. l, 4 und 8 des Abkommens)

IO. Ungarn

Wenn der Minderjährige nicht unter väterlicher Gewalt steht (Gesetzesartikel a. Ungarn im engern Sinne. XX, 1877, § 2).

In der Stadt und im .Gebiete von Fiume gilt dasselbe wie für Kroatien-Slavonien (vgl. unten lit. 6).

b. Kroatien-Slavonien.

A. Für minderjährige eheliche Kinder: 1. wenn der Vater verstorben ist, oder 2. wenn der Vater die väterliche Gewalt auf immer oder zeitweilig verloren hat.

B. Für minderjährige aussereheliche Kinder.

Zeitpunkt, in welchem die im Aufenthaltsstaat nach Art. 3 des Abkommens für einen Schweizerbürger angeordnete Vormundschaft Zuständige Behörden fUr die Anordnung und Führung einer Vormundschaft nach Art. 3 endigt, wenn in der Schweiz eine neue Vordes Abkommens mundschaft nach Art. 1 und 2 angeordnet wird (Art. 4, Absatz 3, des Abkommens)

1. Grossjährigkeit, die mit Vollendung Die Waisenstühle (Gesetzesartikel XX, des 24. Altersjahres eintritt (Gesetzes- 1877, §§ 176, 184).

artikel XX, 1877, § l, und XXIII, In der Stadt und im Gebiete von Fiume 1874, § 1); der Magistrat als Vormundschaftsbehörde.

2. Verehelichung (nur bei Frauensperpersonen) (Gesetzesartikel XXIII, 1874, § 2); 3. Grossjährigerklärung von Minderjährigen im Alter von mehr als 18 Jahren durch die Vormundschaftsbehörde (Gesetzesartikel XX, 1877, § 4); 4. wenn Minderjährige im Alter von mehr als 18 Jahren mit der durch die Vormundschaftsbehörde genehmigten Zustimmung des Vaters oder Vormundes ein selbständiges Gewerbe betreiben (Gesetzesartikel XX, 1877, § 5).

In der Stadt und im Gebiete von Fiume gilt dasselbe wie für Kroatien-Slavonien (vgl. lit. 6).

Die in Ungarn bestellte Vormundschaft dauert an bis die Heimatbehörde eine andere Verfügung trifft (Gesetzesartikel XX, 1877, § 64).

In der Stadt und im Gebiete von Fiume gilt dasselbe wie für Kroatien-Slavonien (vgl. lit. 6).

1. Tod des Mündels; 2. Wegfall des Grundes, aus welchem dem Vater die Ausübung der elterlichen Gewalt entzogen worden war; 3. Erreichung des Alters der Grossjährigkeit oder Grossjährigerklärung mit Altersnachsicht.

Sobald die Heimatbehörde einen VorDas Waisenstuhlamt, wo ein solches ijaund bestellt und hiervon die zuständige organisiert ist, sonst das königliche BeVormundschaftsbehörde des Wohnsitz- zirksgericht, in dessen Prozesskompetenz staates verständigt, hat diese den im Sinne der Minderjährige gehört.

des Art. 3 des Abkommens bestellten Vormund zu entheben.

Das Waisenstuhlamt, wo ein solches organisiert ist, sonst das königliche Bezirksgericht oder der Gerichtshof, indessen Prozesskompetenz der Minderjährige gehört.

Zuständige Behörden fUr die Anordnung vorsorglicher Massnahmen nach Art. 7 des Abkommens

Der Gemeindewaisenvater hat von Amtes Die Waisenstühle (Gesetzesartikel XX, wegen die unaufschiebbaren Vormund1877, §§ 176, 184).

In der Stadt und im Gebiete von Fiume schaftsangelegenheiten zu besorgen, bis der der Magistrat als Vormundschaftsbehörde. bestellte Vormund seine Funktionen beginnen kann (Gesetzesartikel XX, 1877, § 68). (Hat für Stadt und Gebiet von Fiume keine Geltung).

449 ordnen und damit nicht zuzuwarten, bis unsere ausserordentlichen Vollmachten, die uns zur vorläufigen Ordnung des Gegenstandes berechtigt haben, zu Ende gehen. Denn richtiger Weise muss, was wir Ihnen behufs gesetzlicher Einführung des Rechtsinstituts des Zwangsnachlassvertrages für die Eisenbahngesellschaften vorschlagen, auch für die Schiffahrtsgesellschaften gelten. Dies kann jedoch nur auf dem Wege erreicht werden, wenn vorher die Ausdehnung des Verpfändungs- und Liquidationsgesetzes auf die Schiffahrtsgesellschaften gesetzlich und auf die Dauer, also nicht nur für die Zeit der Geltung unserer ausserordentlichen Vollmachten, geordnet wird. Gleichzeitig machen wir darauf aufmerksam, dass die summarische Regelung der Angelegenheit, wie sie in der gebotenen Eile nicht anders möglich war, auf die Dauer nicht genügt, sondern dass, wie es nun geschieht, genau, Punkt für Punkt, geprüft und darüber entschieden werden muss, welche Änderungen des bestehenden Gesetzes in allen Einzelheiten erforderlich sind, wenn das Gesetz auch auf die Schiffahrtsgesellschaften Anwendungen finden soll.

IV.

Wir befinden uns also vor der doppelten Aufgabe, einerseits das Eisenbahn-Verpfändungs- und Liquidationsgesetz als auf die Schifffahrtsgesellschaften anwendbar zu erklären und den Wortlaut der Bestimmungen des bestehenden Gesetzes entsprechend abzuändern, anderseits für die Eisenbahn- und Schiffahrtsgesellschaften die Rechtsinstitutionen des Nachlassvertrages und der ausserordentlichen Stundung einzuführen. In formeller Beziehung stehen uns, um dieses doppelte Ziel gleichzeitig zu erreichen, zwei Wege offen. Wir können das bestehende Gesetz zur Hand nehmen und an demselben alle diejenigen Änderungen anbringen, sowie diejenigen Ergänzungen einfügen, welche der doppelte Zweck erfordert. Oder wir scheiden die Aufgabe auch äusserlich in zwei Teile aus; vorerst bringen wir im bestehenden Gesetze überall diejenigen Änderungen an, welche dessen Ausdehnung auf die Schiffahrtsgesellschaften im einzelnen mit sich bringt; dies getan, erlassen wir ein zweites, selbständiges Gesetz, welches den Nachlassvertrag und die ausserordentliche Stundung für die Eisenbahn- und Schiffahrtsgesellschaften einführt. Nach Feststellung jener Novelle und dieses neuen Gesetzes müsste alsdann, ohne irgendwelche Änderung des Inhalts und Wortlautes
der einzelnen Abschnitte und Artikel, alles in Einen Text über ,,die Verpfändung, die Zwangsliquidation, den Nachlassvertrag und die ausserordentliche Stundung für die Eisenbahn- und Schiffahrtsgesell-

450 Schäften" zusammengefasst werden. Dieses Verfahren wurde schon einmal, bei ähnlicher Gelegenheit, beobachtet, indem nach Erlass des Bundesgesetzes betreifend Änderung der Organisation der Bundesrechtspflege, vom 6. Oktober 1911, mit Zustimmung der eidgenössischen Räte von der Bundeskanzlei eine ,,Textausgabea des Organisationsgesetzes von 1893, unter Berücksichtigung der getroffenen Abänderungen hergestellt und veröffentlicht wurde.

