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Schweizerisches Bundesblatt.

55. Jahrgang. I I.stàmpfli

Nr. 22.

3. Juni 1903.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 5 Franken.

Einrückungsgebühr per Zeile oder deren Baum 15 Ep -- Inserate franko an die Expedition.

Druck und Expedition der Buchdruckerei Stämpflt & de. in Bern.

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Bericht der

Kommission des Ständerates über

die Geschäftsführung des .Bundesrates und des Bundesgerichts im Jahre 1902.

(Vom 16. Mai 1903.)

Herr Präsident, meine Herren!

Wir beehren uns, Ihnen nachstehend die Punkte anzuführen, welche bei der .Prüfung des Geschäftsberichtes des Bundesrates und des Bundesgerichts für das Jahr 1902 unsere Aufmerksamkeit spezieller auf sich gezogen haben :

Geschäftsbericht des Bundesrates.

Allgemeine Verwaltung.

Der Bundesrat und das ganze Schweizervolk haben im Jahre 1902 in der Person des Herrn Bundesrat Hauser einen ·sehr empfindlichen Verlust erlitten. Wenn auch seine trefflichen Bundesblatt. 55. Jahrg. Bd. III.

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118 Eigenschaften und die hervorragenden Dienste, welche er dem Vaterlande leistete, bereits erwähnt worden sind, so können wir doch nicht umhin, auch unsern Bericht mit einem Worte dankbarer Erinnerung an diesen ausgezeichneten Magistrat einzuleiten.

Sein Nachfolger im Bundesrat ist Herr alt Nationalrat Forrer,.

Direktor des Zentralamtes für internationalen Eisenbahntransport.

Auch im Personal der Bundeskanzlei ist eine wichtige Änderung zu verzeichnen. Herr G. Wagniere, der als erster den neuen Posten eines II. Vizekanzlers bekleidete, hat seine Stelle, die er in bester Weise versah, niedergelegt; er wurde durch Herrn Ch. J. Gigandet ersetzt.

Die parlamentarische Tätigkeit während des Berichtsjahres war eine intensive. Infolge der Ausarbeitung des Zolltarifes verdoppelten sich die Kommissionsarbeiten und die'Sessionen.

Der Anregung von Mitgliedern der Räte entsprangen 15 Postulate, welche sehr verschiedene Gebiete beschlagen. DieRäte haben 18 vor dem Jahre 1902 eingebrachte Postulate-, erledigt. Es bleiben noch 35 solche ,zu beraten, von denen einzelne bis zum Jahre 1890 zurückreichen ; die noch weiter zurückdatierenden werden nicht mehr berücksichtigt.

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Politisches Departement.

II. Initiativbegehren, Wahlen etc.

Dreimal im Laufe des Jahres 1902 kamen die Bürger zu politischer Betätigung.

Eia Versuch für Ergreifung des fakultativen Referendums mißlang, infolge der ungenügenden Anzahl der eingegangenen Unterschriften ; derselbe war gegen das Gesetz vorn 4. Juni 1902 betreffend die Nationalratswahlkreise gerichtet.

Eine obligatorische Volksabstimmung ergab Annahme des Bundesbeschlusses vom 4. Oktober 1902 betreffend die Subvention der Primarschule.

Sodann langte ein Volksbegehren ein, welches eine Revision der Wahlziffer für den Nationälrat verlangt; es wurde aber im Berichtsjahre von den Räten noch nicht behandelt.

Diese Vorgänge sind es, welche, abgesehen von den Wahlen, den Gegenstand der politischen Betätigung der schweizerischen Wähler im vergangenen Jahre bildeten.

III. Internationales.

1. Ihre Kommission nimmt mit wirklicher Befriedigung Notiz von der freundschaftlichen Lösung des Konflikts, welcher sieh im letzten Frühjahr in ganz unvorhergesehener Weise zwischen der Schweiz und Italien erhoben hatte. Da die Räte ihre Meinung bei Anlaß der speziellen bezüglichen Botschaft des Bundesrates äußerten, so wollen wir an dieser Stelle nur die vollständige Wiederherstellung der guten Beziehungen zwischen den beiden Staaten konstatieren; zu derselben trug wesentlich der freundliche Besuch des Königs bei, der den Anlaß zu gegenseitigen Erklärungen gab, welche jedes Mißverständnis zerstreuten und alte Bande gegenseitiger Zuneigung neu befestigten.

Die königliche Regierung beglaubigte als außerordentlichen Gesandten und bevollmächtigten Minister bei der Eidgenossen-

120 schaft den Herrn Grafen Avarna, und der Bundesrat seinerseits ernannte zum Gesandten in Rom Herrn B. Pioda, Sohn des ehemaligen Bundesrates, welcher selber einst offizieller Vertreter der Schweiz in Italien war.

° 2. Ein schweizerischer Ingenieur, welcher bei dem Bau einer Eisenbahn in China beschäftigt war, wurde bei dem Boxeraufstande des Jahres 1900 ermordet. Die belgische Regierung, nahm in zuvorkommendster Weise die Verteidigung der Interessen seiner Familie in die Hand und erhielt eine Entschädigung von über 500,000 Franken zugesprochen. Da die Entschädigung aber erst in 39 Jahresraten zahlbar ist, so bietet diese Lösung gewisse Nachteile, welche auch die wohlwollenden Bemühungen der belgischen Regierung nicht verhüten konnten. Wir haben keinen direkten Schutz der Interessen unserer Landesbürger in dem weiten chinesischen Reiche.

4. Die Gesetzgebung von Japan räumt den Fremden das Recht zur Erwerbung von Grund und Boden in Japan nicht ein, aber die Regierung gestattet ihnen Pachtverträge von unbegrenzter Dauer, ßisdahin waren die auf diesen Grundstücken errichteten Gebäude von Steuer befreit, diese lastete nur auf Grund und Boden. Jetzt will aber der Fiskus spezielle Steuern auf die betreffenden Gebäude legen. Mehrere europäische Staaten haben ge'gen eine solche Besteuerung Protest erhoben und sie im Widerspruch mit den internationalen Verträgen stehend erklärt, -welche festsetzen, daß keine andere Steuer als die in den Pachtverträgen bereits vorgesehenen das Eigentum belasten darf. Im Interesse ihrer eigenen Bürger schloß sich die Schweiz den erwähnten Protesten an, und die japanische Regierung gab ihr die Zusicherung, daß auf die schweizerischen Beteiligten der Urteilsspruch des um die Lösung dieser Streitfrage angegangenen permanenten Schiedsgerichts im Haag Anwendung finden solle.

Wir sind glücklich über die Wahl dieses Verfahrens, und wir billigen die Ansprüche des Bundesrates. Ihre Kommission hält wirklich dafür, daß gemäß dem Zuwachsprinzip es sich hier um Einverleibung handle, und nicht um zwei verschiedene, zwei getrennten Steuern unterwerfbare Objekte. Die in, den Pachtverträgen niedergelegten Bedingungen sollen allein Geltung haben.

6. Mehrere schweizerische Handeltreibende hatten unter der Unterdrückung der Durchfuhr der aus Bolivia kommenden Waren durch Brasilien zu leiden, eine Maßnahme, welche die brasilianische Regierung im Monat August 1902 plötzlich ergriff. Da kein internationaler Vertrag die freie Schiffahrt auf dem Ama-

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zonenstrom festsetzt, sondern diese nur einseitig durch ein Dekret des brasilianischen Staates von 1866 geregelt wird, konnte der Bundesrat nur die völkerrechtlichen Grundsätze in Sachen des Handelsverkehrs anrufen. Die brasilianische Regierung nahm diesen Schritt günstig auf. Das Durchfuhrverbot wurde aufgehoben, indessen bleibt die Frage der Zurückerstattung beträchtlicher Gebühren, welche verlangt werden, noch bestehen.

8. Die Eintritte in die französische Fremdenlegion werden oft durch vorübergehende Impulse veranlaßt, welche bei den Betreffenden sehr bald Reue wecken. Dann erhält der Bundesrat Gesuche um Intervention bei den französischen Behörden behufs Freilassung, aber die diesbezüglichen Schritte haben nur Erfolg, wenn der Legionär seinen Kontrakt vor vollendetem 18. Altersjahre abschloß. Diese Bedingung ist im ganzen wenig bekannt, und es wäre zu wünschen, daß der Bundesrat dieselbe von Zeit zu Zeit dem Publikum in Erinnerung rufen würde, damit die jungen Leute sich der Tragweite ihres Eintritts in fremden Dienst bewußt werden.

11. Der oft unregelmäßige Verlauf der Grenzlinie nötigt gelegentlich, einen modus vivendi zu finden zur Erleichterung der ·wechselseitigen Beziehungen zwischen den benachbarten Bewohnern oder zur Besorgung der Verwaltungsangelegenheiten.

So hat der Bundesrat auf Wunsch der Regierung von Baselland bei der kaiserlieh deutschen Regierung die Ermächtigung zum Transitverkehr zwischen Schönenbuch und Benken über eine elsässische Gemeinde nachgesucht. Die deutsche Regierung hat unter der Bedingung zugestimmt, daß vorgängig eine Transitbewilligung beim kürzlich errichteten deutschen Zollbureau Neuwil -- zwischen den beiden genannten schweizerischen Ortschaften gelegen -- eingeholt werde. Auf einem andern Grenzpunkte hat die Schweiz den Durchgang französischer Zollwächter gestattet, um ihnen einen sehr langen Umweg zu ersparen. Dieser auf Zusehen hin gefaßte Beschluß ist natürlich erst nach entsprechendem Vorbericht der lokalen Behörden erfolgt, welche keinen Nachteil dabei erblickten. Dieser Vorgang würde uns bei Gelegenheit und unter ähnlichen Umständen erlauben, von der französischen Regierung eine gleiche Behandlung in unserm Interesse zu verlangen.

