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Bundesgesetz betreffend

die Erwerbung des Schweizerbürgerrechtes und den Verzicht auf dasselbe.

(Vom

25. Juni 1903.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, in Ausführung des Art. 44 der Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 20. März 1901, beschließt: I. Von der Erwerbung des Schweizerbürgerrechtes.

Art. 1. Wenn ein Ausländer das Schweizerbürgerrecht zu erlangen wünscht, so hat er beim Bundesrat die Bewilligung zur Erwerbung eines Gemeinde- und Kantonsbürgerrechts nachzusuchen.

Im Falle, daß . einem Ausländer das Bürgerrecht schenkungsweise erteilt werden will, ist die Bewilligung dazu durch die betreffende Kantonsregierung bei dem Bundesrate ebenfalls nachzusuchen.

719 Art. 2. Die Bewilligung wird nur an solche Bewerber erteilt, welche sich über einen der Einreichung ihres Gesuches unmittelbar vorangehenden zweijährigen ordentlichen Wohnsitz in der Schweiz ausweisen.

Der Bundesrat prüft auch die Beziehungen des Bewerbers zu dem bisherigen Heimatstaate, sowie dessen sonstige persönliche und Familienverhältnisse. Er kann die Bewilligung verweigern, wenn diese Beziehungen oder diese Verhältnisse so beschaffen sind, daß aus der Einbürgerung des Gesuchstellers der Eidgenossenschaft Nachteile erwachsen würden.

Art. 3. Die Aufnahme in das Bürgerrecht erstreckt sich auf die Ehefrau und die Kinder des Gesuchstellers, wenn sie nach dem Rechte der Heimat unter seiner ehemännlichen oder elterlichen Gewalt stehen und in der Bewilligung des Bundesrates nicht ausdrücklich Ausnahmen gemacht werden.

Art. 4. Jede Erteilung des Gemeinde- und Kantonsbürgerrechts an Ausländer, ohne die vorherige Bewilligung des Bundesrates, ist ungültig.

Hinwieder ist das Schweizerbürgerreeht erst dann erworben, wenn zu jener Bewilligung des Bundesrates die Erwerbung eines Gemeinde- und Kantonsbürgerrechts gemäß den Bestimmungen der betreffenden Kantonalgesetzgebung hinzugekommen ist.

Die bundesrätliche Bewilligung erlischt, wenn deren Inhaber nicht binnen drei Jahren, vom Datum der Ausstellung an, ein Gemeinde- und Kantonsbürgerrecht erworben hat.

Art. 5. Die Kantone sind berechtigt, auf dem Wege der Gesetzgebung zu bestimmen, daß die im Kanton ge-

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hörnen Kinder von im Kanton wohnenden Ausländern von Gesetzes wegen und ohne daß eine Bewilligung des Bundesrates erforderlich wäre, Kantons- und damit Schweizerbürger sind: a. wenn die Mutter schweizerischer Herkunft ist, oder b. wenn die Eltern zur Zeit der Geburt des Kindes wenigstens fünf Jahre ununterbrochen im Kanton gewohnt haben.

Die Kantone sollen das Recht der Option vorbehalten.

Art. 6. Personen, welche neben dem schweizerischen Bürgerrecht dasjenige eines fremden Staates besitzen, haben diesem Staate gegenüber, so lange sie darin wohnen, keinen Anspruch auf die Rechte und den Schutz eines Schweizerbürgers.

<=.II. Vom Verzichte auf das Schweizerbürgerrecht.

Art. 7. Ein Schweizerbürger kann auf sein Bürgerrecht vernichten, insofern er a. in der Schweiz keinen Wohnsitz mehr hat ; b. nach den Gesetzen des Landes, in welchem er wohnt, handlungsfähig ist ; c. das Bürgerrecht eines andern Staates -- für sich, seine Ehefrau und seine Kinder -- im Sinne dos loteten Absatzes von Art. 9 bereits erworben ha,t oder dasselbe ihm zugesichert ist.

Art. 8. Die Verzichtserklärung ist im Begleit der erforderlichen Ausweise schriftlich der Kantonsregierung einzureichen und von dieser der Behörde der Heimatgemeinde für sich und zu Händen etwa weiterer Beteiligter mit Festsetzung einer Einspruchsfrist von längstens vier Wochen zur Kenntnis zu bringen.

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Streitigkeiten über die Zulässigkeit eines Verzichts auf das Schweizerbürgerrecht werden vom Bundesgerichte nach dem im Bundesgesetze über die Organisation der Bundesrechtspflege vom 22. März 1893 für- staatsrechtliche Entscheidungen vorgeschriebenen Verfahren beurteilt.

Art. 9. Sind die im Art. 7 genannten Bedingungen erfüllt, und liegt eine Einsprache nicht vor oder ist dieselbe abgewiesen, so spricht die Behörde, welche hierzu nach den kantonalen Gesetzen befugt ist, die Entlassung aus dem Kantons- und Gemeindebürgerrecht aus.

Die Entlassung, welche auch den Verlust des Schweizerbürgerrechtes in sich schließt, erfolgt mit der Zustellung der Entlassungsurkunde an den Verzichtenden.