Nach reiflicher Überlegung haben wir dem zweiten der beiden möglichen Wege den Vorzug gegeben, weil wir fanden, dass sich die g e s o n d e r t e Behandlung der beiden Gegenstände in den eidgenössischen Räten des geordneten Ganges der Behandlung wegen entschieden empfehle.

Wir legen Ihnen deshalb die Entwürfe zu zwei Bundesgesetzen vor, nämlich I. zu einem solchen ,,betreffend Abänderung und Ergänzung des Bundesgesetzes über die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossenschaft, vom 24. Juni 1874a (Ausdehnung auf die Schiffahrtsgesellschaften), und II. zu einem solchen ,,betreffend den Nachlassvertrag und die ausserordentliche Stundung für die Eisenbahn- und Schiffahrtsgesellschaften". Der zweite Entwurf setzt die Annahme des ersten voraus. Nach Annahme und Inkrafttreten der beiden Bundesgesetze würde, mit Ihrer ausdrücklichen Zustimmung, von der Bundeskanzlei eine vereinigte Textausgabe der Bundesgesetze ,,über die Verpfändung, die Zwangsliquidation, den Nachlassvertrag und die ausserordentliche Stundung für die Eisenbahn- und Schiffahrtsgesellschaften" mit fortlaufender Bezifferung der Artikel zusammengestellt und veröffentlicht werden.

So können wir, nach all' den unvermeidlichen Komplikationen der gesetzgebungstechnischen Vorgänge, zu einer klaren und übersichtlichen Gesamtordnung von vier wichtigen Bestandteilen des Eisenbahn- und Schiffahrtsrechtes gelangen.

V.

Während wir hinsichtlich der Vorlage I, über den bereits mitgeteilten Inhalt des Berichtes unseres Eisenbahndepartementes vom 7. April d. J. hinaus, keine weiteren Bemerkungen anzubringen haben, gestatten wir uns, die Vorlage II im Nachstehenden, soweit nötig, zu begründen und zu erläutern: A. Der N a c h l a s s v e r t r a g . Gegenwärtig besteht für eine schweizerische Eisenbahngesellschaft keine Möglichkeit, einen

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Nachlassvertrag zu erzielen, wenn nicht sämtliche Beteiligten mit demselben einverstanden sind. Nachdem das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, vom 11. April 1889, in Kraft getreten war, erhob sich die Frage, ob die Eisenbahngesellschaften nicht von denjenigen Bestimmungen des Gesetzes, welche den Nachlassvertrag behandeln, Gebrauch machen können. Die sehr bestrittene Frage, ob diese Bestimmungen überhaupt auf Aktiengesellschaften anwendbar seien, fand zwar bejahende Beantwortung. Dagegen verneinte das Bundesgericht, wie sich aus seinem Geschäftsberichte für das Jahr 1892 ergibt, die Anwendbarkeit auf Eisenbahngesellschaften. Einerseits habe der Gesetzgeber offenbar nicht gewollt, dass mit Bezug auf ein Nachlassverfahren für Eisenbahngesellschaften kantonale Behörden tätig seien, das Gesetz kenne aber keine eidgenössische Nachlassbehörde, so dass also überhaupt keine zuständige Amtsstelle vorhanden wäre.

Anderseits erteile das Bundesgesetz von 1874 in seinen Art. 17--19 den Gläubigern von Eisenbahngesellschaften das unbedingte Recht, bei Nichtbefriedigung die Liquidation zu verlangen.

Es ist nun von den Motionsstellern im Ständerat ausführlich dargetan worden, dass es an der Zeit, ja sogar dringlieh sei, dass für die Eisenbahngesellschaften auf dem Wege der Bundesgesetzgebung die Möglichkeit, einen Schuldennachlass auch ohne die Zustimmung sämtlicher Beteiligten zu erzielen, also einen Zwangsnachlassvertrag abzuschliessen, geschaffen werden sollte.

Und wir sind damit vollständig einverstanden. Die bestehende Lücke muss endlich einmal ausgefüllt werden, und zwar nicht nur aus theoretischen Gründen und der Vollständigkeit wegen, sondern weil nunmehr eine Anzahl von Bahnunternehmungen, und zwar nicht nur von den kleineren, leider genötigt sind, ein Akkommodement zu versuchen, nicht nur um eine gesündere Finanzlage herzustellen, sondern um neue Geldmittel, die einen für den Weiterbetrieb, eine andere sogar für die Bauvollendung, erhältlich zu machen. Standen etwelche schon längst auf schwachen Füssen, so sind mehrere bisher durchaus solide Gesellschaften, welche hauptsächlich dem Fremdenverkehr dienen, infolge des durch die Kriegsereignisse verursachten Verkehrssturzes und insbesondere infolge der starken Verminderung des Fremdenverkehrs an den Rand des Abgrundes gebracht, ohne Aussicht,
sich jemals wieder zu erholen, wenn sie nicht die Schuldenlast vermindern können. Mag es auch einige Unternehmungen geben, welchen, durch die Verhinderung der Zwangsliquidation während der Kriegsdauer, über die Schwierigkeiten hinweggeholfen werden kann, so bedeutet diese Notmassnahme für andere nur einen

452 Aufschub der Katastrophe, die unvermeidlich ist, wenn nicht dauernd geholfen werden kann.

Es fehlt allerdings nicht an Stimmen, welche es laut aussprechen, dass die gegenwärtige Gelegenheit dazu benützt werden sollte, dass die notleidenden Bahngesellschaften durch Insolvenzerklärung die Liquidation herbeiführen und so eine radikale Schuldabschüttelung erfolge, statt dass sie auf dem "Wege des Akkommodements nur eine Verminderung der Schuldenlast bewerkstelligen. Wir sind der entgegengesetzten Ansicht und verbleiben bei der Auffassung, die zu dem Bundesratsbeschlusse vom 27. November 1914 geführt hat.

Während des Krieges soll, wenn möglich, die Zwangsliquidation von Bahnen vermieden, und es soll danach getrachtet werden, dass auch in der Folgezeit eine solche nur da stattfinde, wo überhaupt nicht zu helfen ist.

Bis jetzt sind in der Schweiz neunmal Bahnen konkursrechtlich versteigert worden, und es haben sich dabei für Gläubiger und Aktionäre folgende Verluste ergeben : 1. 1867/1875, Ligne d'Italie Fr. 25,450,000 2. 1864, Jura-Industriel ,, 13,425,000 3. 1877, Bern-Luzern-Bahu ,, 14,745,000 4. 1879, Rigi-Scheidegg-Bahn, ohne die Hotels ,, 333,000 5. 1880, Nationalbahn ,, 28,838,000 6. 1894, Brienz-Rothorn-Bahn ,, 1,616,000 7. 1904, Generosobahn, I. Liquidation . . ,, 1,562,000 8. 1908, Bahn Saignelégier-Glovelier . . . ,, 2,735,000 Zusammen Fr. 88,704,000 Der neunte Fall, Generosobahn, II. Liquidation, ist noch nicht erledigt.

Niemand wird bestreiten, dass bei der grossen Mehrzahl dieser Bahnen der tatsächliche Minderwert gegenüber den Erstellungskosten sehr bedeutend geringer war als der Verlustbetrag.

Welche noch weitaus schlimmeren Ergebnisse sich bei der Zwangsversteigerung von Eisenbahnen gegenwärtig herausstellen würden, liegt auf der Hand, und welche misslichen Folgen für den Landeskredit eintreten müssten, brauchen wir nicht weiter zu erörtern.

Wir dürfen uns also der Hoffnung hingeben, dass jene Stimmen verstummen werden.