Übrigens bestehen ähnliche Verhältnisse bereits an der Schaffhauser Grenze, wie auch in 8t. Gingolph, wo die Walliser Gendarmen über französisches Gebiet gehen müssen, um zum

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schweizerischen Bahnhof zu gelangen, und ebenso im Berner Jura, wo die schweizerischen Landjäger, um von Boncourt nach Pruntrut zu gelangen, in Delle einsteigen. Die im verflossenen Jahre getroffenen Maßnahmen stützten sich somit auf Präzedenzfälle.

IV. Vertretung der Schweiz im Auslande.

A. Gesandtschaften.

Unser diplomatisches Personal hat im Berichtsjahre wesentliche Änderungen erfahren. Da bei Anlaß der durch diese Veränderungen erforderten Nachtragskredite alle nötigen Aufschlüsse erteilt wurden, kommen wir hier nicht darauf zurück. Die Anwendung des Reglements vom 8. August 1901 ist noch nicht von so langer Dauer, daß wir es richtig beurteilen könnten.

Man muß auch das Ergebnis der Prüfung des ßundesrates über den Nutzen einer Ausdehnung unserer diplomatischen Vertretung noch abwarten. Die Schaffung einer Gesandtschaft in St. Petersburg könnte sich aus Rucksicht auf die bedeutsame Rolle Rußlands in der Weltpolitik rechtfertigen lassen, wie auch durch den Umstand, daß Rußland selber eine Gesandschaft bei uns hat.

B. Konsulate.

Das Konsulatswesen zeigt einen von Jahr zu Jahr wachsenden Nutzen. Das Reglement vom 26. Mai 1875 könnte vielleicht revidiert werden, um die Rekrutierung eines gebildeten Personals zu erleichtern und allfälligen Konflikten zwischen gewissen Handelsinteressen vorzubeugen. Der Betrag der den Konsuln gewährten Entschädigungen dürfte einer Erhöhung zu gunsten neuer Stellen oder der Umwandlung einiger derselben fähig sein.

VII. Einbürgerungen.

Die Einbürgerungsgesuche beliefen sieb auf: 1163 im Jahre 1899 1270 ,, ,, 1900 1154 ,, ,, 1901 1253 ,, ,, 1902 Von dieser letztern Zahl wurde 1113 Gesuchen entsprochen, von welchen mehr als drei Viertel auf Deutsche, Franzosen und

123 Italiener fallen. An den erteilten Bewilligungen haben mit Einschluß der Ehefrauen und minderjährigen Kinder im ganzen 3505 Personen teil, 432 mehr als im Vorjahre. Das neue Bundesgesetz über die Einbürgerung wird den niedergelassenen Fremden ·die Pforten zum schweizerischen Bürgerrecht noch weiter öffnen.

Diese Weitherzigkeit wird uns aber nicht dazu führen, daß wir Besuche begrüßen könnten, deren offenkundiger Hauptbeweggrund ein Beförderungsmittel der Ehescheidung ist. Eine derartige Erwägung zeigt wirklich beim G-esuchsteller nicht eine Achtung vor dem Schweizerbürgerrecht, die geeignet wäre, ihn ·dessen ganzen Wert fühlen und die bezüglichen Pflichten anerkennen zu lassen.

VIII. Optionen.

Ihre Zahl im Jahre 1902 ist bedeutend höher als diejenige im Jahre 1901.

Eine verschiedenartige Interpretation der französisch-schweizerischen Übereinkunft vom 23. Juli 1879 machte Verhandlungen zwischen den beiden Regierungen nötig ; dieselben endigten glücklich mit der Aufrechterhaltung der seit Inkrafttreten dieser Übereinkunft stets befolgten Praxis. Ihre Wirkungen werden sich auch in Zukunft ebensowohl auf die .Kinder von als Schweizer naturalisierten Franzosen, deren Eltern französischer Abstammung sind, erstrecken, wie auf die Kinder von in ihr schweizerisches Bürgerrecht wieder eingesetzten Eltern, besonders von Müttern, welche durch ihre Verehelichung mit Franzosen das schweizerische Bürgerrecht verloren und dann dasselbe nach dem Tode ihrer Männer wiedererlangt hatten.

Diese durch 23jährige Erfahrung erprobte Lösung entspricht ·den Tatsachen und zugleich auch den Absichten, von welchen die vertragschließenden Staaten im Jahre 1879 gegenseitig getragen waren. Wir konstatieren mit Befriedigung, daß sie deren Geist und Zweck getreu erfüllen wollen.

IX. Auswanderung.

Diese immer noch offene Wunde verdient unsere ernstliche Beachtung.

Die Zahl der Ausgewanderten belief sich im Jahre 1902 auf 4707, was eine Vermehrung von über 20 °/o gegenüber dem

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Vorjahre bedeutet. Das Mittel seit 10 Jahren beträgt 3736, d. h.

37,357 Personen haben in dieser Frist das Schweizerland verlassen. Eine solche Auswanderung ist in jeder Hinsicht bedauernswert. Auch im letzten Jahre rekrutierten sich die Auswanderer nicht, wie man leicht annehmen könnte, aus der armen Bevölkerung, sondern die Landwirte lieferten den größten Teil derselben.

Die schweizerischen Auswanderer bezahlten den Agenturen für ihren Transport Fr. 1,218,806. 44, ohne die von den überseeischen Ländern direkt geschickten Billette zu rechnen. Die von ihnen gekauften Wechselbriefe repräsentieren eine Summe von Fr. 345,262. 63.

Die Auswanderung verursacht uns somit alljährlich einen beträchtlichen Verlust an Geld, Arbeitsleistung und wirtschaftlichen Fähigkeiten.

Die Anzahl der Privatagenturen hat sich vermehrt, und die Arbeit der Bundesaufsicht nahm infolgedessen auch zu. Die in New York zur Fernhaltung zweifelhafter Einwanderer angewandte Strenge führte weit mehr zu Streitigkeiten, als die Art und Weise der Behandlung der Auswanderer auf den Eisenbahnen und Dampfschiffen. In letzterer Hinsicht ist keine ernstere Klage im Berichtsjahre eingelangt. Es wird immerhin nicht nutzlos sein, auf eine häufig geübte Praxis hinzuweisen. Die Agenturen verleiten nämlich öfters die Auswanderer dazu, die Überfahrt lieber in der III. als in der II. Klasse zu machen, weil sie auf den Fahrten der III. Klasse eine höhere Provision beziehen. Die Reisenden finden aber in der durch die sehr geringe Preisdifferenz erzielten Ersparnis keinen Ersatz für die Unannehmlichkeiten und Verdrießlichkeiten, welche die Zwischendeckpassagiere in Kauf nehmen müssen.

Wiederholte Veröffentlichungen könnten unsere auswandernden Mitbürger aufklären. Sie sollten ihnen auch die absolute Notwendigkeit genauen vorgängigen Studiums ihres Kontraktes zeigen, um allerlei Schwierigkeiten zu vermeiden, welche sie bei der Ankunft in den Vereinigten Staaten erwarten und sie gelegentlich sogar zur sofortigen Rückreise nach Europa nötigen.

Es kann auch konstatiert werden, daß sich die Auswanderung fast beständig den gleichen Orten zuwendet, trotz der gemachten Anstrengungen, um sie andern Gegenden zuzulenken.

Nordamerika bleibt das Lieblingsziel ; es zieht übrigens nicht nur unsere Mitbürger, sondern die Angehörigen aller Länder der Erde

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an. Es genügt in dieser Beziehung, mitzuteilen, daß vom 1. Juli 1901 bis 30. Juni 1902 fast 650,000 Einwanderer in den Häfen der Vereinigten Staaten landeten, wovon 620,000 aus Europa.

Die Einwanderung nach Südamerika hingegen ist in starker Abnahme begriffen.

Der Auskunftsdienst erhält immer zahlreichere Anfragen, die aus fast allen Teilen der Schweiz kommen. Im allgemeinen empfiehlt man den in der Handelsbranche beschäftigten Personen, nicht auszuwandern, bevor sie sich eine Anstellung in einem überseeischen Lande gesichert haben. Dasselbe gilt für diejenigen, welche keinen bestimmten Beruf haben ; es wird diesen meistens unmöglich sein, drüben an Ort und Stelle lohnende Beschäftigung zu finden.

Das Auswanderungsamt gibt sich Mühe, die gewünschte Auskunft stets in objektivster Weise zu erteilen, und es warnt fortwährend das Publikum vor gewissen lügnerischen Reklamen, welche nur zur Auswanderung zu verleiten suchen. Indem es den Leuten die zahlreichen Gefahren des Auswanderns vor Augen führt, leistet es für alle nützliche Arbeit.

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Departement des Innern.

II. Vollziehung der Verfassung und der Bundesgesetze.

2. Medizinalprüfungen.

Der schweizerische Ärztestand hatte dem Departement des Innern den Wunsch ausgedrückt, über die Frage eines neuen Maturitätsreglements auch seine Meinung abgeben zu dürfen.

Diese Kundgebung erfolgte im Jahre 1902; von den in der Schweiz niedergelassenen und hierüber befragten Ärzten sprachen sich 1302 für Aufrechterhaltung des status quo und nur 93 für das Projekt der eidgenössischen Maturitätskommission aus.

