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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung,

68. Jahrgang.

Bern, den 31. Mai 1916.

Band III.

Erscheint wöchentlich. Preis 10 Franken im Jahr, 5 Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr Einrückungsgebühr: 15 Rappen die Zeile oder deren Kaum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli Je de. In Bern.

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Initiativbegehren um Abänderung des Art. 35 der Bundesverfassung (Verbot der Errichtung von Spielbanken).

(Vom 27. Mai 1916.)

Mit Beschluss vom 15. April und 15. Juni 1915 haben Sie uns das von 117,494 gültigen Unterschriften unterstützte Volksbegehren um Abänderung des Art. 35 der Bundesverfassung überwiesen und uns eingeladen, über den Gegenstand materiell Bericht zu erstatten.

Das Initiativbegehren hat folgenden Wortlaut: ,,Die beiden ersten Absätze des Artikels 35 der Bundesverfassung werden aufgehoben und durch folgende Bestimmungen ersetzt : ·. · ,,,,Die Errichtung von Spielbanken ist untersagt.

,,,,Als Spielbank ist jede Unternehmung anzusehen, welche Glückspiele betreibt.

,,,,Die jetzt bestehenden Spielbankbetriebe sind binnen fünf Jahren nach Annahme dieser Bestimmung zu schliessen.""

Wir beehren uns, Ihrem Auftrag nachzukommen.

A. Der Zustand vor Erlass des Verfassungsartikels.

Der Spielbankartikel wurde bei der Totalrevision von 1874 in die Bundesverfassung aufgenommen; die Verfassung von 1848 Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. III

l

kannte ihn nicht. Für die Würdigung der Bedeutung des Art. 35 BV ist es von Interesse, einen Blick auf die vor seinem Erlass bestehenden Zustände in der Schweiz zu werfen, aus denen dasBedürfnis nach einer bundesrechtlichen Eindämmung des Spielund Lotteriewesens herausgewachsen ist.

In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestanden in den Kantonen verschiedene Lotterien. Nur zwei von ihnen reichen in die Zeit des Bundesstaates hinein, diejenigen von Uri und Schwyz, die zusammen mit den Spielbanken von Genf und Saxon den hauptsächlichen Anstoss zum Erlass des Art. 35 gegeben haben.

Beide Lotterien waren gegründet worden, um Geldmittel zur Unterstützung der Armen in den genannten Kantonen zu beschaffen.

Sie wurden jedoch an Privatpersonen verpachtet, denen der weitaus grösste Teil des Gewinnes (zirka Fr. 640,000 jährlich) zugefallen zu sein scheint; an den Staat wurde eine jährliche Pachtsumme von bloss Fr. 7--10,000 entrichtet.

In den Jahren 1856 und 1857 wurde in Genf in einem Privathause von einem aus Piémont ausgewiesenen Spielhalter unter der Bezeichnung .,,Cercle des étrangers"1 eine Spielbank nach dem Vorbild der in den Kur- und Badeorten rechts desRheins bestehenden Etablissemente gegründet. Obwohl die Glücksspiele im Kanton Genf schon damals verboten waren, konnte sich die Unternehmung bis zu dem im Jahre 1864 erfolgenden Regierungswechsel halten. Eine Petition von 5200 Bürgern, welche ihre Unterdrückung verlangte, wurde von der Regierung mit der Begründung abgelehnt, dass es sich nicht um ein Spielhaus handle. Der Einfluss des 'Etablissements soll ein sehr ungünstiger gewesen sein, und der Gewinn des Pächters wurde auf täglich Fr. 2250 geschätzt.

Noch grössere Bedeutung in der Entstehungsgeschichte des Art. 35 BV kommt der Spielbank von Saxon im Wallis zu.

Die dortigen Thermalquellen wurden zu Heilzwecken in Bädern nutzbar gemacht, deren Besuch aber unter der ungünstigen Lage des von ausgedehnten Sümpfen umgebenen Ortes litt. Da fasste der Eigentümer des Bodens den Plan, mit den Bädern ein ,,Casino"' oder einen ,,Cercle des étrangersa ebenfalls nach deutschen Muster zu verbinden, der die nötigen Mittel beschaffen sollte, um die Sümpfe trocken zu legen und Saxon zu einem richtigen Badeort auszubauen. Am 20. Januar 1847 erteilten die Gemeindebehörden die Konzession auf die Dauer von 30 Jahren, und die provisorische Regierung des Kantons Wallis bestätigte sie im Januar 1848.

Die Spielbank wurde 1855 eröffnet und erreichte ihren Zweck;

aus den Erträgnissen, die auf etwa ein Drittel derjenigen der Genfer Unternehmung geschätzt wurden, konnte der Ort von den Sümpfen befreit und das Bad sehr schön ausgestattet werden.

Von 1863 an entrichtete die Bank eine jährliche Steuer von . Fr. 20,000. Es scheinen in Saxon vornehmlich die unter den Namen ,,Trente et Quarantea und ,,Roulette" bekannten Spiele betrieben worden zu sein. Der Minimaleinsatz betrug beim erstem Fr. 5, beim letztern Fr. l ; Maxima waren nicht festgesetzt, und die Einsätze sollen oft bedeutend gewesen sein. Den Kantonsbürgern war die Beteiligung am Spiele untersagt.

Wiederholt wurde das Unternehmen angegriffen und seine Unterdrückung verlangt. Schon bei der Eröffnung im Jahre 1855 gelangte ein Bürger von Saxon, Wilhelm, mit einer Petition an den Bundesrat, ihn ersuchend, das Land von dieser ,,Schmach" zu befreien. Der Bundesrat musste sich damit begnügen, der Walliser Regierung von der Petition Kenntnis zu geben mit dem Beifügen, dass er eine solche Konzession bedauern würde, zu einer Verfügung aber nicht kompetent sei1).

Fünfzehn Jahre später suchte ein anderer Bürger von Saxon, Elie Gay, die Aufhebung der Spielbank durchzusetzen. Er wandte sich zunächst an die Walliser Behörden, unter Berufung darauf, dass alle seit 1842 geltenden kantonalen Finanzgesetze das öffentliche Glücksspiel verboten. Allein die Regierung stützte sich ihrerseits auf einen Beschluss des Grossen Rates vom Jahre 1856, worin dieser in authentischer Auslegung des Gesetzes erklärt hatte, die Konzession von Saxon widerspreche dem Finanzgesetz nicht, weil nach den daselbst geltenden Beschränkungen des Zutritts die Spiele nicht als öffentliche betrachtet werden könnten.

Von den kantonalen Behörden demnach abgewiesen, richtete Gay in den Jahren 1870 und 1871 nacheinander zwei Petitionen an die Bundesversammlung. Dieses Vorgehen begründete er damit, dass durch die Verletzung des Gesetzes auch die kantonale Verfassung, welche das Gesetz garantiere, verletzt sei. Der Bundesrat vertrat in seinen Berichten wiederum den Standpunkt, es fehle den Bundesbehörden an der Kompetenz, in der Sache einzuschreiten. Dieser Auffassung schloss sich die Bundesversammlung an und schritt über die Petitionen zur Tagesordnung. Immerhin nahm sie dabei Akt von der Erklärung der Walliser Regierung, die Konzession nach ihrem
Ablauf nicht zu erneuern und keine andere Konzession mehr zu erteilen2).

') Bnndesbl. 1870, III, 936.

2 ) Bundesbl. 1870, III, 934; 1871,I, 5 und 141 ; 1872, I, 285 und 744.

Von 1864 an, seit Aufhebung des Genfer Spielhauses, war dasjenige von Saxon das einzige in der Schweiz bestehende.

Versuche zur Errichtung weiterer Spielbanken scheinen am Widerstand der kantonalen Regierungen gescheitert zu sein. In den meisten Kantonen waren, wie heute noch, die Glücksspiele gesetzlich, verboten; in den Sechzigerjahren waren es nur die Stände Uri, Schwyz und Nidwaiden, die keine solchen Verbote kannten. Doch wurde vielfach über lässige Durchführung der Verbote geklagt, namentlich in bezug auf den Vertrieb von Lotterielosen. Übrigens stellten einzelne Kantone, wie wir es von Uri nnd Schwyz bereits erwähnt haben, die Lotterien geradezu in den Dienst der Gemeinnützigkeit 5 für Kirchenbauten und Wohltätigkeitszwecke wurden zahlreiche Lotterien von den Kantonen selbst veranstaltet oder den Gemeinden und Unternehmungen bewilligt.

B. Die Entstehungsgeschichte von Art. 35 BY.

Die Tatsache, dass die kantonalen Gesetze oder die Art ihrer 0 Anwendung in den Kantonen sich als unzureichend erwiesen, um dem Glücksspielwesen wirksam beizukommen, führte zu dem Bestreben, die Mithülfe des Bundes für diesen Zweck zu gewinnen. Bereits früher einmal, zur Zeit der Helvetik, war ein eidgenössischer Erlass ergangen, auf den hinzuweisen an dieser Stelle einiges Interesse bieten mag; es ist ein Beschluss des helvetischen Vollziehungsrates vom 2. Hornung 1802 (abgedruckt in Hiltys Politischem Jahrbuch, 1903, S. 624), der folgenden Wortlaut hatte : ,,Der Vollziehungsrath in Betrachtung, dass die sogenannten Glücks- oder Hasardspiele von den verderblichsten Folgen auf die Moralität und die häuslichen Umstände derjenigen Bürger sind, welche sich diesen Spielen ergeben, beschliesst: 1. Von der Bekanntmachung dieses Beschlusses an sollen in keinem öffentlichen Hause im Umfange der Republik dergleichen Spiele geduldet werden, bei Strafe für den Wirt, dass ihm das erteilte Patent entzogen und sein Haus geschlossen werde.

2. Alle im Dienst der Republik stehenden Zivil- und Militärpersonen, welche überwiesen werden, an einem Spiel dieser Art in einem öffentlichen Hause teilgenommen zu haben, sollen ohne weiteres ihrer Stellen entsetzt werden.

3. (Vollziehung)."

,

Mit dem Einheitsstaat der Helvetik fiel auch die Wirkung dieses Beschlusses dahin, und die Regelung des Spielwesens war wiederum gänzlich den Kantonen überlassen.

Im neuen Bundesstaat ging der Versuch, den Bund mit der Sache zu befassen, zunächst nicht auf den Erlass bundesrechtlicher Vorschriften, sondern auf die Schaffung eines Konkordats, durch welches sich die Kantone gegenseitig zur Unterdrückung der Lotterien und Glücksspiele verpflichten sollten. Die Anregung dazu gab die aargauische Regierung, welche im Jahre 1863 durch ein Kreisschreiben sämtliche Stände zur Beschickung einer während der Bundesversammlung abzuhaltenden Konferenz einlud und von diesem Vorgehen den Bundesrat in Kenntnis setzte, dem sie zugleich den Entwurf zu einem Konkordat vorlegte. Die Konferenz kam zustande und tagte unter dem Vorsitz des Vorstehers des schweizerischen Justiz- und Polizeidepartements ; es nahmen daran alle Kantone mit Ausnahme von Bern, Uri, Schwyz, St. Gallen und Baselland teil. Zunächst wurde, die Sammlung der über die Materie in den Kantonen bestehenden Gesetzgebung beschlossen und eine Kommission zur Ausarbeitung eines Konkordatsentwurfs eingesetzt. Der Chef des Justiz- und Polizeidepartements arbeitete einen Entwurf aus, der von der Kommission genehmigt und allen Kantonen mitgeteilt wurde. Zugleich erliess die Kommission durch ihren Vorstand an die Regierungen der Kantone, auf deren Gebiet noch ständige Lotterien oder Glücksspiele bestanden, eine freuodeidgenössische Einladung, sie im Interesse der Ehre und Wohlfahrt des gesamten Vaterlandes mit möglichster Beförderung von sich aus aufzuheben '). Im Jahre 1864 wurde eine zweite Konferenz abgehalten, an der alle Kantone mit Ausnahme von Zug vertreten waren. Der Abgeordnete von Wallis gab die Erklärung ab, dass die Regierung bereit sei, die für Saxon erteilte Konzession nach ihrem Ablauf nicht mehr zu erneuern, ebenso wie die Vertreter von Uri und Schwyz hinsichtlich der in diesen Kantonen noch bestehenden Lotterien. Die Konferenz trat auf die Beratung des K.onkordatsentwurfes ein, wies aber verschiedene Artikel an die Kommission zurück und vertagte sich auf den Sommer 18658). Auch die dritte Konferenz gelangte aber zu keinem abschliessenden Ergebnis, und das Konkordat kam nicht zustande. Einigen Einfluss auf diesen Ausgang mag die Tatsache gehabt
haben, dass inzwischen der Versuch unternommen worden war, bei der Revision der Bundesverfassung durch Aufnahme ') Bundesbl. 1863, III, 267; 1864, I, 325.

!

) Bundesbl. 1865, II, 145, 704.

eines neuen Verfassungsartikels den Bund zur Gesetzgebung über den Gegenstand zu ermächtigen. Nachdem dieser Versuch gescheitert war, glaubte der Bundesrat die Bemühungen zur Schaffung eines Konkordates nicht wieder aufnehmen, sondern sich abwartend verhalten zu sollen, zumal da die Erklärungen der beteiligten Kantonsregierungen ohnehin die Beseitigung der beanstandeten Unternehmungen in absehbarer Zeit erhoffen Hessen 1).

Als im Jahre 1865 die partielle Revision der Bundesverfassung in die Wege geleitet wurde, fügte die ständerätliche Kommission den vom Bundesrat unterbreiteten Revisionsvorschlägen noch einen neuen bei; er ging dahin, am Schluss des zweiten Abschnittes der Bundesverfassung folgenden Artikel einzuschalten : ,,Dem Bunde steht das Recht zu, gegen den gewerbsmässigen Betrieb von Lotterien und Hazardspielen auf dem Gebiete der Eidgenossenschaft die erforderlichen Massregeln zu ergreifen. '· Der von Ständerat Blumer verfasste Kommissionsbericht vom 30. September 1865 führt hierüber folgendes aus 2 ): .(1Endlich möchten wir, infolge einer in unserer Kommission gemachten Anregung, die Aufmerksamkeit des h. Ständerates noch auf einen argen Schaden hinlenken, der in unserem Vaterlande besteht und dem nur von Bundeswegen abgeholfen werden kann : wir meinen das in einigen Kautonen noch fortwuchernde Unwesen der Lotterien und Hazardspiele. Es ist über diese Materie ein Konkordat angestrebt worden, das jedoch kaum seinen Zweck erreichen dürfte, weil die Kantone, welche auf ihrem Gebiete das Übel dulden, demselben nicht beitreten würden. Und doch ist nicht bloss dio Wohlfahrt vieler Familien, es ist auch die Ehre der Schweiz dabei beteiligt, dass Lotterien und Spielhöllen, welche im Auslande teils bereits unterdrückt sind, teils binnen kurzem der erwachenden Volksmoral werden weichen müssen, auch auf dem Boden unseres Freistaats nicht mehr bestehen dürfen! Das Bedürfnis einer Zentralisation beruht hier auf dem nämlichen Grunde wie beim literarischen Eigentum : wie das Autorrecht nicht hinlänglich geschützt ist, solange noch in einem einzigen Kanton der Nachdruck sein unsauberes Gewerbe treiben darf, so breiten sich auch die verderblichen Folgen der Lotterien und Hazardspiele, solange sie noch in einem einzigen Kanton geduldet werden, über die ganze Schweiz aus. Doch wir wollen hier nicht weit
ausholen mit unserer Begründung; wissen wir doch zürn voraus, dass wir die öffentliche Meinung auf unserer Seite haben, ')· Bundesbl. 1866, I, 423.

2 ) Bundesbl. 1865, III, 658.

wenn wir verlangen, dass der Bund diese Angelegenheit in seine kräftige Hand nehme und gegen einen Unfug einschreite, der zu lange schon der Entrüstung des Schweizer Volkes getrotzt hat!''

Die Räte stimmten dem Vorschlag zu, indem sie dem Artikel folgende Fassung gaben: ,,Dem Bunde steht das Recht zu, gesetzliche Bestimmungen gegen den gewerbsmässigen Betrieb von Lotterie- und Hazardspielen auf dem Gebiete der Eidgenossenschaft zu erlassen.a In dieser Form wurde der Vorschlag als Art. 59 & des Revisionsentwurfs in der Volksabstimmung vom 14. Januar 1866 mit 176,788 gegen 139,062 Stimmen und mit 12»/s gegen 91/* Standesstimmen verworfen. Für Annahme stimmten die Stände Zürich, Obwalden, Glarus, Solothurn, beide Basel, Aargau, Thurgau, Tessin, Neuenburg und Genf. Von Interesse ist insbesondere die Stellungnahme derjenigen Kantone, auf deren Gebiet sich damals noch Spielbanken oder Lotterien befanden. Sie lehnten alle die neue Bestimmung ab, Wallis mit 11,729 gegen 2055, Uri mit 1560 gegen 188 und Schwyz mit 3723 gegen 1116 Stimmen. In Genf, wo kurz vorher die Spielbank aufgehoben worden war, stimmten 3157 Bürger für Annahme, 1013 für Verwerfung 1 ).

Nach diesem Abstimmungsresultat wurden, wie bereits ermähnt, die Konkordatsbestrebungen vom Bundesrat nicht weiter verfolgt. Jedoch verlor er die Angelegenheit nicht aus den Augen.

Im Jahre 1868 richtete er an die Regierungen von Uri und Schwyz wegen der dortigen Lotterien und an diejenige von Wallis wegen des Spielhauses in Saxon Anfragen über die Dauer der erteilten Konzessionen. Es war nämlich während der Konkordatsverhandlungen davon die Rede, dass Uri einen derartigen Vertrag erneuert habe, dessen Dauer nicht bekannt war, und wegen der Konzession von Saxon waltete ein ähnlicher Zweifel.

Die Regierung von Wallis erneuerte die Zusicherung, dass die vom 1. Januar 1847 hinweg auf 30 Jahre erteilte Konzession ·einem bereits im Jahre 1864 gefassten Beschluss gemäss nach ihrem Ablauf nicht erneuert und kein anderes derartiges Unternehmen mehr konzessioniert werden solle2).

In den nächsten Jahren hatten sich die Bundesbehörden mit den Petitionen Gay zu befassen. Und bereits setzte die neue Bewegung für die Gesamtrevision der Bundesverfassung ein, welche die Frage der Glücksspiele wiederum in ihren Bereich.zog. Der ') Bundesbl. 1866, I, 117.

) Bundesbl. 1869, I, 952.

2

Volksverein in Steffisburg (Kanton Bern) postulierte in einer Eingabe vom 9. /13. Oktober 1870 für die Verfassungsrevision die Wiederaufnahme der im Jahre 1866 verworfenen Bestimmung1). Und die zur Behandlung der ersten Petition Gay eingesetzte Kommission des Ständerats stellte in ihrem Bericht vom 14. Dezember 18702) den Antrag, es sei die ständerätliche Kommission für dieRevision der Bundesverfassung einzuladen, bei der Revisionsberatung auch die Frage über Errichtung und Betrieb von Lotterien und Spieletablissementen im Gebiete der Eidgenossenschaft in nähere Würdigung zu ziehen. Dieser Antrag stützte sich, wie dem Bericht zu entnehmen ist, vorab auf die in Aussicht stehende Schliessung der Spielhäuser in verschiedenen deutschen Kurorten und die Befürchtung, diese Unternehmungen möchten sich infolgedessen in der Schweiz festzusetzen suchen. Die Kommission hielt dafür, es sollte dieser Gefahr rechtzeitig und allgemein von Bundeswegen vorgebaut werden.

Die Vorgänge in Deutschland trugen in der Tat wesentlich dazu bei, dass die Frage in der Schweiz nicht aus dem Auge gelassen wurde. Eine Petition vom Jahre 1867 verlangte die möglichst baldige Aufhebung der öffentlichen Spielbanken im Gebiete des Norddeutschen Bundes. Am 1. Juli 1868 wurde ein Bundesgesetz erlassen, welches die Errichtung öffentlicher Spielbanken verbot und die Schliessung der bestehenden spätestens auf 31. Dezember 1872 anordnete. Die bestehenden Pachtverträge und Konzessionen wurden ohne Rücksicht auf ihre Dauer als mit dem Tag der Schliessung ohne Entschädigung aufgehoben erklärt; bis dahin wurde allen Banken das Spiel an Sonn- und Feiertagen verboten3). Von 1872 an erlangte dieses Gesetz' Gültigkeit für das ganze Deutsche Reich, und die Spielhäuser waren damit auch aus Süddeutschland verbannt. Um so grösser wurde die Gefahr, sie möchten sich in die Schweiz flüchten.

Hierauf wies Nationalrat Stätnpfli hin, als er am 27. Februar 1871 in der nationalrätlichen Kommission für die Revision der Bundesverfassung die Aufnahme des folgenden Artikels beantragte : ,,Die Errichtung von Spielhäusern im Gebiete der Eidgenossenschaft ist verboten.

') Bundesbl. 1870, III, 455.

2 ) Bundesbl. 1871, I, 141.

3 ) Vgl. den Wortlaut des Gesetzes bei Laely, Der SpielbankartikeL der Bundesverfassung, 2. Aufl., S. 33, Anni. 3.

Bereits bestehende sind binnen einer durch die Bundesgesetzgebung zu bestimmenden Frist zu schliessen."In den Beratungen der Kommission wurde der Artikel mehrfach umgestaltet und erhielt schliesslich folgende Form : ,,Die Errichtung von Spielbanken ist untersagt.

Die für bereits bestehende erteilten Konzessionen dürfen nach Ablauf der Frist, für welche sie gewährt worden sind, nicht erneuert werden1).Ji In dieser Fassung wurde der Artikel auch von der Kommission des Ständerates ohne Änderung angenommen 8 ).

In der Beratung im Nationalrat3) wurde der Grundsatz des Artikels im allgemeinen gutgeheissen, der zweite Absatz jedoch angefochten, da er sich schon aus dem ersten ergebe und den Anschein erwecke, als ob den bestehenden Spielbanken ihre Konzessionen garantiert werden sollten. Es wurde auch darauf aufmerksam gemacht, dass angeblich im Hinblick auf das kommende verfassungsrechtliche Verbot noch in .letzter Zeit von ausländischen Unternehmern verschiedene Konzessionen erworben worden seien, denen alsdann mit dem vorgeschlagenen Absatz 2 nicht beizukommen wäre, und der Wunsch ausgedrückt, eine Formel zu finden, welche die Aufhebung solcher Konzessionen gestatten würde, ohne dass eine Entschädigungspflicht des Bundes in Betracht käme. Ein Antrag ging schliesslich dahin, dem Bund auch die Kompetenz zu geeigneten Massnahmen gegen die Lotterien zu erteilen. Das Ergebnis der Beratungen war die Beifügung eines dritten und vierten Lemmas mit folgendem Wortlaut: ,,Allfällige seit dem Anfang des Jahres 1871 erteilte Konzessionen werden als ungültig erklärt.

Der Bund kann auch in bezug auf die Lotterien geeignete Massnahmen treffen.a Im Ständerat4) verlangte die Minderheit der Kommission die sofortige Schliessung der Spielbank in Saxon, während die Mehr') Protokoll der nationalrätlichen Revisionskommission von 1870/71, S. 37, 179, 204, 216.

2 ' ) Protokoll der ständerätlichen Revisionskommission von 1871/72, S. 27, 38.

3 ) Protokoll des Nationalrates 1871/72, S. 101, 117, 544; Bulletin der Verhandlungen der Bundesversammlung über die Revision der Bundesverfassung 1871/72, Bd. I, S. 146, Bd. II, S. 385.

4 ) Protokoll des Ständerates vom 22. Januar 1872 ; Bulletin der Verhandlungen über die Revision, Bd. III, S. 97.

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heit dieses Vorgehen als hart und unbillig bekämpfte, auch mit Rücksicht auf die in Saxon niedergelassenen Gewerbetreibenden.

Den Sieg trug ein vermittelnder Antrag davon, der für die Schliessung eine Frist von 5 Jahren festsetzte. Der Nationalrat stimmte bei. Demnach lautete der Art. 31 der Verfassungsvorlage folgcndermassen : ,,Die Errichtung von Spielbanken ist untersagt.

Die zurzeit bestehenden Spielhäuser müssen binnen einer Frist von 5 Jahren, vom Tage der Annahme der gegenwärtigen Verfassung an gerechnet, geschlossen werden.

Allfällige seit dem Anfang des Jahres 1871 erteilte Kon.zessioneu werden als ungültig erklärt.

Der Bund kann auch in Beziehung auf die Lotterien geeignete Massnahmen treffen."1 Nach Verwerfung' der Verfassung in der Volksabstimmung vom 12. Mai 1872 nahm der Bundesrat die Revision sofort wieder auf. In seiner Botschaft vom 4. Juli 18731~) gab er dem Spielbankartikel folgende Fassung: ,,Die Errichtung von Spielbanken ist untersagt. Die zurzeit bestehenden Spielhäuser müssen am 31. Dezember 1876 geschlossen ·werden.