Dass die Setzung des materiellen Rechtes des Nachlassvertrages für Eisenbahnen Bundessache ist, versteht sich von selbst, und es bleibt nur noch die Frage zu beantworten, ob nicht auch

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für die Bisenbahnen das Nachlass v erfahren des Schuldbetreibungsund Konkursgesetzes als anwendber erklärt und die Handhabung in die Hand der kantonalen Nachlassbehörden gelegt werden sollte. Diese Frage ist zu verneinen. Das Nachlassverfahren für Eisenbahnen steht in innigem Zusammenhang mit dem Eisenbahnpfandrecht, das regelmässig durch den Nachlassvertrag betroffen wird, und wird sich oft mit dem bereits eingeleiteten Liquidationsverfahren kreuzen. So gewiss das Verfahren betreffend das Eisenbahnpfandrecht und die Zwangsliquidation der Eisenbahnen bei den Bundesbehörden steht, so gewiss muss, auch dem Eisenbahnnachlassverfahren der nämliche Weg angewiesen werden.

Und nachdem wir das Verpfändungs- und Liquidationsgesetz auch auf die Schiffahrtsgesellschaften mit Bundeskonzession anwenden, so gewiss müssen wir auch den Nachlassvertrag für diese Verkehrsunternehmungen in Allem dem gleichen Hechte und Verfahren unterstellen, wie es für die Eisenbahnunternehmungen eingeführt wird. Wir geben zu, dass es, falls etwa im Laufe der Zeit ein kleines Schiffahrtsunternehmen mit Bundeskonzession, das sein Schiff oder seine paar Schiffe gar nicht verpfändet hat, ein Zwangsakkommodement anstrebt, als eine Absonderlichkeit erscheinen wird, wenn der Apparat des eidgenössischen Verfahrens in Szene gesetzt werden muss. Allein der Fall wird eine Seltenheit sein, und viel sonderbarer wäre es, wenn hinsichtlich des Verfahrens für das Akkommodement, wie auch für den Konkurs, erst festgestellt werden müsste, ob die Unternehmung eine grössere oder kleinere sei, und wenn hinwiederum hinsichtlich einer kleineren Unternehmung ein ganz anderes Verfahren stattfände, je nachdem ein G-eneralpfandrecht besteht oder nicht.

Im allgemeinen bemüht sich die Vorlage, sich den Bestimmungen des Abschnittes des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes über den Nachlassvertrag anzupassen und nur da selbständig vorzugehen, wo die besonderen Verhältnisse der Eisenbahn- und Schiffahrtsgesellschaften und insbesondere die Eigentümlichkeiten des Generalpfandrechtes, sowie der Umstand, dass dieses bei einem Akkommodement regelmässig in Mitleidenschaft gezogen wird, es erfordern. Da alle Unternehmungen, auf welche die Vorlage II, wie auch die Vorlage I, Anwendung finden soll, Aktiengesellschaften sind, so wolle der Leser überall, wo von Gesellschaften
oder Unternehmungen die Rede ist, Aktiengesellschaften darunter verstehen.

Der Aufbau der Vorlage und die meisten Bestimmungen bedürfen einer weiteren Erläuterung nicht; insbesondere sind

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die Formierung von Gruppen und die Gruppenabstimmung selbstverständlich.

TM Ari. 3. In der Fachkommission ist verlangt worden, es solle das Gesetz vorsehen, dass diejenigen Gläubiger, welche im Nachlassvertrage einen Verzicht leisten, Gelegenheit erhalten, bei künftigem gutem Gange der Gesellschaft den Verlust ganz oder teilweise wieder einzubringen. Der Gedanke ist offenbar richtig. Wir vergegenwärtigen uns jedoch, es werde der Nachlassvertrag regelmässig den Gläubigern nur soviel Opfer zumuten, dass dann die Gesellschaft geradeso, schlecht und recht, fortexistieren kann, und es werde das Recht auf den Nachbezug oft auf dem Papier stehen bleiben, so dass es die Akkommodementsgläubiger vorziehen werden, wenn reiner Tisch gemacht wird.

Deswegen erachten wir es als richtiger, die Nachbezugsbestimmung fakultativ hinzustellen. Dabei nehmen wir immerhin an, dass das Bundesgericht unter Umständen, auf erfolgte Einsprache hin, dem Nachlassvertrage die Bestätigung versagen wird, weil in demselben der Nachbezug nicht vorgesehen ist und deshalb die Bestätigungsbedingung von Art. 20, Ziffer 2, nicht erfüllt sei. Der Umstand, dass für den gemeinen Nachlassvertrag, im Schuldbetreibungsund Konkursgesetze, das Nachbezugsrecht nicht erwähnt ist, darf uns nicht daran hindern, hier dem richtigen Gedanken gesetzlichen Ausdruck zu geben.

Wo die Forderungen in Aktien verwandelt werden, kann nicht von ziffernmässigem Verlust gesprochen werden und hat schon aus diesem Grunde die Nachbezugsklausel keinen Sinn.

Zu Ari. 4, 2. Absatz. Die Stellung des Gesuches ist eine wichtige, ja im gegebenen Falle die wichtigste Gesellschaftsangelegenheit. Deshalb soll das oberste Gesellschaftsorgan, die Generalversammlung, dasselbe genehmigen oder zu demselben die Vollmacht erteilen; ist dieses Erfordernis nicht erfüllt, so wird auf das Gesuch nicht eingetreten. Was wir zu Art. 3, am Schlüsse des ersten Absatzes bemerkt, gilt auch hier.

Zu Art. 10. Der Umstand, dass die Partialen und Coupons der meisten Anleihen auf den Inhaber lauten und die Inhaber grossenteils unbekannt sind, bereitet grosse Schwierigkeiten. Wir halten dafür, dass es ungerecht wäre, wenn diejenigen Guthaben au porteur (Obligationen und fälligen Coupons), welche von den Inhabern nicht angemeldet werden, jedoch deswegen amtlich bekannt sind, weil das Anleihen ins Pfandbuch des Eisenbahndepartements eingetragen ist, in keiner Weise mitzählen würden.

Deswegen bestimmt Absatz 2, dass diese Guthaben von Amtes'

455 wegen in das Schuldenverzeichnis aufzunehmen seien. Haben Emissionen ohne Pfandbestellung stattgefunden, so findet diese Bestimmung keine Anwendung auf sie.

Die Aufnahme ins Schuldenverzeichnis hat zur Folge, dass die aufgenommenen Guthaben bei der Berechnung des in der Abstimmung über den Nachlassvertrag in Betracht fallenden gesamten Forderungsbetrages mitzählen, auch wenn sie nicht angemeldet sind, und dass die Inhaber, wenn sie nicht Ja sagen, bei Berechnung des Quorum der Forderungsbeträge als ablehnend betrachtet werden (Art. 16, Absatz l, 2 und 6).

Die Gesellschaft, welche den Nachlassvertrag anstrebt, wird aus letzterem Grunde ein grosses Interesse besitzen und keine Mühe scheuen dürfen, die Inhaber von solchen Forderungen zu ermitteln.