Auf Wunsch der kantonalen Erziehungsdirektoren nimmt das Departement auch ihre Ansichten über die Grundlagen des neuen Reglements entgegen. Ihre Begehren langten indessen bis zum Schlüsse des Berichtsjahres noch nicht ein.

Die Kommission hofft, daß diese Frage bald eine befriedigende Lösung finden werde.

Die Gesamtzahl der eidgenössischen Maturitätsprüfungen belief sich pro 1902 auf 67, wovon 28 auf Ausländer fallen, und die Zahl der Medizinalprüfungen betrug, auf die sieben Prüfungsorte verteilt, im ganzen 482, wovon 78, d. h. 16,2 %, erfolglos waren.

V. Gemeinnützige Werke.

2. Übrige subventionierte Gesellschaften, c. Wörterbuch der Mundarten der französischen Schweiz.

Mit Hülfe von etwa 80 sehr fleißigen Mitarbeitern hat sich das Material bedeutend vermehrt. Die " Untersuchungen bezogen sich in den verschiedenen Gegenden der französischen Schweiz

127 auf folgende Materien: die Säugetiere, die Temperatur, die Wäsche, die Saaten, G-arten, Wiese und Feld, Butter- und Käsefabrikation, das Terrain. Die Redaktoren und ihre Gehülfen legten Wörtersammlungen für den westlichen Teil des Kantons Waadt, für das Val-de-Ruz, das Val de-Travers, das mittlere Gebiet des Kantons Freiburg, Leysin (Waadt), Liddes und Charrat (Wallis), Develier (Bern) an.

Die Kommission nimmt mit Befriedigung Notiz von dem guten Fortgange dieser interessanten Studien.

3. Hebung der Kunst.

Der Bericht hebt hervor, daß der jährliche Kredit von 50,000 Franken, bei der großen Zahl der schweizerischen Künstler, und mit Rücksicht auf die nationalen Ausstellungen und die Pflichten des Staates auf dem ausgedehnten Gebiete der Kunst, absolut ungenügend ist. Der Bundesrat schlägt vor, den frühern Kredit von 100,000 Franken wieder herzustellen.

Durch Bundesbeschluß vom 6. Oktober 1899, betreffend die Wiederherstellung des finanziellen Gleichgewichts der Eidgenossenschaft und die Mittel zum Betrieb der Versieherungsgesetze, beschloß die Bundesversammlung, neben andern zur Erreichung dieses Zweckes getroffenen Maßnahmen, die Reduktion des jährlichen Kredits für Förderung und Hebung der schweizerischen Kunst von 100,000 auf 50,000 Franken. Dieser Beschluß trat am 1. Januar 1900 in Kraft; der Zweck aber, dem er dienen sollte, fiel durch die Volksabstimmung vom 20. Mai 1900 plötzlich dahin, indem das Bundesgesetz vom 5. Oktober 1899 über die Kranken- und Unfallversicherung und die Militärversicherung verworfen wurde.

Trotz dieser Verwerfung besteht der den erwähnten Kredit herabsetzende Beschluß noch in aller Form und hemmt die Entwicklung der Kunst in leidiger Weise.

Um dieser Situation ein Ende zu machen, schlägt der Bundesrat die Aufhebung von Artikel l des bezüglichen Bundesbeschlusses vor, unter Belassung der andern Bestimmungen desselben betreffend das Budget für neue Bauten und für den Landsturm (Art. 2 und 3).

Die Kommission ist mit dieser, unter den jetzigen Verhältnissen vollständig gerechtfertigten Revision einverstanden. Die

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Finanzlage des Bundes hat sich seit 1899 wesentlich gebessert, und der verlangte Kredit von Fr. 100,000 ist noch bescheiden im Vergleich zu den Ausgaben, welche sich die Nachbarstaaten für die Förderung der Kunst auferlegen.

VI. Polytechnikum.

Die Zahl der regulären Studierenden und der Zuhörer ist in beständigem Steigen begriffen. Die Zunahme von 1901 auf 1902 war folgende: Reguläre Studierende : 1065 (gegen 1004 im Jahre 1900/1901), wovon 707 Schweizer, also 66 %, und 358 Ausländer, d. h. 34 %.

Zuhörer: 571 (gegen 507 im Jahre 1900/1901), welche zum größten Teil 8 die Kreifächer der VII. Abteilung besuchten.* Mit Einschluß derselben betrug die Gesamtzahl der Studierenden und Zuhörer 1636 (gegen 1511), also Vermehrung um 125.

Dieser große Zudrang ist eine Ehre für die Schule und macht im Ausland einen guten Eindruck.

Aber für unser Land hat diese große Zahl schwere Nachteile im Gefolge. Der Bericht des Bundesrates besagt, daß die Lokale, besonders diejenigen für Chemie, unzulänglich sind, daß der Unterricht in den Vorlesungen und bei den Übungen stark darunter leidet, und zwar gerade für die besseren Studierenden, und daß man oft Assistenten in öffentlichen Stellungen zu Hülfe nehmen muß, um die ordentlichen Professoren, welche nicht mehr genügen können, zu unterstützen.

Diese Sachlage, welche mit großen Ausgaben für die Zukunft sich zu komplizieren droht, bildet den Gegenstand lebhafter Besorgnisse des Herrn Departementschefs und des Schulrates.

Eine rapide Zunahme der Studentenzahl zeigt sich übrigens auch an den Universitäten, besonders an den medizinischen Fakultäten, welche von Studenten und S t u d e n t i n n e n überflutet werden.

Es sind lebhafte Unterhandlungen im Gang zwischen Bund, Kanton und Stadt Zürich zum Zwecke der Vergrößerung des Bauterrains, der Abtretung neuer Lokale für Vorlesungen und Sammlungen u. s. w. Auch die internen Fragen, die mit der Frequenz der Anstalt zusammenhängen und die Zulassungsbedingungen zum Unterricht und zu den Prüfungen betreffen, beschäftigen die kompetenten Behörden.

Alles läßt auf eine baldige Lösung hoffen.

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VIL Gesundheitsamt.

1. Verhütung und Bekämpfung ansteckender Krankheiten.

d. Diphtherie.

Es ist zu bemerken, daß vier Kantone, aus unbekannten Gründen, keine Fälle von Diphtherie angezeigt haben ; nur vierzehn Kantone haben den unentgeltlichen Dienst der bakteriologischen Untersuchungen in Anspruch genommen. Auf 6143 angezeigte Fälle kamen nur 3098 zur Untersuchung. Die auf diesem Gebiete erzielten Erfolge sollten mehr Neigung wecken, die gewährten Vergünstigungen zu benutzen.

f. Pasteur-Institut in Bern.

Dieses noch neue, vom Bunde subventionierte bakteriologische Institut ist der Initiative hervorragender schweizerischer Gelehrter zu verdanken; es verdient einen Besuch und spezielle Erwähnung.

Das Gebäude, zwar nicht groß, ist vortrefflich eingerichtet; der ganze bakteriologische Dienst mit dem Studium der Infektionskrankheiten ist nach den neuesten Entdeckungen dieser vom unsterblichen Pasteur begründeten Wissenschaft organisiert. Besonders die Desinfektionsmethoden sind bemerkenswert. Die Bereitung der Tierlymphe, des Serums gegen die Diphtherie, die Wut, die Pest, den Rotlauf etc. ist äußerst genauer Aufsicht, welche völlige Sicherheit verbürgt, unterworfen.

Der Geschäftsbericht teilt uns ferner mit, daß 31 Personen sich im letzten Jahre einer antirabischen Kur unterwarfen ; bei keiner derselben ist die Wut zum Ausbruch gekommen, und kein Todesfall trat ein.

Dieses Institut macht unserm Lande alle Ehre und leistet bereits ausgezeichnete Dienste.

2. Lebensmittelpolizeis Das seit langem schwebende diesbezügliche Gesetz, welches für Hygiene und Landwirtschaft so wichtig ist, naht seinem Ende; es ist zu hoffen, daß es auf Ende des Jahres 1904 in Kraft wird treten können.

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3. Schweizerische Pharmakopöe.

Im September 1902 tagte eine internationale Konferenz von Delegierten aus 15 Staaten, worunter auch die Schweiz, in Brüssel; sie nahm einen Vorentwurf zu einer Vereinbarung betreffend einheitliche Bereitungsweise der starkwirkenden Arzneien an.

Das Departement konsultierte die kantonalen Kegierungen ; man darf annehmen, daß sie dem Entwürfe zustimmen werden.

Dies wird ein schöner Fortschritt sein, welchen nicht nur die zahlreichen Fremden, welche in unsern Bergen die Gesundheit suchen, sondern auch die Ärzte und Apotheker mit Genugtuung begrüßen werden.

XII. Oberbauinspektorat.

C. Wasserbauwesen.

Von allen Flußgebieten hat dasjenige der Rhone am meisten gelitten. Die plötzliche Temperaturerhöhung zu Anfang Juli verursachte eine rasche Schmelzung des auf den Bergen angehäuften Schnees, zu gleicher Zeit fielen starke Regenmengen im mittleren Wallis, was eine außerordentliche Anschwellung aller Zuflüsse des Stromes bewirkte. Das Niveau dieses letzteren stieg zu einer erschreckenden Höhe und erreichte an mehreren Stellen die Höhe des Dammes. Ungeachtet aller Wachsamkeit und aller Anstrengungen brach der Damm an drei Stellen. Die ganze linke Talseite, von Illarsaz gegenüber Aigle bis zum Genfersee, wurde überschwemmt und großer Schaden verursacht.