Allfällig seit dem Anfange des Jahres 1871 erteilte oder erneuerte Konzessionen werden als ungültig erklärt.

Der Bund kann auch in Beziehung auf die Lotterien geeignete Massnahmen treffen.c'An Stelle der fünfjährigen Frist für die Schliessung war also eiu bestimmtes Kalenderdatum gesetzt, welches nach der Auffassung des Bundesrates mit dem Ablauf der Konzession von Saxon zusammenfiel. Ferner .wurde im Absatz 2 auch die Möglichkeit einer allfällig seit Anfang 1871 von der Gemeinde Saxon erteilten Konzessionserneuerung ins Auge gefasst.

In der Bundesversammlung bewegte sich die Diskussion einzig noch um die Frage, ob die Schliessung auf 31. Dezember 1876 oder 31. Dezember 1877 anzuordnen sei. Der Ständerat beschloss im letzteren Sinne, und der Nationalrat trat bei2). .So nahm die Bestimmung als Art. 35 ihre gegenwärtige Gestalt in der Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 an.

J

) Bundesbl. 1873, II, 978.

-) Protokoll der eidgenössischen Bäte 1873/74, S. 55, 237, 324.'

11 C. Die Entwicklung seit 1874. Bisherige Auslegung .

des Art. 35 BV.

Die Spielbank von Saxon wurde Ende des Jahres 1877 geschlossen, und damit verschwanden auch die bis dahin immer noch beim Bundesrat zuweilen eingehenden Klagen über den Spielbetrieb. Ein weiteres gleichartiges Institut existierte in der Schweiz nicht, und mit der Unterdrückung desjenigen von Saxon schien der Bundesverfassung Genüge getan.

Seit den Achtzigerjahren jedoch hatte sich der Bundesrat in zahlreichen Fällen mit bei ihm eingereichten oder in der Presse ·erhobenen Klagen über die in den Kursälen, Kasinos oder gewissen Gesellschaften in den Fremdenplätzen der Schweiz betriebenen Glücksspiele zu befassen. Er musste dabei zu der Frage Stellung nehmen, ob und unter welchen Voraussetzungen diese Spiele mit Art. 35 BV im Widerspruch stehen. Wir geben im folgenden eine Darstellung der Ereignisse, soweit sie den Bundesrat oder das Justiz- und Polizeidepartement beschäftigt haben und für die Auslegung des Verfassungsartikels von Bedeutung sind.

1. Im -Juli 1882 ging, gestützt auf einen in der ,,Züricher Post" erschienenen Artikel, die Nachricht durch die Presse, dass im Kasino zu Interlaken angeblich eine ,,Spielhölle" bestehe, in ·der namentlich das in Frankreich bekannte ,,Jeu des petits chevaliers1'1' betrieben werde und Vorbereitungen für ,,Baccarat" und .andere Hasardspiele im Gange seien ; gleichzeitig war von der Absicht der Einrichtung sogenannter ,,Cercles des étrangers"1 oder ,,Salons réservés" zu Spielzwecken in Montreux, Luzern und Genf die Rede. Der Bundesrat lud die Regierung des Kantons Bern ein, eine genaue Untersuchung über die im Kasino zu Interlaken üblichen Spielarten durchzuführen, eventuell die nötigen Massnahmen zur Vollziehung von Art. 35 BV und bezüglicher strafgesetzlicher Vorschriften anzuordnen und dem Bundesrat über das Ergebnis Bericht zu erstatten. Die Berner Regierung antwortete, ·dass während der abgelaufenen Fremdensaison im Kursaal in Interlaken, soweit bekannt, keine verbotenen Hasardspiele betrieben worden seien ; das bekannte Jeu des petits chevaliers habe sie als eine harmlose Spielerei nicht unterdrücken und auch einzelne Spieler an den gewöhnlichen Spieltischen nicht behelligen zu «ollen geglaubt, solange das Spielen um Geld in den öffentlichen Wirtschaften und Privathäusern überall geduldet werde. Immerhin sicherte die Regierung zu, der Angelegenheit auch in Zukunft ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken. Der Bundesrat

12 begnügte sich mit diesen Erklärungen und betrachtete die Sache damit für den Moment als erledigt. In Luzern, Montreux und.

Genf auf Grund blosser Gerüchte über angeblich getroffene Vorbereitungen zur Einrichtung von Glücksspielen einzuschreiten,.

fand er sich nicht veranlasst1).

Es mag beigefügt werden, dass etliche Jahre später die Mitglieder des Verwaltungsrates der Kurhausgesellschaft von Interlaken von den bernischen Gerichten wegen Widerhandlung gegen das kantonale Spielgesetz zu einer Busse von je Fr. 5 verurteilt wurden, weil sie im Kursaal das sogenannte Rösslispiel (jeu des petits chevaux) hatten betreiben lassen ; mit der Busse wurde die Konfiskation der Spielgeräte verbunden 2 ).

2. Der schweizerische Gesandte in London übermittelte im Jahre 1884 dem Bundespräsidenten eine Eingabe des internationalen Vereins für die Aufhebung des Spielhauses in Monte Carlo, dahingehend, der Bundespräsident möge sich, wie es bereits von ändern Regierungen geschehen, ebenfalls x.ugunsten des Vorhabens, des Vereins aussprechen und durch den schweizerischen Gesandten in Paris sich beim Fürsten von Monaco in diesem Sinne verwenden. Der Bundesrat stimmte dem Antrag seines Präsidenten auf Ablehnung des Ersuchens zu, mit dem Hinweis darauf, dass die strikte Ausführung des Art. 35 BV in der Schweiz nicht ohne Schwierigkeit stattfinde.

3. Durch eine anonyme Zuschrift wurde der ßundesrat im November 1884 darauf aufmerksam gemacht, es werden in Genf in mindestens sechs bestimmt bezeichneten ,,Cercles" öffentlich Baccarat und andere Glücksspiele getrieben8). Das Justiz- und Polizeidepartement gab der Genfer Regierung hiervon Kenntnis und erbat sich Aufschlüsse über die genannten Gesellschaften, die ihm auch erteilt wurden. Ihrem Bericht fügte die Regierung von Genf die Bemerkung bei, die Frage erscheine ihr sehr heikel,, ob die beanstandeten Spiele unter Artikel 35 BV fallen, sie glaube sie aber verneinen zu müssen. Hierauf antwortete dasschweizerische Justiz- und Polizeidepartement demjenigen von Genf folgendermassen : ,,II est certain qu'on ne peut comprendre sous la dénomination maisons de jeu, terme employé par la Constitution fédérale, les cercles proprement dits, destinés avant tout à réunir les ') Bundesbl. 1883, II, 907.

BuDdesbl. 1890, II, 201.

) Bundesbl. 1885, II, 721.

2 ) 3

13 personnes de mômes opinions, professions ou quartiers, alors même que les jeux de hasard y auraient pris une place importante.

Mais lorsque sous l'apparence d'un cercle on déguise une maison ouverte en réalité à tous venants et dont le but unique ou principal est de procurer un bénéfice aux entrepreneurs en exploitant la passion du public pour les jeux de hasard, nous pensons qu'il faut y voir une maison prohibée par la Constitution fédérale, quelles que soient les précautions prises pour lui donner l'apparence d'un cercle fermé.a Im Anschluss an diese Ausführungen wurde die Genfer Behörde eingeladen, die in Frage stehenden Gesellschaften der sorgfältigsten Aufsicht zu unterwerfen und eine Umgehung der Bundesverfassung nicht zu dulden.

In ähnlichem Sinne wandte sich das Justizdeparternent auch in den folgenden Jahren noch mehrmals an das Genfer Justizdepartemerit und ersuchte es, dem Spiel im dortigen Kursaal ·oder in den Cercles vermehrte Aufmerksamkeit zu widmen, und wenn nötig gerichtliche Massnahmen zur Abhülfe zu veranlassen.

4. Im Oktober 1884 wurde der Bundesrat brieflich darauf aufmerksam gemacht, dass im Kursaal zu Montreux Baccarat gespielt werde. Er gab hiervon der waadtländischen Regierung Kenntnis und lud sie zur Anordnung einer Untersuchung und ·zur Berichterstattung ein. Da die Behauptung sich als richtig herausstellte, verfügte der Staatsrat des Kantons Waadt die sofortige Entfernung der dem Baccarat dienenden Spielgeräte und drohte mit strengen Massnahmen gegenüber dem Kursaal im Wiederholungsfall1). Der Bundesrat nahm von dieser Verfügung in zustimmendem Sinne Kenntnis und legte einige weitere den Gegenstand betreffende Zuschriften ad acta.

Gegen das nämliche Etablissement wurde im Oktober 1887 in der Presse Klage geführt, weil neben dem Rösslispiel 'ein für die Spielenden gefährliches Kugelspiel, ,,Jeu de baraque" oder ,,Taroka genannt, eingeführt worden sei. Die Waadtländer Regierung liess wiederum auf Veranlassung unseres Justizdepartements eine Untersuchung vornehmen, welche die Entfernung dieses Spiels aus dem Kursaal zur Folge hatte2).

Auch im Jahre 1888 gelangte unser Justizdepartement wieder an das Justiz- und Polizeidepartement des Kantons Waadt auf ») Bundesbl. 1885, II, 720.

') Bundesbl. 1887, IV, 234.

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Grund einer Beschwerde über angeblich betrügerische Machenschaften des Kursaaldirektors in Montreux beim Spiel. Obwohl, sich die Beschwerde im wesentlichen als unbegründet herausstellte, sah sich der Präfekt von Vevey veranlasst, d«n Verwaltungsrat des Kursaals zur Aufstellung eines Reglements über dasRösslispiel einzuladen, das folgende Vorschriften enthalten sollte: . Beschränkung des Einsatzes auf Fr. l, der Serienzahl auf 5 ; Verbot, vor vollständigem Verkauf der ,,Tickets" die Pferdchen in Bewegung zu setzen ; Verbot der Teilnahme des Spielleitersam Spiel ; Verkauf der ,,Tickets" ohne Kenntnis ihrer Nummernzahl an die Spieler.

5. Auf eine durch die Einführung des Rösslispiels in Baden veranlasste Anfrage der Finanzdirektion des Kantons Aargau im Jahre 1887 antwortete das Justizdepartement, dass dieses Spiel, solange es in den bis dahin bekannten Grenzen ausgeübt werde, keinen Grund zur Prüfung der Frage bieten dürfte, inwiefern esmit Art. 35 BV in Einklang stehe.

6. Im September 1887 schrieb unser Justizdepartement an das Polizeidepartement des Kantons Luzern, es sei davon unterrichtet worden, dass im Kurhause von Luzern Spiele betrieben werden, die zu den verbotenen gezählt werden müssen, insbesondere das Baccarat, und ersuchte um Unterdrückung desselben; das Departement fügte bei, angesichts des Wortlautes des Art. 35 BV könne auf den Qmstand nichts ankommen, dass,.

wie es scheine, keine Schweizer zu diesen Spielen zugelassen werden.

Die Untersuchung ergab, dass im Parterre des Kursaals Luzern Baraque- und Rösslispiel bei ziemlicher Beteiligung des Publikums, jedoch im allgemeinen mit geringen Einsätzen, im ersten Stock dagegen Baccarat mit grössern Einsätzen und geringerer Beteiligung gespielt wurden. Das Statthalteramt Luzern ordnete am 9. September 1887 die Einstellung des Baccaratspiels an.

Diese Verfügung wurde infolge der nach wenigen Tagen ohnehin erfolgenden Schliessung desKursaals vorläufig gegenstandslos. Nichtsdestoweniger erhob der Direktor des Kursaals gegen die Verfügung Beschwerde, indem er wesentlich folgendes geltend machte : Art. 35 BV verbiete nur die Errichtung von Spielbanken, wie sie in Saxon, Baden-Baden etc. bestanden hätten ; um eine solche handle es sich aber in Luzern nicht. Das Baccarat sei kein Hasard-, sondern ein Geschicklichkeitsspiel (jeu de réflexion), bei welchem überdies ein Mitglied der spielenden Gesellschaft selbst gegen die ändern spiele, während bei den Spielbanken der In-

l» haber des Etablissements zugleich Bankhalter sei. Spiele der ersten Art verbiete weder die Verfassung noch das Bundesstrafrecht. Sollte das Baccarat untersagt werden,.so würde der Betrieb des Kurhauses Luzern, das auf den Ertrag von Spielen solcher Art angewiesen sei, unmöglich gemacht.

Der Bundesrat hat in seiner Antwort vom 28. Oktober 1887 ' an die Luzerner Regierung und den Beschwerdeführer seinen Standpunkt wie folgt auseinandergesetzt *) : ,,Obwohl Art. 35 BV nicht ausdrücklich von Hasardspielen spricht, sondern nur Spielbanken und Spielhäuser verbietet, und nach allgemeiner Annahme unter einer Spielbank ein Etablissement verstanden wird, in welchem der Unternehmer gegen jede Person spielt, welche daselbst ihr Glück versucht, so glaubt der Bundesrat immerhin nicht, dass jener Art. 35 auf Etablissemente dieser Art zu beschränken sei; er geht vielmehr von der Ansicht aus, es sei jedes öffentliche Etablissement zu schliessen, inwelchem das Spiel in grossem Style betrieben wird, so dass eszu Betrügereien und öffentlichem Ärgernis Anlass gibt und ge eignet erscheint, Hab und Gut unkluger Personen zu gefährden Die Bundesbehörden ziehen daher bei Anwendung des Art. 35BV weniger die Rolle, welche der Unternehmer beim Spiel einnimmt und die Natur des Spiels in Betracht, als vielmehr dieGrosse der Spieleinsätze und die Gefahr der Spielenden, in kurzer Zeit erhebliche Beträge zu verlieren. Es fragt sich deshalb jeweilen vor allem, wie hoch und in welchem Umfange gespielt wird."

Einen speziellen Beschluss fasste der Bundesrat nicht, da der Kursaal Luzern damals geschlossen war; er empfahl jedoch der Regierung, auch fernerhin über die Vorgänge in diesem Etablissemente zu wachen und Spiele zu verbieten, die eine gefährliche Ausdehnung gewinnen könnten.

In der Tat wurde der Spielbetrieb in Luzern im folgenden Jahre (1888) einer polizeilichen Aufsicht unterworfen. Dem Bericht des mit der Beaufsichtigung betrauten Funktionärs ist zu entnehmen, dass das Rössli- und das Baraquespiel von jedermann besucht werden konnte, während zum Baccarat der Zutritt nur Nichtschweizern gestattet war, die sich legitimieren mussten und deren Namen in eine Kontrolle eingetragen wurden. Beim Rösslispiel betrug der Einsatz fast immer Fr. l, beim Baraque gewöhn') Bundesbl. 1888, II, 824.

16 lieh Fr. l--2, während beim Baccarat Sätze von Fr. 5--25 üblich waren.

Auch im Sommer 1888 brachte die Presse wieder Meldungen über verbotene Spiele im Kursaal Luzern. Der Bundesrat wandte sich daher neuerdings an die Luzerner Regierung mit dem Ersuchen, die erforderlichen Massnahmen zu treffen 1 ). Die Regierung antwortete, dass sie sich zu einem Einschreiten nicht veranlasst gesehen habe, indem die polizeiliche Beaufsichtigung nicht genügende Anhaltspunkte dafür zutage gefördert habe, die Spiele im Sinne der Zuschrift des Bundesrates vom 28. Oktober 1887 als verbotene zu betrachten. In dieser Beziehung bemerkte die Regierung speziell folgendes: ,,Wenn nun auch offenbar die im Kursaale üblichen Einsätze diejenigen der gewöhnlichen Gesellschafts- und Vergnügungsspiele übersteigen, so glauben wir -anderseits doch nicht, dass diese Einsätze in Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des grössten Teils des im Kurhause verkehrenden Publikums, das sich fast ausschliesslich aus Fremden, welche sich des Vergnügens halber in Luzern aufhalten, rekrutiert, als ,,erheblich" im Sinne Ihrer Ausführungen vom 28. Oktober 1887 betrachtet werden können." Die Regierung sicherte im übrigen die fernere Überwachung des Spielbetriebes zu.

Zum Geschäftsbericht des Bundesrates über diese Vorgänge bemerkte die Kommission des Ständerates : ,,Wir können nicht umhin, den Bundesrat zu ermuntern, gegen derlei Glücksspiele, wenn sie auch in noch so vornehme Kreise sich einbürgern wollen und angeblich zum Zwecke der Unterhaltung der Fremden veranstaltet werden, rücksichtslos vorzugehen2).a Einige Jahre später aber sah sich der Regierungsrat von Luzern doch zum Einschreiten gegen den Spielbetrieb im Kursaal veranlasst. Im Mai 1892 verbot er der hohen Einsätze wegen das Baraque- und Baccaratspiel. Im Sommer 1893 wurde neben dem Rösslispiel ein neues Glücksspiel eingeführt, das sogenannte ,,Jeu des nations", das beim Publikum grossen Anklang fand. Allein die Schnelligkeit des Spielbetriebs und der Mangel einer Beschränkung der Einsätze bewogen die Polizeidirektion der Stadt Luzern, das Spiel, das sie deswegen als unzulässig betrachtete, zu verbieten. Zwar wurde diese Verfügung auf Beschwerde hin vom Regierungsrat vorläufig sistiert unter der Bedingung, dass wie beim Rösslispiel der einzelne Einsatz auf Fr. 2 !) Bundesbl. 1888, IV, 512; 1889, II, 777.

) Bundesbl. 1889, III, 200.

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17 beschränkt werde; als aber diese Bedingung nicht eingehalten wurde, verbot der Regierungsrat durch Beschluss vom 7. September 1893 nicht nur das Jeu des nations, sondern auch das ßösslispiel, und ordnete die Konfiskation der Spielgerätschaften an. Von diesen Beschlüssen wurde dem Bundesrat Kenntnis gegeben.

7. Von den Verhandlungen mit dem Justizdepartement von Genf wegen des Spielbetriebs in den sogenannten Cercles war bereits die Rede (oben Ziffer 3). Im Dezember 1887 nun teilte jene Behörde unserm Justizdepartement mit, dass verschiedene Inhaber von Cafés in Genf um die Bewilligung eingekommen seien, in ihren Lokalen das Rösslispiel einzuführen, und ersuchte um die Ansichtsäusserung des Justizdepartements darüber, ob die Abweisung dieser Begehren zulässig erscheine, während andererseits der öffentliche Betrieb des nämlichen Spiels im Kursaal geduldet werde. Das Justizdepartement gab der Genfer Behörde vom Schreiben des Bundesrates an die Luzerner Regierung vom 28. Oktober 1887 Kenntnis und knüpfte an die daselbst enthaltene grundsätzliche Meinungsäusserung des Bundesrates folgende Bemerkung : ,,A cette réponse du Conseil fédéral nous croyons pouvoir ajouter ceci, c'est que s'il arrivait que les jeux de hasard, sortant du domaine toujours restreint des ,,Kursaals", venaient à prendre pied dans les cafés, pintes et auberges et à s'y généraliser d'une façon inquiétante pour l'ordre public, le crédit du pays et la paix des familles, le Conseil fédéral serait conduit par ces faits à donner à l'article constitutionnel une application plus rigoureuse."1 Im Winter 1889/1890 wurde der Genfer Kursaal je vier Tage in der Woche geschlossen; für die übrigen drei Tage erteilte der Staatsrat eine beschränkte Betriebsbewilligung für Vorstellungen, Konzerte etc, unter Ausschluss jeglicher Spiele, von denen aber wiederum das Rösslispiel ausgenommen war : ,,pour représentations diverses, concerts, musique etc., à l'exclusion formelle de toute espèce de jeux de hasard (à l'exception de celui des petits che vaux). "· Im Mai 1890 wurde der Vorsteher unseres Justizdepartements von der in Genf neu gegründeten Association pour la suppression des maisons de jeux de hasard schriftlich und durch eine Delegation auf das Bestehen von wenigstens sechs sich unter der Bezeichnung von ,,Cercles11 verbergenden geheimen Spielhäusern in Genf aufmerksam gemacht und um seine Intervention ersucht. Das Departement verlangte vom Staatsrat von Genf Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. in.

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eine Untersuchung und gab zugleich der Hoffnung Ausdruck, dass die Behörde ohne erneute Mahnung der Bundesverfassung Nachachtung verschaffen werde, falls die Klagen sich als begründet herausstellen sollten. Durch Beschluss vom 27. Mai 1890 verfügte hierauf der Staatsrat von Genf auf Grund vorgenommener Untersuchungen die sofortige Schliessung von vier jener Cercles (nämlich der Cercles du Divan, Central, du Sud et du Globe), ,,attendu que les Cercles . . . . sont des réunions qui, sous la dénomination de cercles, tombent sous le coup de l'art. 35 CF et de l'art. 208 du Code pénal, attendu qu'il y a des croupiers attachés aux cercles et que les prélèvements opérés sur le produit des jeux constituent une spéculation sur les jeux de hasard dans le sens de l'art. 208 du Code pénal.tt Ferner richtete der Staatsrat von Genf am 28. Mai 1890 an das Comité du Grand Cercle im Kursaal ein Schreiben, dem wir folgende wesentliche Stellen entnehmen : ,,L'enquête à laquelle nous avons procédé nous a convaincu : qu'en violation de votre règlement qui stipule que les étrangers, les Suisses d'autres cantons non établis à Genève et les Genevois de passage peuvent être introduits dans le Cercle par un membre permanent, un grand nombre de Genevois non en passage, mais bien domiciliés dans le canton ont été à différentes reprises introduits dans le Cercle sans en être membres ; qu'un ou plusieurs croupiers sont attachés au service de votre Cercle dans lequel se joue le jeu de baccarat avec un prélèvement tarifé sur le produit des jeux; que les prélèvements ainsi opérés sont . . . . versés à l'Administration du Kursaal dont ils constituent un des éléments importants de recette ; que votre Cercle ne paye pas de loyer au propriétaire du Kursaal. Le Conseil d'Etat estime que votre Cercle, constitué comme il l'est actuellement, est un de ces établissements vivant exclusivement ou presque exclusivement des sommes prélevées, sur les jeux de hasard lesquels, dans son opinion comme dans celle du Conseil fédéral, sont interdits par l'art. 35 CF.tt Gestützt darauf forderte der Staatsrat den Cercle auf, seine Organisation abzuändern und seine Versammlungen in ein anderes, dem Publikum nicht offen stehendes Lokal zu verlegen, unter Androhung der Schliessung des Cercle im Falle der Nichtbeachtung dieser Weisungen.

Von diesen Massnahmen
gab die Genfer Regierung dem Bundesrat Kenntnis. Zum Geschäftsbericht des letztern pro 1890 bemerkte die ständerätliche Kommission*) : ,,Der Bundesrat war ') Bundesbl. 1891, H, 631, 1076.

19 in der Lage, gegen geschlossene Gesellschaften (cercles) als Spielhöllen nach Massgabe von Art. 35 BV einzuschreiten. Seine diesbezügliche Intervention verdient alle Anerkennung. Aber es gibt auch andere Hasardspiele, wie die T)Rösslispiele"p, die an verschiedenen Orten der Schweiz ganz offen betrieben werden, und wodurch gleichfalls an den Leichtsinn und an die törichte Gewinnsucht der Fremden und der einheimischen Bevölkerung fortwährend appelliert wird. Die Vorwegnahme von Geldern aus dem Spielertrag ab Seite der Spielhalter erfolgt auch hier. Die Bundesverfassung legt kein Kriterium in die Höhe des Einsatzes, und infolge der Raschheit des Spiels kann der Verlust auch hier ein verhältnismassig grosser sein. Das bundesrätliche Aufsehen dürfte darum auch hier als angezeigt und verfassungsgemäss erscheinen.a 8. Nach mehreren Jahren der Ruhe waren es wiederum zunächst die Spielverhältnisse in Genf, welche die Bundesbehörden beschäftigten. Dem Justizdepartement ging im März 1895 ein anonymer Brief zu, der auf das im Kursaal von Genf betriebene Rösslispiel und Baccarat hinwies. Auf Anfrage antwortete das Genfer Justiz- und Polizeidepartement, das Rösslispiel werde im Kursaal, das Baccarat dagegen in einzelnen nach polizeilichem Reglement organisierten Cercles gespielt; ein Grund zu einem Einschreiten der Behörden liege aber nicht vor. Unser Justizdepartement entgegnete, dass dabei immerhin geringe Spieleinsätze vorausgesetzt werden müssen ; seien die Ansätze erheblich, so nehmen beide Spiele den Charakter verbotener Glücksspiele und jene Etablissemente, Kursaal wie Cercle, den Charakter von Spielhäusern an.

Dies wollte die Genfer Behörde nicht gelten lassen, indem sie bestritt, dass der Höhe der Einsätze eine entscheidende Be'deutung beigemessen werden könne. Das Justizdepartement hielt aber an seiner Auffassung fest und ersuchte die Genfer Behörde, ihr Augenmerk auf diesen Umstand zu richten.

