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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei bestraften Léon Maître, Landwirt in Epauvillers (Kt. Bern).

(Vom 27. Januar 1903.)

Tit.

L é o n M a î t r e wurde am 29. Juni 1902, vormittags zirka 7 Uhr, mit einer Flinte bewaffnet, von einem Fischereiaufseher am Ufer des Doubs zwischen Tariche und Chétévat angetroffen.

Der Fischereiaufseher nahm an, Maître habe sich der Waffe bedient, um Fische zu schießen und verzeigte ihn dem Regierungsstatthalter wegen Zuwiderhandelns gegen das Fischereigesetz. Er behauptet, Maître habe die begangene Übertretung sofort zugestanden und erst nachträglich sich geweigert, dies durch Unterschrift des Rapportes zu bestätigen.

In einer Eingabe an den Sekretär des Statthai ter amtes von Freibergen behauptete Maître, er habe nichts Unrechtes begangen, seine Flinte sei nicht einmal geladen gewesen. Vor dem Polizeirichter dagegen hat er nach Inhalt des von diesem ausgefällten Urteils sich dem Rapport unterzogen, worauf ihm in Anwendung der Art. 5, Ziff. 2, und 31, Ziffer 2, des .Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1888 eine Buße von Fr. 50 auferlegt wurde, mit der Bestimmung, daß er auch die Fr. 3. 50 betragenden Kosten zu bezahlen habe.

Bundesblatt. 55. Jahrg. Bd. I.

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Nunmehr ersucht Maître um gnadenweisen Erlaß von Buße und Kosten. Er bestreitet in seiner diesfälligen Eingabe, sich seiner Flinte zum Fischfrevel bedient zu haben, unter Erneuerung der Behauptung, daß die Waffe nicht geladen gewesen. Im übrigen bringt er vor, er sei wegen Armut nicht im stände, die ihm auferlegte Buße zu bezahlen und Umwandlung derselben in Gefängnis würde dazu führen, daß seine Frau und seine fünf Kinder ihres Ernährers beraubt würden, und für den leichten Fehler ihres Vaters büßen müßten, den dieser bitter bereue.

Bei den Akten liegt ein Zeugnis des Vorstehers der Gemeinde Epauvillers vom 29. September 1902, wonach Maître zahlungsfähig ist für die aus dem Strafurteil erwachsene Kostennote der Staatskasse. Der Regierungsstatthalter des Bezirkes Freibergen dagegen empfiehlt eine Herabsetzung der Buße mit der Begründung, der Petent sei in einer mehr als prekären Lage und habe große Mühe, für die Bedürfnisse seiner Familie zu sorgen.

In einem nachträglichen Berichte ergänzt der Regierungsstatthalter seine Darstellung wie folgt: Maître sei tatsächlich für den Betrag von Buße und Kosten zahlungsfähig, zahle auch seine Schulden, aber erst dann, wenn das Verwertungsbegehren gestellt sei und unter Inanspruchnahme der Rechtswohltat der viertelweisen Zahlung. Die Notwendigkeit, die Buße zu bezahlen, würde ihn als Witwer mit mehreren Kindern in große Bedrängnis bringen.

Es ist sehr schwer, aus den widersprechenden Angaben der Akten ein richtiges Bild über den Tatbestand der Übertretung sowohl als über die ökonomische Situation des Gebüßten zu gewinnen. Das eigene Verhalten des letzteren gegenüber dem verzeigenden Fischereiaufseher und vor Polizeirichter und der oben hervorgehobene Passus in seinem Begnadigungsgesuch führen zu der Überzeugung, daß er keineswegs mit einer ungeladenen Flinte auf einem harmlosen Spaziergang begriffen gewesen sei, als er · angehalten wurde^ und daß die dem Urteil des Richters zu Grunde liegende Annahme, er habe tatsächlich Fischfrevel verübt, begründet war. Jedenfalls ist es nicht Sache der Begnadigungsinstanz, die materielle Richtigkeit der Entscheidung nachzuprüfen.

Die widerspruchsvollen Angaben des Petenten über den Tatbestand der Übertretung geben alle Veranlassung, auch die eigene Schilderung seiner ökonomischen Lage mit großer Vorsicht aufzunehmen. Immerhin darf angenommen werden, daß der Petent

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in dürftigen Verhältnissen sich befindet und das gesetzliche Minimum der Strafe ihn im Verhältnis zu seinem Vergehen hart trifft.

Es rechtfertigt sich daher eine Reduktion der Buße.

Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den Antrag: Es sei die gegen Léon Maître ausgesprochene Buße auf Fr. 20 zu reduzieren und im Falle der Unterhältlichkeit in vier Tage Gefängnis umzuwandeln.

B e r n , den 27. Januar 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringler.

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Bundesratsbeschluss über

die Beschwerde des Leopold Thorner, betreffend die Verweigerung eines Hausierpatentes für den Kanton Bern.

(Vom 27. Januar 1903.)

Der schweizerische Bundesrat hat über die Beschwerde des L e o p o l d T h o r n e r , betreffend die Verweigerung eines Hausierpatentes für den Kanton Bern; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt:

I.

Mit Eingabe vom 17. August 1902 stellte Leopold Thorner aus Höri, Kanton Zürich, beim Regierungsrat des Kantons Bern das Gesuch, es möchte ihm für das kommende Vierteljahr ein neues Hausierpatent für Unterkleider und halbwollene Resten gegen Bezahlung der bisherigen Vierteljahrstaxe von Fr. 45. 50 erteilt werden. Durch die Direktion des Innern des Kantons Bern Bei

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend die Fischerei bestraften Léon Maître, Landwirt in Epauvillers (Kt. Bern). (Vom 27. Januar 1903.)

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28.01.1903

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