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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Erwerbung der Besitzung Nr. 7 an der Helvetiastraße in Bern.

(Vom 2. Juni 1903.)

Tit.

Schon seit längerer Zeit beschweren sich die in einem Privathause am Kanonenweg Nr. 14 in Bern untergebrachten internationalen Bureaux für gewerbliches, literarisches und künstlerisches Eigentum über ungenügende Räumlichkeiten. Die Mehrzahl der Zimmer sind, weil ursprünglich zu einer Privatwohnung bestimmt, zu klein, um den Dienstzwecken zu entsprechen. Für ihre umfangreichen Archive, Zeitungen, Sammlungen u. s. w.

verfügen die Bureaux nur über ein Zimmer, eine Kammer und eine Dachkammer. Die Bibliothek mußte im Bureau des SekretärAdjunkts untergebracht werden, so daß diejenigen, welche sie benützen wollen, gezwungen sind, im Zimmer dieses Beamten zu verweilen, was für die gegenseitige Arbeit nichts weniger als forderlich ist. Alle diese Unzukömmlichkeiten machen sich noch in vermehrtem Maße geltend dadurch, daß mit Inbegriff der Dachkammern die Lokalitäten sich über 3 Stockwerke verteilen, die untereinander nur durch die gemeinsame Haustreppe verbunden sind. Es wäre nicht möglich, einen weitern Beamten oder Angestellten in diese Räumlichkeiten zu plazieren, und doch stehen die genannten Bureaux vor einer baldigen, nicht uner-

207 heblichen Entwicklung nach verschiedenen Richtungen hin, da der Beitritt einiger größerer Staaten zum internationalen Verband, sowie eine Erweiterung des Geschäftskreises in der nächsten Zeit zu erwarten sind.

Die Direktion der Bureaux hatte sich deshalb schon seit mehreren Monaten nach geeigneteren und genügenden Dienstlokalitäten umgesehen, ohne jedoch etwas finden zu können, das in allen Beziehungen ihren Anforderungen und Absichten entsprochen hätte. Genügende Räumlichkeiten wären schließlich schon erhältlich gewesen, aber dann schreckte man vor dem allzu hohen Mietzinse zurück.

Da bot sich zu Anfang dieses Jahres eine Gelegenheit, eine passende Liegenschaft zu erwerben. Aus einem Konkurse kamen in Bern eine Anzahl Häuser im Laufe des Monats Februar 1903 zu einer zweiten öffentlichen Versteigerung, worunter das Haus Nr. 7 an der Helvetiastraße auf dem Kirchenfeld, das zu der Unterbringung der genannten internationalen Bureaux geeignet schien. Die letztern gelangten deshalb an den Bundesrat, um die Ermächtigung zur Erwerbung dieser Liegenschaft zu einem annehmbaren Preise zu erlangen.

Diesem Begehren stellten sich aber verschiedene Schwierigkeiten formeller Natur entgegen. Da war zuerst die Frage der juristischen Persönlichkeit. Um eine Liegenschaft rechtsgültig zu erwerben, ist es bekanntlich notwendig, daß der Käufer die Eigenschaft der juristischen Persönlichkeit, sei es infolge einer staatsrechtlichen Bestimmung oder gestützt auf die Eintragung im Handelsregister besitze. Das letztere hat für die internationalen Bureaux für gewerbliches, literarisches und künstlerisches Eigentum nicht stattgefunden, und es ist zweifelhaft, ob die Einschreibung ins Handelsregister statthaft wäre, da diese Ämter nicht wohl als ein Verein oder eine Gesellschaft im Sinne des schweizerischen Obligationenrechts betrachtet werden können. Aber auch die Frage, ob sie die juristische Persönlichkeit als staatsrechtliches Gebilde besitzen, ist eine bestrittene.

Ein anderes Hindernis bot die Aufbringung des Kaufpreises.

Die internationalen Bureaux besaßen eine Reserve von zirka 160,000 Franken, welche aus kapitalisierten Einnahmeüberschiissen früherer Jahre gebildet worden war. Hiervon wurden im Jahre 1901 Fr. 50,000 ausgeschieden zur Bildung eines Unterstützungsfonds zu gunsten der Beamten. Wenn nun auch unseres Erachtens mit Rücksicht auf den Ursprung dieser Reserve und

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mangels einer bestehenden staatsvertraglichen oder reglementarischen Bestimmung die Verwendung des restanzlichen Betrages von Fr. 110,000 zur Erwerbung einer Liegenschaft für die Bureaux nicht hätte beanstandet werden können, so lagen indessen die Verhältnisse anders mit bezug auf den Unterstützungsfonds.