9. Im Juni 1896 erhob der Eigentümer des Genfer Kursaals selbst, Durel, beim schweizerischen Justizdepartement Klage gegen den Pächter Götschel, weil dieser dem Rösslispiel im Kursaal einen ganz ändern Charakter gegeben habe, der den guten Ruf des Etablissements gefährden und seine Schliessung zur Folge haben könnte. Früher -- so führte Durel aus -- sei das Spiel nach dem Ticketsystem betrieben worden, der Einsatz habe Fr. l oder 2, der Gewinn Fr. 7 oder 14 betragen, während der Spielhalter als Prämie bloss den Einsatz eines Pferdchens mit Fr. l

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oder 2 bezogen habe. Nunmehr, nach dem Tableausystem, behalte sich der Spielhalter von neun Nummern eine vor, auf welcher er gegen das Publikum spiele. Seine Gewinnchance betrage daher l : 9 (gegen l : 36 in Monaco), und überdies behalte er 2 von 9 Einsätzen als Prämie. Die Einsätze können auf jedem Pferdchen Fr. 3 für einen Spieler, Fr. 6 im ganzen, auf den Banden aber Fr. 10 für einen Spieler, Fr. 20 im ganzen betragen. So habe der Pächter aus einer harmlosen Unterhaltung ein gefährliches und verfassungswidriges Spiel gemacht.

Das Justizdepartement ersuchte die Genfer Regierung um Prüfung der Angelegenheit und Bericht, liess aber auch durch einen eigenen Beamten den Spielbetrieb im Kursaal in Augenschein nehmen. Zugleich richtete es an die Regierungen der Kantone Bern, Graubünden, Luzern und Waadt das Ersuchen, in zuverlässiger Weise feststellen zu lassen, ob in den Kursälen zu Interlaken, Thun, St. Moritz, Luzern und Montreux Spiele betrieben werden, deren Duldung als eine Verletzung des Art. 35 BV erscheinen würde. Die Untersuchung im Genfer Kursaal ergab, dass dort seit dem April 1896 das Rösslispiel nach dem Tableausystem gespielt wurde, und zwar jeweilen von 8 Uhr abends bis beträchtlich über Mitternacht hinaus. Die in der Beschwerde Durels gemachten Angaben über die Modalitäten des Spielbetriebs erwiesen sich im wesentlichen als zutreffend. Für das Rösslispiel waren vier Tische vorhanden, an welchen bei genügender Beteiligung nebeneinander gespielt wurde; in diesem Falle konnte die Gesamtsumme aller gleichzeitigen Einsätze auf Fr. 536 steigen. Der -einzelne Spieler konnte in einer Stunde im Maximum etwa Fr. 310 gewinnen und Fr. 130 verlieren.

Der Staatsrat von Genf äusserte sich in seinem Berichte über die Enquête dahin, das Spiel werde genau überwacht und es können dabei keine Unregelmässigkeiten vorkommen; die Behörde erachte den Spielbetrieb als gefahrlos und dem Art. 35 B V nicht zuwiderlaufend.

Von den Regierungen der übrigen angefragten Kantone gingen mehr oder weniger ausführliche Berichte ein, die über den Spielbetrieb in den Kursälen Aufschluss gaben und insbesondere auch auf die Beaufsichtigung desselben durch die Polizeiorgane hinwiesen. Im Gegensatz zum Spielsystem in Genf ergaben sich keine Anhaltspunkte dafür, dass die Eigentümer oder Pächter der übrigen Kursäle gegen das Publikum spielten.

Durch Beschluss vom 19. September 1896 erkannte der Bundesrat, dass das damals im Kursaal Genf nach dem System

21 ,,au tableau" betriebene Rösslispiel unter das Verbot des Art. 35 B V falle und deshalb zu unterdrücken sei1). Dieser Beschluss stützte sich auf die gemachten Feststellungen über den Spielbetrieb sowie auf Berechnungen der Gewinn- und Verlustchancen der Spieler und des Spielhalters; diesen tatsächlichen Feststellungen fügte der Bundesrat folgende rechtliche Erwägungen bei : ,,L'art. 35 CF, comme l'indique clairement l'expression de ,,maisons de jeu a , a interdit les établissements qui servent à l'exploitation habituelle des jeux de hasard. La Constitution y voit un danger pour le public qu'elle veut préserver de dommage matériel et moral. Les tables à jeu du Kursaal de Genève portent incontestablement les caractères d'une maison de jeu; car le tenancier du Kursaal y joue professionnellement contre le public; et, avec des enjeux assez élevés, il s'est réservé de telles chances de gain que l'exploitation du jeu est pour lui une industrie très lucrative, au lieu que pour les joueurs, indépendamment du tort moral qu'il leur cause, le jeu les expose a des pertes matérielles considérables."

Durch Schreiben vom 9. und 13. Oktober 1896 teilte die Regierung von Genf dem Bundesrat mit, dass das dortige Justizdepartement dem Pächter des Kursaals die Bewilligung zum Betrieb des ,,jeu des petits chevaux" nach bisherigem System entzogen habe. Zugleich drückte die Regierung ihr Erstaunen über den Bundesratsbeschluss aus, in welchem sie einen Widerspruch gegenüber der vom Bundesrat im April 1895 eingenommenen Haltung erblickte ; gerade mit Rücksicht auf die damals geäusserte Auffassung des Bundesrates und um sich ihr anzupassen, habe sie das neue Spielsystem mit beschränkten Einsätzen zugelassen.

Hierauf entgegnete der Bundesrat, die Tatsache, dass der Spielhalter gegen das Publikum spiele, würde für sich allein kaum genügen, um das Spiel zu einem im Sinne des Art. 35 BV verpönten zu machen, wenn dabei mit so kleinen Einsätzen gespielt würde, dass weder die Gewinnchancen des Spielhalters noch die Verlustchancen der Spielenden von irgendwelchem Belang wären ; gerade dieses letzte Moment habe das Justizdepartement in seiner Korrespondenz, mit Genf vom April 1895 betont, und der Bundesrat halte auch seinerseits hieran fest.

10. In ihrem Schreiben vom 9. Oktober 1896 hatte die Genfer Regierung die Andeutung gemacht, es werde an ändern Orten der Schweiz das nämliche, nun vom Bundesrat verbotene ') Bundesbl. 1897, I, 391.

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Spiel, sogar ohne Limitierung der Einsätze, betrieben. Dies veranlasste den Bundesrat, durch Schreiben vom 20. Oktober 1896 den Regierungen der Kantone Bern, Graubünden, Luzern und Waadt seinen erwähnten Beschluss vom 19. September zur Kenntnis zu bringen mit der Einladung, Spielsysteme wie das in Genf nun verbotene mit aller Strenge zu unterdrücken, damit überall in der Schweiz gleiches Recht gelte. Wegleitend bemerkte der Bundesrat in diesem Schreiben, dass die gewerbsmässige Beteiligung des Inhabers eines Kursaals oder ähnlichen Etablissements an den Gewinnchancen des Spiels mit zu den Elementen gehöre, die den Begriff der Spielbank ausmachen, und dass er ferner in der Höhe der Spieleinsätze ein wesentliches Merkmal eines unter Art. 35 BV fallenden Glückspiels erblicke.

11. Am 1. Juni 1897 wurde unser Justizdepartement durch dasjenige von Genf benachrichtigt, dass das im Kursaal Genf verbotene Rösslispiel in Luzern wie früher weiter betrieben werde, sogar ohne Begrenzung der Einsätze. Das nämliche behauptete in einem Schreiben vom 2. Juni der Kursaalpächter Götschel in Genf, der überdies beifügte, in Interlaken gehe auch das Eisenbahnspiel nach dem Tableausystem vor sich. Götschel stellte wiederholt das dringende Gesuch, man möge entweder diese Spiele auch anderwärts sofort beseitigen oder ihm das Rösslispiel mit noch enger begrenzten Einsätzen wieder gestatten. Das Justizdepartement erklärte, diesem letztern Gesuch nicht entsprechen zu können, und stellte einen baldigen Entscheid des Bundesrates in Aussicht.

Eine eingehende Untersuchung des Spielbetriebs in Interlaken, Thun und Luzern wurde nun angeordnet ; sie war zugleich auch motiviert durch eine Anfrage der Luzerner Regierung, ob angesichts des letzten Bundesratsbeschlusses das Spiel im Kursaal Luzern unter den bisherigen Bedingungen weiterhin gestattet werden könne. Aus den Ergebnissen der Enquete, welche auf Feststellungen der Kantonsregierungen, in Interlaken und Luzern überdies auf persönlicher Prüfung durch einen eidgenössischen Beamten beruhte, sei.folgendes festgehalten: In Interlaken wurde sowohl das Rössli- wie das Eisenbahnspiel betrieben, dieses nach dem Tableau-, jenes nach dem Ticketsystem. Bei beiden betrug der Einsatz Fr. l--2. Beim Eisenbahnspiel konnte auf eine Stadt, auf eine Farbe oder Nummer oder auf ein Fähnchen
gesetzt werden, und je nachdem gewann der Spieler den siebenfachen, einfachen oder zwölffachen Einsatz. Die Spielregeln wurden streng eingehalten. Der Ertrag der Spiele wurde,

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nach Verzinsung des Aktienkapitals der Kurhausgesellschaft zu 4 % und nach Ausrichtung eines jährlichen Betrages von Fr. 2000 für gemeinnützige Zwecke, zur Förderung des Fremdenverkehrs verwendet.

In Thun wurde einzig das Rösslispiel, und zwar nach dem Tableausystem mit 9 Nummern betrieben. Der Spieler erhielt als Gewinn seinen siebenfachen Einsatz ; mit der Nummer 5 gewann der Spielhalter. Es konnte auch auf Pair und Impair sowie auf rot und blau gesetzt werden, nicht aber auf Banden.

Die Beteiligung am Spiel war schwach und die Einnahmen unbedeutend.

Auch in Luzern wurde das Rösslispiel nach dem Tableausystem betrieben, mit 9 Nummern und 4 Banden. Das Minimum des Einsatzes war auf Fr. l festgesetzt, das Maximum für die Nummern auf Fr. 5, für die Banden aber auf Fr. 20; der Gewinn bestand hier aus dem einfachen, auf den Nummern aus dem siebenfachen Einsatz. Die Nummer 5 war dem Spielhalter vorbehalten. Ein Maximum für die Gesamtheit der Einsätze auf einer Nummer oder einer Bande war nicht festgesetzt.

Diese Ergebnisse der Untersuchung veranlassten den Bundesrat, in einem Beschluss vom 9. Juli 1897') auf die Frage der Zulassung des Rösslispiels ,,au tableau" zurückzukommen. Er hielt nämlich dafür, es bestehe kein Grund, gegen das Spiel, wie es damals in Interlaken und Thun betrieben wurde, von Bundeswegen einzuschreiten ; dagegen erachtete er das Spiel in Luzern als demjenigen im wesentlichen gleichkommend, welches er durch seinen Beschluss vom 19. September 1896 in Genf verboten hatte, ja sogar angesichts der Höhe der Einsätze als für das Publikum gefährlicher. Er gewann zugleich die Überzeugung, dass eine einheitliche Normierung der Spielverhältnisse in der Schweiz sehr wünschbar wäre. Aus diesem Grunde ermächtigte er das Justizund Polizeidepartement, a. Sowohl in Luzern als in Genf das Spiel bis Mitternacht und unter Beschränkung der Einsätze des einzelnen Spielers im Maximum auf Fr. 2 per Nummer und Fr. 4 per Bande und unter Vorbehalt weiterer polizeilicher Vorschriften provisorisch zu gestatten ; b. nach Schluss der Sommersaison 1897 eine Konferenz von Vertretern der beteiligten Kantone einzuberufen, welche die ») Bundesbl. 1898, I, 458.

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Regeln der in Kursälen und ähnlichen Lokalitäten getriebenen Hasardspiele in einheitlicher Weise feststellen sollte, die alsdann dem Bundesrat zur Genehmigung zu unterbreiten waren.

Der Regierungsrat des Kantons Luzern richtete am 26. Juli 1897 ein Schreiben an den Bundesrat, worin er seinem Befremden darüber Ausdruck gab, dass ungeachtet der vom luzernischen Polizeidepartement wie von der Kurhausgesellschaft jederzeit auf Verlangen erteilten Auskünfte über den Spielbetrieb ein eidgenössischer Delegierter entsandt worden sei, um die Verhältnisse an Ort und Stelle zu prüfen und Erhebungen zu veranstalten, obwohl es vielleicht schwierig wäre, die Kompetenz des Bundesrates oder des Justizdepartements zu einer solchen Massnahme verfassungsmässig zu begründen ; ebenso sei der Vorbehalt weiterer polizeilicher Vorschriften im Beschluss vom 9. Juli 1897 befremdlich, da zu solchen Vorschriften ausschliesslich die Kantone zuständig seien. Der Bundesrat antwortete mit einem Schreiben, in dem er unter anderm folgendes ausführte : ,,Dem Bundesrat und seinen Departementen kann die Befugnis nicht bestritten werden, auf die ihnen gutscheinende Weise Tatsachen festzustellen, die für ihre Verfügungen und Entscheidungen von Belang sind.

Was den Vorbehalt weiterer polizeilicher Vorschriften betrifft, so waren und sind damit in erster Linie die von Ihrem Militär- und Polizeidepartement selbst erlassenen gemeint, daneben allerdings auch solche, die von uns oder von unserm Justiz- und Polizeidepartement in Zukunft erlassen werden könnten. Die Bundesbehörde hat für Beobachtung des Art. 35 BV zu wachen und hat daher auch die Befugnis, das öffentliche Spiel solchen polizeilichen Beschränkungen zu unterwerfen, welche ihr die Verfassung zu erheischen scheint. Keineswegs wird dadurch in Ihre Polizeigewalt eingegriffen."

Ein von der Kurhausgesellschaft Luzern beim Bundesrat angebrachtes Wiedererwägungsgesuch gegen den Beschluss vom 9. Juli 1897 wurde abgewiesen, weil weder durch neue Tatsachen noch durch weitere Rechtsgründe gestützt; dagegen entsprach der Bundesrat dem Begehren um einstweilige Sistierung der Vollziehung des Beschlusses, da die Gesellschaft diesen auch durch einen Rekurs an die Bundesversammlung ·weiterzog. Indessen kam es nicht zur Entscheidung des Rekurses, da er später zurückgezogen wurde (s. unten Ziff. 13).
12. Die vom Bundesrat in seinem Beschluss vom 9. Juli 1897 in Aussicht genommene Konferenz von Vertretern der be~teiligten Kantone fand am 8. November 1897 in Bern statt. Sie

25 war von den Kantonen Bern, Luzern, Graubünden, Aargau, Waadt und Genf beschickt ; den Vorsitz führte der Chef des Justiz- und Polizeidepartements. Er brachte zunächst die allgemeine Frage zur Diskussion, ob alle in öffentlichen Lokalen betriebenen Spiele um Geldeswert unter Art. 35 BV fallen und daher von Bundeswegen zu verbieten seien, um die Auffassung der Vertreter der Kantone darüber kennen zu lernen. Die Frage wurde verneint und verschiedene Umschreibungen des Begriffs der Spielbank von den Konferenzteilnehmern vorgeschlagen ; sie waren grundsätzlich darüber einverstanden, dass es sich nur darum handle, die Glückspiele so einzuschränken, dass sie den Charakter von Unterhaltungsspielen behalten. Hierauf wurde im einzelnen beraten, unter welchen Voraussetzungen die Glücksspiele als erlaubt zu betrachten seien, mit folgenden wesentlichen Ergebnissen: a. In der Frage, ob ein Spiel zu verbieten sei, wenn der Spielhalter gewerbsmässig mitspielt und sich dadurch eine Gewinnchance reserviert, standen sich die Meinungen gleich geteilt gegenüber, und eine Einigung konnte nicht erzielt werden. Es schien schon darüber nicht Einverständnis zu herrschen, wann überhaupt von einer Beteiligung des Spielhalters gesprochen werden könne, ob bloss dann, wenn er gleich dem spielenden Publikum einsetzt, oder schon dann, wenn er auf die vom Publikum nicht besetzten Pferdchen setzt oder die nicht gekauften Tickets eines Spieles für sich nimmt. Es wurde darauf hingewiesen, dass dieser letztere Modus überall vorkomme, und dass infolgedessen alle Spiele unterdrückt werden müssten, falls man diese Art der Beteiligung zum Kriterium der Spielbank stempeln wollte.

b. Zustimmung fand die Forderung, es sei die Verwendung wenigstens eines Teils des Reinertrags zu gemeinnützigen Zwecken vorzuschreiben, jedoch nur für den Fall der Beteiligung des Spielhalters am Spiel, in der Meinung also, dass unter Reinertrag nur der spezifische Spielgewinn des Unternehmers zu verstehen sei, nicht aber feste Abgaben oder Eintrittsgelder des Publikums.

c. Dass eine Begrenzung der Spieleinsätze auf eine massige Höhe stattfinden müsse, wurde allseitig anerkannt, und man einigte sich dahin, dass der Bundesrat sie auf dem Korrespondenzwege mit den einzelnen Kantonen vereinbaren solle. Dagegen wurde die Festsetzung eines Maximums für die Summe
der Einsätze aller Spieler als unzweckmässig abgelehnt.

d. Die Frage, ob gewisse Spiele gänzlich verboten werden sollen, wurde verneint, unter Hinweis darauf, dass die Spielart

26 bekannter und an sich zugelassener Spiele so gefahrlich werden könne wie neue als gefährlich geltende Spiele.

e. Endlich wurde die Frage zur Diskussion gestellt, ob und in welcher Weise der Bundesrat zum Erlass polizeilicher Vorschriften kompetent sei. Ein Beschluss hierüber wurde nicht gefasst. Mehrere Votanten bestritten eine solche Kompetenz des Bundesrates. Der Vorsitzende äusserte sich dahin, nach der Auffassung des Bundesrates sei der Erlass polizeilicher Vorschriften zunächst Sache der Kantone ; der Bundesrat habe sich aber, gemäss seiner Verpflichtung, über die. Beobachtung des Art. 35 B V zu wachen, vorbehalten, die kantonalen Bestimmungen zu prüfen und diejenigen Massnahmen zu verlangen, welche notwendig seien, um das Spiel nicht zu einem gefährlichen werden zu lassen.

Den Kantonen bleibe es ohne Zweifel vorbehalten, von sich aus noch weitergehende Spielverbote zu erlassen ; niemand könne sich also darauf berufen, dass ein kraft kantonalen Rechts verbotenes Spiel vom Bundesrat nicht als unzulässig erklärt worden sei.

Diese Ausführungen scheinen ohne Widerspruch entgegengenommen worden zu sein.

Das Justizdepartement gab dem Bundesrat mit Bericht vom 27. Dezember 1897 von den Verhandlungen der Konferenz Kenntnis, deren Beschlüsse es in folgender Form zusammenfasste : a. die Reineinnahmen aus dem Spiel sind zum Teil für gemeinnützige Zwecke zu verwenden; b. die Einsätze sollen massig sein; c. es ist zunächst Sache der Kantone, polizeiliche Vorschriften über das Spiel zu erlassen ; der Bundesrat behält sich indessen vor, den Erlass derjenigen Vorschriften zu verlangen, welche notwendig erscheinen, um das Spiel nicht zu einem gefährlichen werden zu lassen.

Der Bundesrat fasste daraufhin am 11. Januar 1898 folgenden Beschluss1): ,,Der Bundesrat beschliesst nach Kenntnisnahme des Protokolls über die Konferenz der Polizeidirektoren der Kantone Bern, Luzern, Graubünden, Aargau, Waadt und Genf, vom 8. November 1897, betreffend die Voraussetzungen für die Zulässigkeit der in den Kursälen der Schweiz betriebenen Glücksspiele, zur Nachachtung des Art. 35 BV (Verbot der Errichtung von Spielbanken), von sich aus oder auf eingegangene Beschwerden die ') Bundesbl. 1898, I, 86.

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erforderlichen Verfügungen nach Prüfung der Sachlage zu treffen und von der Aufstellung einschlägiger Spielregeln Umgang zu ' nehmen.

Die Beschlüsse des Bundesrates vom 9. Juli 1897 betreffend die in den Kursälen von Luzern und Genf betriebenen Glücksspiele werden bestätigt."

Von diesem Beschluss wurden die beteiligten Kantone in Kenntnis gesetzt.

13. Durch den Bundesratsbeschluss vom 9. Juli 1897 war ·der Spielbetrieb in Luzern Beschränkungen unterworfen worden ; die Vollziehung des Beschlusses blieb aber vorläufig sistiert (oben Ziff. 11). Am 31. März 1898 stellte nun die Kurhausgesellschaft Luzern beim Bundesrat das Gesuch, es sei ihr für die Saison 1898 noch der Betrieb des Rösslispiels in der bisherigen Weise au gestatten, wobei sie sich verpflichtete, den Einsatz auch auf den Banden auf Fr. 5 (statt wie bisher Fr. 10) zu reduzieren; ferner sei das Justiz- und Polizeidepartement zu ermächtigen, den Bundesratsbeschluss vom 11. Januar 1898 dahin zu interpretieren, dass für die Zukunft, d. h. von 1899 an, der einzelne Einsatz beim Rösslispiel auf Nummer oder Bande Fr. l--5 betragen dürfe, unter Aufrechterhaltung der übrigen Beschränkungen bezüglich Spielzeit, Aufsicht etc. Das Gesuch wurde vornehmlich mit der Unentbehrlichkeit der Spieleinnahmen zum Betrieb des Kursaals als eines für Luzern notwendigen Fremdenetablissements begründet und dabei betont, dass diese Einnahmen nur zur Hebung des Fremdenverkehrs verwendet wurden.

In Erwägung, dass die Bewilligung des Gesuchs im Interesse einer einfachem Aufsicht liege und die Verlustgefahr für den Spielenden kaum vermehre, beschloss der Bundesrat am 11. Mai 1898, der Kurhausgesellschaft Luzern provisorisch bis Ende der Sommersaison 1898 den Betrieb des Rösslispiels in der Weise zu gestatten, dass der einzelne Spieler auf die Nummern und auf die Banden im Maximum je Fr. 5, im ganzen Fr. 10 setzen durfte, und vom Sommer 1899 hinweg in Ergänzung des Beschlusses vom 11. Januar 1898 an Stelle der bewilligten Fr. 4 und 2 auf Bande und Nummer im ganzen einen Maximaleinsatz von Fr. 5 zuzulassen1).

Nach Eröffnung dieses Beschlusses zog die Kurhausgesellschaft ihren gegen den Bundesratsbeschluss vom 9. Juli 1897 gerichteten Rekurs an die Bundesversammlung zurück.

') Bundesbl. 1899, I, 383.

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Der Beschluss wurde auch dem Justiz- und Polizeidepartement Genf, sowie dem Eigentümer des Genfer Kursaals, Durel, zur Kenntnis gebracht, welch letzterer in ähnlicher Weise wie die Gesellschaft in Luzern um die Bewilligung' zur Erhöhung des Maximaleinsatzes auf Fr. 5 eingekommen war.

Die Polizeidirektion des Kantons Bern teilte am 16. Juni 1898 mit, dass der Regierungsrat durch Beschluss vom 1. Juni, einem Gesuch der Kurhausgesellschaft Interlaken entsprechend, das Maximum des Einsatzes für das Rösslispiel und das Eisenbahnspiel im Kurhaus Interlaken von Fr. 2 auf Fr. 5 erhöht habe. Von den Bedingungen, unter denen der Regierungsrat die Spielbewilligung erteilte und welche in Plakatform im Spielsaal zu Interlaken angeschlagen wurden, seien folgende hier wiedergegeben : ,,Die Kurhausgesellschaft wird die genannten Spiele auf eigene Rechnung betreiben und kann den Betrieb derselben in keiner Form verpachten. Der Reinertrag der Spiele ist ausschliesslich zu gemeinnützigen Zwecken zu verwenden. Das Maximum des Einsatzes ist auf Fr. 5 festgesetzt. Der Einsatz ist, unter Ausschluss von Spielmarken (Jetons), ausschliesslich in bar zu erlegen. Es darf nur während der Zeit der Nachmittags- und Abendkonzerte, nämlich von 4--6 Uhr und von 8i/2--11 Uhr, gespielt werden. Minderjährige Personen sind nur in Begleitung ihrer Eltern zum Spiel zuzulassen, und schulpflichtigen Kindern von Einheimischen ist überhaupt das Betreten des Spielsaales zu verbieten. Ausserdem hat die Kurhausgesellschaft die Befugnis, die Teilnahme an den Spielen den Einheimischen und auch ändern Personen nach Gutfinden zu untersagen.a 14. Bei der Behandlung des Geschäftsberichts des Bundesrates pro 1898 wurde im Nationalrat folgende Motion gestellt: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die notwendigen Massnahmen zu treffen, um die strikte Ausführung des Art. 35 der Bundesverfassung (Verbot der Spielbanken) zu sichern. Die Motion war unterzeichnet von den Herren Rössel, Calame-Colin, Hilty, Iselin und von Planta.