ZM, Art. 16, 2. Absatz. Sowohl im Ständerat, bei der Beratung über die Motion K u n z , als in der Fachkommission ist die Frage erörtert worden, ob auch die Umwandlung von Guthaben in Aktien den Gegenstand eines Zwangsnachlassvertrages bilden dürfe. Die Fachkommission hat die Frage bejaht, und wir erklären uns einverstanden. Es bildet allerdings einen schweren Eingriff in die bestehenden Rechte, wenn nicht etwa der B e t r a g des Anspruches vermindert, sondern die N a t u r desselben geändert wird und an die Stelle des Guthabens mit bestimmter Verzinsung und jährlicher Rückzahlung ein Wert tritt, der gänzlich vom Gedeihen der Unternehmung abhängt, und auf dessen Erstattung, überhaupt oder in absehbarer Zeit, nicht gerechnet werden kann. Wenn die Obligationen auf den Inhaber lauten,, und dieser in fremden Landen wohnt, so muss er riskieren, erst bei Vorweisung des Coupons an einer Zahlungsstelle den Untergang der Obligation und deren Ersatz durch eine Aktie zu erfahren, was den Kredit der Wertpapiere eines Landes, wo eine solche Umwandlung ohne Zustimmung des Berechtigten gesetzlich möglich ist, nicht erhöht. Anderseits muss betont werden, dass die Sanierung einer notleidenden wirtschaftlichen Unternehmung in der Weise, dass die bisherigen Obligationen im ganzen oder zu einem Teilbetrage in Prioritätsaktien verwandelt werden, in vielen Fällen durchaus als gegeben erscheint und insbesondere auch im Interesse der Inhaber liegt.

In Anbetracht der Schwere des Eingriffes soll aber eine grössere als die in den anderen Fällen vorgeschriebene Mehrheit gefordert werden, nämlich erstens für die sog. Virilstimmeu der Gruppe 3/4 statt Va -j- l, und zweitens 3/* statt 2/s des gesamten Forderungsbetrages der Gruppe.

456 Zu Art. 28. Es wird im Verlaufe vorkommen, dass sämtliche beteiligten Gruppen zustimmen mit Ausnahme einer einzigen, der Entscheid in dieser ablehnenden Gruppe von wenig Stimmen abhängt, und doch das Akkommodement nach allen Richtungen billig ist und durch dasselbe grosses Unheil abgewendet würde. Wir haben uns gefragt, ob das Gesetz nicht einen solchen Fall vorsehen soll und ob da nicht noch einen Schritt weiter gegangen werden dürfe. Wir sind zur Bejahung der Frage gelangt. Die vom Bund konzessionierten und beaufsichtigten Bahnund Sehiffahrtsunternehmungen interessieren den Staat mehr als irgend eine andere private wirtschaftliche Unternehmung; dem Staate muss es daran liegen, dass der geordnete Betrieb nicht unterbrochen oder auch nur gefährdet werde. Darum soll der Staat auch eingreifen können da, wo der kurzsichtige oder böswillige Eigensinn einzelner weniger Gläubiger die Abwendung einer Katastrophe, durch welche das wirtschaftliche Leben einer Landesgegend sehr nachteilig beeinflusst würde, zu verunmöglichen sich anschickt. Gestützt auf diese Betrachtungen halten wir die Statuierung der Möglichkeit der staatlichen Einmischung für gerechtfertigt und legen in Art. 28 eine Formulierung dieser Interventionsbefugnis vor. Die Befugnis darf nur dann ausgeübt werden, wo ganz offenbar die Geltendmachung des Scheines, auf den der Private pocht, mit Recht, Billigkeit und dem öffentlichen Interesse im Widerspruch steht. Gern hätten wir das jus eminens, das der Institution der Begnadigung im Strafrecht und -Prozesse begrifflich ähnlich ist, der Bundesversammlung zugewiesen. Wir vergegenwärtigen uns jedoch, dass diese unter Umständen wegen der Dringlichkeit zu einer besonderen Session einberufen werden müsste, und schlagen deshalb vor, hier die Ausübung des jus eminens in die Hand der beiden obersten ständigen Bundesbehörden, von Bundesrat und Bundesgericht zusammen, zu legen : Der Bundesrat erklärt, dass das staatliche Interesse offenbar das Zustandekommen des Akkommodements erheischt; das Bundesgericht entscheidet den Fall.

B. Die a u s s e r o r d e n t . l i c h e S t u n d u n g . Der Isler'sche Entwurf brachte, neben den Bestimmungen über den Nachlassvertrag, noch eine zweite Neuerung, die Stundung ohne Akkommodement, und die Fachkommission erteilte einhellig ihre Zustimmung.

Eine Gesellschaft
kann in augenblicklich unüberwindlichen Zahlungsschwierigkeiten stecken, also tatsächlich zahlungsunfähig sein, und doch die begründete Aussicht besitzen, wieder zahlungsfähig zu werden, ohne zu einem Nachlassver.trage Zuflucht nehmen zu

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müssen. Liegt die Ursache für einen solch' misslichen Stand nicht etwa in dem allgemeinen Darniederliegen des wirtschaftlichen Standes des Landes infolge ausserordentlicher Verhältnisse, sei es der Allgemeinheit, wie Krieg, Überschwemmung der Flüsse, sei es der Gesellschaft allein, wie Massenunfall, Zerstörung grosser Strecken oder des grössten Teils des Schiffsparks, sondern nur in der nach und nach eingetretenen misslichen Lage der Unternehmung, so wird diese ihrem Schicksal überlassen und ihr anheimgegeben werden müssen, die Insolvenzerklärung abzugeben oder einen Nachlassvertrag anzustreben. In jenen anderen Fällen hingegen rechtfertigt es sich, dass ausserordentlicherweise die Stundung gewährt werde, ist also die ausserordentliche Stundung angezeigt und begründet. Entscheidende Behörde ist der Bundesrat und nicht das Bundesgericht, indem der Entscheid von Gesichtspunkten ausgeht, die jener eher in der Lage ist festzustellen als dieser.

Das schweizerische gemeine Recht kennt die Stundung nur im Nachlassverfahren (Art. 297 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes). Wenn dieselbe für die Bahn- und Schiffahrtsgesellschaften auch für den Fall vorgesehen wird, dass kein Nachlassvertrag in Frage steht, so rechtfertigt sich diese Ausnahme durch das besondere Interesse, welches die Allgemeinheit daran besitzt, dass diese öffentlichen Transportunternehmungen nicht in Verfall geraten.

ZM Art. 35. Nach dem bisherigen Eisenbahnrecht ist es Sache der Bundesversammlung eine Eisenbahnkonzession abzuändern oder eine Eisenbahngesellschaft . zeitweise von den ihr durch die Konzession auferlegten Verpflichtungen zu befreien, während all' das mit Bezug auf die Schiffahrtsgesellschaften nach dem Postgesetz Sache des Post- und Eisenbahndepartements ist.

Aus den gleichen Gründen, welche uns zu dem Vorschlag geführt haben, in Art. 28 nicht die Bundesversammlung, sondern den Bundesrat als die handelnde Behörde zu bezeichnen, beantragen wir, dass auch mit Bezug auf die Bahngesellschaften der Bundesrat, wenn er die Stundung gewährt, vorübergehend Erleichterung mit Bezug auf die konzessionsmässigen Verpflichtungen xu gewähren befugt sei. Wenn dieses Recht mit Bezug auf die .Schiffahrtsgesellschaften, wo es nach dem Postgesetz dem Postund Eisenbahndepartement zusteht, auf den Bundesrat übertragen -wird, so erklärt
sich diese Änderung dadurch, dass regelmässig über die Frage der Gewährung von Erleichterungen, gleichzeitig -wie über die Frage der Stundung selbst entschieden werden muss.

Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. III.

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Es ist selbstverständlich, dass beim Entscheide über ein auf solche Erleichterungen gerichtetes Gesuch mit grosser Vorsicht und Zurückhaltung verfahren werden muss, und dass der Bundesrat vor dem Entscheide die Behörden der beteiligten Landesgegend begrüsst.