Dieser konnte seiner Zweckbestimmung nicht entfremdet werden.

Allerdings hätte man einen hypothekarischen Titel zu gunsten des Fonds errichten und so formell die Rechte desselben wahren können, aber es hätte dennoch dem Zwecke dieser Institution nicht entsprochen, wenn die Gelder, statt wie jetzt in liquiden Staatspapieren angelegt zu sein, in die Liegenschaft gesteckt und so immobilisiert worden wären.

Mit Rücksicht auf diese Verhältnisse fand der Bundesrat, es sei viel zweckmäßiger, die erwähnte Besitzung für Rechnung des Bundes zu erwerben, falls sie zu einem angemessenen Preise ersteigert werden könnte, und nachher den genannten Bureaux die von ihnen benötigten Räumlichkeiten darin zu einem annehmbaren Mietzinse zur Verfügung zu stellen.

An der am 12. Februar stattgefundenen Steigerung gelang es nun, die Besitzung zum Preise von Fr. 140,200 zu erwerben.

Nach Maßgabe der Steigerungsgedinge hat der Erwerber außer dem Kaufpreis noch die rückständigen Staats- und Gemeindesteuern, die Handänderungs- und Stipulationsgebühren, sowie den auf das Gebäude fallenden Anteil an den Kosten der ersten und zweiten Konkurssteigerung und an den amtlichen Schatzungskosten zu bezahlen.

Das vor zirka 5 Jahren erstellte, nach Osten. Süden und Westen freistehende und im Norden an die Besitzung Nr. 5 der Helvetiastraße stoßende Gebäude ist im ganzen solid aus Stein erstellt und fast durchweg gut erhalten. Der Keller ist mit Eisengebälk, zwischen welchem eine Auswölbung besteht, feuersicher eingedeckt, die Treppen sind aus Granit. Dagegen sind die Schreiner- und Fensterarbeiten (mit Ausnahme der Fußböden) stellenweise reparaturbedürftig; auch wird die Lage der Waschküche im Kellergeschoß als unzweckmäßig bezeichnet und die Erstellung eines besondern kleinen Waschraumes im Hofe befürwortet. Das Haus umfaßt 3 Magazine nebst Dependenzen im Erdgeschoß und Entresol, 3 Stockwerke mit je 7 Zimmern, l Küche und i Badzimmer, und ferner Dependenzen im Dachfach.

Der Hausplatz nebst Hofraum und Umschwung hält 6,oe Aren.

Die Lage des Gebäudes in der Nähe der Kirchenfeldbrücke und

209 des historischen Museums kann als eine vorteilhafte betrachtet werden, wenn auch die Hauptfront gegen Westen gekehrt ist.

Zu erwähnen ist, daß der öffentliche Charakter des westlich gegenüber liegenden Gebäudes (historisches Museum) und die Tatsache, daß der Kanton Bern das unmittelbar auf der Südseite an letzteres angrenzende Areal gekauft hat, eine unangenehme Verbauung des gekauften Hauses gegen Westen hin ausschließen.

Die notwendigen Reparaturen, Ergänzungen und bauliehen Veränderungen zu Zwecken der genannten internationalen Bureaux werden veranschlagt auf Fr. 15,000 Rechnet man hierzu die obenerwähnten Nebenkosten mit zirka ,, 4,000 und den eigentlichen Kaufpreis mit ,, 140,200 so wird das Gebäude zu stehen kommen auf zirka Fr. 159,200 oder rund Fr. 159,000.

Es betragen gegenwärtig: die Grundsteuerschatzung . . . Fr. 147,000 d i e Feuerversicherung . . . . ,, 145,000 Die Steigerungsschatzung belief sich auf . ,, 155,000 Die zukünftige R e n d i t e kann folgendermaßen berechnet ·werden : Erdgeschoß: 2 Magazine vermietet um Fr. 1,627 I. und II. Stock: Zukünftiger Mietzins zu bezahlen durch die internationalen Bureaux des geistigen Eigentums, zirka .

,, 4,200 III. Stock: Gegenwärtiger Mietzins ,, 1,550 Ein drittes, gegenwärtig unvermietetes Magazin im Erdgeschoß, zirka ,, 823 Fr. 8,200 Hiervon sind, da das Gebäude nicht zu Bundeszwecken dient, in Abzug zu bringen die Staatsund Gemeindesteuern und ferner die Prämie für die Feuerversicherung, zusammen zirka . . . .