Durch Beschluss vom 20. März 1900 lehnte der Nationalrat mit 73 gegen 32 Stimmen das Postulat ab1).

15. Die Société genevoise d'utilité publique richtete am 15. März 1900 bei Anlass der Behandlung der Motion Rössel an ') Bundesbl. 1901, II, 4.

29 den Nationalrat eine Zuschrift, worin sie die Behauptungen aufstellte, es gehen im Kursaal und im Parc des Eaux-Vives in Genf alljährlich grosse Summen im Rösslispiel verloren. Im Kursaal sei ein Cercle installiert, in welchem Baccarat gespielt werde, und zwar in einem dem Publikum zugänglichen Lokale; überhaupt habe diese Vereinigung ihren privaten Ckarakter völlig verloren.

Diese Zuschrift veranlasste den Vorsteher des Justizdepartements, von der Genfer Regierung Aufschluss über die gerügten Übelstände zu verlangen. Der Staatsrat antwortete mit Schreiben vom 11. Mai 1900, der Spielbetrieb in Genf sei den Beschlüssen des Bundesrates angepasst worden. Wenn auch im ganzen bedeutende Gewinne erzielt werden, so könne doch angesichts der geringen Einsätze beim Rösslispiel der einzelne kaum grosse Verluste erleiden, falls er nicht in unvernünftiger Weise dem Spiel obliege; wenigstens seien der Behörde in dieser Hinsicht keine Klagen zugekommen. Was den Cercle im Kursaal betraf, berief sich die Regierung zunächst auf eine im Jahre 1898 von ihrem Justiz- und Polizeidepartement mit dem unsrigen gewechselte Korrespondenz. Unser Justizdepartement hatte damals auf eine Anfrage von Genf, ob dem Besitzer des Kursaals die Wiedereröffnung eines Cercle zu gestatten sei, geantwortet, dies hänge von der Art des daselbst beabsichtigten Spielbetriebs ab. Das Genfer Justizdepartement hatte darauf den Cercle gestattet. Die Regierung bemerkte nun in ihrem Bericht, sie habe den Kursaalbesitzer ausdrücklich angewiesen, das Publikum von den Vereinigungen des Cercle fernzuhalten und alles zu vermeiden, was geeignet sein könnte, das daselbst betriebene Baccaratspiel als ein öffentliches erscheinen zu lassen.

Unser Justizdepartement nahm von diesen Erklärungen Kenntnis und lud die Genfer Behörde neuerdings ein, fortgesetzt darüber zu wachen, dass sich im Spielbetrieb keine vor der Bundesverfassung unhaltbaren Zustände herausbilden.

16. Mit Eingabe vom 29. Dezember 1900 führte HenriotBeaulieu in Genf beim Bundesrat Beschwerde gegen den Genfer Staatsrat, weil dieser ihm die Bewilligung zur Einrichtung eines Rösslispiels nach Art des im Kursaal betriebenen im ,,Casino de l'Espérance11 in Genf verweigerte, das Spiel im Kursaal aber bestehen liess ; der Beschwerdeführer erblickte darin eine Verletzung der Art. 4 und 35 BV.

Der Bundesrat beschloss am 15. Februar 1901, auf die Beschwerde nicht einzutreten, in Erwägung, ,,dass der Bundesrat

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für Beschwerden wegen behaupteter Verletzung der Rechtsgleichheit der Bürger (Art. 4 BV) nicht zuständig ist ; dass Art. 35 BV Privatpersonen kein Individualrecht gewährleistet und daher eine staatsrechtliche Beschwerde vor den Bundesbehörden auf Grund dieses Artikels nicht zulässig ist; dass sich der Nationalrat in Übereinstimmung mit dem Bundesrat am 20. März 1900 für die Duldung des Rösslispiels in der gegenwärtig bestehenden Art ausgesprochen hat.a 17. Zeitungen der Westschweiz berichteten im April 1902.

über einen vom Genfer Gericht beurteilten Prozess zwischen dem Eigentümer des dortigen Kursaals und seinem Pächter. Durch diesen Prozess sei bekannt geworden, dass der Eigentümer den Betrieb des Rösslispiels im Kursaal für die Summe von Fr. 1100 im Tag, Fr. 221,450 für die Saison verpachtet habe; daraua wurde auf einen Gewinn von etwa Fr. 300,000 aus dem Rösslispiel in jeder Saison geschlossen.

Unser Justiz- und Polizeidepartement, dem diese Zeitungs^ notizen zur Kenntnis gebracht wurden, sah sich infolgedessen veranlasst, die Genfer Regierung zu einer Untersuchung und zum Bericht darüber einzuladen, ob nicht im Kursaal mit höhern als den vom Bundesrat gestatteten Einsätzen von maximal Fr. 5 gespielt werde. Die Regierung berichtete am 13. Juni 1902, die ständige Überwachung des Spiels im Kursaal habe in der Saison 1901 bloss zwei vereinzelte Fälle einer Überschreitung des Maximums ergeben, die sich, nachdem der Direktor gemahnt worden sei, nicht wiederholt hätten. Der bedeutende Ertrag des Spiels sei auf die grosse Zahl der Spieler, nicht auf hohe Einsätze zurückzuführen. Der Kursaal werde in. jeder Saison von etwa 200,000 Personen besucht; die Summe der Einsätze eines Abends sei, bei Annahme eines durchschnittlichen Einsatzes von Fr. 2, approximativ auf Fr. 20,000 zu berechnen. Damit lasse sich die hohe Pachtsumme erklären. Übrigens seien es zum weitaus grössten Teil die Fremden, die sich am Spiel beteiligten, und gerade sie viel mehr als die Einheimischen mit dem maximalen Einsatz von Fr. 5.

Auf diesen Bericht hin sah sich der Bundesrat zu keinen weitern Schritten veranlasst.

18. Am 11. August 1903 fasste der Bundesrat Beschluss über die Beschwerde eines Jakob Egli in Zürich, welche dieser für sich und namens des Cercle des étrangers daselbst gegen den Regierungsrat des Kantons Zürich erhob. Egli hatte der genannten;

31 Gesellschaft ein Lokal in seinem Hause vermietet, woselbst Baccarat gespielt wurde. Das Statthalteramt Zürich untersagte dieses Spiel und drohte für den Fall der Widerhandlung Überweisung an die Gerichte an ; die Regierung schützte diese Verfügung, und gegen ihren Beschluss richtete sich die Beschwerde an den Bundesrat. Dieser beschloss, der Beschwerde keine Folge zu geben; aus den rechtlichen Erwägungen, soweit sie auf Art. 35 BV Bezug haben, seien folgende hervorgehoben : ,,Wenn' dem einzelnen Bürger auch eine Berechtigung gegeben ist, sich über Entscheidungen kantonaler Behörden zu beschweren, so handelt der Bundesrat bei seiner Entscheidung von Amteswegen und trifft die erforderlichen Verfügungen in Anwendung des Art. 102, Ziffer 2 BV, wonach er für die Beobachtung der Verfassung zu wachen hat (vgl. auch den Entscheid des Bundesrates in der analogen Materie des Begräbniswesens, Bundesbl. 1900, IV, 576). Die Vorschrift des Art. 35 geht dahin, dass der Bundesrat die Unterdrückung bestehender Spielbanken zu überwachen und die Eröffnung neuer zu verhindern hat. Damit hat die Bundesverfassung aber die Kompetenzen derKantone nicht berührt, im übrigen das Glücksspiel nach ihrem Belieben noch weiter einzuschränken oder auch ganz zu ver-, bieten. Die Argumentation des Rekurrenten, als sei mit dem Verbot der öffentlichen Spielbanken zugleich eine verfassungs^ massige Garantie der übrigen Arten der Veranstaltung von Glücks-, spielen ausgesprochen, wäre also selbst dann nicht zutreffend^ wenn es richtig wäre, dass Art. 35 nur von öffentlichen Spielhäusern redete. Aber der Wortlaut des Art. 35 enthält diese Beschränkung gar nicht, sondern es sind alle Arten von Spielhäusern, öffentliche und geheime oder private Spielbanken, untersagt. Nach den Feststellungen der kantonalen Behörden handelt es sich aber um ein eigentliches Spielhaus . . . . Die kantonale Regierung hat also in durchaus richtiger Auffassung des Art. 3& gehandelt, wenn sie ein Verbot dieses Spielhauses ausgesprochen hat. Ihr Entscheid könnte aber vom Standpunkt des Bundesrechts auch dann nicht angefochten werden, wenn es sich um eine in Art. 35 B V nicht verbotene Spielvereinigung handeln würde ; denn die Verfassung enthält keinerlei Garantie des Spieles, sondern überlässt, wie oben ausgeführt, den Kantonen die Rege^ lung aller damit im
Zusammenhang stehenden Verhältnisse, soweit sie über die eigentliche Spielbank hinausgehen."

19. Während einer längern Reihe von Jahren hatten sich die Bundesbehörden nicht mit der Anwendung des Art. 35 BV

32 zu befassen. Von Interesse ist, dass die schweizerischen Kursaalgesellschaften von sich aus nach einer einheitlichen Regelung des Spiels strebten. Die Kursaalgesellschaften von Baden, Genf, Interlaken, Luzern, Montreux und Thun schlössen sich im Jahre 1902 zu einem Verband zusammen. Die Delegiertenversammlung dieses Vereins ist nach § 5, lit. e, der Statuten befugt, ,,den Verbandsgesellschaften jederzeit nach Massgabe der Verhältnisse Wegleitungen (z. B. betreffend den Spielbetrieb etc.)

zu erteilen, welche für alle Mitglieder bindend sindtt. In Anwendung dieser statutarischen Bestimmung arbeitete die Delegiertenversammlung des Verbandes im Juni 1904, ,,in der Absicht, Missbräuche im Betrieb der Spiele zu verhüten, berechtigten Reklamationen vorzubeugen und den Spielbetrieb in den beteiligten Kursaalgesellschaften so einheitlich wie möglich zu gestaltena, ein für alle Verbandsmitglieder verbindliches Reglement betreffend den Betrieb der Spiele in den Kursälen aus.

Dieses Reglement erklärt einzig das Rösslispiel und die diesem analogen Spiele, wie z. B. das Eisenbahnspiel, als zulässig, unter Ausschluss aller ändern Glücksspiele mit Geldeinsatz. Hinsichtlich der Art des Spielbetriebs, der Höhe der Einsätze, Dauer des Spiels und der Bestimmung des Spielsystems werden in erster Linie die in den kantonalen Konzessionen aufgestellten Vorschriften für die einzelnen Kursäle und die vom Bundesrat erlassenen allgemeinen Weisungen vorbehalten. Die Gesellschaften sind verpflichtet, das Spiel unter eigenem Namen und auf eigene Rechnung zu betreiben ; der Spielbetrieb darf unter keiner Form verpachtet werden. Das Maximum des Einsatzes eines Spielers auf ein Spiel beträgt Fr. 5. Die Wahl des Spielsystems (Ticketoder Tafelsystem) ist Sache jeder Gesellschaft. Das Spiel soll in der Regel nur während der Dauer der Konzerte und sonstigen Veranstaltungen musikalischer oder dramatischer Natur, in jedermann leicht zugänglichen und von den Aufsichtsorganen leicht zu kontrollierenden Lokalitäten und längstens bis Mitternacht betrieben werden. Nur volljährige Personen dürfen am Spiel teilnehmen. Der nach Verzinsung und Amortisation verbleibende Reinertrag des Spiels darf zu keinen ändern als rein öffentlichen und gemeinnützigen Zwecken verwendet werden, insbesondere soll er den Interessen des Kurorts oder Fremdenplatzes
zugute kommen.

Infolge des Erlasses dieses Reglements trat die Verwaltung des Kursaals Genf, die mit dem Pachtsystem nicht brechen und sich der vorgeschriebenen Verwendung des Spielertrags nicht fügen wollte, aus dem Verband der Kursaalgesellschaften aus.

33 20. Jn den Jahren 1909, 1910 und 1911 wurden beim Bundesrat eine grössere Zahl von Petitionen eingereicht, welche ·auf den Betrieb verfassungswidriger Glücksspiele in Genf aufmerksam machten und ihre Abschaffung verlangten. Solche Petitionen gingen aus vom Präsidenten und der Mehrheit der Mitglieder des Gemeinderates von Genf, vom Genfer Aktionskomitee gegen die Spielhäuser (mit 2090 Unterschriften), von kirchlichen ·und Universitätsbehörden, Hoteliers, Kaufleuten und ändern Bürgern von Genf. Es wurden darin hauptsächlich folgende Klagen Torgebracht: Der Kursaal in Genf habe sich in den letzten Jahren zu einem eigentlichen Spielhaus herausgebildet. Im ,,Cercle des étrangers" daselbst werde um ' grosse Summen gespielt. Verfassungswidrig sei ferner die Aufstellung von Spielautomaten und die Einführung des ,,jeu de la boule" im Kursaal, welches damals bereits vielerorts das Rösslispiel verdrängt hatte. Im Parc des Eaux-Vives in Genf seien ebenfalls Automaten aufgestellt, und es bestehe dort ein ,,Sporting Club", der wie der Cercle des étrangers im Kursaal den Charakter einer Spielbank besitze.

Am I.Dezember 1909 machte unser Justizdepartement den Staatsrat des Kantons Genf darauf aufmerksam, dass möglicherweise nach Massgabe der Bundesverfassung eine Intervention als .angezeigt erscheine. Im April 1910 wurde die nämliche Behörde «rsucht, anhand von Beweismitteln die Frage zu prüfen, ob der Cercle des étrangers und der Sporting Club in Genf Spielhäuser im Sinne des Art. 35 .BV seien, und darüber Bericht zu erstatten.

Die Korrespondenz mit dem Staatsrat zog sich sehr lange hin.

Es ergaben sich aus ihr schwerwiegende Anzeichen dafür, dass es sich beim Cercle des étrangers nicht, wie darzutun versucht wurde, um eine geschlossene Gesellschaft handle. Um sich hierüber vollständige Klarheit zu verschaffen, entschloss sich unser Justizdepartement, die Vorgänge im Cercle des étrangers durch zwei höhere Beamte des Departements auf dem Wege des Augen.scheins feststellen zu lassen. Dieser im Oktober 1910 vorgenommene Augenschein lieferte den Beweis, dass, entgegen den Behauptungen der Kursaalgesellschaft, der Zutritt zu den Spielsälen und die Teilnahme am Spiel dem Publikum ohne Legitimationspapiere auf die einfache Vorweisung einer Visitenkarte und Zahlung einer Gebühr von Fr. 5 möglich war. Das Bestehen
einer geschlossenen Gesellschaft, in die als Mitglieder nur Personen aufgenommen wurden, welche sich über ihre persönlichen Verhältnisse genügend ausgewiesen hätten, erwies sich als eine offenbar die Umgehung des Art. 35 BV bezweckende Fiktion.

Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. HI.

S

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Die sogenannte Mitgliedskarte war in Wirklichkeit eine .einfache Eintrittskarte. Der Cercle wurde nicht nur von Fremden, sondern auch von Schweizern stark frequentiert. Ferner wurde durch den Augenschein konstatiert, dass das daselbst mit hohen Einsätzen (Fr. 10--200) gespielte ,,Baccarat chemin de fer" sich als Glücksspiel qualifiziere.

Aus diesen Feststellungen zog der Bundesrat den Schluss, dass der Cercle des étrangers im Kursaal zu Genf als ein mit Art. 35 BV im Widerspruch stehendes eigentliches Spielhaus zu betrachten sei, und verfügte durch Beschlüss vom 21. April 1911 *)· die Schliessung dieses Cercle. Mit der Vollziehung des Beschlusses wurde der Staatsrat des Kantons Genf beauftragt.

Zugleich beauftragte der Bundesrat das Justizdepartement, zu untersuchen und zu berichten, ob in Genf noch andere Spielhäuser nach Art des Cercle des étrangers bestehen; ob die moralischen und ökonomischen Gefahren für das Publikum bei dem in Genf und ändern Orts praktizierten Spiel der Boule grösser seien als beim Rösslispiel mit dem vom Bundesrat zuletzt festgesetzten Maximaleinsatz von Fr. 5 ; und endlich, ob es nicht angezeigt wäre, der Bundesrat würde auf seine ursprüngliche Praxis zurückkommen und Glücksspiele nach Art des Rösslispiels ganz verbieten, sofern sie dem Publikum allgemein zugänglich sind.

Der Staatsrat des Kantons Genf stellte mit Schreiben vom 28. April 1911 an den Bundesrat das Ansuchen, seinen Beschlüss vom 21. April in Wiedererwägung zu ziehen, indem er zugleich über dessen Erlass sein Befremden ausdrückte und an dem Vorgehen des Bundesrates Kritik übte. Letzterer trat auf das Gesuch nicht ein. In seinem Antwortschreiben vom 26. Mai 1911 2) stellte er verschiedene Behauptungen und Standpunkte des Staatsrates richtig und wies insbesondere daraufhin, dass die Genfer Regierung früher, durch ihr strenges Vorgehen gegen verschiedene Genfer Cercles im Jahre 1890 (oben Ziffer 7), eine mit derjenigen des Bundesrates übereinstimmende Auffassung an den Tag gelegt habe, in dem Sinne, dass das Verbot des Art. 35 BV nicht durch die Gründung nur scheinbar geschlossener Spielgesellschaften, umgangen werden dürfe.

Im Bericht der nationalrätlichen Kommission über die Geschäftsführung des Bundesrates im Jahre 1911 wurde über diese >) Bundesbl. 1911, II, 1047; 1912, I, 501.

) Bundesbl. 1911, III, 504.

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35 Vorgänge folgendes bemerkt J ) : .,Es gereicht uns zum Vergnügen, festzustellen, dass die Strenge, mit der der Bundesrat die Nachachtung des Spielverbots von den Kantonen' verlangt hat, nicht soweit gegangen ist, wie es einige gewünscht haben. Man hätte dadurch den erfreulichen Aufschwung unterbunden, den die Einführung der Kursäle mit der Zulassung des Rösslispiels unserer Fremdenindustrie verschafft hat. Und doch ist sie die Ursache des Wohlstandes mehrerer unserer Schweizerstädte. Es ist zu wünschen, dass die Schlussfolgerungen, zu denen der Bundesrat nach der Einvernehmung aller kantonalen Polizeidirektionen gelangen wird, geeignet sein werden, die sicherste Gewähr zubieten für den Schutz einer so wichtigen Erwerbsquelle, wie die Fremdenindustrie sie ist. Dies wird die Zentralbehörde nicht hindern, die wahren Spielhäuser, wie sie Art. 35 BV ins Auge fasst, mit allem Nachdruck zu bekämpfen.a 21. In Ausführung des ihm durch den Bundesratsbeschluss vom 21. April 1911 erteilten Auftrags schritt das Justiz- und Polizeidepartement im Sommer und Herbst 1911 zu einer eingehenden Untersuchung, um über den Umfang und die Modalitäten des Spielbetriebs in den Kursälen der Schweiz ins klare zu kommen. Zu diesem Zwecke liess es durch einen seiner höhern Beamten an allen Orten, in denen Kursäle bestehen, während der Hochsaison Inspektionen vornehmen. Dabei wurde so vorgegangen, dass der Inspizierende überall zunächst inkognito, als gewöhnlicher Kurgast, den Spielbetrieb beobachtete und erst an den folgenden Tagen sich legitimierte, um noch ergänzende Informationen einzuziehen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung wurden in einem ausführlichen Bericht an den Bundesrat, vom 19. Dezember 1911, niedergelegt. An diesen Bericht knüpfte das Departement neben einer Darstellung der Entstehungsgeschichte des Art. 35 BV und der bisherigen Praxis der Bundesbehörden eingehende rechtliche Erörterungen über die Spielfrage. Es gelangte dabei zu folgenden Konklusionen : a. Über die Frage, ob die moralischen und ökonomischen Gefahren für das Publikum beim Boulespiel grösser seien als beim .'Rösslispiel : Die Gefahr ist insofern vermehrt, als mit der Boule rascher gespielt werden kann als beim Rösslispiel. Wird aber dieser Nachteil durch Verkürzung der Spielzeit oder Verzögerung des Spieltempos ausgeglichen, so ist das Boulespiel unbedingt vorzuziehen, weil es nicht durch einen verdeckten ') ßuDdesbl. 1912, III, 593.

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Mechanismus in Gang gesetzt wird, sondern vor den Augen des Publikums und für jedermann kontrollierbar sich abwickelt und die subtile, leicht willkürlich scheinende Abmessung des Vorsprungs der Pferdchen zur Ermittlung des gewinnenden unterbleibt. Es scheint somit wünschbar, das Rösslispiel ganz eingehen zu lassen und nur noch das Boulespiel zu gestatten, jedoch mit der angedeuteten zeitlichen Beschränkung.

b. Zu der Frage, ob es nicht angezeigt wäre, Glücksspiele nach Art des Rösslispiels ganz zu verbieten, äusserte sich das Justizdepartement verneinend; es wollte die Abhülfe vielmehr durch eine wirksame Einschränkung des Spiels geschaffen sehen, die ihm den Charakter eines Unterhaltungsspiels, im Gegensatz zu einem vorwiegend oder ausschliesslich der Gewinnsucht entspringenden Interessespiel, erhalten sollen. In diesem Sinne machte das Departement folgende Anregungen : Festsetzung eines Maximaleinsatzes von Fr. 2 oder, falls nur die Fremden zum Spiel zugelassen werden, von Fr. 5 ; Verbot des gleichzeitigen Setzens eines Spielers auf mehrere Felder ; Normierung des Tempos beim Boulespiel auf zwei Spielgänge in der Minute ; Beschränkung der Gewinnchancen des Spielhalters auf eine angemessene Höhe: Vereinbarung gewisser einheitlicher Regeln über die Spielpolizei mit den Kantonen ; ständige polizeiliche Kontrolle des Spielbetriebs durch die Kantone, mit dem Vorbehalt der Aufsicht der Bundesbehörde und ihres Rechtes zu jederzeitiger Intervention.

Das Justizdepartement formulierte seine Anträge an den Bundesrat folgendermassen : Es sei zu ermächtigen, auf Grund der in seinem Bericht niedergelegten Konklusionen mit den Regierungen der beteiligten Kantone in konferenzielle Verhandlung über Festsetzung der Grundsätze einzutreten, nach welchen künftig der Spielbetrieb in den Kursälen vor sich zu gehen habe ; ferner sei das Departement einzuladen, dem Bundesrat die definitiven Anträge über eine im Rahmen von Art. 35 BV bleibende Regelung des Spielbetriebs im Sinne und auf Grund der erwähnten Konklusionen einzureichen.

Der Bundesrat schloss sich im wesentlichen der Auffassung des Justiz- und Polizeidepartements an. Er fasste am 1. März 1912 einen Beschluss '), worin er das Departement einlud, die Regieruhgen sämtlicher -- nicht nur der unmittelbar beteiligten -- Kantone zu der vorgeschlagenen Konferenz einzuberufen. Als Wegleitung ihrer Verhandlungen sollten im wesentlichen die im ') Bundesbl. 1912, I, 476.

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Bericht des Departements gezogenen Schlüsse dienen, denen einige ergänzende Grundsätze als vorläufig zu vertretende Auffassung des Bundesrates beigefügt wurden. Das Departement wurde ferner eingeladen, dem Bundesrat zu gegebener Zeit seine definitiven Anträge über die Normierung des Spielbetriebs einzureichen..

Zahlreiche Eingaben wurden in dieser Zeit von den verschiedensten Seiten an den Bundesrat gerichtet, meist mit dem Begehren auf vollständige Unterdrückung der Glücksspiele in der Schweiz. Der Bundesrat sah sich zu weitern Massnahmen einstweilen nicht veranlasst.

22. Die vom Justiz- und Polizeidepartement dem Auftrag des Bundesrates gemäss einberufene interkantonale Konferenz tagte am 18. und 19. März 1912 in Bern, unter dem Vorsitz des Departementschefs. Sie war von den meisten Kantonen beschickt ; nur die Regierungen von Appenzell A.-Rh., Obwalden, Schaffhausen und Zug hatten auf die Teilnahme verzichtet, und der Vertreter des Kantons Glarus war am Erscheinen verhindert.

Der Vorsitzende legte beim Beginn der Beratungen die Stellungnahme des Bundesrates gegenüber den Kantonen mit folgenden Worten dar: ,,Der Bundesrat geht von der Ansicht aus, dass es in erster Linie Sache der Kantone ist, die Spielpolizei zu handhaben und zu ordnen, und dass der Bundesrat nur insofern zu intervenieren hat, als er im einzelnen Falle findet, der Art. 35 BV sei verletzt. Von diesem Gedanken ausgehend, liegt es dem Bundesrat fern, eine Réglementation von Bundeswegen eintreten zu lassen. Bei dem grossen Streit der Meinungen über die Tragweite des Art. 35 erachtet es der Bundesrat für nützlich, dass eine Abklärung angestrebt und so eine gewisse Basis gefunden würde, gestützt auf welche vielleicht unter den Kantonen eine einheitliche Ansicht betreffend die Reglementierung des Spielbetriebes in den Kursälen erzielt werden könnte." Der Vorsitzende wies auf das Reglement des Verbandes der Kursaalgesellschaften von 1904 hin, dessen Bestimmungen jedoch, wie die Erhebungen des Justizdepartements ergeben hatten, an den einzelnen Orten verschieden ausgelegt wurden.