Diese bedauernswerten Vorgänge werden große Opfer vom Bund, vom Kanton Wallis und von den Gemeinden erfordern.

Die so kräftige und hochherzige Hülfe der Bundesbehörden hat, wie in allen ähnlichen Fällen, auch hier sich neuerdings erM'iesen.

2. Wasserbaupolizei.

Rheinkorrektion.

Die Kommissionen der beiden Räte besichtigten gemeinschaftlich die Korrektionsarbeiten am Rhein, an seinen Sammelkanälen und Zuflüssen. Es wird darüber jedem der beiden Räte spezieller Bericht erstattet werden. Die Zeit hat es uns nicht

131 erlaubt, die diesbezüglichen Mitteilungen unserm allgemeinen Berichte noch einzuverleiben.

XIII. Direktion der eidgenössischen Bauten.

A. Allgemeines.

Die Kommission des Nationalrates zur Vorberatung des Traktandums v)M(lnzgebäudea drückte den Wunsch aus, es möchte die Eröffnung der Submissionen in öffentlicher Weise vor sich' gehen, wie dies in mehreren Kantonen und in den Nachbarstaaten geschieht.

Das Departement findet jedoch, daß aus technischen Gründen, um vor allem eine korrekte und gewissenhafte Ausführung der Arbeiten zu verbürgen, es nicht angezeigt ist, das seit Jahren und mit Erfolg von der Bauverwaltung praktizierte System zu ändern.

Die Kommission nimmt von dieser Erklärung Akt. Immerhin glaubt sie, daß das System der ö f f e n t l i c h e n Eröffnungder Offerten gewisse Vorteile bietet; jedenfalls setzt es die Behörden, die ja ganz das öffentliche Vertrauen genießen, außerhalb des Verdachts von Bevorzugung oder Günstlingswirtschaft.

Mit Rücksicht auf die finanzielle Tragweite dieser Frage glaubt die Kommission, welche nicht über genügende technische Elemente verfügte, dem Bundesrate den Wunsch ausdrücken zu sollen, dieselbe neuerdings zu prüfen und darüber zu berichten.

XIV. Porstwesen, Jagd und Fischerei.

<· A. Forstwesen.

Gesetzgebung.

Die Vollziehungsverordnung zum Bundesgesetze vom 11. Oktober 1902 (in Kraft seit 1. April 1903) betreffend die Oberaufsicht des Bundes über die Porstpolizei, vom 13. März 1903, enthält in ihrem Artikel 10 eine Bestimmung, welche in den interessierten Kreisen Widerspruch hervorruft.

Dieser Artikel lautet wie folgt: .,,Die Abgabe sogenannter Loshölzer (Holzteile) auf dem Stock ist untersagt. Die Holzanzeichnung hat durch das betreffende

132 Forstamt, der Holzschlag, die Aufarbeitung und Sortierung des Holzes im Akkord oder durch die Losbesitzer gemeinschaftlich oder in Abteilungen unter forstamtlicher Leitung und Aufsicht zu geschehen.

,,Vom geschlagenen Holz hat eine Aufnahme seines kubischen Inhaltes stattzufinden."

Man darf wohl an der Gesetzmäßigkeit dieser wichtigen Bestimmung der fraglichen Vpllziehungsverordnung zweifeln.

Die rechtliche Grundlage fehlt ihr offenbar, denn Artikel 18 des neuen Gesetzes sieht vor, daß die öffentlichen Wälder, d. h.

die Wälder des Staates, der Gemeinden und der Korporationen, sowie die von einer öffentlichen Behörde verwalteten Wälder, gemäß den bezüglichen k a n t o n a l e n Verordnungen bewirtschaftet und v e r w a l t e t werden. Artikel 19 des Gesetzes behält nur die Genehmigung dieser kantonalen Verordnungen durch den Bundesrat vor. Somit ist die kantonale Kompetenz klar erwiesen.

Vom rein forstpolizeilichen Standpunkte aus kann man gewisse Vorteile des neuen Systems nicht leugnen. Es wäre aber gefährlich, dasselbe zu sehr zu verallgemeinern.

Es ist zur Kenntnis der Kommission gelangt, daß Rekurse gegen die angefochtene Verfügung bei der Bundesversammlung eingereicht werden sollen. Es ist daher geraten, mit dem Entscheid noch zuzuwarten, da die Räte sich mit der Frage in ihrem Gresamtzusammenhang zu beschäftigen haben werden.

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Justiz- und Poljzeideparteraent.

I. Bundesgesetzgebimg.

Das Zivilgesetzbuch und das Strafgesetzbuch sind auf dem Gebiete der Gesetzgebung die Hauptarbeiten, mit welchen sich der .Bundesrat beschäftigt.

Die Arbeiten für das Zivilgesetzbuch nehmen ihren regelmäßigen Fortgang. Die Expertenkommission trat im März in Neuenburg und im November in Zürich zusammen. Man darf hoffen, daß der Bundesrat in der Lage sein wird, den Räten auf Ende dieses Jahres oder auf Anfang des Jahres 1904 einen vollständigen Entwurf vorzulegen.

Auch das Strafgesetzbuch rückt vorwärts. Die Departementskommission tagte unter zweien Malen. An ihren Sitzungen nahm auch Herr Professor Stooß in Wien teil. Die Kömmission arbeitete den von der Expertenkommission verfaßten Entwurf um und redigierte einen Entwurf zu einem Einführungsgesetze.

Der Strafgesetzentwurf wird für die Behandlung in den eidgenössischen Räten erst nach der Beratung des Zivilgesetzes bereit sein ; wir finden es so besser, da die Vereinheitlichung des Zivilrechts, wo große Interessen im Widerspruch miteinander stehen, sich schwieriger gestalten wird als diejenige des Strafrechts.

Es scheint uns, daß dev günstige Zeitpunkt für eine Abänderung d e s G e s e t z e s ü b e r S c h u l d b e t r e i b u n g u n d K o n k u r s vom 11. April 1889 nun gekommen ist.

Schon im Jahre 1901 erhob sich eine erste Klage seitens der Tessiner Regierung. In Ausführung eines Großratsbeschlusses richtete sie an den Bundesrat ein Initiativbegehreji für Revision der Artikel 142 und 329 des Gesetzes, behufs Abänderung des Verfahrens bei Versteigerung von Liegenschaften im Sinne des Zuschlages an die Gläubiger -- an Zahlungsstatt -- zu einem bestimmten Schätzungspreise, an Stelle des von dem Gesetze,angenommenen Systems der Umsetzung in bares Geld.

Bundesblatt. 55. Jahrg. Bd. III.

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Das gesetzliche System führt bezüglich des Hypothekarkredites oft für den Schuldner verderbliche Folgen herbei.

Dieser schwere Übelstand scheint sich nicht nur im Tessin, sondern auch im Wallis und in Graubünden fühlbar zu machen, und der schweizerische Bauernbund hatte, hauptsächlich im Interesse der kleinen Liegenschaftsbesitzer, die tessinische Initiative unterstützt.

Nach Einholung des Gutachtens 'des Bundesgerichtes beantragte der Bundesrat, obwohl er die Notwendigkeit der Revision des Gesetzes zugab, der Bundesversammlung, nicht auf die Initiative einzutreten, unter dem Vorbehalte, zu geeigneter Zeit sich mit der Sache zu beschäftigen.

Auf diese beruhigende Erklärung hin beschloß der Große Rat von Tessin unterm 21. Mai 1902, seine Initiative zurückzuziehen, so-daß für die Bundesversammlung kein Anlaß zu einer Beschlußfassung vorliegt.

In ihrem Bericht über die Geschäftsführung des Jahres 1901 drückte sich die nationalrätliche Kommission, als sie sich mit dem Tarif in Schuldbetreibungs- und .Konkurssachen beschäftigte, so aus: Es wäre jetzt nicht mehr zu.früh, zu der Revision des Gesetzes selbst zu schreiten. Wichtige Bestimmungen dieses Gesetzes erwecken, wie man weiß, in weiten Kreisen Unzufriedenheit Anderseits fügt das Bundesgericht in seinem Bericht über seine Geschäftsführung im Jahre 1902, indem es eine merkliche Verminderung der Rekurse in Betreibungssachen konstatiert, bei : .,,Zwar tauchen immer noch neue Fragen von prinzipieller Wichtigkeit auf, doch mindert sich die Zahl derselben von Jahr zu Jahr in einer Weise, daß nun wohl eine Revision des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes in nicht allzu ferner Zeit in Aussicht genommen werden darf. Daß das Gesetz In hohem Maße revisionsbedürftig ist, ist wohl nicht zu bestreiten. Im übrigen werden die zahlreichen prinzipiellen Entscheide der Aufsichtsbehörden, sowie die Ergebnisse der Betreibungsstatistik ein sehr reichhaltiges Material zur Orientierung über die bestehenden Mängel und die Mittel zur Abhülfe an die Hand geben."

Die klare Ansicht des Bundesgerichts konstatiert also heute die Zweckmäßigkeit einer Revision des Gesetzes, und wir drücken den Wunsch aus, daß sie sich verwirklichen möge.

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IL Internationales Recht.

Der im Jahre 1901 von einer Delegiertenkonferenz der Kantone unter der Leitung des eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartements ausgearbeitete Entwurf eines Konkordats, zum Zwecke der Befreiung des Klägers von der Verpflichtung zur Sicherheitsleistung für die Prozeßkosten, wurde von 7 Kantonen angenommen. Da aber der Bundesrat ihn zur Kenntnis der kantonalen Regierungen brachte, so kann das Konkordat die eidgenössische Genehmigung erst erhalten, wenn es die Zustimmung von wenigstens zehn Kantonen erlangt hat, was wohl im Verlaufe des Jahres 1903 der Fall sein wird.