Zum Schlüsse stellen wir den Antrag, Sie möchten die beiden Gesetzesvorlagen annehmen.

Genehmigen Sie die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 8. August 1916.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Decoppet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

Anhang.

Verzeichnis derjenigen Schiffahrtsbetriebe, die eine Bundeskonzession besitzen (Seite 446 der Botschaft).

1. Lac Léman . .

. Compagnie générale de navigation, Lausanne.

2. Lac Léman . . . Société des Mouettes genevoises, Genève.

3. Lac Léman : Entre Evian-les-Bains et Société du Casino-Théâtre Ouchy-Lausanne Municipal d'Evian-les-Bains, (débarc.) .

ayant domicile élu dans Lac Léman: Entre les bureaux de la Compagnie Lausanne» Evian-les-Bains et générale de navigation, Genève (Pâquis)

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4. Lac de Joux . . Société de navigation, . . Sentier.

5j»Lacs de Neuchâtel et Morat .. . . Société de navigation à vapeur, Neuchâtel.

6. Bielersee . . . Bielersee-Dampfschiffgesellschaft, Brlach.

T.Thuner- und Brienzersee . . Berner Alpenbahn-Gesellschaft, Bern.

8. Vierwaldstättersee Dampfschiffgesellschaft, . . Luzern.

9. Zugersee . . . Dampfschiff-Gesellschaft,. . Zug.

10. Ägerisee . . . . Dampfschiffgesellschaft, . . Unterägeri.

11. Hallwilersee . . Dampfschiffgesellschaft, . . Meisterschwanden.

12. Zürichsee . . . ZürcherDampfbootgesellschaft, Zürich-Wollishofen.

13. Greifensee . . . Dampfschiffahrtsgesellschaft, Uster.

14. Rhein (Basel-Rheinfelden) . . . . Köln-Mülheimer Dampfschifffahrts-A,-G. (Filiale Basel), Mülheim a/Rh.

15. Untersee und Rhein. Schweiz. Dampf bootgesellgesellschaft, Schaffhausen.

16. Wallensee . . . Dampfschiffahrtsgesellschaft,. Weesen.

17. St. Moritzersee . . Elektrische Boote St. Moritz, Bavier & Cie., . . . .St. Moritz.

18. Silser-, Silvaplanerund Campferersee . Vorstand der Gemeinde Sils, Sils-Oberengadin.

19. Lago di Lugano . Società Navigazione e Ferrovie, Lugano.

20. Lago di Lugano . Società Battolimi a motore ,,La Vedetta", . . . . Lugano.

21. Lago Maggiore . . Navigazione ,,Motor", Aktiengesellschaft, Magadino.

460 (Entwurf.)

I. Bundesgesetz betreffend

Abänderung und Ergänzung des Bundesgesetzes über die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerischen Eidgenossen·

schaff, vom 24. Juni 1874.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom S.August

1916, beschliesst: I. Die nachstehend bezeichneten Artikel des Gesetzes werden abgeändert wie folgt: Art. 1. (Neuer Wortlaut). Zur Bestellung von Pfandrechten auf die inländischen, dem Betriebe zugehörigen Liegenschaften und Fahrnisgegenstände derjenigen Aktiengesellschaften, welche gestützt auf eine Bundeskonzession eine Eisenbahn oder die Schiffahrt betreiben, ist die Bewilligung des Bundesrates erforderlich.

Art. 3.

nehmens".

Statt ,,der Bahn"1 soll es heissen

,,des Unter-

Art. 5. Die Worte ,,von Eisenbahnen" werden gestrichen.

Art. 6.

,,Besteht".

Statt ,,Haftet auf der Eisenbahn" soll es heissen :

Art. 7. Statt ,,die Bahnunternehmung" soll es heissen ,,die Unternehmung".

461 Art. 9. Der Eingang soll lauten : ,,Das Pfandrecht auf einer Eisenbahn kann ".

Art. 9 a. (Neu). Das Pfandrecht auf einer diesem Gesetze unterstellten Schiffahrtsunternehmung umfasst: , a. sämtliche dem Betriebe zudienlichen Liegenschaften und Gebäude, Schiffswerften, Docks, Hafen-und Landungsanlagen; b. das gesamte Schiffsmaterial einschliesslich der Kähne, die gesamte Ausrüstung der Schiffe und Kähne, das gesamte Material der Docks, Werften, Hafen- und Landungsanlagen, Werkstätten und Bureaux, sowie sämtliche für den Betrieb und Unterhalt bestimmten Vorräte.

Art. 10. (Neuer Wortlaut von Absatz 1). Die Pfandgläubiger dürfen den Betrieb des Unternehmens nicht hemmen ; auch können sie wegen Veränderungen am Grundbesitz und Material keine Einsprachen erheben. Das Pfandrecht ist auf den Bestand beschränkt, wie er zur Zeit der Liquidation vorhanden ist. Die Pfandgläubiger sind jedoch befugt, gegen den Verkauf des Unternehmens oder einzelner Teile desselben, die Veräusserung des Grundbesitzes oder des Betriebsmaterials, ebenso gegen Fusionen mit anderen Unternehmungen Einsprache zu erheben, wenn die Sicherheit ihrer Pfandforderung dadurch gefährdet werden sollte.

Absatz 2 bleibt unverändert.

Art. 11. Lit. a soll lauten: Die verpfändete Bahn mit ihren Anfangs- und Endpunkten und ihrer kilometrischen Länge ·, das verpfändete Schiffahrtsunternehmen nach seinem konzessionsmässigen Umfange.

Art. 12. (Neuer Wortlaut). Jede Aktiengesellschaft, welche gestützt auf eine Bundeskonzession eine Eisenbahn oder die Schifffahrt betreibt, kann nach den folgenden Bestimmungen zur Liquidation gebracht werden.

Art. 17. Statt ,,der Bahngesellschaft" soll es heissen: ,,der Gesellschaft". Die Worte ,,die Bahn versteigert und" werden gestrichen.

.

Art. 18. Statt ,,der Bahngesellschaft" soll es heissen: ,,der Gesellschaft".

Art. 19. Statt ,,eine Eisenbahngesellschaft" soll es heissen ,,eine Gesellschaft, die diesem Gesetze unterstellt ist".

462

Art. 20. In Absatz l : soll es statt ,,der Betrieb, der Bahn" heissen ,,der Betrieb des Unternehmens1', · , .

Art. 23. In Absatz l soll es statt ,,des Konkurses" heissen ,,der Zwangsliquidation".

Art. 25. Absatz 2. Statt ,,der Gesellschaft" soll es heissen ,,der Bahngesellschaft".

Absatz 3. Statt ,,zur Bahn" soll es heissen ,,zum Pfandgegenstand'1.

Absatz 4. . Statt ,,Das Vermögen der von den Eisenbahnangestellten " soll es heissen: ,,Das Vermögen der u von dem Personal des Unternehmens .

Art. 26. Absatz 1. Statt ,,in deren Gebiet die Bahn liegt" soll es heissen: ,,sich die Unternehmung befindet".

Absatz 2. Statt ,,einzelne Linien" soll es heissen : ,,einzelne Bahnlinien".

Art. 29. Statt ,,Angebote auf die Eisenbahn" soll es heissen ,,Angebote auf den Steigerungsgegenstand".

Art. 30. Absatz l und Absatz 2. Statt ,,Steigerungsobjekt" soll es heissen ,,Steigerungsgegenstand".

Art. 32. Dito.