Sie erstreckt sich auf die Ehefrau und die Kinder, insofern dieselben unter der ehemännlichen oder elterlichen Gewalt des Entlassenen stehen und nicht ausdrückliche Ausnahmen gemacht werden.

IM. Wiederaufnahme in das Schweizerbürgerrecht.

Art. 10. Der Bundesrat kann, nach Anhörung des Heimatkantons, die unentgeltliche Wiederaufnahme folgender Personen in ihr früheres Gemeinde- und Kantonsbürgerrecht verfügen, wenn dieselben in der Schweiz Wohnsitz haben : a. der Witwe und der zu Tisch und Bett getrennten oder geschiedenen Ehefrau eines Schweizerbürgers, welcher auf sein Bürgerrecht verzichtet hat, sowie derjenigen Kinder desselben, welche zur Zeit der Entlassung unter elterlicher Gewalt waren, vorausgesetzt, daß die Witwe und die getrennte oder geschiedene Ehefrau binnen zehn Jahren nach Auflösung oder Trennung der Ehe, die Kinder binnen der gleichen Frist nach zurückgelegtem zwanzigstem Altersjahr, darum einkommen ;

722 b. der Witwe und der zu Tisch und Bett getrennten oder geschiedenen Ehefrau, welche durch ihre Heirat das Schweizerbürgerrecht verloren hat, sofern sie binnen zehn Jahren nach Auflösung oder Trennung der Ehe ihre Wiedereinbürgerung verlangt; o. solcher Personen, welche durch besondere Verhältnisse genötigt wurden, auf das Schweizerbürgerrecht zu verzichten, sofern sie binnen zehn Jahren nach ihrer Rückkehr in die Schweiz ein solches Gesuch stellen.

Mit der Mutter oder den Eltern werden in den Fällen a, b und c auch die nach dem Rechte des Staates, dem sie angehören, noch minderjährigen oder bevormundeten 'Kinder aufgenommen, wenn die Mutter die elterliche Gewalt über ihre Kinder besitzt oder der ihnen bestellte Vormund sich damit einverstanden erklärt und nicht ausdrückliche Ausnahmen gemacht werden.

IV. Kanzleigebühren.

Art. 11. Für die Ausfertigung der Bewilligung zur Erwerbung eines Gemeinde- und Kantonsbürgerrechtes erhebt die Bundeskanzlei eine Gebühr von Fr. 20.

Diese Gebühr ist zu erlassen : a. bei Wiederaufnahme in das schweizerische Bürgerrecht ; 6. wenn der Bewerber in der Schweiz geboren ist und wenigstens zehn Jahre in der Schweiz'gewohnt hat; c. wenn eine Kantonsregierung die Bewilligung für einen Ausländer nachsucht, dem das Bürgerrecht schenkungsweise erteilt werden soll (Art. l, Absatz 2).

V. Nichtigerklärung.

Art. 12. Der Bundesrat kann die einem Ausländer erteilte Bewilligung zur Erwerbung eines Gemeinde- und

723 Kantonsbürgerrechts während fünf Jahren seit der Kantonsbürgerrechtserwerbung für nichtig erklären, wenn es sich herausstellt, daß die im Gesetz für die Erteilung dieser Bewilligung aufgestellten Bedingungen nicht erfüllt waren.

Die Nichtigerklärung der Bewilligung hat die Auf-: hebung des auf Grund derselben verliehenen Gemeindeund Kantonsbürgerrechts zur Folge.

Der Bundesrat kann die nach Art. 5 erteilte Einbürgerung jederzeit nichtig erklären, wenn sie auf betrügerische Weise erlangt worden ist.

Das gleiche Recht bleibt den Kantonen vorbehalten.

VI. Schlussbestimmungen.

Art. 13. Den in Art. 10, &, genannten Personen wird eine Frist von zwei Jahren gewährt, um ihr Gesuch für Wiedereinbürgerung einzureichen, wenn die im erwähnten Artikel vorgesehene zehnjährige Frist im Zeitpunkte des Inkrafttretens dieses Gesetzes bereits verflossen war.

Art. 14. Die in Gemäßheit des Art. 5 erlassenen kantonalen Gesetzesbestimmungen bedürfen, bevor sie in Kraft treten, der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 15. Das Bundesgesetz vom 3. Juli 1876, betreffend die Erteilung des Schweizerbürgerrechtes und den Verzicht auf dasselbe, sowie alle mit dem vorliegenden Gesetze im Widerspruch stehenden Bestimmungen der Gesetzgebung des Bundes und der Kantone sind aufgehoben.

Art. 16. Der Bundesrat wird beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

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Also beschlossen vom Nationalrate, B e r n , den 25. Juni 1903.

Der Präsident: Cd. Zschokke.

Der Protokollführer: Bingier.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 25. Juni 1903.

Der Präsident : Hoffmann.

Der Protokollführer : Schatzmann.

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e srat beschließt: Veröffentlichung des vorstehenden Bundesgesetzes.

B e r n , den 1. Juli 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier

N o t e . Datum der Veröffentlichung: 1. Juli 1903.

Ablauf der Referendumsfrist : 29. September 1903.

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Bundesgesetz betreffend die Erwerbung des Schweizerbürgerrechtes und den Verzicht auf dasselbe. (Vom 25. Juni 1903.)

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