Die drei im Haag angenommenen Übereinkommen, nämlich : Übereinkommen zur Regelung der Gesetzeskonflikte in Ehesachen ; Übereinkommen zur Regelung der Gesetzes- und Rechtsprechungskonflikte in Sachen der Ehescheidung und der Trennung von Tisch und Bett; Übereinkommen zur Regelung der Gesetzes- und Rechtsprechungskonflikte betreffend Vormundschaft über Minderjährige, welche von den Regierungen · aller wichtigsten europäischen Staaten angenommen wurden, waren bis Ende 1902 der Genehmigung der Parlamente der betreffenden Staaten nicht unterstellt worden, weshalb der Bundesrat mit der Einholung der Ratifikation seitens der Bundesversammlung glaubte noch zuwarten zu sollen.

Es wäre gut, wenn diese Ratifikationen bald erfolgten, mit Rücksicht auf die vielfachen Beziehungen unserer Bevölkerung mit den fremden Ländern.

Der Bundesrat wurde von der niederländischen Regierung zu einer IV. Konferenz für internationales Privatrecht eingeladen, welche im Herbst 1903 zur Besprechung folgender sehr verschiedenartiger Fragen zusammentreten wird: a. Abänderungsantrag betreffend die Übereinkunft für das Zivilprozeßrecht vom 14. November 1896 ; 6. neue Redaktion des bereits von der III. Konferenz ausgearbeiteten Entwurfs betreffend das Erbrecht; c. Wirkungen der Ehe auf den persönlichen Zustand der Ehegattin und auf die ehelichen Güter, Wirkungen der Scheidung und der Trennung von Tisch und Bett; d. Vormundschaft über Mehrjährige; e. internationales Konkursrecht.

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Der Bundesrat erklärte sich zur Beschickung der Zusammenkunft bereit, obwohl er verschiedene Bedenken hatte, teils wegen des gewählten Zeitpunktes, teils wegen der Organisation einer IV. Konferenz überhaupt zu einer Zeit, wo man noch nicht mit Bestimmtheit voraussehen kann, welches Schicksal die Parlamente der großen Staaten den aus der III. Konferenz hervorgegangenen drei Entwürfen vorbehalten.

Wir finden immerhin, wie auch das definitive Los dieser Entwürfe sich gestalten möge, daß eine gründliche Diskussion der auf der Traktandenliste der IV. Konferenz figurierendenFragen unter allen Umständen wertvolles Material für die juristische Wissenschaft und die Gesetzgebung liefern wird.

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Militärdepartement, .

I. Allgemeines.

Veranlaßt durch einen im Nationalrat bei Anlaß der Beratung des Budgets pro 1901 von Herrn Oyex-Ponnaz vorgebrachten Wunsch, hat der Bundesrat eine einläßliche Untersuchung angestellt über die Frage, ob in den Kantinen, an Stelle des Privatbetriebes durch Pächter, der Regiebetrieb durch den Bund einzuführen sei. Infolge des Resultates dieser Prüfung gelangt nun der Bundesrat zu dem Schlüsse, es sei diese Änderung nicht zu empfehlen, ohne aber in seinem Bericht die Gründe, die ihn dazu geführt haben, irgendwie zu erwähnen. Wir sahen uns daher veranlaßt, von den bezüglichen Akten Einsicht zu nehmen, und haben uns überzeugt, daß die Gründe, welche gegen diese -- oberflächlich betrachtet, bestechende -- Neuerung angeführt werden, wirklich stichhaltig sind.

VII. Unterricht Instruktionspersonal.

Obschon die Ereignisse, welche zu einem Konflikt zwischen dem Oberinstruktor der Kavallerie und dem Waffenchef führten, sich erst nach Schluß des Berichtsjahres ereigneten, können wir doch nicht umhin, die Gelegenheit zu benutzen, um uns nicht über die Personen, sondern über das System auszusprechen.

Wir sind der Ansicht, daß dieser Dualismus ein Übel sei und fast notwendig zu Unzukömmlichkeiten und Reibereien führen , müsse, wie es ja auch tatsächlich oft der Fall ist. Der Beweis, daß es sehr wohl angeht, eine Person mit beiden Stellen zu betrauen, wurde vor nicht langer Zeit bei der Kavallerie praktisch geleistet. Wir sprechen daher grundsätzlich den Wunsch aus, es möchte die Frage ernstlich geprüft werden, ob es nicht angezeigt sei, bei der Kavallerie zum früheren Modus zurückzukehren, und gleichzeitig, ob nicht auch bei den andern Wafien die beiden Stellen vereinigt werden können und demzufolge die Militärorganisation in diesem Sinne zu revidieren sei.

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Unterrichtskurseg B. Infanterie.

l. Eekrutenschulen.

Es wird darüber geklagt, daß die gegenwärtige Dauer der Rekrutenschulen nicht ausreiche, um mit größtenteils ungenügend vorbereiteten Rekruten die Ausbildung zu voller Feldtüchtigkeit zu erreichen, und beigefügt, es könnte die Zeit der Kekrutenschule schließlich genügen, wenn die Wirkung des Vorunterrichts eine allgemeinere und intensivere wäre. Das wird zwar kaum zu erwarten sein, so lange der Vorunterricht nicht obligatorisch erklärt werden kann. Bis jetzt besucht denselben nur etwa ein Drittel der Rekruten, beispielsweise im letzten Jahr nur 6590 von 16,494 ; alle andern kamen unvorbereitet in die Schulen.

Truppenzusammenzug.

b. K a v a l l e r i e .

Es wird als ein Übelstand bezeichnet, daß man bei unsern Manövern zu sehr die Art und Weise stehender Armeen nachahme, welche über eine weit zahlreichere Kavallerie verfügen, als es bei uns der Fall ist. Darauf kann man nun allerdings erwidern, die Kavallerie habe bei unsern Friedensmanövern sich nicht nur für ihre eigentliche Aufgabe, Aufklärungsdienst etc.

vorzubereiten, sondern auch die andern Waffengattungen an das Auftreten von eigentlicher Schlachtenkavallerie zu gewöhnen.

Diese Auffassung hat etwas für sich, allein eine gewisse Gefahr liegt immerhin in dieser Verwendung der Kavallerie bei den Truppenzusammenzügen. Wenn sich die Führer nicht völlig bewußt sind, daß sie im Ernstfall unsere leider numerisch viel zu schwache Kavallerie nicht in dieser Weise aufs Spiel setzen dürfen, so würden wir allerdings riskieren, die Armee ihres notwendigsten Instrumentes für den Aufklärun^sdienst in kurzer o° Zeit sränzlich zu berauben. Wir halten deshalb die bezügliche b' Bemerkung im Bericht für durchaus berechtigt.

c. S a n i t ä t s d i e n s t . ' Über die Typhusepidemie, die nach dem Truppenzusammenzug bei einem Teil der betreffenden Truppen auftrat, werden wir unter VIII. Sanitätsdienst, einläßlich berichten.

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C. Kavallerie. ' 2. Kavallerieremontendepot.

Unter diesem Titel sehen wir uns veranlaßt, eine Angelegenheit zur Sprache zu bringen, die zwar genau genommen nicht mehr in den Bericht über das Jahr 1902 gehören würde und auch im bundesrätlichen Bericht gar nicht erwähnt ist, die aber so großes Aufsehen erregt hat, daß wir nicht stillschweigend darüber hinweg gehen können. Es betrifft das die dem gewesenen Waffenchef der Kavallerie, Oberst Markwalder, zur Last gelegten Handlungen im Verkehr mit dem Rèmontendepot. Es wurde über diesen Fall eine genaue Untersuchung eingeleitet und durchgeführt, und es hätten die bezüglichen Akten den Geschäftsprüfungskommissionen der Räte zur Verfügung gestellt werden sollen. Infolge der vom Oberkriegskommissär gegen die ,,Zürcher Posta eingeleiteten Klage mußten dieselben jedoch den zürcherischen Gerichten zur Verfügung gestellt werden und waren deshalb momentan nicht erhältlich. Wir können deshalb in diesem Bericht noch nicht näher auf die Sache eintreten, behalten uns jedoch vor, nach Einsichtnahme der Akten, später bei der mündlichen Berichterstattung an den Ständerat darauf zurückzukommen.

Voraussichtlich werden bis dahin auch die Akten vorliegen über eine zweite Untersuchung, die erst in deu letzten Tagen beschlossen wurde, infolge der neuen Anschuldigungen, die seither betreffend die Verhältnisse im Rèmontendepot erhoben worden sind.

3. Unterricht.

Es ist bekannt, daß seinerzeit der Einführung der Maximgeschütze ein heftiger Widerstand entgegengesetzt und diese Neuerung in den Räten eifrig bekämpft wurde. Wir begrüßen deshalb mit Genugtuung die Stelle im Bericht über die Wiederholungskurse, wo mitgeteilt wird, daß die berittenen Maximgewehrkompagnien überall recht erfreuliche Beweglichkeit gezeigt haben und sich als eine sehr schätzbare Verstärkung unserer verhältnismäßig "o so schwachen Milizkavallerie erweisen.