Art. 33. (Neuer Wortlaut). Der Erwerber übernimmt das Unternehmen auf Grundlage der Konzession, welche dem früheren Inhaber gegeben wurde, unter Vorbehalt der Bundesgenehmigung (Art. 10 des Bundesgesetzes über den Bau und Betrieb der Eisenbahnen, vom 23. Dezember 1872; Art. 3 und 112 der Verordnung des Bundesrates betreffend die Schiffahrt konzessionierter Unternehmungen auf schweizerischen Gewässern, vom 19. Dezember 1910).

Art, 38, Ziffer 1. Die Worte ,,der Bahn" werden gestrichen.

Ziffer 4, erster Satz. Statt ,,Eisenbahngesellschaft" soll es heissen ,,Gesellschaft".

Ziffer 6, zweiter Satz. Nach ,,das nicht zur Bahn gehört" soll beigefügt werden ,,oder nicht dem Schiffahrtsbetriebe dient, . . . . " .

463

Art. 42. Statt ,,Eisenbahngesellschaft" soll es heissen : ,,GeSeilschaft". Statt ,,Zeitpunkt der Konkurseröffnung" soll es heissen: ,,Zeitpunkt des Liquidationsbeginns".

Art. 44. Statt ,,Inhaber der Bahn" soll es heissen ,,Inhaber der Unternehmung".

Art. 45. Statt ,,des betreffenden Bahnunternehmens" soll es heissen ,,des betreffenden Unternehmens"., Art.. 47 soll lauten: Über den Eintritt, den Verlauf und den Abschluss der Liquidation der Bahn- oder Schiffahrtsgesellschaft hat das Bundesgericht dem Bundesrate einlässlichen Bericht zu erstatten.

II. Der Bundesrat wird beauftragt, den Beginn der Wirksamkeit, dieses Gesetzes festzustellen..

464

(Entwurf.)

II. Bundesgesetz.

betreffend

den Nachlassvertrag und die ausserordentliche Stundung für die Eisenbahn- und Schiffahrts-Gesellschaften.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 8. August

1916, beschliesst:

I. Der Nachlassvertrag.

Art. 1. Eine Aktiengesellschaft, welche auf Grund einer Bundeskonzession eine Eisenbahn oder die Schiffahrt betreibt, kann, wenn sie tatsächlich zahlungsunfähig geworden ist, die Rechtswohltat des Nachlassvertrages erhalten, und zwar auch dann, wenn die Zwangsliquidation gegen sie nicht verlangt ist. Den Gegenstand des Nachlassvertrages bildet der ganze oder teilweise Verzicht auf Gläubigerrechte, wie die Herabsetzung des Betrages von laufenden oder pfandversicherten Forderungen, die Herabsetzung des Zinsfusses, der Nachlass der Zinsenbeträge, der Verzicht auf das Pfandrecht, die Vorstellung eines ändern Pfandrechtes, die Umwandlung von Forderungen in Aktien oder von Prioritäts- in Stammaktien.

Eine Verpflichtung zu neuen Leistungen darf den Gläubigern nicht auferlegt werden.

Art. 2. Im Nachlassvertrage muss zugesichert ·werden die Bezahlung : 1. der Kosten des Nachlassverfahrens; 2. der Kosten des Betriebes während des Verfahrens, mit Inbegriff von Anleihen, welche der Sachwalter mit Zustimmung des Eisenbahndepartements zur Weiterführung des Betriebes erhebt;

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3. der Gebäudeassekuranzbeträge; 4. der Schulden der Gesellschaft für Gehalte und Arbeitslöhne ; 5. der Guthaben von Bauunternehmern für die der Gesellschaft hinterlegten Kautionen; 6. der Guthaben anderer Transportunternehmungen aus dem direkten Verkehr, inbegriffen die Mietgelder für fremdes Rollmaterial und aus der Mitbenützung von Bahnhöfen und Bahnstrecken, soweit diese Guthaben nach Massgabe von Art. l des Bundesgesetzes betreffend die Sicherstellung der Vergütungen aus dem direkten Verkehr der Eisenbahnen usw., vom 2. Juli 1880, im Liquidationsverfahren Vorzugsrechte geniessen.

Art. 3. In den Nachlassvertrag kann eine Bestimmung aufgenommen werden, nach welcher ein zu bezeichnender Teil des Reinertrages (Art. 17 des Bundesgesetzes betreffend das Rechnungswesen der Eisenbahnen vom 27. März 1896) stets oder während einer zu bezeichnenden Anzahl von Jahren denjenigen Gläubigern zukommt, welche im Nachlassvertrage einen Verzicht geleistet haben. Jeder Gläubiger kann auf das Recht aus der daherigen Bestimmung Verzicht leisten und diesen Verzicht schon im Nachlassvertrage aussprechen. Derjenige Gläubiger, welcher nicht Verzicht geleistet hat, kann zum Schütze seines Rechtes jederzeit auf dem Beschwerdewege an das Bundesgericht gelangen.

Auf Gläubiger, deren Forderungen in Aktien umgewandelt worden sind, findet die Bestimmung dieses Artikels keine Anwendung.

· Art. 4. Die Gesellschaft, die einen gerichtlichen Nachlassvertrag abzuschliessen wünscht, hat das Gesuch unter Beilegung der letzten genehmigten Bilanz und allfälliger weiterer Ausweise über ihre Zahlungsunfähigkeit dem Bundesgerichte einzureichen, das nach Anhörung des Eisenbahndepartements entscheiden wird, ob darauf einzutreten sei.

Für die Gültigkeit des Gesuches ist die Ermächtigung oder die Genehmigung durch die Generalversammlung der Gesellschaft erforderlich.

Art; 5. Wenn das Bundesgericht auf das Gesuch eintritt, so gewährt es der Gesellschaft eine Stundung während des Nachlassverfahrens, und verbindet damit die Auflage, binnen drei Mpnaten den Entwurf des Vertrages einzureichen.

466

Gleichzeitig ernennt das Bundesgericht einen Sachwalter, dessen Befugnisse und Obliegenheiten, wo dieses Gesetz .nicht etwas anderes bestimmt, die gleichen sind, wie diejenigen des Sachwalters gemäss den Bestimmungen des Schuldbetreibungsgesetzes über den Nachlassvertrag.

Der Sachwalter steht unter der Leitung und Aufsicht des Bundesgerichtes. Gegen die Geschäftsführung und die einzelnen Verfügungen des Sachwalters kann beim Bundesgerichte Beschwerde erhoben werden.

Für die bei dem Sachwalter entstehenden Kosten kann er von der Gesellschaft einen Vorschuss verlangen.

Art. 6. Während der Stundung kann gegen die Gesellschaft eine Betreibung weder angehoben noch fortgesetzt, noch'auch ein Liquidationsbegehren gestellt werden, und ist der Lauf derjenigen Verjährungs- oder Verwirkungsfristen, welche durch Betreibung unterbrochen werden können, gehemmt.

Bin allfällig schon eröffnetes Liquidationsverfahren wird während der Stundung eingestellt.

Art. 7. Der Sachwalter hat dafür zu sorgen, dass der bisherige konzessionsmässige Betrieb des Unternehmens nicht unterbrochen wird. Er hat darüber zu wachen, dass die Gesellschaft nur die zur Aufrechterhaltung des Betriebes erforderlichen Zahlungen vornimmt.

Art. 8. Der Entwurf des Nachlassvertrages ist dem Bundesgerichte einzureichen.

Art. 9. Der Sachwalter nimmt, nötigenfalls durch einen oder mehrere Sachverständige, eine Prüfung der eingereichten Bilanz vor; er lässt durch einen oder mehrere Sachverständige die Vermögensstücke der Gesellschaft schätzen. Die Ernennung des oder der Sachverständigen erfolgt durch das Bundesgericht.