Zunächst waltete eine allgemeine Diskussion über das Verhältnis von Bund und Kantonen zu einander in der Spielfrage und über die Stellungnahme der Kantone zu den auf gänzliche Unterdrückung der Glücksspiele in den Kursälen gerichteten Bestrebungen. Für ein vollständiges Spielverbot sprach sich nur eine Stimme (der Vertreter von Baselstadt) aus.

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In der Detailberatung wurden die zu erörternden Fragen in vier Gruppen geschieden: a. Frage des Pachtsystems, Verwendung des Reingewinns und Rechnungsablage. Das Verbot des Pachtsysterns fand keine Opposition ; die Konferenz war darin einig, dass die Kursaalgesellschaften das Spiel unter eigenem Namen, auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung zu betreiben haben, und dass jede Beteiligung des Personals am Ertrag des Spiels untersagt sein soll. Der Antrag, dass der nach Ausrichtung eines bescheidenen Zinses für das in den einzelnen Unternehmungen festgelegte Gesellschaftskapital verbleibende Gewinn ausschliesslich zu öffentlichen und gemeinnützigen Zwecken Verwendung finden soll, wurde mit allen gegen eine Stimme angenommen. Ebenso fand die Forderung jährlicher Rechnungsablage der Kursaalgesellschaften an die kantonalen Behörden Zustimmung.

b. Höhe des Einsatzes; Limitierung der Gewinnchancen des Spielhalters; Unterschied zwischen Einheimischen und Fremden.

In diesen Fragen ergab die Diskussion keine völlige Abklärung.

Abgelehnt wurde der Vorschlag, wie in Frankreich die Vergütung des achtfachen anstatt nur des siebenfachen Einsatzes auf der gewinnenden Nummer vorzuschreiben, weil eine solche Vermehrung der Gewinnchancen für das Publikum einen erhöhten Anreiz zum Spiel schaffen würde. Auf Widerstand stiess auch der Gedanke einer allgemeinen Herabsetzung des Maximaleinsatzes von Fr. 5 auf Fr. 2 ; 'die Vertreter der Kantone mit Kursälen machten dagegen geltend, dass letztere auf einen Einsatz von Fr. 5 angewiesen seien, um ihren Betrieb in bisheriger Weise aufrecht erhalten zu können, und dass die Reduktion ihnen insbesondere eine starke Einschränkung ihrer musikalischen Darbietungen zum Schaden der Interessen des Fremdenplatzes überhaupt aufnötigen würde. Schliesslich stimmte die Mehrheit einem vermittelnden Antrage zu, dahingehend, einen Unterschied zu machen zwischen den Kursälen, die den Zutritt zu den Spielen allgemein gestatten, und denjenigen, welche ihn vom Besitz einer Ausweiskarte abhängig machen, und den letztern einen Maximaleinsatz von Fr. 5, den erstem einen solchen von bloss Fr. 2, zu gewähren. Immerhin wurde noch die weitere Prüfung der Frage vorbehalten, besonders auch hinsichtlich der Voraussetzungen und Modalitäten der Erteilung von Ausweiskarten.

c. Geschwindigkeit
und Zeitdauer des Spiels; Boule- oder Rösslispiel? Der Antrag, das Rösslispiel gänzlich durch das Boulespiel zu ersetzen, fand keinen Widerspruch, Die Spielgeschwindig-

39 keit wurde auf zwei Spielgänge in der Minute festgesetzt. Hinsichtlich der Dauer des Spiels wurde auf das Reglement der Kursaalgesellschaften verwiesen.

d. Polizeiliche Fragen: Ausschluss von Minderjährigen und von Militärpersonen ; abgeschlossener Raum ; Anschlag- des Spielreglements ; Verbot von Spielautomaten.. Diese Fragen verursachten keine Schwierigkeiten, die Forderungen fanden allgemeine Zustimmung. Mit allen gegen eine Stimme wurde beschlossen, dass das Spiel in einem abgeschlossenen, selbständigen Räume stattzuünden habe.

Am Schiuse der Verhandlungen sprach sich der Vorsitzende .auf eine aus der Mitte der Konferenz gestellte Anfrage über den formellen Charakter der gefassten Beschlüsse in dem Sinne aus, -dass er nicht an ein Reglement von Bundeswegen denke, sondern an eine zusammenfassende Formulierung in positiver oder negativer Richtung unter Weglassung der polizeilichen Vorschriften; es werde noch angezeigt sein, mit den Vertretern der interessierten Kantone und durch diese mit den Kursaalgesellschaften in nähere Verbindung zu treten, um sie eventuell zu veranlassen, ihr Reglement umzuarbeiten.

23. Wenige Tage nach der Konferenz, am 26. März 1912, kam der Staatsrat des Kantons Genf in einem Schreiben an unser Justizdepartement auf einige der behandelten Fragen zurück. Er führte aus, dass er sich mit einer gleichmässigen Behandlung .aller Kursäle der Schweiz hinsichtlich der Normierung des Zutritts zu den Spielen und der Höhe des Einsatzes nicht befreunden könne. Die Verhältnisse in Genf seien derart, dass es unmöglich erscheine, unter den Besuchern des Kursaals zwischen Fremden und Einheimischen zu unterscheiden; das von einigen Kantonen befürwortete System der nur an die Fremden auszustellenden Ausweiskarten würde ständige Schwierigkeiten im Gefolge haben' und wäre praktisch kaum durchführbar. Eine Herabsetzung des Maximaleinsatzes auf Fr. 2 könne aber einem Etablissement, an das so hohe Anforderungen gestellt werden, und dessen Betrieb, mit so grossen Kosten verbunden sei wie der Genfer Kursaal, nicht zugemutet werden.

Entsprechend dem Ergebnis der Beratung der Konferenz erachtete das Justizdepartement es zunächst noch als notwendigfür das System der Ausweiskarten, welche in den Kursälen mit Einsatzmaximum von Fr. 5 zur Anwendung kommen sollten, eine Formulierung aufzustellen. Es ersuchte den Vertreter der bernischen Regierung, von dem jener Antrag in der Konferenz aus,

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gegangen war, um einen Vorschlag. Nach Anhörung der Kursaalgesellschaften von Bern, Thun und Interlaken schlug die bernischePolizeidirektion folgende Bestimmung vor: ,,Die Ausweiskarten werden von der Kursaalverwaltung oder von besondern Ausgabestellen (Verkehrsbureau, Hoteliers) unter Verantwortlichkeit der Kursaalverwaltung ausgestellt. Sie lauten auf den Namen des Berechtigten, haben seinen regelmässigen Wohnort zu bezeichnen, sind unübertragbar und höchstens für die Dauer einer Spielsaison gültig.

An Einheimische darf eine Ausweiskarte nur auf ihr Verlangen und nur dann abgegeben werden, wenn sie gut beleumdet sind und keine Gefahr besteht, dass sie durch das Spiel ihre ökonomische Existenz gefährden könnten.

Wird das Recht der Ausgabe der Ausweiskarten missbraucht,, so kann es von der kantonalen Polizeibehörde jederzeit beschränkt oder entzogen werden. "· Auf Grund der Konferenzbeschlüsse und dieses ergänzendeu Antrags arbeitete hierauf das Justizdepartement einen Entwurf /M einem neuen Reglement über die Spiele in den Kursälen ans,, den es mit Bericht vom 27. Juni 1912 zugleich mit dem Protokoll der Verhandlungen der Konferenz und einer Zusammenfassung ihrer Ergebnisse dem Bundesrat unterbreitete. Über das weitere Vorgehen äusserte sich das Departement in dem Sinne, es erscheine ihm aus formellen Gründen wünschenswert, dass dieReglementierung des Spiels nicht vom Bundesrat, sondern vom Verband der Kursaalgesellschaften ausgehe. Es beabsichtige daher, den neuen Reglementsentwurf den beteiligten Kantonen zur Kenntnis zu bringen und sie um Bericht zu ersuchen, ob die Kursaalgesellschaften den Entwurf anzunehmen bereit seien, sewie darüber, ob bei den Kantonen Geneigtheit bestehe, die Handhabung des Reglements zu überwachen und die Kontrollo über das Rechnungswesen der Kursäle und -die Verwendung des Reinertrages zu übernehmen. Sei einmal das revidierte Reglement vom Verband der Kursaalgesellschaften angenommen oder von mehreren Kantonen als verbindlich erklärt, so könnte alsdann der Bundesrat beschliessen, dass er die nach den Vorschriften des Reglements in den Kursälen betriebenen Glücksspiele als nicht, unter das Verbot des Art. 35 BV fallend betrachte.

Dieses beabsichtigte Vorgehen des Justizdepartements wurdevom Bundesrat am 6. Juli 1912 gutgeheissen. Mit Kreisschreiben, vom 14. August 1912 brachte das Departement den Reglementsentwurf den Polizeidirektionen der Kantone Bern, Luzern, Aargau,,

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Tessin, Waadt und Genf zur Kenntnis. Die in den Antworten der Kantone und der Kursaalgesellschaften enthaltenen Abänderungsvorschläge wurden zusammengestellt und unter Berücksichtigung derselben ein modifizierter Entwurf ausgearbeitet. Dieser wurde am 23. Januar 1913 von der Delegiertenversammlung des Verbandes der schweizerischen Kursaalgesellschaften als für die dem Verband angehörenden Gesellschaften verbindlich angenommen.

Die Regierungen der Kantone Bern, Luzern, Aargau, Tessin und Waadt erklärten sich zur Übernahme der Kontrolle im Sinne der Anfrage des Justizdepartements bereit; die Regierung von Genf erhob dagegen noch mehrfache Einwendungen, die auch in einer weitern mündlichen Besprechung nicht beseitigt werden konnten, sodass sich der Bundesrat genötigt sah, auf weitere Verhandlungen mit Genf zu verzichten.

24. Nachdem in dieser Weise die Beobachtung einheitlicher Normen über den Spielbetrieb wenigstens in den dem Verband angehörenden Kursaalgesellschaften und durch ihren eigenen Beschluss vereinbart war, fasste der Bundesrat seinerseits am 12. September 1913 einen Beschluss betreffend den Betrieb der Hasardspiele in den Kursälen '), der folgenden Wortlaut hat : I.

,,Der Bundesrat erachtet die in den Kursälen betriebenen Hasardspiele als nicht unter das Verbot des Art. 35 der BV fallend, wenn die nachstehenden Grundsätze beobachtet sind: 1. Die Gesellschaften, von denen ein Kursaal betrieben wird, sollen ihrer Zusammensetzung nach als die berufenen Vertreter der Interessen des betreffenden Kurplatzes gelten können und die nötige Garantie für einen geordneten Spielbetrieb bieten.

In den Kursälen soll kein anderes Hasardspiel als das Boulespiel betrieben werden. Alle ändern Hasardspiele mit Geldeinsatz sind untersagt.

2. Die Gesellschaften betreiben das Spiel unter eigenem Namen, auf eigene Rechnung und unter eigener Verantwortung.

Der Betrieb des Spiels darf unter keiner Form verpachtet werden.

3. Der Reinertrag aus dem Betrieb eines Kursaals darf von der Kurgesellschaft nur zur Förderung des Fremdenverkehrs des Kurortes oder Fremdenplatzes oder zu anderweitigen öffentlichen ') Bundesbl. 1913, IV, 198; 1914, I, 372.

42 oder gemeinnützigen Zwecken verwendet werden. Jede andere Verwendung ist ausgeschlossen.

Bei Ausmittlung des Reinertrages kann eine Verzinsung des in der Unternehmung festgelegten Gesellschaftskapitals bis auf 5 °/o, sowie je eine Quote zur Äufnung eines Amortisationsfonds und eines den Verhältnissen entsprechenden Reservefonds in Rechnung gebracht werden. Die Einlagen in diese beiden Fonds unterstehen der jährlichen Genehmigung seitens der kantonalen Aufsichtsbehörde.

4. Dem Spielpersonal, unter Binschluss der mit der Leitung und Kontrolle des Spiels betrauten Organe, darf weder aus dem Spielertrag noch aus dem Gesamtertrag des Kursaalbetriebes eine vom Ertrag abhängige Dividende oder Provision ausgerichtet werden.

5. Die Kursaalgesellschaften haben die Betriebsrechnung alljährlich den kantonalen Behörden zur Prüfung zu unterbreiten.

Die Organe des Bundes sind befugt, von den Rechnungen jederzeit Einsicht zu nehmen.

6. Das Boulespiel wird nach dem Tafelsystem betrieben.

Die Gewinnchance des Publikums darf nicht weniger als '/o der Nummern betragen. Auf einer gewinnenden Nummer soll das Siebenfache des Einsatzes vergütet werden \ auf den Banden (rot und blau, I. und II. Klasse, gerade und ungerade) erhält der Gewinner das Doppelte des Einsatzes.

7. Die Spielgeschwindigkeit soll fünf Spielgänge in zwei Minuten nicht übersteigen. Die Kursaalgesellschaften übernehmen die Verpflichtung, die Geschwindigkeit des Spiels zu kontrollieren.

8. Die Einsätze sind bar zu erlegen. Die Verwendung von Spielmarken (jetons) ist untersagt.

9. Der Maximaleinsatz eines Spielers in einem Spielgang (sei es, dass dieser Einsatz als Ganzes auf eine Nummer bzw.

Bande oder in Bruchteilen auf mehrere Nummern bzw. auf Bande und Nummern gesetzt wird) wird festgesetzt : a. für diejenigen Spielsäle, zu welchen das Publikum ohne Ausweiskarte Zutritt hat, auf Fr. 2; b. für diejenigen Spielsäle, zu welchen das Publikum nur mit besonderer Ausweiskarte Zutritt hat, auf Fr. 5.

Die Abgabe von Ausweiskarten im Sinne von lit. b erfolgt in Gemässheit der nachstehenden Regeln : Die Ausweiskarten werden von der Kursaalverwaltung oder von besondern Ausgabestellen (Verkehrsbureau, Hoteliers) unter

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Verantwortlichkeit der Kursaalverwaltung ausgestellt. Sie lauten a,uf den Namen des Berechtigten, haben seinen regelmässigen "Wohnort zu bezeichnen, sind unübertragbar und höchstens für ·die Dauer einer Spielsaison gültig.

An Einheimische darf eine Ausweiskarte nur auf ihr Verlangen und nur dann abgegeben werden, wenn sie gut beleumdet :sind und keine Gefahr besteht, dass sie durch das Spiel ihre ökonomische Existenz gefährden könnten.

Wird das Recht zur Ausgabe der Ausweiskarten missbraucht, so kann es von der kantonalen Polizeibehörde jederzeit beschränkt ·oder entzogen werden.

10. Das Spiel soll nur während der Dauer der Konzerte und sonstiger Veranstaltungen musikalischer oder dramatischer Natur nachmittags und abends betrieben werden und darf nicht über Mitternacht hinausgehen.

11. Das Spiel soll in einem besondern Saale installiert werden, ·der von den übrigen Räumlichkeiten des Kursaals getrennt ist und nicht als Durchgang oder als Wandelhalle des Publikums dient.

12. Der Zutritt zum Spielsaal ist Kindern im schulpflichtigen Alter (bis zu 15 Jahren) untersagt. Minderjährige im Alter von 15--20 Jahren haben Zutritt in Begleitung der Eltern, sind je·doch von der Teilnahme am Spiel ausgeschlossen.

13. Die Beteiligung am Spiel ist untersagt: a. dem uniformierten Personal der öffentlichen Transportanstalten, mit Einschluss der Spezialbahnen, Trams und Schiffkurse ; b. dem uniformierten Personal der eidgenössischen Post-, Telegraphen- und Zollverwaltung ; c. dem gesamten Verwaltungs- und Dienstpersonal jedes Kursaales.

14. Die Vorschriften betreffend die Spielpolizei (Ziffern 12 und 13), sowie die Bestimmungen des Spielreglements (Ziffern 6--9) «ollen durch Anschlag im Spielsaal bekanntgegeben werden.

15. Die der Kursaalgesellschaft gehörenden oder von ihr gemieteten Gebäulichkeiten, oder Teile derselben, dürfen nicht zu anderweitigen Spielzwecken Verwendung finden; die Vermietung von Lokalitäten zu solchen Zwecken ist untersagt.

II.

Die Kantone haben über die Einhaltung dieser Grundsätze .zu wachen und die Spiele einer polizeilichen Kontrolle zu unter ^

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stellen. Sie prüfen die jährlichen Betriebsrechnungen der Kursäle und kontrollieren insbesondere die Verwendung des Reinertrages.

Die Betriebsrechnungen sind zur Verfügung des schweizerischen Justiz- und Polizeidepartements zu halten.

Es steht den Kantonen frei, den Betrieb der Hasardspiele noch weitern Einschränkungen zu unterwerfen oder gänzlich zu verbieten.

in.

Der Bundesrat behält sich vor, den Spielbetrieb in einem Kursaal jederzeit gänzlich zu verbieten, wenn die Organisation des Kursaals oder der Betrieb des Spiels den vorstehenden Grundsätzen nicht entspricht.

IV.

Diese Bestimmungen treten mit 1. Januar 1914 in Wirksamkeit."

*

*

Die beteiligten Kantone wurden eingeladen, dafür zu sorgen, dass die in diesem Beschluss niedergelegten Grundsätze vom 1. Januar 1914 hinweg Anwendung finden konnten. Gleichzeitigbeauftragte der Bundesrat das schweizerische Militärdepartement, durch Dienstbefehl sämtlichen Militärpersonen in Uniform dieTeilnahme an den Hasardspielen in den Kursälen zu untersagen.

Die unter l zusammengefassten Bestimmungen des Bundesratsbeschlusses sind beinahe identisch mit den Vorschriften des.

vom Verband der Kurhausgesellschaften angenommenen neuen Reglements, das, wie erwähnt, vom Justizdepartement ausgearbeitet worden war. Die Abweichungen bestehen nur darin, dass im Reglement der erste Absatz der Ziffer l des Bundesratsbeschlusses fehlt und Absatz 2 von ,,Glücksspielen'1 anstatt ,,Hasardspielen"1 spricht, dass Ziffer 3 etwas anders redigiert ist, und dass das Reglement in Ziffer 10 beifügt, das Spiel solle nicht vor 3 Uhr nachmittags beginnen. Im übrigen ist die Übereinstimmung eine wörtliche.

25. Am 18. Dezember 1913 wurde im Nationalrat eine Interpellation eingereicht, die folgenden Wortlaut hatte: ,,Die Unterzeichneten wünschen den Bundesrat über die Beobachtung des Art. 35 der B V und über den Bundesratsbeschluss vom 12. September 1913 über den Betrieb der Glücksspiele in den Kursälen zu interpellieren.tt Unterzeichner der Interpellation waren

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die Nationalräte Graber, Affolter, Frei (Basel), Greulich, Grimm, Näher, Naine, Pflüger, Rickli, Schenkel, Seidel, Sigg (Genf), Sigg {Zürich), Studer (Winterthur), Wullschleger. Die Interpellation wurde am 2. April 1914 vom Vorsteher des Justiz- und Polizei·departements im Sinne der bisherigen Auffassung und Praxis des Bundesrates beantwortet. Der Interpellant erklärte sich für nicht befriedigt. Eine Diskussion fand nicht statt.

26. Im Januar 1914 ging dem Justizdepartement die Mitteilung .zu, es werden in einem Hotel zu St. Moritz Hasardspiele betrieben. Unter Hinweis auf den Bundesratsbeschluss vom 12. September 1913 ersuchte das Justizdepartement dasjenige des Kts.

Graubünden um Aufschluss. Die hierauf angeordnete Untersuchung ergab, dass der ,,Engadin Club"1, eine geschlossene Gesellschaft, vom Januar bis März 1914 in einer gemieteten Villa in St. Moritz Glücksspiele betrieb, die dann eingingen. Unser Justizdepartement sah sich daher nicht veranlasst, der Sache weitere Folge zu geben ; es bemerkte in einem Schreiben vom 1. Februar 1915 an Graubünden : ,,Diese Verhältnisse führen zu dem Schlüsse, dass es sich hier nicht um ein öffentliches, dem Publikum frei zugängliches Spielhaus gehandelt hat, und das Hasardspiel keinen gewerbsmässigen Charakter an sich trug. Eine Verletzung des Art. 35 B V kommt daher unseres Erachtens nicht in Frage.tt 27. Laut Publikation im Schweizerischen Handelsamtsblatt ·wurde im März 1914 unter dem Namen ,,Société Genevoise du Kursaal"1 eine Aktiengesellschaft gegründet ,,ayant pour objet la location et l'exploitation du Kursaal de Genève1'. Unser Justiz·departement wandte sich àm 26. März an den Genfer Staatsrat, ihn um Auskunft darüber ersuchend, ob diese neugegründete Gesellschaft ihrer Zusammensetzung nach die im Bundesratsbeschluss vom 12. September 1913 unter I, Ziffer l, geforderte Eigenschaft besitze und ob das Verbot der Verpachtung des SpielTjetriebs gemäss Ziffer 2 des Beschlusses nicht verletzt werde.

Ferner wünschte das Justizdepartement Aufschluss über das Verhältnis der neuen Gesellschaft zu der bereits seit 1911 bestehenden ,,Société immobilière et d'exploitation du Kursaal de Genève"1, insbesondere zur Feststellung der Verwendung des Reinertrags der Spiele, sowie endlich darüber, ob die durch den Bundesratsbeschluss notwendig gewordenen baulichen
Veränderungen im Kursaal vorgenommen seien, und ob der sog. ,,Cercle du Léman", der sich nach der Schliessung des Cercle des étrangers gebildet hatte, die Räumlichkeiten des Kursaals verlassen habe.

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Am 5. Mai 1914 übersandte der Staatsrat von Genf der» Justizdepartement'einen Bericht der Société immobilière et d'exploitation du Kursaal, dem aber wesentlich nur zu entnehmen war, dass diese Gesellschaft der neugegründeten Société genevoisedû Kursaal den Betrieb des Etablissements um eine jährlicheSumme von Fr. 300,000, später Fr. 400,000, verpachtet hat. Mit Schreiben vom 15. Juni an den Staatsrat von Genf machte das Justizdepartement darauf aufmerksam, dass diese Art des Betriebes nach den vom Bundesrat aufgestellten Grundsätzen unzulässig sei. Es wies sodann darauf hin, dass die Mehrheit der elf Aktionäre der neuen Gesellschaft, deren Aktienbesitz zugleich die Mehrheit des Aktienkapitals ausmache, im Ausland wohneund ein Mitglied des Verwaltungsrates ebenfalls Ausländer seir so dass diese Gesellschaft schwerlich als Vertreterin der Interessen des Kurplatzes Genf im Sinne der Ziffer l des Bundesratsbeschlusses vom 12. September 1913 gelten könne. Endlich forderte das Departement neuerdings die Entfernung des Cercle du Léman aus dem Kursaal, zumal es davon unterrichtet worden war, dass in diesem Klub Baccarat um hohe Beträge gespielt werde.

Die Genfer Regierung bestritt letzteres nicht, vertrat aber den Standpunkt, sie habe keinen Anlass, einzuschreiten, da es1 sich um eine geschlossene Gesellschaft handle. Das Justizdepartement antwortete, es erscheine dessen ungeachtet gemäss Ziffer 15des mehrerwähnten Beschlusses als unstatthaft, dass dieser Spielklub sich im Kursaal aufhalte, wenn auch in abgesonderten Räumlichkeiten desselben, und fügte bei, im Falle längerer Duldung, dieses Zustandes würde sich die Bundesbehörde zu strengen Massnahmen veranlasst sehen.

Am 1. Februar 1916 erstattete die Genfer Regierung einenBericht, worin sie erklärte, die Fortführung des Kursaalbetriebs in Genf sei im Interesse der Stadt geboten;, der von den kantonalen Behörden überwachte Betrieb habe zu keinen begründeten Klagen Anlass geboten, und namentlich sei durch eine neue Untersuchung festgestellt worden, dass die Pächterin des Kursaals im allgemeinen die Weisungen des Genfer Polizeidepartements unddie im Bundesratsbeschluss aufgestellten Regeln über das Boulespiel beobachtet habe. Die Verpachtung des Kursaalbetriebs sei durch die Umstände gerechtfertigt, und übrigens habe der Betrieb im Jahre 1914 mit einem
bedeutenden Defizit abgeschlossen, was auch für 1915 zu erwarten . sei. Im Cercle du Léman werdeallerdings täglich Baccarat gespielt, und zwar um sehr hoheSummen. Allein die Praxis der Genfer Gerichte und die Aus-

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legung, die der Bundesrat selbst dem Art. 35 BV gegeben habe, gestatte dem Staatsrat nicht, sich in die Handlungen dieser privaten Gesellschaft einzumischen, deren Mitglieder die Spielchancen auf sich nehmen, ohne dass ein am Ergebnis des Spieles beteiligter Spielhalter dabei in Betracht falle. Die vom Cercle gemieteten Räumlichkeiten seien von denjenigen des Kursaals getrennt und dienen verschiedenen privaten Zwecken, so auch als Versammlungsräume für die Klubmitglieder ; ihre Benützung könne von der Kursaalverwaltung nicht kontrolliert werden. Das Hasardspiel bilde nur einen Teil der Betätigung des Klubs, und von einer Vermietung der Räume zu anderweitigen Spielzwecken im Sinne der Ziffer I, 15, des Bundesratsbeschlusses könne demnach nicht gesprochen werden.