F. Sanitätstruppe.

9. Freiwilliges Sanitätswesen.

Die Bestrebungen zur Hebung des freiwilligen Sanitätswesens haben im Berichtsjahre eine große und erfreuliche Förderung erfahren durch die Vorlage des Entwurfes zu einem

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Bundesbeschluß betreffend den Ausbau der freiwilligen Sanitätshiilfe zu Kriegszwecken. Die vor Erlaß der bezüglichen bundesrätlichen Botschaft angestellte Untersuchung und die Erhebungen über die einschlägigen Zustände in andern Ländern ergaben das beschämende Resultat, daß wir in dieser Beziehung gegenüber andern Staaten noch weit zurück sind. Um so mehr begrüßen wir diesen ersten Schritt zur Entwicklung der freiwilligen Sanitätshülfe im Kriegsfall.

VIII. Sanitätsdienst.

1. Gesundheitspflege.

Während die Fälle von Infektionskrankheiten im allgemeinen gegenüber den Vorjahren weniger zahlreich waren, hatten wir im Berichtsjahr leider eine Typhusepidemie zu beklagen, die nach dem Truppenzusammenzug bei den Truppen des IV. Armeekorps, besonders bei denjenigen des XIII. und, jedoch in geringerern ·Maße, des XIV. Infanterieregiments auftrat und bei 104 Erkrankungen 14 Todesfälle zur Folge hatte. Gleichzeitig, aber unab hängig von dieser Epidemie, kamen 5 Erkrankungen und 2 Todesfälle an Typhus vor bei der Kriegsbrückenabteilung 4. Wie zu erwarten war, hat dieses beklagenswerte Ereignis nicht nur in den Landesgegenden, denen die direkt betroffenen Truppenkörper angehören, sondern im ganzen Lande Aufsehen erregt und gab Veranlassung zu umfassenden Untersuchungen über die mutmaßlichen Ursachen desselben. Das Ergebnis dieser Untersuchungen hat das Militärdepartement in einem ausführlichen Bericht zusammengestellt, und halten wir uns verpflichtet, uns über denselben auszusprechen. Was die Frage anbetrifft, ob die Klagen der Regierung des Kantons Luzern über formell inkorrekte Behandlung der Angelegenheit durch das schweizerische Militärdepartement begründet seien, geht die Mehrheit der Kommission mit dem Militärdepartement darin einig, daß eine gesetzliche Vorschrift nicht verletzt worden und auch bei der Typhusepidemie anläßlich des Truppenzusammenzuges von 1893 augenscheinlich in ähnlicher Weise verfahren worden sei. Hingegen müssen wir uns doch die Bemerkung erlauben, es hätte dieser unerquickliche Streit zwischen den beiden Behörden voraussichtlich vermieden werden können, wenn das Militärdepartement aus freien Stücken der Regierung des Kantons Luzern von der anzuhebenden Untersuchung wenigstens Kenntnis gegeben hätte.

In materieller Beziehung scheint uns durch den Bericht des 'Militärdepartements folgendes konstatiert zu sein :

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1. Die Anschuldigung, es seien die betreffenden Truppen übermäßig angestrengt worden, ist unrichtig. Ebenso diejenige, es sei der Mannschaft bei dem Kantonnement vom 5./6. September verdorbenes Fleisch verabreicht worden, und die Behauptung, es seien die Truppen schon mit abnormem Krankenbestand in Sehötz eingerückt, ist jedenfalls stark übertrieben.

2. Die Tatsache, daß auf dem Hübeli Typhusfälle vorgekommen seien, wurde nicht rechtzeitig bekanntgegeben. Die bei diesen Fällen angewendeten Desinfektionsmaßregeln waren offenbar ungenügend. Die örtlichen Verhältnisse -- Lage der Brunnen, Überlaufen der Düngergrube bei Regenwetter etc. -- waren derart, daß eine Infektion der Brunnen fast unausweichlich war.

Es besteht also ohne Zweifel mindestens die hohe Wahrscheinlichkeit, daß ein großer Teil der an Typhus erkrankten Mannschaften den Keim dazu dort geholt habe. Ob das nun mit absoluter Gewißheit behauptet werden könne, resp. ob eine andere Art der Entstehung der Typhusepidemie ganz ausgeschlossen sei, ist eine Frage, deren Beantwortung nach unserer Ansicht nur von fachmännischer Seite gegeben werden kann, weshalb wir uns hierfür nicht für kompetent erachten.

Vollständig einverstanden sind wir mit den Schlußfolgerungen des Berichtes des Militärdepartements, worin zur möglichsten Verhütung solcher Vorkommnisse folgende Maßregeln als notwendig erklärt werden: Strengere Handhabung der Vorschriften betreffend Anzeigepflicht der Infektionskrankheiten und Desinfektion, Aufklärung der Offiziere und Soldaten über die Gefahren des Trinkens von verdächtigem Wasser und Rekognoszierung des Manövergebietes durch Sanitätsoffiziere vor Beginn des Truppenzusammenzugs; speziell auch sorgfältige Untersuchung des Trinkwassers in den betreffenden Gegenden.

XIY. Kriegsmaterial.

1. Persönliche Ausrüstung und Bewaffnung.

In jüngster Zeit beschäftigt man sich bei uns mit Studien über die Zweckmäßigkeit einer durchgreifenden Änderung der persönlichen Ausrüstung des Mannes. Was man bisher über diese Angelegenheit gehört hat, beschränkt sich allerdings auf Berichte in der Pressé, Vorträge in Vereinen etc. Offiziell ist noch nichts bekannt geworden, da die bestellte Expertenkommission unseres Wissens ihre Beratungen noch nicht beendet hat. Wir wollen

142 deshalb auch nicht auf die Sache selbst eintreten, sondern nur den Wunsch aussprechen, man möchte nichts überstürzen, sondern sich reiflich überlegen, ob und was geändert werden soll.

Bekanntlich entschließt man sich bei uns oft mit allzugroßer Leichtigkeit zu Änderungen in der Ausrüstung und es wird wohl in keiner andern Armee so viel geändert wie bei uns und keineswegs immer mit gutem Erfolg. Wir wollen nur ein einziges Beispiel anführen. Vor kurzer Zeit wurde die Einführung von neuen Schirmzelten zum Ersatz der Wolldecken als eine so unzweifelhaft praktische Neuerung angepriesen, daß man auf dem Punkte war, gleich die ganze Armee, oder wenigstens einen großen Teil derselben, damit auszurüsten. Glücklicherweise beschränkte man sich jedoch auf eine größere Probe, und nun hört man über dieselbe teilweise höchst abfällige Urteile.

2. Korpsausrllstung.

A r t i l l e r i e . Über das Material der Feldartillerie sagt der Bericht des Militärdepartements, es sei infolge seines vieljährigen Dienstes derart abgenutzt,, daß es bald an der Grenze seiner Verwendbarkeit angelangt sei. Wir heben diesen Punkt besonders hervor, da vielfach die Meinung zu herrschen scheint, unser jetziges Material sei noch in durchaus untadelhaftem Zustand, und die in Aussicht genommene große Ausgabe von 21 Millionen für die Neubewaffnung der Artillerie sei, wenn nicht gar unnötig, doch jedenfalls nicht dringlich. Im Berichtsjahr wurden die vergleichenden Versuche zwischen den füher empfohlenen Geschützen mit Federspornlafetten und den verschiedenen RohrrücklaufSystemen zuerst im kleinen und nachher mit Versuchsbatterien zu 4 Geschützen fortgesetzt. Infolge dieser Versuche empfiehlt die Expertenkommission nun einstimmig die Einführung des Rohrrücklaufgeschützes von Krupp als des weitaus besten Geschützes des Rücklaufsystems und ist vom Bundesrate bereits eine bezugliche Vorlage angenommen und den Räten unterbreitet worden.

XTI. Militäranstalten, g. Kriegspulverfabrik.

Einige^Zeit nach dem Erscheinen des bundesrätlichen Geschäftsberichtes mußte gegen den Leiter der Pulverfabrik in Worblaufen, Direktor Stampili, eine Untersuchung angehoben werden, über deren Resultat wir uns veranlaßt sehen, Ihnen folgende Mitteilungen zu machen :

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Bei der Fabrikation des Weißpulvers kommt ein bedeutendes Quantum von Essigäther zur Verwendung, welcher Stoff von der chemischen Fabrik Siegfried in Zofingen regelmäßig an die Pulverfabrik geliefert wurde. Ein kleiner Teil des Essigäthers wird bei dem Fabrikationsprozeß nicht konsumiert und entweicht, wenn nicht Vorsorge getroffen wird, denselben aufzufangen und zu konservieren. Die so gewonnenen Reste von Essigäther sind jedoch mit Wasser vermischt und verunreinigt, und es wurden Versuche gemacht, denselben durch ein besonderes Verfahren wieder in brauchbaren Zustand zu versetzen.

Seit dem 1. April 1902 ist die Pulverfabrik in Worblaufen dem Chef der technischen Abteilung der Kriegsmaterialverwaltung unterstellt und Direktor Stampili berichtete ihm wiederholt, die Versuche seien noch zu keinem Abschluß gelangt. Noch am 13. November 1902 machte er in einem Schreiben die Mitteilung, er sei fortwährend damit beschäftigt und werde detailliert Bericht und Antrag einreichen, sobald die Versuche durchgeführt seien.

Diese Mitteilungen waren falsch, und es stellte sich heraus, daß schon im Mai ein Quantum von 533 kg, Abfalläther an die Fabrik in Zofingen versandt und von dieser die daraus gewonnenen 318 kg. von rektifiziertem Äther im Juli retourniert, worden seien mit Rechnungsstellung für die Kosten.