Vermögen, das nicht Eigentum der Gesellschaft ist, darunter das eventuell gemäss Bundesgesetz vom 28. Juni 1889 betreffend die Hülfskassen der Eisenbahn- und Dampfschiffgesellschaften ergänzte Vermögen der Kranken-, Unterstützungs- und Pensionskassen, ist vom Vermögen der Gesellschaft auszuscheiden.

Die Schätzung ist insbesondere auch auf den Verkaufswert zu richten, den die Bestände des Unternehmens im Liquidations-

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verfahren bei Überbindung der Konzession an den Käufer haben würden.

Der Sachwalter hat die Schätzung zu prüfen. Er hat zu begutachten, ob die Nachlassvertragsangebote als billig zu erachten seien.

Art. 10., Der Sachwalter fertigt ein Schuldenverzeichnis an.

In dasselbe werden diejenigen Guthaben, die in das Pfandbuch des Eisenbahndepartements eingetragen sind, sowie die Hypothekargläubiger, aufgenommen.

Der Sachwalter fordert durch öffentliche Bekanntmachung ·die Gläubiger auf, ihre Forderungen, soweit sie nicht von Amtes wegen in das Schuldenverzeichnis aufzunehmen sind, .binnen 30 Tagen schriftlich bei ihm einzureichen, mit der An·drohung, dass derjenige Gläubiger, der dieser Aufforderung nicht nachkommt, bei den Verhandlungen über den Nachlassvertrag nicht stimmberechtigt *ö sein wird.

Art. 11. Nach Ablauf der Eingabefrist beruft der Sachwalter durch eine zweite Bekanntmachung jede Gläubigergruppe, der eine Änderung ihrer Rechtsstellung zu ihrem Nachteile zugemutet wird (Art. 14), zu einer besonderen Versammlung behufs Beratung und Entscheidung über den Nachlassvertrag ein, unter Hinweis auf die Stimmrechtsvorschriften und mit dem Beifügen, dass die Akten während zehn Tagen vor der ersten der einzelnen Gruppenversammlungen beim Sachwalter eingesehen werden können.

Die Versammlungen werden auf spätestens drei Monate nach Ablauf der Eingabefrist anberaumt. Sie sollen so angesetzt werden, dass sie möglichst unmittelbar aufeinander folgen.

Art. 12. In der Zwischenzeit holt der Sachwalter die Erklärung der Gesellschaft über die eingegebenen und die von Amtes wegen in das Schuldenverzeichnis aufgenommenen Forderungen ein und entscheidet hierauf, ob und in welchem Betrage die bedingten Forderungen oder solche mit Ungewisser Verfallzeit, sowie die bestrittenen Forderungen mitzuzählen und demgemäss die betreffenden Ansprecher bei den Verhandlungen über den Nachlassvertrag mitzuwirken berechtigt sind. Dem gerichtlichen Entscheid über den Rechtsbestand solcher Forderungen wird dadurch nicht vorgegriffen.

Er setzt die betreffenden Ansprecher und die Gesellschaft von seinem Entscheide schriftlich in Kenntnis.

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Art. 13. An den Verhandlungen über den Nachlassvertrag sind alle diejenigen Gläubiger teilzunehmen berechtigt, denen za ihrem Nachteil eine Änderung ihrer Rechtsstellung zugemutet wird. Die Ansprecher der in Art. 2 aufgezählten Forderungen nehmen demgemäss an den Verhandlungen nicht teil.

Bestehen Prioritätsaktien und wird den Prioritätsaktionären eine solche Änderung (Absatz 1) zugemutet, so werden diese ebenfalls als Gläubiger im Sinne dieses Gesetzes angesehen und behandelt.

Art. 14. Diejenigen Gläubiger, die sich gegenüber der Gesellschaft in der nämlichen rechtlichen Stellung befinden, bilden unter sich je eine Gruppe, so : die Inhaber von Partialen einer und derselben im Pfandbuche des Eisenbahndepartements eingetragenen Anleihe, die laufenden Gläubiger, die Gläubiger der Nebengeschäfte. Jeder Pfandgläubiger des allgemeinen Zivilrechts (Hypothekar- und Faustpfandgläubiger) bildet für sich eine besondere Gruppe.

Art. 15. In den Versammlungen der Gläubigergruppen leitet der Sachwalter die Verhandlungen, erstattet Bericht über die Vermögenslage der Gesellschaft und ergänzt, soweit erforderlich, das von ihm, gemäss Art. 9, über den Nachlassvertrag schon erstattete Gutachten.

Die Gesellschaft soll ebenfalls vertreten sein und auf Verlangen Aufschluss erteilen.

Art. 16. Eine Gruppe wird als zustimmend betrachtet, wenn die Mehrheit der ihr Stimmrecht ausübenden Gläubiger dieser Gruppe dem die letztere treffenden Teil des Nachlassvertrages zustimmt und die Zustimmenden mindestens zwei Dritteile des gesamten Forderungsbetrages der Gruppe vertreten.

Für die Umwandlung von Obligationen in Aktien ist jedoch die Zustimmung von je mindestens drei Vierteilen der Stimmen und je mindestens drei Vierteilen der Forderungen in der Gruppe oder den Gruppen der Inhaber dieser Obligationen erforderlich.

Nimmt ein einzelner Gläubiger die Stellung einer Gruppe ein, so entscheidet er allein.

Die Gläubiger, welche zustimmen, haben dies unterschriftlich zu bestätigen.

Zustimmungserklärungen können auch binnen zwanzig Tagen nach der Versammlung .der Gruppe abgegeben werden. Die der-

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art zustimmenden Gläubiger werden sowohl bezüglich der Stimmen als der Forderungen hinzugerechnet.

Wer eine Erklärung weder an der Gruppenversammlung noch binnen der Nachfrist abgibt, wird bei den Stimmen nicht mitgezählt, bei den Forderungen als ablehnend betrachtet.

Der Nachlassvertrag gilt 'als von der Gläubigerschaft angenommen, wenn ihm jede beteiligte Gruppe zugestimmt hat.

Art. 17. Der Art. 303 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs findet Anwendung.

Art. 18. Nach Ablauf von dreissig Tagen seit der letzten Oruppenversammlung unterbreitet der Sachwalter die Akten mit seinem Gutachten darüber, ob der Nachlassvertrag angenommen und zu bestätigen sei, dem Bundesgericht.

Der Rechtstag, an dem das Bundesgericht über die Annahme und Bestätigung des Vertrages entscheidet, wird rechtzeitig öffentlich bekannt gegeben, mit der Anzeige an die Gläubiger, dass sie Einwendungen gegen den Vertrag binnen zehn Tagen von der Bekanntmachung an beim Bundesgerichte schriftlich, in doppelter Ausfertigung, geltend machen können.

Das Bundesgericht holt über diese Einwendungen vor dem Rechtslage noch die Vernehmlassung des Sachwalters ein.

Art. 19. Die Nachlassverhandlungen sind binnen sechs Monaten seit der Einreichung des Entwurfes des Nachlassvertrages :zu Ende zu führen.

Sollte dies nicht möglich sein, so gewährt das Bundesgericht nach Anhörung des Sachwalters eine neue Frist von höchstens sechs Monaten.

Wird der Nachlassvertrag nicht innert der Frist angenommen, so sind, sofern nicht Art. 28 zur Anwendung gelangt, die JSTachlassverhandlungen als gescheitert zu betrachten.