Hierauf fasste der Bundesrat am 5. Mai 1916 folgenden Beschluss : ,,Der Betrieb des Boulespiels im Kursaal Genf wird für solange verboten, als dem Bundesrat nicht der Nachweis erbracht wird, dass Organisation und Betrieb des Kursaals den Anforderungen des Bundesratsbeschlusses vom 12. September 1913 entsprechen."1 *) In der Begründung dieses Beschlusses führte der Bundesrat aus, dass die Organisation und der Betrieb des Genfer Kursaals in verschiedener Hinsicht mit den im Beschluss vom 12. September 1913 aufgestellten Regeln unvereinbar sei. Einmal könne die den Betrieb führende Société genevoise du Kursaal nicht .als berufene Vertreterin der Interessen des Kurplatzes Genf im Sinne der Ziffer I, l, betrachtet werden und stelle die Verpachtung des Betriebes an diese Gesellschaft offenbar eine Umgehung der Ziffer I, 2, dar. Sodann stehe die Duldung des Baccaratspiels in den dem Cercle du Léman vermieteten Räumen des Kursaals im Widerspruch mit Ziffer I, 15, des Bundesratsbeschlusses, wobei dem Umstand keine Bedeutung zukomme, ob dieser Klub als eine private Gesellschaft zu betrachten sei oder nicht, da jede Verwendung der Räume zu anderweitigen Spielzwecken unzulässig sei ; nur wenn der Cercle auf das Glückspiel verzichte, wäre gegen sein Verbleiben in den Räumen des Kursaals nichts einzuwenden. Die festgestellten Verstösse gegen die im Beschluss vom 12. September 1913 niedergelegten Grundsätze führten den Bundesrat dazu, das Boulespiel im Genfer Kursaal als einen durch Art. 35 BV verbotenen Spielbetrieb zu betrachten und bis zur Beseitigung der gerügten Übelstände zu untersagen.

*) Bundes!)]. 1916, II, 505.

;

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D. Aasländische Gesetzgebung.

Der Vollständigkeit halber und um einen Vergleich zu ermöglichen, mag ein Blick auf die derzeitige Gesetzgebung der uns umgebenden Länder in bezug auf die Glücksspiele geworfen werden.

In Deutschland sind öffentliche Spielbanken durch Gesetz vom I.Juli 1868 verboten; die damals konzessionierten Spielbanken mussten auf Ende 1872 geschlossen werden. Es wurde bereits hervorgehoben, dass diese Massnahme zur Einführung unseres Verfassungsartikels beigetragen hat. Die Glücksspiele als solche sind in Deutschland nicht untersagt, auch nicht .bestimmte Arten derselben. Sie werden nur insoweit verfolgt, als sie besonders qualifiziert auftreten, nämlich an öffentlichen Orten oder gewerbsmässig oder in übermässiger Ausübung seitens einer Person, ferner natürlich bei betrügerischem Spielbetrieb (vgl. die §§ 284 und 285 des Reichsstrafgesetzbuches). In diesem Umfang ist das Spielverbot durch Strafsanktionen unterstützt.

Frankreich hat bereits im Jahre 1836 die Spielbanken gesetzlich aufgehoben, und der Art. 410 des Code pénal bedroht mit Strafe ,,ceux qui auront tenu une maison de jeux de hasard et y auront admis le public, soit librement, soit sur présentation des intéressés ou affiliés, les banquiers de cette maison,... tous administrateurs, préposés ou agents de ces établissements". In Entscheiden der Cour de cassation aus den Jahren 1811 und 1839 wurde die Öffentlichkeit als Kriterium der Strafbarkeit, die Höhe der Einsätze dagegen als unerheblich erklärt. Doch sind heute in den Kur- und Badeorten Frankreichs öffentliche Glücksspiele zugelassen, wenn auch mit beschränktem Zutritt. Vom 15. Juni 1907 datiert die ,,Loi réglementant le jeu dans les cercles et les casinos des stations balnéaires, thermales et climatériques", der verschiedene Ausführungsdekrete folgten. Die in diesen Erlassen enthaltenen Bestimmungen wurden zusammenfassend niedergelegt in einer ,,Instruction sur la réglementation des jeux dans les cercles et casinos des stations balnéaires, thermales et climatériquestt vom 18. Mai 1909. Danach sind nur einige bestimmte Spiele zugelassen (Petits chevaux und die verwandten Spiele, Baccarat, Ecarté, Whist, Bridge, Besigue und Piquet), und zwar ausschliesslich in den genannten Etablissementen. Die Zutrittsbedingungen sind verschieden normiert: das Rösslispiel kann auf
Grund einer Eintrittskarte zu den Kasinos besucht werden, während die übrigen Spiele nur Personen zugänglich sind, die eine Gebühr entrichten und sich durch eine

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die genauen Personalien enthaltende Legitimationskarte ausweisen.

Vom Bruttoertrag der Spiele müssen 15 °/o für öffentliche, gemeinnützige Zwecke der Behörde abgeliefert werden, unter Vorbehalt weiterer Leistungen an die Gemeinden. Über die Beaufsichtigung des Spielbetriebes und die Kontrolle der Einnahmen ·enthält die Instruktion sehr eingehende Vorschriften ; die Spielregeln sind bis ins einzelne festgesetzt.

Weiter gehen die Gesetze der übrigen Nachbarstaaten. Italien verbietet die öffentlichen Glücksspiele unbedingt. Wie wir ·einer privaten, auf italienische Zeitungsberichte gestützten Mitteilung entnehmen, fanden aber trotz des gesetzlichen Verbots in zahlreichen Kursälen und Kasinos die Glücksspiele Eingang. Nach anfänglicher Duldung derselben schritt die Regierung plötzlich energisch ein und hob die Spielbetriebe auf, so dass sie nun im ganzen Gebiet des Königreichs verschwunden sein sollen. Von den Unternehmern wurden Anstrengungen gemacht, die Ersetzung des gänzlichen Verbots durch eine gesetzliche Reglementierung der Spiele nach französischem Vorbild zu erwirken. Zur Unterstützung dieser Bestrebungen fand im November 1912 ein Kongress statt, der durch seine Beschlüsse einen Einfluss auf die Behörden auszuüben hoffte. Allein die Regierung soll die Begehren um Tolerierung der Spiele unter staatlicher Aufsicht mit grosser Entschiedenheit abgelehnt haben.

Österreich untersagt alle reinen Glücksspiele und hat ausserdem einen Katalog verbotener Spiele aufgestellt; nach § 522 des allgemeinen Strafgesetzbuches macht sich jeder Teilnehmer an ·solchen Spielen wie auch derjenige strafbar, der sie in seiner Wohnung spielen lässt.

Wie Italien verbieten auch Ungarn, England, Holland und Spanien die öffentlichen Glücksspiele schlechtweg. In Belgien bestehen ähnlich wie in der Schweiz öffentliche, von der Obrigkeit geduldete Hasardspiele. Einige amerikanische Staaten endlich haben jedes Glücksspiel und jeden Spielgewinn für ein Delikt erklärt (vgl. Handwörterbuch der Staatswissenschaften von Elster etc., 3. Aufl., B. 7, S. 681).

E. Rechtliche Erörterungen.

I.

Das Initiativbegehren auf Abänderung des Art. 35 BV ist in der Form des ausgearbeiteten Entwurfs eingereicht worden.

Die Bundesversammlung hat darüber Beschluss zu fassen, ob sie Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. III.

4

50 dem Initiativentwurf, wie er lautet, zustimmen will oder nicht, w.obei sie nach Art. 121, Absatz 6, BV in verschiedener Weise Stellung nehmen kann. Stimmt sie dem Entwurf zu, so ist er ohne weiteres dem Volke und den Ständen zur Annahme oder Verwerfung vorzulegen. Das nämliche tritt ein, wenn ein übereinstimmender Beschluss der Räte nicht zustande kommen sollte (Bundesgesetz über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung, vom 27. Januar 1892, Art. 9). Beschliesst die Bundesversammlung, dem Entwürfe nicht zuzustimmen, so kann sie ihn auch in diesem Falle ohne weiteres der Abstimmung des Volkes und der Stände unterbreiten oder einen ausdrücklichen Verwerfungsantrag damit verbinden oder endlich einen eigenen Entwurf beschliessen, der alsdann gleichzeitig mit dem Initiativbegehren dem Volke und den Ständen zur Abstimmung vorzulegen ist (Art. 10 und 11 des erwähnten Gesetzes). Je nachdem der Beschluss der Räte ausfällt, werden sich also Volk und Stände über die einfache Annahme oder Verwerfung des Initiativentwurfs auszusprechen oder aber zwischen den mehreren Vorschlägen zu entscheiden haben.

n.

Handelt es sich' nun darum, die Grundlagen für die Entscheidung über die Stellungnahme zur Initiative zu finden, so erscheint es zweckmässig, von einer Vergleichung des geltenden Rechtszustandes mit dem Rechtszustand auszugehen, der durch die Annahme der Initiative geschaffen würde.

Das Initiativbegehren erfasst materiell nur die beiden ersten Absätze des Art. 35 BV; der dritte, auf die Lotterien bezügliche Absatz soll unverändert bleiben. An die Stelle der beiden ersten Absätze sollen drei neue treten, deren erster jedoch mit dem ersten Satz des gegenwärtigen Artikels identisch ist, indem er wie dieser das allgemeine Verbot der Errichtung von Spielbanken statuiert. Der Verfassungsgrundsatz an sieh soll also der nämliche bleiben. Das Schwergewicht der vorgeschlagenen Neuerung liegt im zweiten Absatz, der eine Definition des Begriffs der Spielbank enthält, und zwar in dem Sinne, dass als Spielbank jede Unternehmung anzusehen sei, die Glücksspiele betreibt. Daran knüpft der dritte Absatz des Entwurfs als Konsequenz die Forderung der Schliessung aller jetzt bestehenden, nach der gegebenen Definition unter den Begriff der Spielbank fallenden Betriebe binnen fünf Jahren nach Annahme des neuen Verfassungsartikels. Diese

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Bestimmung würde an die Stelle von Absatz l, Satz 2, und Absatz 2 des gegenwärtigen Artikels treten.

Gegenüber dem geltenden Rechtszustand würde der Initiativentwurf sowohl in formeller wie in materieller Hinsicht eine Änderung zur Folge haben : a. Formell liegt die Neuerung darin, dass der Entwurf den Begriff der Spielbank in der Verfassung selbst umschreiben will, während der gegenwärtige Art. 35 lediglich ein Verbot der Spielbanken aufstellt, ohne zu sagen, was er unter diesem Ausdruck versteht. Es war demnach bisher Sache des Bundesrats, der die Bundesverfassung zu vollziehen und über die Beobachtung des verfassungsmässigen Verbots zu wachen hat, den Begriff der Spielbank zu bestimmen. Da dieser nicht abgeklärt ist, war dem Ermessen der vollziehenden Behörde in der Handhabung des Verbots bisher ein weiter Spielraum gelassen. Diese Freiheit der Interpretation will die Initiative einengen, wo nicht ganz ausschliessen, indem sie den Geltungsbereich des Verbots durch eine Definition der Spielbank selbst umschreibt.

b. Auch materiellrechtlich schliesst der Initiativentwurf eine Neuerung in sich, die freilich weniger leicht zu präzisieren ist.

Die Vollziehungsbehörde hat dem Spielbankverbot eine nicht zu jeder Zeit und in allen Beziehungen übereinstimmende Auslegung gegeben; es finden sich, wie noch näher nachzuweisen sein wird, einzelne, wenn auch wenige Merkmale, hinsichtlich deren Bedeutung für den Spielbankbegriff die Auffassung des Bundesrates im Laufe der Jahrzehnte, während welcher er den Verfassungsartikel anzuwenden hatte, geschwankt hat. Obwohl es also bisher an einer verfassungsrechtlichen oder gesetzlichen Definition der Spielbank fehlte und auch die Praxis des Bundesrates diesen Begriff nicht in unzweifelhafter Weise festgestellt hat, lässt sich doch soviel sagen, dass der Initiativentwurf dem Spielbankverbot einen von der bisherigen Auslegung abweichenden weitern Inhalt gibt, indem er jede Unternehmung, die Glücksspiele betreibt, als Spielbank aufgefasst wissen will. In dieser Ausdehnung des Verbots liegt denn auch der Zweck der Initiative, und zwar sollen durch die neue Fassung insbesondere die Spiele in den schweizerischer» Kursälen getroffen werden, die ja bisher ganz vorwiegend den Streit der Meinungen über die Bedeutung des Art. 35 hervorgerufen haben.

Unter beiden angedeuteten Gesichtspunkten ist der Initiativentwurf zu prüfen. Es ist zunächst die Frage zu erörtern, ob an und für sich die Aufnahme einer Definition der Spielbank

52 in dea Verfassungsartikel wünschenswert oder notwendig sei, ob sie einen Fortschritt gegenüber dem Wortlaut des gegenwärtigen Art. 35 bedeute. Das Hauptgewicht aber liegt in der Prüfung des materiellen Inhalts des vorgeschlagenen Artikels. Ob die im Entwurf gegebene Umschreibung des Spielbankbegriffs gutgeheissen wird oder nicht, davon hängt vor allem die Stellungnahme zur Initiative ab.

In der materiellrechtlichen Erörterung wird es zweckmässig sein, zunächst den Spielbankbegriff nach der Auffassung des Bundesrates darzustellen, wie sie sich aus seiner bisherigen Praxis ergibt. Ihm ist der Spielbankbegriff des Initiativentwurfs gegenüberzustellen, Je nach dem Ergebnis der Vergleichung und Kritik wird endlich zu erwägen sein, ob der Bundesversammlung die Aufstellung eines eigenen Revisionsentwurfs beantragt werden soll.

III.

Die Umschreibung des Spielbankbegriffs in der Verfassung selbst ist das hervorstechende Merkmal, welches den Initiativentwurf formell vom geltenden Art. 35 BV unterscheidet. Allgemein lässt sich sagen, dass der Gesetzgeber Definitionen dann wird entbehren können, wenn die von ihm gebrauchten Ausdrücke nach dem Sprachgebrauch oder dank dem Zusammenhang klar und bestimmt genug erscheinen, um eine sichere Deutung zuzulassen. Aber auch wo dies nicht der Fall ist, wie gerade beim Ausdruck ,,Spielbank11, kann der Gesetzgeber Gründe haben, die Umschreibung eines Begriffs im Gesetz zu vermeiden und sie der Wissenschaft und Rechtsprechung zu überlassen.

Zugunsten der Definition der Spielbank in der Verfassung selbst spricht gerade die bisherige Unsicherheit in der Auslegung des Art. 35 ; es wäre an sich wünschenswert, wenn diese Unsicherheit durch eine vom Verfassungsgesetzgeber selbst beigefügte Erläuterung darüber, was er unter einer Spielbank verstehe, beseitigt werden könnte. Freilich ist dabei im Auge zu behalten, dass auch die unmittelbar ins Gesetz aufgenommenen Definitionen die Begriffe nicht immer in einer Weise klarzustellen vermögen, die jeden weitern Zweifel ausschliesst; die Worte, die zur Umschreibung eines Begriffs dienen, können ihrerseits wieder einer verschiedenen Auslegung fähig sein. Dies trifft gerade für die Formulierung des Entwurfs zu : die Definition des ,,Glücksspiels" bietet Schwierigkeiten, und wann eine ,,Unternehmung" gegeben sei, ist ebenfalls nicht leicht zu sagen. Auch der Ent-

53 wurf schafft mithin keinen durchaus eindeutigen Spielbankbegriff und würde nicht jede Unsicherheit in der Auslegung und Anwendung des Verbotes ausschliessen.

Andererseits schliessen gesetzliche Definitionen die Gefahr in sich, in ihrem starren Wortlaut sich der steten Entwicklung der Dinge nicht anpassen zu können und deshalb mit der Zeit zu eng zu werden, während Doktrin und Praxis neuen Tatsachen und Erscheinungen bei der Auslegung der Gesetze Rechnung tragen können und müssen. Auch verfassungsrechtliche Begriffe unterliegen den Wandlungen der Zeit, und eine heute erlassene Verfassungsbestimmung wird vielleicht in einer spätem Epoche um so besser ihren Zweck erfüllen, je weniger eng sie auf die heutigen Verhältnisse zugeschnitten wird. Wir weisen in dieser Beziehung auf das Absinth verbot des Art. 32ter hin, das ebenfalls keine Definition des Absinths und der ihm ähnlichen Getränke enthält; man wollte es vorsichtigerweise der den Verfassungsartikel ausführenden Gesetzgebung und Praxis überlassen, die unter das Verbot fallenden Getränke zu bestimmen.

Es gibt demnach Gründe für wie gegen die Definition der Spielbank in Art. 35.

Dass die Urheber der Initiative sich für die Legaldefinition entschlossen haben, liegt schon in dem von ihnen verfolgten Zweck begründet. Den Initianten steht ein bestimmter, gegenwärtig in der Schweiz vorkommender Spielbetrieb vor Augen, dessen Unterdrückung sie verlangen und mit der Initiative erreichen wollen. Da das Spielbank v erbot bereits in der Verfassung steht, konnte es sich in Verfolgung dieses Zieles nur noch darum handeln, eine Bestimmung beizufügen, die unzweifelhaft bewirken würde, dass jene Spielbetriebe unter das Verbot fielen.

Der Bundesrat hält es umgekehrt für besser, von einer Umschreibung des Spielbankbegriffs in der Verfassung abzusehen.

Er betrachtet diesen Begriff nicht als absolut feststehend und möchte ihn nicht ein für allemal durch eine unabänderliche Formel festgelegt wissen. Dazu führt ihn gerade die Entwicklung der Spielbankfrage. Als im Jahre 1874 mit der neuen Verfassung das Spielbankverbot eingeführt wurde, war ganz klar, dass es sich gegen das einzige damals in der Schweiz noch bestehende öffentliche Spielinstitut von Saxon richtete. Diese ,,Spielhölle" sollte verschwinden und die Gründung ähnlicher Institute im Lande verhindert werden. Eine nähere Umschreibung dessen, was der Art. 35 unter einer Spielbank oder unter den ,,bestehenden

54 Spielhäuserna verstand, wäre damals durchaus überflüssig erschienen. Das Institut von Saxon verschwand. Später aber tauchten da und dort die Kursaalspiele auf und ferner gewisse Spielgesellschaften, wie die Cercles in Genf. Damit entstand die Frage nach der Bedeutung und Tragweite des Art. 35; die Behörden hatten zu prüfen, ob die neu aufgekommenen Spielbetriebe unter das Spielbankverbot fielen. Massgebend konnte aber dabei richtigerweise nicht der Umstand sein, ob diese Neuerscheinungen mit dem ehemaligen Unternehmen von Saxon eine mehr oder weniger grosse Ähnlichkeit aufwiesen, sondern es war selbständig zu entscheiden, ob es im Sinne des Art. 35 liege, diese Spielbetriebe ebenfalls zu verbieten. Hätte im Jahre 1874 die Verfassung den Gegenstand des Spielbankverbots nach dem Vorbild von Saxon präzisiert, so wäre leicht möglich gewesen, dass sie die neuen Betriebe nicht mehr erfasst hätte, und dass damit die Möglichkeit ihrer Unterstellung unter das Verbot von vornherein abgeschnitten gewesen wäre. Eine entsprechende Folge könnte sich für die Zukunft ergeben, wenn der Entwurf der Initianten angenommen wird und die heutigen Kursaalspiele verschwinden. Es können später Spielbetriebe in einer heute noch unbekannten Form auftauchen, die vielleicht an sich bedenklicher sind als die heutigen Kursaalspiele, aber nicht unter die Definition des Entwurfs passen. Alsdann würde der Verfassungsartikel seinen Zweck verfehlen oder eine neue Revision notwendig machen.

Ein Spielbankverbot, das sich einer Definition enthält, ist elastischer und bietet durch die Möglichkeit einer freien Auslegung mehr Gewähr für die Zukunft als ein Verbot, das sich nach Art des Initiativentwurfs selbst seine Grenzen zieht, die einmal zu eng werden können. Der Bundesrat gibt deshalb einer Fassung des Art. 35, die eine Definition der Spielbank nicht enthält, den Vorzug.

IV.

Die materiellrechtlichen Erörterungen, denen wir uns nun zuwenden, haben zunächst den Inhalt des Spielbankverbots einerseits nach dem gegenwärtigen Art. 35, anderseits nach dem Initiativentwurf festzustellen und sodann zu entscheiden, welche der beiden Formulierungen als Verfassungsgrundsatz den Vorzug verdiene. Der Sinn des geltenden Art. 35 lässt sich aber nicht zuverlässig durch eine einfache Formel nach Art derjenigen des Initiativentwurfs ausdrücken, er muss vielmehr durch Auslegung ermittelt werden. Diese Aufgabe ist bisher dem Bundesrat als

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der das Verbot vollziehen len Behörde zugefallen, und er hat seine Auffassung in den zahlreichen oben angeführten Äusserungen und Verfügungen kundgegeben. Eine eigentliche Definition der Spielbank aufzustellen, hat der Bundesrat allerdings stets vermieden, um nicht per freien Auslegung für die Zukunft irgendwie vorzugreifen. Eil konnte sich damit begnügen, gewisse Grundsätze festzustellen, d|e er als wesentlich betrachtet, und nach Massgabe derselben die Anforderungen zu bezeichnen, die «r an einen Spielbetrieb stellt, der vor der Verfassung zulässig sein soll.

Aus diesen Äusserungen und Massnahmen des Bundesrates und seines Justiz- und Polizeidepartements sollen im folgenden die wesentlichsten rechtlichen Gesichtspunkte hervorgehoben und zusammengefasst werden. Sie ermöglichen eine wenigstens annähernde Umgrenzung des Spielbankbegriffs in der Auffassung des Bundesrates. Diese aber muss, in Ermangelung eines objektiv feststehenden Spielbankbegriffs, bei der Gegenüberstellung des bisherigen Rechtszustandes mit demjenigen, der durch den Initiativentwurf geschaffen würde, als Grundlage dienen. Denn es leuchtet ein, dass im Falle, der Verwerfung der Initiative und der unveränderten Fortgelt ng des Art. 35 auch weiterhin für dessen Auslegung und Anv endung die Auffassung des Bundesrates massgebend sein müss te.

Die Ausdrücke ,,Spielb mka und ,,Spielhaus'1 sind an sich ·einer verschiedenen Deutun fähig. Es kann und konnte sich aber für den Bundesrat ni mais darum handeln, eine abstrakte Begriffsbestimmung aufzust ilen und sie zur Grundlage seiner Handhabung des Verbots z\ machen. Der Bundesrat hat es mit der konkreten Vorschrift 4 BS Art. 35 B V zu tun; diese hat er auszulegen und anzuwendei und ihr daher den Sinn beizulegen, der ihr nach ihrer Stellung und ihrem Zweck in der Verfassung zukommt. Die Entstehung* Beschichte des Art. 35, die Gründe, die zu seiner Aufnahme in die Verfassung führten, können daher bei seiner Auslegung nicht bedeutungslos sein. Dies darf, wie schon angedeutet wurde, n: ht in dem Sinne verstanden werden, als ob durch den Art. 35 nur diejenige Erscheinungsform von Spielen getroffen würde, ie es im Jahre 1874 zu beseitigen oder aus unserm Lande ferì zuhalten galt, also die in Saxon und in einzelnen deutschen Bade orten betriebenen Spiele. Wohl aber geht der Zweck des Art. 5 offenbar dahin, die Schädigungen und Gefahren zu vermeid L, die jene Spielinstitute mit sich ·brachten, und die bis zur V irfassungsre vision nicht oder nur zum

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Teil mit Erfolg hatten bekämpft werden können. Die Entstehungsgeschichte des Art. 35 darf und soll also zwar nicht für die Umschreibung der äussern Form der Spielbank, wohl aber für die Würdigung des innern Grundes des Verbotes auch heute noch massgebend sein. Diese Erwägung führt den ßundesrat dazu, als Richtlinie bei der Auslegung und Anwendung des Spielbankverbots das Volkswohl zu nehmen und als verbotene Spielhäuser die Spielbetriebe zu betrachten, welche für die Bevölkerung ökonomisch und moralisch gefährlich sind ; denn eben dieser Gefahren wegen sind sie durch die Verfassung verboten, und andere, ungefährliche Spielbetriebe zu verbieten, ist kein Grund ersichtlich.