In der Folge wurde nun aber ein anderes Verfahren eingeschlagen. Stampili verkaufte den Abfalläther an die Fabrik, und anstatt den Gegenwert beim sonstigen Verkehr mit der Fabrik zu verrechnen, ließ er sich die Beträge direkt per Postmandat übersenden. Dieser Verkehr dauerte vom Mai 1902 an bis im April 1903, in welchem Zeitraum im ganzen 8 Hin- und Rücksendungen stattfanden und von der Fabrik in Zofingen im ganzen Fr. 11,131. 15 rückvergütet wurden." Diese Summe hat Stämpfli nicht als Einnahme der Fabrik gebucht, sondern für sich behalten. Die ersten Zahlungen erfolgten per Postmandat direkt aach Worblaufen. Später schien ihm aber dieses Verfahren offenbar zu unsicher, und unter dem Vorwande, er habe mit dem dortigen Postbureau wegen der Auszahlung Unannehmlichkeiten gehabt, verlangte er Adressierung der Postmandate an die Berner Handelsbank und beim letzten Posten Zahlung per Seheck auf diese Bank.

Außer dieser Unterschlagung genannter Summe für Essigäther machte sich Stämpfli in ganz ähnlicher Weise des gleichen Vergehens schuldig mit bezug auf ein kleineres Quantum Abfall-

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pulver, das er an einige Abnehmer lieferte und die Zahlungen für sich behielt.

Dies der Tatbestand, aus welchem unzweifelhaft hervorgeht, daß Stampili durch absichtlich falsche Mitteilungen an seinen Vorgesetzten es fertig gebracht hat, seine unerlaubten Manipulationen zu verschleiern. Eine Entdeckung von dieser Seite hatte Stampili kaum zu befürchten, da man keine Veranlassung hatte, seinen Berichten, die Versuche in Zofingen dauern fort, keinen Glauben zu schenken. Weniger begreiflich scheint es auf den ersten Blick, daß Stämpfli sein Treiben fast ein Jahr lang fortsetzen konnte, ohne daß es, in der Fabrik selber, seinen Arbeitern und Angestellten auffiel. Es ist aber auch das leicht erklärlich, denn Stämpfli machte aus seinen Sendungen von Abfalläther an die Fabrik in Zofingen gar kein Geheimnis, ließ aber auch sein Personal im Glauben, es geschehen dieselben nur zu dem Zwecke, Versuche anzustellen. Daß schon ein Resultat erzielt sei und Stämpfli Vergütungen für das Produkt erhalte, war ihnen nicht bekannt, und Stämpfli wußte es auch vor dem Bureaupersonal lange Zeit geheim zu halten dadurch, daß er die Mandate anfänglich selbst in Empfang nahm, und als er fürchtete, es könnte so schließlich doch eine Entdeckung erfolgen, namentlich seit einmal ein Mandat einem Angestellten in die Hände geraten war, eine andere Art der Zahlung verlangte, wie wir früher schon andeuteten.

So ging auch hier der Krug zum Brunnen bis er brach, d. h. bis endlich doch von einem der Angestellten Verdacht geschöpft und Anzeige gemacht wurde, was dann die Anhebung der Untersuchung zur Folge hatte.

Wir erblicken in diesen Vorgängen einen neuen Beweis für die alte Tatsache, wie verhältnismäßig leicht der selbständige Leiter eines Betriebes, der im täglichen Verkehr nur von ihm unterstelltem Personal umgeben ist, trotz aller periodischen Kontrolle von oben, betrügen kann, wenn ihn sein Charakter nicht vor solchen Versuchungen schützt, und wie sehr es sich daher empfiehlt, an solche verantwortungsvolle Posten nur Leute zu stellen, die in dieser Beziehung volle Gewähr bieten.

Wir betrachten es überhaupt als selbstverständlich, daß nicht nur die Organe der Militärverwaltung, sondern aller eidgenössischer Verwaltungen, sich die aus dieser Angelegenheit ergebenden Lehren zu nutze machen und ihr Möglichstes tun werden, für die Zukunft solche Vorkommnisse zu verhindern.

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Finanz- und Zolldepartement.

A. Finanzverwaltung.

I. Finanzbureau.

Gesetzgebung und Postulate.

Ihrer Erledigung harren noch die beiden Motionen der Herren Ständerat von Arx und Nationalrat Scherrer-Füllemann. Die erstere bezweckt die Revision des Banknotengesetzes, die letztere dagegen postuliert die Vorlage eines Gesetzesentwurfes betreffend Ausführung von Art. 39 der Bundesverfassung im Sinne der Errichtung einer reinen Staatsbank unter möglichster Berücksichtigung der Interessen der Kantonalbanken. Der hohe Bundesrat hat die letztere Motion in dem Sinne akzeptiert, daß er sich bezüglich der Grundlage, auf welcher der neue Gesetzesentwurf aufgebaut werden soll, freie Hand vorbehält. Er will nun das Schicksal der Motion Scherrer-Füllemann, beziehungsweise dasjenige des von ihm vorzulegenden Gesetzesentwurfes abwarten, bevor er der vom Stäuderate erheblich erklärten Motion von Arx weitere Folge gibt. Der hohe Bundesrat findet, daß die Arbeit nicht wohl gleichzeitig in beiden Richtungen, d. h. in derjenigen, die durch die Motion von Arx, und in derjenigen, die durch die Motion Scherrer-Füllemanu vorgezeichnet wird, stattfinden könne, indem die durch erstere verlangte Revision des Banknotengesetzes überflüssig wird, wenn ein Bundesbankgesetz zu stände kommt. Sollte das Schicksal der Vorlage eines diesfälligen Entwurfes ein ungünstiges sein, dann allerdings wäre nach Ansicht des Bundesrates die Motion von Arx ernstlich in Berücksichtigung -zu ziehen. Man erwartet auf seilen des hohen Bundesrates, daß die von ihm in Aussicht genommene Gesetzesvorlage von einem glücklichern Erfolge begleitet sein dürfte, als dies früher der Fall gewesen ist, weil man annimmt, daß die Ansichten mittlerweile sich abgeklärt haben und eine stärkere Neigung zu wechselseitigen Konzessionen vorhanden sei. Die Kommission findet sich diesfalls zu einer Meinungsäußerung um

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so weniger veranlaßt, weil der Sländerat selbst demnächst in der Lage sein wird, zur Motion Scherrer-Füllemann Stellung zu nehmen.

· Schon durch einen Bundesbeschluß vom 15. Dezember 1864 wurde festgestellt, daß das Budget jeweilen bis spätestens am i. November der Kommission desjenigen Rates, welchem die Priorität zukommt, unterbreitet werden solle. Mit Rücksicht auf die außerordentliche Erweiterungwelche sowohl das Budget selbst als die dasselbe begleitende Botschaft im Laufe der Jahre erfahren hat, stellte sich das dringende Bedürfnis für das Finanzdepartement heraus, mehr Zeit zu gewinnen, um Budget und Botschaft ausarbeiten zu können. Es mag zur Illustration des Gesagten auf die zwar rein äußerliche, aber doch immerhin einen Maßstab darbietende Tatsache hingewiesen werden, daß das Budget für das Jahr 1880 einen Raum von 24 Seiten beanspruchte, während die Seitenzahl des Budgets für 1903 auf 58 angewachsen ist. Im gleichen Zeitraum hat sich die Seitenzahl der Budgetbotschaft von 152 auf 360 gesteigert, also ist sie weit mehr als auf das Doppelte gestiegen. Schon im Bundesbeschluß vom 15. Dezember 1864 war eine ausführliche Botschaft zur Erläuterung der Budgetansätze vorgesehen. Es ist dies ein Postulat, welchem, wie die obigen Angaben beweisen, nachgelebt wurde. Nun hat der hohe Bundesrat angeordnet, daß die auf das Budget bezüglichen Departementaleingaben jeweilen bis am 1. September (anstatt wie bisher am 15. September) dem Finanzdepartement eingereicht werden sollen. Es ist nämlich auch noch 'M betonen, daß dem Bundesrat die erforderliche Zeit zur Verfügung stehen muß, um seinerseits der Budgetberatung die nötige Sorgfalt und Aufmerksamkeit zuzuwenden.

Die periodischen Neuschätzungen der dem Bunde gehörenden Liegenschaften erforderten einen ganz bedeutenden Aufwand an Zeit und Arbeit. Die diesfälligen Kosten bezifferten sich jedesmal auf Fr. 4000 bis 5000. Der sehr zweifelhafte Erfolg bestand in einer ganz außerordentlichen Schwankung bezüglich der Wertbemessung dieser Liegenschaften. Sie wurden je nach der Ansicht der betreffenden Schatzungsexperten, deren Anschauungsweise eben eine ganz verschiedenartige sein konnte, bald höher und bald tiefer eingeschätzt, wobei selbstverständlich auch die momentanen Güterpreise einen bedeutenden Einfluß ausübten.

So kam es denn, daß beispielsweise im Jahre 1896 eine plötzliche Wertsteigerung der Liegenschaften um die Summe von Fr. 10,147,000 eintrat. Allerdings war dieselbe, wenn zwar ganz

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wesentlich, so doch nicht ausschließlich durch die Neuschätzung bedingt. Zum Teil beruhte sie auch darauf, daß der Bundesrat beschlossen hatte, es seien auch die unproduktiven Liegenschaften zürn vollen Schatzungswert in das Liegenschaftsverzeichnis aufzunehmen. Voriges Jahr wurde nun beschlossen, es habe, statt einer periodischen Vornahme von Neuschätzungen, eine sukzessive Amortisation auf Grundlage der bestehenden Schätzung zu erfolgen, und zwar in dem Maße, daß die produktiven Liegenschaften auf 70 °/o und die unproduktiven auf 50 °/o der gegenwärtigen Schätzung reduziert werden.