Art. 20. Der angenommene Nachlassvertrag wird vom Bundesgerichte bestätigt, wenn : 1. für die zugesicherten Leistungen genügende Sicherheit bestellt ist. Von der Bestellung von Sicherheit kann die Gesellschaft entbunden werden, wenn sich dies nach der Natur der zugesicherten Leistung rechtfertigt, oder wenn und soweit die -einzelnen Gläubiger ausdrücklich darauf verzichten ;

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2. das Bundesgericht die Bestimmungen des Nachlassvertrages; als den Interessen der Gläubiger angemessen und als ein billiges Verhältnis zwischen den Gläubigergruppen wahrend erachtet; 3. die Gesellschaft sich keine unredlichen oder grobfahrlässigen Handlungen oder Unterlassungen zum Nachteil der Gläubiger hat zu Schulden kommen lassen.

Art. 21. Wenn das Bundesgericht den Nachlassvertrag als angenommen erklärt und bestätigt, so setzt es gleichzeitig denjenigen, deren Forderungen bestritten sind, eine zerstörliche Frist zur gerichtlichen Geltendmachung derselben gegen die Gesellschaft an und bestimmt auch, ob und wie weit für das auf sie fallende Betreffnis von der Gesellschaft Sicherheit zu leisten sei;, es setzt die Folgen der Nichtleistung dieser Sicherheit fest.

Art. 22. Der Sachwalter macht den bestätigenden Entscheid des Bundesgerichtes über den Nachlassvertrag öffentlich bekannt.

Jedem Ansprecher einer bestrittenen Forderung gibt er mit eingeschriebenem Brief von der Klagefrist Kenntnis.

Art. 23. Der bestätigte Nachlassvertrag ist für sämtliche vom Nachlassverfahren nicht ausgenommenen Gläubiger der Gesellschaft, und zwar auch für diejenigen, die ihre Forderungen nicht angemeldet hatten, rechtsverbindlich.

Art. 24. Jedes Versprechen, durch das die Gesellschaft einem Gläubiger mehr zusichert, als ihm nach dem Nachlassvertrage gebührt, ist ungültig.

Art. 25. Gerät die Gesellschaft mit der Erfüllung der ihr durch den Nachlassvertrag auferlegten Leistungen in Verzug, so kann jeder dadurch betroffene Gläubiger beim Bundesgerichte die Aufhebung des Nachlassvertrages mit Bezug auf seine Forderung verlangen.

Ebenso kann jeder Gläubiger beim Bundesgericht den Widerruf des Nachlassvertrages fordern, wenn er nachweist, dass der Vertrag auf unredliche Weise zustande gekommen ist.

Art. 26. Wird ein Nachlassvertrag, weil er auf unredliche Weise zustande gekommen ist, vom Gerichte widerrufen, so ist der Widerruf zu veröffentlichen.

Art. 27. Wird auf das Gesuch einer Gesellschaft (Art. 4> eingetreten, über welche bereits die Liquidation eröffnet ist, so wird das Nachlassverfahren nur, soweit es nach dem vorangegangenen

471 Liquidationsverfahren noch erforderlich ist, vorgenommen und durchgeführt.

Der Massaverwalter tritt an die Stelle des Sachwalters.

Kommt der Nachlassvertrag nicht zustande oder wird er aufgehoben oder widerrufen (Art. 25), so verfügt das Bundesgericht die Fortsetzung des Liquidationsverfahrens.

Bestätigt das Bundesgericht den Nachlass vertrag, .so wird die Liquidation aufgehoben und der Gesellschaft die Masse nach Massgabe des Nachlassvertrages wieder zur freien Verfügung gestellt.

Art. 28. Haben nicht alle Gläubigergruppen zugestimmt, sind aber im übrigen die Voraussetzungen der Bestätigung des Nachlassvertrages vorhanden (Art. 20), so gibt das Bundesgericht dem Bundesrate hiervon Kenntnis. Findet der Bundesrat, dass das Zustandekommen des Nachlassvertrages offenbar im Interesse der Gläubigerschaft und im öffentlichen Interesse liege,- so teilt er diesen Befund dem Bundesgerichte mit, welches alsdann nach Art. 18, Absatz 2 und 3, verfährt und den Nachlassvertrag trotz der mangelnden Zustimmung sämtlicher Gläubigergruppen bestätigen kann.

Art. 29. Der Kapitalbetrag der infolge des Nachlassvertrages dahingefallenen Schulden wird im Falle eines konzessionsmässigen Rückkaufes vom Baukonto in Abzug gebracht.

Art. 30. Das Bundesgericht ist befugt, die ihm nach Massgabe dieses Gesetzes zustehenden Kompetenzen einer seiner Kammern zu übertragen.

II. Die ausserordeutlich e Stundung.

Art. 31. In Kriegszeiten oder ähnlichen ausserordentlichen Verhältnissen kann eine Gesellschaft (Art. 1), die tatsächlich zahlungsunfähig geworden ist, um die Erteilung einer Stundung für die Bezahlung ihrer Schulden oder einzelner bestimmter Schuldbeträge nachsuchen.

Das Gesuch um eine solche Stundung ist unter Beilage der letzten genehmigten Bilanz und allfällig weiterer Ausweise über die Zahlungsunfähigkeit dem Bundesrate einzureichen, der über das Gesuch entscheidet und die Dauer der Stundung feststellt.

Die erstmals festgesetzte Stundungsdauer kann durch den Bundesrat ausnahmsweise verlängert werden.

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Er kann die gewährte Stundung jederzeit wieder aufheben.

Der Beschluss des Bundesrates über Bewilligung, Verlängerung oder Aufhebung einer Stundung ist im Schweizerischen Handelsamtsblatt zu veröffentlichen.

Art. 32. Im Falle der Bewilligung einer Stundung ernennt der Bundesrat einen Sachwalter. Derselbe steht unter der Leitung und Aufsicht des Eisenbahndepartementes, an welches Beschwerden gegen die Amtsführung und einzelnen Verfügungen des Sachwalters zu richten sind.

Der Sachwalter hat. vorbehaltlich der Bestimmung von Art. 35, insbesondere darüber zu wachen^ dass der Betrieb des Unternehmens nicht unterbrochen wird, und dass die Gesellschaft nur diejenigen Zahlungen vornimmt, zu denen er die Ermächtigung erteilt hat.

Art. 33. Art. 6 findet auch mit Bezug auf die ausserordentliche Stundung Anwendung.

Art. 34. Die gestundeten Kapitalzinse und Kapitalbeträge sind zu 5 °/o verzinslich.

Über die Fälligkeit dieser Zinse entscheidet im Streitfalle der Bundesrat.

Art. 35. Der Bundesrat kann der Gesellschaft während der Stundung Erleichterungen mit Bezug auf die konzessionsmässigen Verpflichtungen bewilligen, wie insbesondere eine Verminderung der Zahl der Züge oder Kurse und, falls die Konzession nur einen Saisonbetrieb vorsieht, eine Verkürzung der Betriebszeit ; er kann, sofern keine wesentlichen Interessen gefährdet werden, die gänzliche Einstellung des Betriebes bewilligen.

III. Schlussbestimmung.

Art. 36. Der Bundesrat wird beauftragt, den Beginn der Wirksamkeit dieses Gesetzes festzusetzen.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Entwürfe : a. zu einem Bundesgesetz betreffend Abänderung und Ergänzung des Bundesgesetzes betreffend die Verpfändung und Zwangsliquidation der Eisenbahnen auf dem Gebiete der schweizerische...

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