Die Gefahr der Glücksspiele ist zunächst eine ökonomische;: sie besteht in der Möglichkeit des Geldverlustes. Dazu gesellt sich die moralische Gefahr der Erregung der Spielleidenschaft: die Aussicht auf mühelosen Gewinn verleitet zu übermässigem Spiel, und dieses erzeugt wiederum leicht Abneigung gegen den mühsamem Verdienst durch regelmässige Arbeit. Hierin liegt, neben den finanziellen Einbussen des einzelnen, die volkswirtschaftlich schädliche Bedeutung der Glücksspiele. Beide Gefahrsmomente, das ökonomische wie das moralische, sind durchaus relativ; sie hangen nicht nur von der Art und dem Betrieb des Spieles, sondern ebensosehr von dem Kreis der an ihm sich beteiligenden Personen, ja selbst von der Individualität des einzelnen Spielers ab. Demnach lässt sich die Frage, ob ein Spielinstitut in diesem Sinne gefährlich sei, kaum in allgemeiner Weise bejahen oder verneinen. Wir möchten denn auch die ökonomische oder moralische Gefährlichkeit des Spiels nicht als eigentliches Begriffsmerkmal einer Spielbank aufgefasst wissen, vielmehr als allgemeines, aus der ratio der Verfassungsbestimmung abgeleitetes Prinzip, das bei der Umschreibung der einzelnen Begrifismerkmale im Auge zu behalten und nach welchem die Bedeutung, der letztern vornehmlich zu würdigen ist.

In der Bestimmung dieser Begriffsmerkmale liegt der Kern aller Schwierigkeiten, welche die Auslegung und Anwendung des Art. 35 schon bisher verursacht hat. In jedem einzelnen Falle, da die Bundesbehörde sich mit der Prüfung der Zulässigkeit eines Spielbetriebs zu befassen hatte, handelte es sich einfach um die Entscheidung der Frage, ob der Betrieb sich als Spielbank im
Sinne des Art. 35 B V qualifiziere oder nicht; wenn ja, so war er zu unterdrücken, andernfalls hatte die Bundesbehörde weder einen Grund noch die Kompetenz, einzuschreiten.

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Die Spielbankeigenschaft ( schien bald aus diesem, bald aus jenem Grunde fraglich. ] der Tat lässt sich kaum ein Begriffsmerkmal der Spielban finden, das nicht zu Zweifeln Anlass gibt.

1. Der Ausdruck Spi< >ank (Spielhaus, maison de jeu, casa di giuoco) setzt zunächst e e für den Spielbetrieb eingerichtete Lokalität voraus. Darauf euten auch die Worte ,,Errichtung11 und ,,stabilimento"' im de sehen und italienischen Text (deutlieber als das französische ouvrir"). Es muss sich also um eine Veranstaltung mehr oder veniger dauernden Charakters handein ; die bloss gelegentlicl , vereinzelte Ausübung eines Glücksspiels an einer beliebigen Ttlichkeit lässt sich nicht als Spielbank bezeichnen. Fraglie! erscheint, ob die Einrichtung eines Hauses für Spielzwecke gì ügt oder ob überdies eine bestimmt organisierte Unternehmung vorhanden sein muss. Mit der BeZeichnung ,,Spielhausa wü e sich ersteres vereinbaren lassen,, schwerlich aber mit dem A sdruck ,,Spielbank11. Dieser bedingt einen ,, Bankhalter"1, d. h. e aen den Spielbetrieb veranstaltenden und organisierenden Untern hmer. Dass er selbst sich am Spiel beteilige und gegen das P likum spiele, ist nicht erforderlich; es genügt, wenn eine stär ige Gelegenheit zum Spiel um Geld geboten wird.

Ebenso ist nicht von îdeutung, ob das Haus, in dem die Spiele stattfinden, ausschlie lieh diesem Zweck dient; der Spielbetrieb kann sehr wohl in inem Etablissement eingerichtet sein, das überdies, vielleicht sog vorwiegend, einer ändern Bestimmung gewidmet ist. In d< Tat sind meist die Glücksspiele, welche als Spielbanken in I age kommen, in Kursälen, Kasinos ,,oder ähnlichen Etablissement n untergebracht. Es ist daher verfehlt, wenn versucht wurde, die Anwendbarkeit des Art. 35 BV auf die Spiele in den Kur âlen der Schweiz unter Berufung darauf abzulehnen, dass die etztern vorwiegend dem ändern, allgemeinern Zweck dienen, e nen Sammelpunkt für die Fremden zu bilden und ihnen durch îonzerte, Theatervorstellungen und ähnliche Genüsse Unterhaltu zu bieten ; dies hindert durchaus nicht, dass die Glücksspiele, die ebenfalls einen Anziehungspunkt für das Fremdenpublikum bi en sollen, den Charakter einer unzulässigen Spielbank annehm n können. In der Verbindung mit ändern Zwecken oder der Ui erordnung unter solche liegt nichts Entscheidendes.

2. Dagegen wird man von einer ,,Banktt wiederum nur dann sprechen können, wen i die Tätigkeit des Unternehmers

58 ·eine gewerbsmässige ist; die Spiele müssen von ihm mit der Absicht und zum Zweck des Gelderwerbs veranstaltet werden.

Dies wird übrigens schon deswegen stets der Fall sein, weil es sonst an einem Interesse des Unternehmers an der Veranstaltung ·der Spiele fehlt. Das Erfordernis der Gewerbsmässigkeit setzt seinerseits nicht eine Beteiligung des Unternehmers am Spiel ·voraus. Sein Gewinn kaun in festen Vorerhebungen (Provisionen, Taxen) bestehen, dergestalt, dass er von den Spielern zum voraus feste Beträge erhebt oder eine bestimmte Quote der Spieleinsätze ihm vorweg zufällt, ohne dass er im übrigen an den Gewinnchancen der Spieler teilnimmt. Es gibt denn auch Glücksspiele, bei denen abwechselnd ein Spieler selbst die ,,Bank" übernimmt und gegen die übrigen Teilnehmer spielt, wobei dem Unternehmer bestimmte Beträge auszubezahlen sind. Auch bei solchen Spielarten bleibt der Spielbetrieb für den Unternehmer ein Erwerbsgeschäft.

Wenn wir die Gewerbsmässigkeit des Spielbetriebs verlangen, ·so betrachten wir diesen vom Standpunkt des Unternehmers aus.

Jenes Moment ist wohl auseinanderzuhalten vom Motiv des Spielens auf Seite des Spielers, von dem später noch zu sprechen ·sein wird, und welches die sehr wichtige Unterscheidung zwischen Unterhaltungs- und Interessespiel begründet. Sie ist für die Gewerbsmässigkeit des Spieles auf Seite des Spielhalters belanglos.

Denn es leuchtet ein, dass dieser das Spiel des Gewinns wegen betreiben kann, auch wenn es dem spielenden Publikum aus·schliesslich oder in seiner überwiegenden Mehrheit nur zur Unterhaltung dient. Die Höhe der Einsätze, die für die Qualifikation des Spiels auf Seite des Spielers von grösster Bedeutung ist, entscheidet selbst dann nicht über das Requisit der Gewerbsmässigkeit, wenn der Unternehmer an den Gewinnchancen teilnimmt. Zwar fördern in diesem Falle hohe Einsätze den Gewinn des Unternehmers; allein die Gewinne summieren sich für ihn zu einem Erwerb, auch wenn die Einsätze so gering sind, dass der einzelne Spieler kaum in Versuchung kommen kann, «einerseits aus dem Spiel einen Erwerb machen zu wollen. Der Unternehmer betreibt das Spiel gewerbsmässig, auch wenn die Spieler dies nicht tun; es ist ihm die ,,Bank", möge das spielende Publikum darin den Gewinn oder bloss das Vergnügen und die Unterhaltung suchen.

Man hat den Standpunkt verfochten, die Spiele in den ·schweizerischen Kursälen lassen sich nicht als Spielbanken bezeichnen, weil sie für die Kursaalgesellschaften angeblich keinen

59 Crewinn abwerfen, da nach den bestehenden Vorschriften die Erträgnisse aus den Spielen, abgesehen von einer bescheidenen Verzinsung des in den Unternehmen investierten Kapitals, zu gemeinnützigen Zwecken, namentlich im Interesse des Fremdenverkehrs, verwendet werden. Dieser Standpunkt leidet an einem innern Widerspruch und ist rechtlich nicht schlüssig. Unbestreitbar werden aus den Spielen in den Kursälen bedeutende Gewinne gezogen, und gerade darin besteht ihr hauptsächlicher .Zweck. Dies beweist aufs deutlichste die immer wiederholte Versicherung der Kursaalgesellschaften, dass sie nur dank den Erträgnissen der Spiele in der Lage seien, die an grössern Fremdeniplätzen üblichen kostspieligen Darbietungen, wie Konzerte und Theateraufführungen, zu unterhalten, und dass diese mit der Aufhebung der Spiele zum grössten Teil aus Mangel an den nötigen ·Geldmitteln eingehen müssten, ja sogar dass die Weiterexistenz einzelner Kursäle selbst in Frage gestellt wäre.

Die Verwendung der aus dem Spielbetrieb fliessenden Gelder zu öffentlichen, gemeinnützigen Zwecken, insbesondere im Interesse des Fremdenverkehrs, könnte aber keineswegs als Argument gegen ·die Spielbanknatur jener Etablissemente dienen, falls diese nach den übrigen Voraussetzungen zu bejahen wäre. Die Verwendung der Spielerträgnisse ist eine Sache für sich, die mit der grundsätzlichen Beurteilung der Spiele nichts zu tun hat; erweist sich eine Unternehmung als Spielbank, so verliert sie diese Eigenschaft nicht durch eine besondere Art der Verwendung ihres Gewinns, mag er auch der Öffentlichkeit, ja sogar in gewissem Masse den Spielern selbst wieder zugute kommen.

3. Schwieriger ist die Frage zu beantworten, ob als Spielbanken nur öffentliche, dem Publikum allgemein zugängliche Betriebe betrachtet werden können, oder ob auch Spiele darunter fallen, die in privaten, geschlossenen Gesellschaften betrieben -werden. Die Anschauung der Bundesbehörden ist in dieser Hinsicht keine sichere und beständige gewesen. Im Jahre 1871 wollte die nationalrätliche Kommission für die Verfassungsrevision den von Stämpfli vorgeschlagenen Artikel über das Verbot der Errichtung von Spielhäusern zuerst in dem Sinne abändern, dass sie von ,,öffentlichen Spielbanken" sprach: wenn das Prädikat ,,öffentlich"1 wieder gestrichen wurde, so kann dies zwei gerade «ntgegengesetzte
Gründe haben : entweder wurde es als im Begriff ·der Spielbank bereits mitenthalten und daher überflüssig betrachtet, oder man wollte umgekehrt nicht nur die öffentlichen, sondern auch private Spielhäuser verbieten, was zur Voraussetzung hätte,

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dass das Moment der Öffentlichkeit als jenem Begriff nicht innewohnend betrachtet wurde. Die Streichung des Prädikats gestattet also keinen sichern Schluss auf die damalige Auffassung.

Der Bundesrat sodann hat wie das Justizdepartement in einer Reihe von Fällen klar und deutlich den Standpunkt vertretenT dass nicht öffentliche Spielinstitute nicht unter Art. 35 fallen; wir weisen insbesondere darauf hin, dass für die Schliessung des Cercle des étrangers in Genf im Jahre 1911 die Feststellungen ausschlaggebend waren, dass in diesem Klub um hohe Beträge gespielt werde und dass er in Wahrheit keine geschlossene Gesellschaft sei. Andererseits hat der Bundesrat in der Begründung des Beschwerdeentscheides Egli (1903) hervorgehoben, der Art. 35 enthalte in dieser Beziehung keine Beschränkung, verbietevielmehr alle Arten von Spielhäusern, öffentliche wie geheime oder private; und das Justizdepartement schrieb im Jahre 1895 an dasjenige von Genf, falls um hohe Einsätze gespielt werde, nehmen auch die sogenannten Cercles den Charakter von Spielhäusern an. Immerhin überwiegt in der bisherigen Praxis desBundesrates die Auffassung, welche die Öffentlichkeit des Spielbetriebs als Voraussetzung eines Spielhauses im Sinne des Art. 35 betrachtet. Sie ist noch in neuester Zeit in dem Schreiben des Justizdepartements vom 1. Februar 1915 an das Justizdepartement von Graubünden in der Angelegenheit des ,,Engadin Club u in St. Moritz zum Ausdruck gekommen.

Dass als Spielbanken nur öffentliche Institute betrachtet werden können, ist nicht über jeden Zweifel erhaben. Immerhin sprechen verschiedene Gründe für diese Auffassung. Schon dem Ausdruck Spielbank (Spielhaus) scheint eher ein dem Publikum zugänglicher Betrieb zu entsprechen ; von einer ,,Bank" kann kaum gesprochen werden, wenn es sich um eine geschlossene Spielgesellschaft handelt. Für solche Gesellschaften wären offenbar auch keine Konzessionen erforderlich. Wenn Art. 35 im zweiten Absatz die Ungültigkeit allfälliger Konzessionen ausspricht, so hat er wiederum jedenfalls nur öffentliche Unternehmungen im Auge.

Zugunsten dieser Auslegung spricht aber namentlich die ratio legis, die gesetzgeberische Begründung des Verbots, die vorab in der volkswirtschaftlichen Schädlichkeit der Spielbanken liegt.

Diese ist, wo nicht einzig, so doch vorwiegend in öffentlichen
Spielbetrieben zu finden, zu denen das Publikum Zutritt hat.

Wo nur die Mitglieder einer geschlossenen Gesellschaft sich am Spiel beteiligen und Verluste erleiden können, ist das allgemeine Volkswohl nicht direkt gefährdet, eine Anlockung des Publikums zum Spiel geht von solchen privaten Unternehmen nicht aus.

61 Es muss aber betont werden, dass die Öffentlichkeit nicht schon damit als ausgeschlossen erscheint, wenn für den Zutritt zu den Räumlichkeiten, in denen die Spiele stattfinden, ein Ausweis über die Personalien verlangt wird, wie es gerade in einzelnen Kursälen der Schweiz der Fall ist. Denn trotz dieser Beschränkung des Zutritts ist das Spiel einem unbestimmten Kreis von Personen zugänglich, und gerade darin liegt das Kriterium der Öffentlichkeit. Nur dann fehlt diese, wenn an dem Spiel einzig Personen teilnehmen können, die in eine private Gesellschaft förmlich aufgenommen worden sind und ihr infolgedessen als Mitglieder angehören. Diese Auslegung hat der ßundesrat dem Erfordernis der Öffentlichkeit je und je gegeben und sich wiederholt veranlasst gesehen, sorgfaltig zu untersuchen, ob nicht durch mehr oder weniger fiktive Beschränkungen des Zutritts einem in Wirklichkeit öffentlichen Spielbetrieb der Anschein einer privaten Veranstaltung gegeben werde.

4. Ganz kurz nur brauchen wir hervorzuheben, dass Gegenstand einer Spielbank nur diejenigen Spiele bilden können, die als Zufalls-, Glücks- oder Hasardspiele bezeichnet werden. Sie stehen in Gegensatz zu den Kunst- oder Geschicklichkeitsspielen.

Diese Unterscheidung berührt das Wesen des Spiels und hängt .ab von den Faktoren, durch welche der Ausgang des Spiels bestimmt wird. Die Grenze ist zuweilen im einzelnen Fall schwer zu ziehen. Allein in der Spielbankfrage hat dieses Problem tatsächlich niemals Schwierigkeiten verursacht, so dass wir es uns ·ersparen können, näher darauf einzutreten. Wir betrachten als ·Glücksspiel jedes Spiel, dessen Ausgang ganz oder wesentlich vom Zufall abhängt. Zwar stellt auch beim Glücksspiel die Tätigkeit des Spielers, das Einsetzen, einen Faktor des Erfolges ·dar ; allein der den -Enderfolg herbeiführende Verlauf des Spiels ist ein zufälliger, er wird nicht mehr vom Spieler beeinflusst.

Stets handelte es sich um Spiele dieser Art, wo die Zulässigkeit ·eines Spielbetriebs vor Art. 35 in Frage stand.

5. Voraussetzung einer Spielbank ist endlich, dass um Geld oder Geldeswert gespielt wird. Fehlt es an Einsätzen und Gewinnen in Geld, so ist schwerlich denkbar, dass ein Unternehmer das Spiel gewerbsmässig, zu Erwerbszwecken, betreiben könnte, und überdies wäre schlechterdings kein Grund ersichtlich, ein Spiel zu
verbieten, bei dem das spielende Publikum nichts verlieren kann. Es liegt aber auch in der Natur der Glücksspiele begründet, dass sie fast immer um einen Vermögenswerten Einsatz gehen, weil sie beim gänzlichen Fehlen eines solchen, ange-

62 sichts der Zufälligkeit des Ausgangs, dem Spieler keinen Reizt bieten, im Gegensatz zu den Geschicklichkeitsspielen, die durch Überlegenheit über den Gegner gewonnen werden, dadurch schon dem Spieler eine gewisse Befriedigung zu gewähren vermögen und deshalb weit weniger des Geldeinsatzes zur Erweckung des; Interesses bedürfen als die Glücksspiele.

So leicht nun im einzelnen Fall zu erkennen ist, ob um Geld gespielt wird oder nicht, so wenig wird mit dieser Entscheidung die Schwierigkeit getroffen, die gerade in der Umschreibung dieses Begriffsmerkmals liegt. Es handelt sich in.

Wirklichkeit nicht um die Frage, ob der Spielbankbegriff ein Glücksspiel mit Geldeinsatz voraussetzt, vielmehr darum, ob auch auf die Höhe des Einsatzes etwas ankomme, ob sie den Charakter des Spiels zu beeinflussen vermöge und daher von grundsätzlicher Bedeutung sei. Diese Frage bildet den Kernpunkt des Meinungsstreites um das Spielbankproblem. Sie steht im engsten Zusammenhang mit der bereits angedeuteten Unterscheidung zwischen Unterhaltungsspiel und Gewinn- oder Interessespiel.

Der Bundesrat hat in seiner bisherigen Praxis die Auffassung vertreten, dass die Höhe der Spieleinsätze in der Tat für den Begriff der Spielbank von wesentlichem Belang ist. Er hat sich auch in dieser Hinsicht von dem gesetzgeberischen Zweck des Verbots als dem massgebenden Grundgedanken leiten lassen : dieVerfassung will diejenigen Spielinstitute unterdrücken, die durch wirtschaftliche und moralische Gefährlichkeit das öffentliche Wohl bedrohen. Diese Gefahren können nur da in nennenswertem Masse eintreten, wo das Spiel selbst in der Hoffnung auf Gewinn, also aus Geldinteresse getrieben wird. Dient das Spiel bloss der Unterhaltung und dem Vergnügen, so wird es kaum bis zu erheblichen Geldverlusten gepflogen werden, und auch eine moralische Schädigung des Spielers durch Erregung der Spielleidenschaft und Ablenkung von der Arbeit wird dann nicht zu befürchten sein. Ein reines Unterhaltungsspiel ist deshalb, nach Sinn und Zweck des Verfassungsverbots, nicht unter Art. 35 BV zu subsumieren. Unterhaltungsspiel aber ist ein Glücksspiel nicht nur dann, wenn Geldeinsätze und Geldgewinn dabei vollständig fehlen -- solche Glücksspiele werden nicht häufig vorkommen --, vielmehr behält das Spiel diesen seinen Charakter gewiss auch dann bei, wenn die
Geldinteressen des Spielers so gering sind, dass sie nicht den Zweck oder auch nur einen Nebenzweck desSpiels bilden können. Geringe Einsätze bedingen entsprechend massige Gewinne, die ein Mehrfaches des Einsatzes auszumachen-

63; pflegen. Wird um kleine Einsätze gespielt, so wächst auch bei wiederholten Verlusten des Spielers seine Eiubusse nicht zu grossen Summen an; er wird sich alsdann aber auch nicht durch die Hoffnung auf Gewinn zu fortgesetztem Spiel verleiten lassen, weil die Gewinne selbst zu gering sind. Die Grenze zwischen Unterhaltungs- und Interessespiel ist richtigerweise nicht schon im blossen Vorhandensein eines Einsatzes, sondern erst in einer gewissen Höhe desselben zu finden. Ein Einsatz, dessen Vermögenswert nicht ins Gewicht fällt, schafft oder belebt nur denReiz des Spiels, vermag aber nicht, dieses aus einem Vergnügen zu einer Erwerbsspekulation zu machen, ihm also den gefährlichen Charakter zu verleihen, der seine Unterdrückung rechtfertigt. Gibt man zu, dass ein Spiel ohne Geldeinsätze, das infolgedessen für das Publikum keinerlei Gefahren bietet, keine.

Spielbank ist, so soll die nämliche Konsequenz auch dann gezogen werden, wenn zwar um Geld gespielt wird, aber in so kleinen Beträgen, dass in der Beteiligung am Spiel eine Gefahr nicht erblickt werden kann. Bei hohen Einsätzen werden die Verluste beträchtlicher ; damit wächst aber auch die Gefahr, dassdie Aussicht auf die entsprechend höhern Gewinne zum Spiel verleite. Die Spiele um hohen Einsatz sind die wirtschaftlich und moralisch gefährlichen und daher verwerflichen, sie werdenweniger zur Unterhaltung als aus Gewinnsucht betrieben. Solche Spiele zu verbieten, liegt aber im Zweck des Art. 35 BV.

Durch diese Erwägungen geleitet, ist der Bundesrat in seiner bisherigen Praxis dazu gelangt, bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines Spielbetriebes das Hauptgewicht auf die Höheder Einsätze zu legen und in einer quantitativen Abstufung derselben ein Kriterium einer verbotenen Spielbank zu erblicken.

Bei der Handhabung des Art. 35 hat der Bundesrat immer wiederbetont, die erste Voraussetzung eines zulässigen Spielbetriebes sei, dass die Einsätze nicht eine gefährliche Höhe erreichen.

Diese Auffassung war insbesondere auch massgebend bei der im Beschluss vom 12. September 1913 erfolgten Umschreibung der Modalitäten, bei deren Innehaltung der Bundesrat die in den Kursälen betriebenen Hasardspiele als nicht unter das Verbot des Art. 35 fallend erachtet, und wobei der Maximaleinsatz eines Spielers in einem Spielgang auf Fr. 2 oder Fr. 5
festgesetzt wurde, je nachdem das Publikum ohne oder nur mit einer Ausweiskarte Zutritt zu den Spielen hat.

Der Bundesrat glaubt, auch heute noch an seiner bisherigen grundsätzlichen Auffassung festhalten zu sollen, die nach seinem.

4 Dafürhalten dem Sinn und Geist des Spielbankverbots am besten gerecht wird.

Allerdings ist er sich der Bedenken stets bewusst gewesen, welche dieser Auffassung entgegenstehen. Sie macht den Spielbankbegriff von einem Quantitativ abhängig, für dessen Bestimmung sich ein sicherer, allgemein gültiger Massstab nicht finden lässt. Es ist wenigstens theoretisch unmöglich, für die Höhe der Einsätze eine zahlenmässige Grenze festzusetzen, deren Überschreitung das Spiel begrifflich zum Gewinn- oder Interessespiel machen sollte, während es bei Einhaltung der Limite blosses Unterhaltungsspiel bleiben müsste. Diese Grenze verschiebt sich naturgemäss zwischen den einzelnen Bevölkerungsschichten, ja auch innerhalb einer solchen zwischen den einzelnen Individuen je nach ihren pekuniären Verhältnissen und ihren Gepflogenheiten.

Wo der eine des erhofften Gewinns wegen spielt, wird ein anderer den nämlichen oder einen noch höhern Einsatz lediglich des Vergnügens halber wagen, um sich an dem wechselnden Gang des Spiels zu unterhalten. Ebenso relativ ist die Gefahr ökonomischer Einbussen; fortgesetzte Verluste von einem oder wenigen Franken können für den ,,kleinen Manna schon bedenklich werden, während dem Vermöglichen auch grössere Summen nicht viel bedeuten. Eine scharfe Grenze lässt sich nicht ziehen, und es ist schwer zu sagen, wo die ökonomischen und moralischen Gefahren des Spiels beginnen. Aber die Schwierigkeit der Unterscheidung ist kein Beweis gegen ihre Richtigkeit.

In der Tat lässt sich wenigstens ein ungefährer Masstab für die Abgrenzung finden, sofern man nur einen allgemeinen Durchschnittsstandpunkt zugrunde legt. Dies muss geschehen, wenn eine gleichmässige, einheitliche Anwendung des Spielbankverbots möglich sein soll. Es kann keine Rede davon sein, bei der Qualifikation eines Spiels als Gewinn- oder als Unterhaltungsspiel nach der Höhe der Einsätze von der Individualität des Spielers auszugehen. Damit wäre die Entscheidung darüber, ob ein bestimmter Spielbetrieb als Spielbank zu betrachten sei, schlechthin verunmöglicht ; dem einen Spieler gegenüber müsste, je nach Motiv und Zweck seiner Beteiligung am Spiel, die Frage bejaht, dem ändern gegenüber verneint werden, während doch die Entscheidung für jedes einmal existente Etablissement nur allgemein und einheitlich lauten kann. Sie muss deshalb
notwendig nach einem allgemeinen Durchschnittsmasstab getroffen werden.