,,

900

Verbleiben Fr. 7,300 .gleich einer Rendite von etwa 4,e °/o des obigen Gesamtaufwandes von Fr. 159,000, was eine angemessene Verzinsung dieses Kapitals und eine genügende Amortisation ermöglichen wird.

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Die Erwerbung dieser Besitzung bietet also nicht nur den Vorteil, daß unter Vermeidung der vorerwähnten Schwierigkeiten den internationalen Bureaux genügende Räumlichkeiten sowohl für die Gegenwart als auch für eine absehbare Zukunft überlassen werden können, sondern sie stellt sich ebenfalls als eine gute Kapitalanlage dar. Die Ratifikation durch die Bundesversammlung vorzubehalten, war nicht möglich, da es sich nicht um einen freihändigen Kauf, sondern um eine zweite Konkurssteigerung handelte und, nach den aufgestellten Gedingen, die Besitzung beim dritten Rufe dem Höchstbietenden endgültig zugeschlagen werden mußte (Art. 258 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs).

Die ganze Besitzung ist gegenwärtig, mit Ausnahme eines Magazins im Erdgeschoß, vorteilhaft vermietet. Die Mietverträge betreffend die Wohnungen im I. und II. Stock sind auf den 1. Mai 1904 gekündigt worden.

Durch die Steigerungsgedinge sind dem Käufer folgende Aufhaftungen zu den titelgemäßen Rechten, namentlich auch mit Bezug auf die Verzinsung und Abzahlung, ttberbunden worden : a. im ersten Rang, zu gunsten der Moserstiftung der Irrenanstalt Waldau bei Bern, laut Pfandobligation vom 15. Februar 1897 für ein restanzliches Kapital von Fr. 95,000 nebst Zinsen à 4 °/o, rückzahlbar nach einer Kündigung von 6 Monaten ; &. im zweiten Rang, zu gunsten des Herrn Jakob Vontobel, Verwalter der Leihkasse Enge in Zürich laut Kaufbeile vom ll. t Mai 1901 für eine Kaufrestanz von Fr. 35,000 mit Zins'à 5 °/o, vom 1. Mai 1904 hinweg auf 3 Monate kündbar.

Das erstere Kapital ist sofort gekündigt worden und wird am 20. August nächsthin samt den ausstehenden Zinsen zurückbezahlt werden.

Die Rückzahlung der zweiten Pfandforderung, die mittlerweile an ' die Spar- und Leihkasse -in Bern abgetreten worden war, hat bereits anticipando unter Vergütung eines Aufgeldes stattgefunden.

Die weiter oben erwähnten Umbauarbeiten sollen erst nächstes Jahr vorgenommen werden, und es wird hierfür im Budget pro 1904 ein Kredit nachgesucht werden.

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Für das laufende Jahr bedürfen wir folgender Kredite: 1. Kaufsumme, um welche die Besitzung an der Steigerung zugeschlagen wurde Fr. 140,200 2. Stipulations- und Handänderungsgebühren, rückständige und laufende Steuern, Versicherungsprämien etc ,, 4,000 3. Zinsen seit dem 1. Februar 1903 bis zum Zeitpunkt der Rückzahlung, zirka ,, 5,500 Fr. 149,700 wobei aber zu bemerken ist, daß der Ausgabe für Zinsen eine ungefähr gleich hohe Einnahme aus den Mietzinsen gegenüberstehen wird, da Nutzen und Schaden für den Bund mit dem 1. Februar abhin begonnen haben.

Gestützt auf die vorstehenden Ausführungen empfehlen wir Ihnen die Annahme des beiliegenden Entwurfes eines Bundesbeschlusses, wonach die Erwerbung der Besitzung Nr. 7 an der Helvetiastraße in Bern gutgeheißen und uns hierfür ein Kredit von Fr. 149,700 bewilligt wird.

B e r n , den 2. Juni 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundestoeschluß betreffend

die Erwerbung der Besitzung Nr. 7 an der Helvetiastrasse in Bern.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 2. Juni 1903, beschließt: 1. Der am 12. Februar 1903 stattgefundene Ankauf der Besitzung Nr. 7 an der Helvetiastraße auf dem Kirchenfeld in Bern wird genehmigt und es wird dem Bundesrat zur Bezahlung des Kaufpreises ein Kredit im Betrage von .Fr. 149,700 bewilligt.

2. Dieser Beschluß tritt, weil nicht allgemein verbindlich, sofort in Kraft.

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Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend die Erwerbung der Besitzung Nr. 7 an der Helvetiastraße in Bern. (Vom 2. Juni 1903.)

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03.06.1903

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