Der Bundesrat hat dies speziell für die schweizerischen Kursaalspiele in seinem Beschluss vom 12. September 1913 ver-

65 sucht. Das Publikum, das die Kursäle besucht und sich an den Spielen beteiligt, ist ein sehr gemischtes; neben den Fremden pflegen auch zahlreiche Einheimische an den Spielen teilzunehmen, wenn auch nicht überall in demselben Masse. Bei den unser Land besuchenden Fremden darf in der Regel eine gewisse Wohlhabenheit vorausgesetzt werden, die gestatten würde, die Maximaleinsätze nicht allzu niedrig zu bemessen. Allein wenn der Art. 35 seinen Zweck erfüllen soll, so muss bei seiner Handhabung ebensowohl auch der Schutz der einheimischen Bevölkerung im Auge behalten werden. Dieser gebietet, da an den Spielen auch Einheimische von geringer ökonomischer Leistungsfähigkeit teilnehmen können, die möglichst starke Herabsetzung des Maximums der Einsätze, selbst auf die Gefahr hin, dadurch das Spiel für die Begüterten, namentlich für anspruchsvolle Fremde, mehr oder weniger reizlos zu machen. Die Verschiedenheit des Kursaalpublikums hat auch zu einer Differenzierung der Einsatzmaxima geführt, je nachdem für den Zutritt eine Kontrolle ausgeübt wird oder nicht.

Durch diese und die übrigen einschränkenden Bestimmungen, denen sich übrigens die Kursaalgesellschaften in ihrer grossen Mehrheit freiwillig unterworfen haben, sind den Kursaalspielen ihre Gefahren zum allergrössten Teil genommen worden. Sie können kaum mehr als eine Gefahr für das Volkswohl bezeichnet werden, deren Beseitigung sich der Verfassungsgesetzgeber zur Aufgabe machen müsste. Für das Kursaalpublikum -- auch das einheimische -- wird das Spiel um l oder 2 Franken mit verschwindenden Ausnahmen lediglich der Unterhaltung dienen ; die Aussicht auf die massigen Gewinne wird schwerlich zur Spielwut verleiten können. Wir glauben deshalb sagen zu dürfen, dass die ratio des Art. 35 seine Anwendung auf die heute in den Kursälen der Schweiz bestehenden Glücksspiele nicht rechtfertigt.

Dabei setzen wir freilich eine Art der Spiele und einen Spielbetrieb voraus, wie sie durch das Reglement der Kursaalgesellschaften und die Wegleitung des Bundesrates vorgezeichnet worden sind, und wir würden nicht zögern, einen in der Spielart und der Höhe der Einsätze unbeschränkten Spielbetrieb als verbotene Spielbank im Sinne des Art. 35 zu erklären.

V.

Wir gehen zur Prüfung und Kritik des Entwurfs der Initiant en über.

Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. III.

5

66 1. Der Entwurf setzt an Stelle des bisherigen Spielbankbegriffs, wie er durch die Praxis des Bundesrates umschrieben worden ist, einen neuen, der nach dem Wortlaut nur zwei Begriffsmerkmale kennt : a. eine Unternehmung. Die Deutung dieses Ausdrucks ist nicht über alle Zweifel erhaben. Er setzt jedenfalls eine bestimmte Organisation sowie eine dauernd für den Spielbetrieb eingerichtete Lokalität voraus. Dies ist übrigens schon aus dem noch beibehaltenen Wort ,,Spielbank" zu schliessen. Eine Abweichung des Entwurfs vom gegenwärtigen Zustand ist in dieser Hinsicht nicht anzunehmen, und es kann auf das oben (unter IV, Ziffer 1) hierüber Gesagte verwiesen werden ; b. der Betrieb von Glücksspielen. Es wurde ebenfalls bereits angedeutet (unter IV, Ziffer 4), dass die Abgrenzung zwischen Glücksspiel und Geschicklichkeitsspiel Schwierigkeiten bereiten kann, diese aber . sich faktisch kaum einstellen dürften.

Spiele, deren Ausgang nicht durch den Zufall wenigstens mitbedingt ist, sind für die Annahme einer Spielbank nie in Frage gekommen und werden es auch künftig nicht.

Kein Begriffsmerkmal einer Spielbank ist nach dem Initiativentwurf die Öffentlichkeit des Spielbetriebs, wie das Fehlen dieses Requisits in der Definition mit Sicherheit ergibt. Auch die in geschlossenen Gesellschaften betriebenen, nur ihren Mitgliedern zugänglichen Glücksspiele müssten daher unter das Verbot fallen.

Gewerbsmässigkeit des Spielbetriebs auf Seiten des Unternehmers ist nicht verlangt. Man wird sich zwar fragen dürfen, ob nicht der Begriff der Spielbank an sich die Gewerbsmässigkeit voraussetzt, wie wir dies (oben unter IV, Ziffer 2) für den gegenwärtigen Reehtszustand angenommen haben. Wir können dieFrage dahingestellt sein lassen, da die Einrichtung eines dauernden, organisierten Spielbetriebs wohl immer auf Erwerbsabsichten zurückzuführen sein dürfte.

.Endlich scheint der Entwurf nicht einmal zu verlangen, dass um Geld oder Geldeswert gespielt werde. Die Weglassung dieses Requisits in der Definition ist vermutlich damit zu erklären, dass vielfach der Einsatz eines Vermögenswertes als im Begriff des Glücksspiels schon mitenthalten gilt. Zweifellos muss er auch nach dem Entwurf als Erfordernis einer Spielbank betrachtet werden. Wir haben oben (unter IV, Ziffer V) ausgeführt, dass ohne Geldeinsätze der Betrieb einer Spielbank kaum denkbar ist, abgesehen davon, dass ein gesetzgeberischer Grund zum

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Verbot von Spielen, mit denen auch nicht der geringste ökonomische Gewinn oder Verlust verbunden sein könnte, nicht einzusehen wäre. Anders aufgefasst, würde der Artikel auch den innern Zusammenhang mit den im letzten Absatz genannten Lotterien verlieren. Dagegen könnte -- und das ist sehr wichtig -- auf die Höhe der Einsätze gar nichts ankommen. Der Wortlaut der Definition, die jede Glücksspielunternehmung umfasst, verbietet schlechtweg weitere Differenzierungen in dieser Hinsicht; und wir zweifeln nicht daran, dass der Wortlaut gerade zu dem Zweck so gewählt wurde, um die von der bisherigen Praxis eingeführten Unterscheidungen in bezug auf die Höhe der Einsätze zu beseitigen. Auch die geringsten Geldeinsätze ermöglichen noch die Errichtung einer ,,Bank", d. h. einen Spielbetrieb mit Erwerbsabsicht auf Seite des Unternehmers. Gleichgültig wäre infolgedessen auch das Motiv des Spielens auf Seite der Spieler; es käme nichts darauf an, ob und inwieweit diese aus Gewinnsucht oder zu ihrer blossen Unterhaltung sich am Spiel beteiligen würden.

Der Initiativentwurf fasst, wie sich aus dem Gesagten ergibt, den Begriff der Spielbank viel weiter, als die Praxis des Bundesrates bisher den Art. 35 ausgelegt hat. Indem er jede Unternehmung, die Glücksspiele betreibt, als Spielbank erklärt und verbietet, bezieht er auch die privaten Spielbetriebe ein und schliesst jede Berücksichtigung der Höhe der Einsätze aus. Es ist klar, dass nach dieser Definition insbesondere die heute in den Kursälen der Schweiz betriebenen Spiele als Spielbanken zu betrachten wären. Sie müssten mithin bei Annahme des Initiativentwurfs ausnahmslos verschwinden. Gerade dieses Ziel haben sich die Initianten gesetzt ; die Beseitigung der Hasardspiele in den Kursälen ist der eigentliche Zweck der Initiative.

2. Der Begriffsbestimmung des Entwurfs liegt eine Auffassung zugrunde, die von derjenigen abweicht, welche wir oben als Richtlinie des Bundesrates bei der Anwendung des Spielbankverbots gekennzeichnet haben. Wir glauben nicht fehlzugehen, wenn wir das Prinzip, von dem die Initianten ausgehen, in der ethischen Anfechtbarkeit der Spielbanken im weitesten Sinne erblicken. Jeder Betrieb eines Glücksspiels um Geld oder Geldeswert kann insofern als ethisch anfechtbar betrachtet werden, als er auf die menschliche Spielleidenschaft spekuliert
und sie ausnützt. Ob auch das Motiv des Spielers ethisch anfechtbar sei oder nicht, ob er also aus Gewinnsucht o'der zur Unterhaltung spiele, fällt alsdann nicht in Betracht, und ebensowenig kommt es dar-

68 auf an, ob und in welchem Masse durch den Spielbetrieb wirklich Schaden gestiftet werde. Während der Bundesrat den Grund des Spielbankverbots vorab in der wirtschaftlichen Gefährlichkeit des Glücksspiels erblickt und den Schutz des Spielers in den Vordergrund stellt, scheinen die Initianten von der Tätigkeit des Unternehmers auszugehen, die sie als eine an sich verwerfliche betrachten und verpönen.Gewiss hat auch diese Anschauungsweise, in der wir den Grundgedanken der Initianten vermuten, ihre Gründe und lässt sich nicht schlechtweg von der Hand weisen. Für die Wahl zwischen beiden Lösungen wird aber schliesslich weniger ein allgemeines Axiom als die Entscheidung darüber massgebend sein müssen, welche Formulierung als Verfassungsgrundsatz den Vorzug verdient und ihren Zweck besser zu erfüllen vermag. Die mit der Durchführung des Verbots verbundenen praktischen Konsequenzen dürfen deshalb nicht ausser Acht gelassen werden.

3. Der Initiativentwurf hat vor dem gegenwärtigen Art. 35 einen grossen Vorzug voraus ; er fasst das Spielbankverbot klarer und schärfer. Diesen Vorzug erreicht er durch Aufnahme einer Definition des Spielbankbegriffs, die sich zudem durch ihre kurze und bündige Fassung auszeichnet. Die Definition des Entwurfs bietet durch die Elemente, die sie enthält, und diejenigen, die sie nicht enthält, eine bedeutend sicherere Grundlage für die Auslegung als der bisherige Art. 35. Dass auch sie noch zu Zweifeln in der Interpretation Anlass geben könnte, wurde oben dargetan. Die Umschreibung der Spielbank ist eine streng grundsätzliche. Sie löst den Begriff los von der subtilen Unterscheidung zwischen Unterhaltungs- und Gewinnspiel, wie überhaupt von der Stellung des einzelnen Spielers zum Spiel. Namentlich aber erhält sie ihre Schärfe und Konsequenz durch die vollständige Abstraktion von der Höhe der Einsätze, durch die Verwerfung dieses unsichern Kriteriums, das sich nicht einwandfrei und allgemein gültig feststellen lässt und der Abgrenzung des Spielbankbegriffs immer etwas Willkürliches geben wird.

Dadurch macht der Entwurf das Spielbankverbot aber auch zu einer drakonischen Massregel, deren innere Berechtigung wiederum. sehr in Frage gestellt werden muss. Wir halten ein vollständiges Verbot jeglicher gewerbsmässig betriebenen Glücksspiele für zu weitgehend. Der Sinn und Zweck eines verfassungsmässigen Spielbankverbots kann in Zukunft wie schon bisher nur der sein, Spielinstitute von unserm Land fernzuhalten, die eine

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Gefahr für das Volk bilden. Dieser Zweck wird nach unserm Dafürhalten in hinreichender Weise dadurch erreicht, dass der Spielbetrieb der bestehenden Institute weitgehenden Beschränkungen und einer ständigen Aufsicht unterworfen wird, wie es seit langem geschehen ist. Diese Beschränkungen haben den Kursaalspielen ihre Gefahren grösstenteils genommen. Niemand wird aber die Richtigkeit des Prinzips bestreiten wollen, dass die individuelle Freiheit der Bürger und die Freiheit des Gewerbes durch den Staat nicht mehr beschränkt werden soll, als das Interesse der Allgemeinheit es erheischt. Der Staat soll nicht mit der schärfsten Massregel vorgehen, wo er mit einer schonenderen auskommen kann, um das Volk vor Schaden zu bewahren.

Andererseits müssen wir mit Nachdruck auf eine Gefahr hinweisen, welche die Annahme des Initiativentwurfs notwendig mit sich bringen müsste : die Gefahr der Umgehung des Verbots.

Sie wäre ungleich grösser als unter dem gegenwärtigen Zustand.

Dies kann mit Bestimmtheit vorausgesagt werden. Das Glücksspiel lässt sich schwerlich ganz ausrotten; es wird sich, wenn es schlechtweg und in jeder Form verboten wird, hinter geschlossene Türen flüchten und dort gefährlicher werden als in der Öffentlichkeit, weil es der staatlichen Aufsicht entgeht. Den Bundes- und kantonalen Behörden würde mit der Durchführung des Verbots wohl eine noch schwierigere Aufgabe gestellt, als sie bisher in der Handhabung des Art. 35 lag. Es ist kaum denkbar, dass die staatlichen Organe allen in privaten Gesellschaften betriebenen Glücksspielunternehmen -- die ja auch unter den neuen Verfassungsartikel fallen würden -- beikommen könnten.

Das verfassungsrechtliche Verbot wäre also nicht strikte durchzuführen, und darin liegt ein schwerer Nachteil des Entwurfs.

Der Gesetzgeber darf die praktische Anwendbarkeit einer zu erlassenden Rechtsnorm nicht ausser Acht lassen, wenn er nicht den Verwaltungsbehörden von vornherein Schwierigkeiten scharfen und dem Ansehen des Gesetzes selbst Abbruch tun will. Er wird daher mit aller Sorgfalt erwägen müssen, ob er nicht besser tut, ein Übel, dessen Ausrottung ihm auch durch gesetzliche Abolition voraussichtlich nicht gelingen wird, zu dulden, aber es in geordnete Bahnen zu lenken, um ihm auf diese Weise um so eher seine Gefährlichkeit nehmen zu können. In dieser Hinsicht ist der bisherige Art. 35, der eine Auslegung im Sinne dieses letztern Vorgehens ermöglichte, dem vorgeschlagenen absoluten Verbot zweifellos vorzuziehen.

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4. Bei Abwägung aller Gründe, die für und gegen den Entwurf der Initianten sprechen, haben wir uns nicht davon überzeugen können, dass er gegenüber dem geltenden Art. 35 eine glückliche Neuerung bedeute. Den Vorzügen grösserer Klarheit und sichererer Auslegung stehen Eigenschaften gegenüber, die wir als Nachteile empfinden : die starre Formel, dadurch bedingt der Mangel an Anpassungsfähigkeit und die Gebundenheit in der künftigen Anwendung des Verbots, sodann zu weite materielle Ausdehnung desselben, unnötige Strenge der Vorschrift, die ihrerseits wieder vermehrte Gefahr der Umgehung und entsprechende Schwierigkeiten der Durchführung zur Folge haben wird. Diese Nachteile scheinen uns die Vorzüge zu überwiegen.

Freilich ist auch der geltende Art. 35 nichts weniger als eine vollkommene, ideale Bestimmung; er hat sich im Gegenteil, wie die Jahrzehnte lange Erfahrung lehrt, als einer der heikelsten Artikel der Bundesverfassung erwiesen und in der Anwendung zu grossen Schwierigkeiten geführt. Allein soviel ist doch mit ihm erreicht worden, dass seinerzeit die berüchtigte ,,Spielhölle"' von Saxon verschwand, dass später einzelne gefährliche Spielgesellschaften aufgehoben werden konnten, und dass endlich die Hasardspiele in den Kursälen einen Charakter angenommen haben, der als ungefährlich bezeichnet werden darf. Damit ist doch wohl der Zweck des verfassungsmässigen Spielbankverbots im grossen und ganzen, wenn auch vielleicht nicht in vollkommener Weise, erfüllt worden.

VI.

Da gegen die Annahme des Initiativentwurfs gewichtige Gründe sprechen, haben wir uns bemüht, noch eine weitere Lösung zu suchen, in dem Bestreben, die Gelegenheit der Initiative zu benützen, um den Art. 35 durch eine den Bedürfnissen der Praxis noch besser dienende Bestimmung zu ersetzen. Sie hätte von einem gänzlichen Verbot der Glücksspiele abzusehen, müsste aber auf eine klare Abgrenzung der zuzulassenden Spiele Bedacht nehmen und möglichste Gewähr für ihre praktische Anwendbarkeit bieten. Vor allem schien es uns wünschenswert, die Ausdrücke ,,Spielbank"1 und .^Spielhaus"' ganz zu vermeiden, um dem Streit über ihre Bedeutung ein Ende zu machen. Es wäre auch zweifellos ohne sie auszukommen. An die Stelle des Oarundsätzlichen Spielbankverbots, wie es Art. 35 sowohl wie der Initiativentwurf übereinstimmend aufweisen, könnte eine Bestim-

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mung des Inhalts treten, dass die Konzessionierung öffentlicher Glücksspiele um Geld Sache des Bundes sei und ihr Betrieb der Aufsicht des Bundes unterstehe. Oder es könnte die nämliche Formel wie für die eng verwandte Materie der Lotterien gewählt und mit dem letzten Absatz des Art. 35 verschmolzen werden, so dass der neue Artikel etwa lauten würde : ,,Der Bund kann in Beziehung auf öffentliche Glücksspiele und Lotterien geeignete Massnahmen treffen". In beiden Fällen wäre ein allgemeiner 'Grundsatz aufgestellt, welcher der Ausführung auf dem Wege ·der Bundesgesetzgebung bedürfte, wie gegenwärtig Art. 35, Abs. 3.

Geeignete Massnahmen gegen die Glücksspiele könnten von den Verwaltungsbehörden erst getroffen werden auf Grund gesetzlicher Bestimmungen über die Art und den Umfang dieser Massnahmen. Und falls die erste Formulierung gewählt würde, müssten "wenigstens die materiellen Voraussetzungen und das Verfahren der Konzessionserteilung gesetzlich festgelegt werden.

Daraus ergibt sich, dass beide Vorschläge das Glücksspielproblem tatsächlich nicht lösen, vielmehr seine Lösung nur auf .eine veränderte rechtliche Grundlage verlegen und damit zugleich auf unbestimmte Zeit hinausschieben würden. Erst das zu erlassende Bundesgesetz könnte den Rahmen bestimmen, innerhalb ·dessen die Glücksspiele gestattet wären, und die Bedingungen ihres Betriebes festsetzen. Dieses Gesetz könnte sich zwar auf die bisherigen Erfahrungen stützen und würde in dem Reglement der Kursaalgesellschaften und im Bundesratsbeschluss vom 12. September 1913 ohne Zweifel bereits wertvolle Richtlinien vorfinden. Allein die Schwierigkeiten einer befriedigenden Lösung würden sich beim Erlass des Gesetzes aufs neue einstellen, und -es ist zu befürchten, dass die Opposition der Abolitionisten im Verein mit den auch unter den Anhängern eines reglementierten Spielbetriebs zu gewärtigenden Meinungsdifferenzen das Zustandekommen des Gesetzes überhaupt in Frage stellen würden. Mit dem blossen Verfassungsprinzip wäre aber nicht einmal so viel ·erreicht wie mit dem gegenwärtigen Art. 35, der doch in seinem Spielbankverbot eine' materielle Rechtsnorm enthält und durch sie dem Bundesrat die Kompetenz verleiht und die Pflicht auferlegt, über die Beobachtung des Verbots zu wachen und gegen' Spielbetriebe einzuschreiten, die er für verfassungswidrig
hält.

Es müsste also durch eine Übergangsbestimmung dafür gesorgt werden, dass nicht bis zum Inkrafttreten des Gesetzes dem Bundesrat noch diejenigen Befugnisse genommen wären, die er gegenwärtig auf Grund des Art. 35 besitzt.

72

Die Abänderung der Verfassung im Sinne dieser Vorschläge würde demnach nicht nur die Spielbankfrage nicht aus der Welt schaffen, sondern sie würde die Rechtslage nur komplizierter gestalten und ihre endgültige Abklärung auf unabsehbare Zeit vertagen. Schliesslich besteht auch keine Gewähr dafür, dass ein zu erlassendes Bundesgesetz eine noch straffere Beaufsichtigung der Glücksspiele ermöglichen würde und ihre Gefahren noch wirksamer zu bekämpfen vermöchte als das gegenwärtige System ; denn es kommt nicht nur auf den Buchstaben des Gesetzes, sondern vor allem auf seine Anwendung an.

Um diese Konsequenzen'zu vermeiden, könnte eventuell versucht werden, in dem neuen Verfassungsartikel selbst die Merkmale eines zulässigen Glücksspiels festzusetzen, sei es unter Beibehaltung des grundsätzlichen Spielbankverbots und Beifügung einer abgeänderten Definition der Spielbank, sei es unter Weglassung dieses Begriffs und Bestimmung der Voraussetzungen, unter denen die Glücksspiele betrieben werden dürfen. Aber auch dieser Weg ist aus prinzipiellen und praktischen Gründen nicht gangbar. Die Verfassung hat nur die Grundsätze festzulegen, ihre Ausführung im einzelnen gehört in die Gesetze, Verordnungen und sonstigen Erlasse. An eine förmliche Reglementierung der Spiele in der Verfassung selbst ist daher schlechterdings nicht zu denken. Höchstens könnte es sich um Festlegung einiger der wichtigsten Erfordernisse (namentlich in bezug auf die zulässigen Spielsysteme und die Höhe der Einsätze) handeln. Ein solcher Verfassungsartikel aber könnte sich leicht als zu starr erweisen, durch die Entwicklung der Dinge überholt werden und nach relativ kurzer Zeit wieder eine Revision notwendig machen.

Über die Beobachtung des Artikels hätte, gerade wie bisher, der Bundesrat zu wachen. Er müsste nach wie vor von Fall zu Fall entscheiden, ob nicht ein verfassungswidriger Spielbetrieb vorliege, und dabei alle in der Verfassung nicht festgesetzten Merkmale eines erlaubten Spiels doch wieder selbst bestimmen.

Der Rechtszustand wäre kein wesentlich anderer als heute, aber er würde den Nachteil aufweisen, den Bundesrat gerade in den wichtigsten Fragen an eine vielleicht bald schon unzulängliche Formel zu binden, während er heute in der Handhabung des Art. 35 wenigstens mit der Entwicklung Schritt halten kann.

Diese Gründe haben uns veranlasst, den Gedanken an einen dem Initiativentwurf gegenüberzustellenden weitern Revisionsentwurf fallen zu lassen.

73 VII.

Ist demnach zwischen dem Initiativentwurf und dem gegenwärtigen Art. 35 BV zu wählen, so spricht sich der Bundesrat, aus den oben dargelegten Gründen, für den letztern aus. Er erscheint ihm trotz einiger Vorzüge des Entwurfs, die durchaus nicht bestritten werden sollen, immer noch als die bessere, wenn auch nicht ideale Lösung. Der Bundesrat ist sich bewusst, dass die Handhabung des Art. 35, wenn er in seiner gegenwärtigen Form beibehalten wird, ihn auch in Zukunft wie schon bisher vor manche schwierige und heikle Aufgabe stellen kann und wird. Er würde deshalb jede Revision des Artikels begrüssen, die imstande wäre, die bisherige Unsicherheit seiner Auslegung und die Schwierigkeiten seiner Anwendung ein für allemal zu beseitigen. An den Wortlaut der Verfassung soll aber nur gerührt werden, wenn ein Bedürfnis dazu drängt und zugleich die Revision im Sinne eines Fortschritts erfolgen kann. Dieser Anforderung genügt der Initiativentwurf, soweit es wenigstens seinen materiellen Inhalt betrifft, nach der Auffassung des Bundesrates nicht. Der bisherige Art. 35 hat in der Spielbankfrage immerhin zu erträglichen Zuständen geführt ; dass sie sich durch die Annahme des Initiativentwurfs im ganzen noch befriedigender gestalten würden, scheint dem Bundesrat nicht verbürgt.

«

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Aus diesen Gründen beantragen wir, Sie möchten in Anwendung des Art. 10 des Bundesgesetzes vom 27. Januar 1892 über das Verfahren bei Volksbegehren und Abstimmungen betreffend Revision der Bundesverfassung beschliessen, das Initiativbegehren sei abzulehnen und mit dem Antrag auf Verwerfungohne einen Gegenentwurf der Bundesversammlung der Abstimmung des Volks und der Stände zu unterbreiten.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 27. Mai 1916.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Decoppet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

-Ss-Os-.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend das Initiativbegehren um Abänderung des Art. 35 der Bundesverfassung (Verbot der Errichtung von Spielbanken).

(Vom 27. Mai 1916.)

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Bundesblatt

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Jahr

1916

Année Anno Band

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22

Cahier Numero Geschäftsnummer

679

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

31.05.1916

Date Data Seite

1-73

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