« Es harren noch zwei Postulate, welche dem Finanzdepartement überwiesen wurden, ihrer Erledigung. Es betreffen dieselben die Reiseentschädigungen der Mitglieder der Bundesversammlung uud die Reiseentschädigungen in der Bundesverwaltung überhaupt. Die beiden Postulate werden im Laufe des Jahres 1903 erledigt werden.

Münzwesen.

Das internationale Abkommen, durch welches der Schweiz eine Neuprägung von Silberscheidemünzen im Betrage von 12 Millionen Franken zugestanden wird, ist nun infolge stattgehabter Ratifikation durch die Vertragsstaaten in Rechtskraft erwachsen.

Das diesfällige Kreditbegehren wurde bei Behandlung der Nachtragskredite von der Bundesversammlung in der Märzsession genehmigt. Infolgedessen werden im laufenden Jahre geprägt: 300,000 Zweifrankenstücke, 100,000 Einfrankenstücke und 800,000 Halbfrankenstiicke.

Zu den Ausführungen des Geschäftsberichtes betreffend Verweigerung der Annahme abgeschliffener Halbfrankenstücke, den Ankauf verrufener Silbermünzen, den Rückzug und die Außerkurssetzung der italienischen Kassenscheine von i und 2 Liren und den Rückzug und die Neuemission von österreichisch-ungarischen Staats- und Banknoten findet sich die Kommission · zu keinen speziellen Bemerkungen veranlaßt. Sie erklärt jedoch ihre Zustimmung zu dem diesfalls vom Departement eingenommenen Standpunkt.

Waffenplätze.

Die unter dieser Rubrik enthaltenen Ausführungen des Departementes veranlassen die Kommission zu keinen weitem Bemerkungen.

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II. Finanzkontrolle.

Die Finanzkontrolle hat im Berichtsjahre 6934 Zahlungsanweisungen kontrolliert.

Zu weitern Bemerkungen bietet diese Rubrik keine Veranlassung. Man hat sich an Ort und Stelle davon überzeugen können, daß in sorgfältiger und genauer Weise vorgegangen wird.

Die Prüfung der Rechnungen vollzieht sich nicht nur hinsichtlich ihrer formellen und arithmetischen Richtigkeit und ihrer Übereinstimmung mit den vorhandenen Ausweisen, sondern es ist diese Prüfung auch eine materielle, welche darin besteht, daß festgestellt wird, ob die betreffenden Posten den erteilten Kreditbewilligungen, den gesetzlichen, verordnungsgemäßen oder auf Verfügungen der zuständigen Behörden und Organe beruhenden Ansätzen entsprechen. Trifft dieses nicht zu, so wird der fragliche Posten beanstandet, und es erfolgt seine Erledigung alsdann x in der im Geschäftsbericht vorgesehenen Weise.

ö^

' III. Bankiioteukontrolle.

Die Progression in der Notenemission, welche in einem bestimmten Zeitraum einen Besorgnis erregenden Charakter angenommen hatte, dauert nicht mehr in diesem Maßstabe fort, sondern es sind diesfalls bedeutend gesundere Verhältnisse eingetreten.

Zu bemerken ist, daß sich die Proportion der großen zu den kleinen Abschnitten andauernd verschlechtert, indem die kleinen Abschnitte von Fr. 50 und Fr 100 im Verhältnis zur Gesamtemission beständig zunehmen, die großen dagegen abnehmen.

Auf die Beschaffung eines zweckmäßigen Banknotenpapieres wird mit Sorgfalt Bedacht genommen; dagegen ist zu betonen, daß .der Austausch defekter Noten ein viel zu geringer ist.

Die Emissionsbanken tauschen abgenützte Noten aus Rücksichten der Sparsamkeit zu wenig rasch aus, sondern lassen dieselben weiter zirkulieren. Dieser sehr fühlbare und sowohl vom Banknoteninspektorat als auch im Publikum vielfach gerügte Mißstand sollte beseitigt werden. Die Kommission gestattet sich, den Wunsch auszusprechen, es möchte von Seiten des hohen Bundesrates und seines Finanzdepartementes dieser Angelegenheit die Aufmerksamkeit zugewendet und den diesfalls geäußerten Beschwerden in tunlich erscheinender Weise Rechnung getragen werden.

149 Was die falschen Noten anbelangt, so gestaltet sich das Verhältnis ungemein günstig, indem während der zwanzigjährigen 'Gebrauchsdauer des gegenwärtigen Notentypus weder dem Publikum noch den Banken durch Notenfälschungen ein erheblicher Schaden erwachsen ist.

Das im Jahr 1901 außergewöhnlich günstige Bardeckungsverhältnis der Emissionsbanken hat im Jahre 1902 wiederum eine sehr merkliche Abschwächung erfahren, indem der Prozentsatz zwischen vorhandener Barschaft und effektiver Notenzirkulation von 59,2 % auf 55,5 % im Durchschnitt des Jahres zurückgegangen ist.

Das unterm 23. November 1901 abgeschlossene und vom Bundesrat unterm 24. Januar 1902 definitiv genehmigte Konkordat, welches nun sämtliche Emissionsbanken umfaßt, sucht verschiedenen Übelständen im Banknotenwesen und im Bankwesen überhaupt Abhülfe zu verschaffen.

Es mag noch beigefügt werden, daß die Totalsumme der Effektivemission im Jahre 1902 nach dem Jahresdurchschnitt Fr. 230,220,000 beträgt. Im Vorjahre bezifferte sie sich auf Fr. 223,040,000. Es ist mithin eine Zunahme um Fr. 7,180,000 TZU verzeichnen. Im Jahre 1883 betrug die Notenemission bloß Fr. 108,019,000. Überhaupt bieten die vergleichenden Zahlen, welche der Bericht enthält und welche sich auf das Jahr 1883 beziehen, einen ganz interessanten Maßstab für die Entwicklung, ·die das Banknotenvvesen seither durchgemacht hat.

IT. Staatskasse.

Diese Rubrik bietet zu wenigen Bemerkungen Veranlassung.

Es lohnt sich der Mühe, auf den stets zunehmenden Verkehr mittelst Postmandaten hinzuweisen. Die für diesen Verkehr an ·die Postverwaltimg zu leistenden Vorschüsse bezifferten sich im Berichtsjahre auf nicht weniger als Fr. 66,327,000. Es ist ohne weiteres einleuchtend, daß dadurch disponible Gelder in ganz hohen Summen erfordert werden, weil die Auszahlung der Postmandate eben unverzüglich zu erfolgen hat. Es ist anzunehmen, daß der Maudatverkehr die fortwährende Zirkulation einer Summe von ungefähr Fr. 2,200,000 bedingte.

Y. Wertschriftenverwaltung.

In den Invalidenfonds wurden erstmals infolge des Militärversicherungsgesetzes Fr. 500,000 anstatt wie bisher Fr. 100,000 Bundesblatt. 55. Jahrg. Bd. III.

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gelegt. Der Fonds ist auch von der Auszahlung der Militärpensionen befreit worden.

VI. Münzverwaltung.

Im Berichtsjahre haben die eidgenössischen Räte für die Erstellung eines neuen Münzgebäudes einen Kredit von Fr. 1,056,000 bewilligt. Der Bau soll dieses Jahr in Angriff genommen werden.

Die budgetierten Beträge wurden ausgemünzt und außerdem wurden noch für vier Millionen Zwanzigfrankenstücke geprägt.

Letzteres geschah, um Zeit zu gewinnen für die Silberprägungen des gegenwärtigen Jahres. Die Goldprägung beläuft sich nun auf Fr. 87,000,000. Im ganzen zirkulieren 182,426,000 Stück Schweizermünzen im Nennwert von Fr. 134,875,000.

Die Postwertzeichen weisen eine stetige Vermehrung auf.

Im Jahre 1901 wurden 268,i Millionen Stück an die Postverwaltung abgeliefert. Im Jahre 1902 beträgt diese Stückzahl 273,5 Millionen. Die Vermehrung bezieht sich auf die höhern Taxsorten, während hinsichtlich der Frankomarken für Briefe J und Karten eine etwelche Verminderung ö zu verzeichnen ist.

B. Zollverwaltung.

Das Rechnungsergebnis der Zollverwaltung gestaltet sich insofern günstig, als es, bei Fr. 50,408,430. 33 Gesamteinnahmen T gegenüber dem Vorjahre eine Mehreinnahme von Fr. 3,936,481. 18aufweist.

Das Personal hat sich um 8 Beamte und 10 Angestellte vermehrt. Die stete Vermehrung des Verkehrs bedingt eine entsprechende Vermehrung des Personals, zumal des Gehülfenpersonals.

Die Neubewaffnung der Grenzwachtposten mittelst einer Handfeuerwaffe neuerer Konstruktion wird binnen 3 bis 4 Jahren durchgeführt sein.

Es mag noch erwähnt werden, daß Zucker und Weinbeeren, welche doch zu den süßesten Erzeugnissen gehören, für die Zollverwaltung einen außerordentlich bittern Beigeschmack erhielten, indem es sich für sie um einen beständigen Kampf handelte über die Qualifikation und Zweckbestimmung von Waren der genannten Sorten. Der neue Zolltarif hat nun hierin Abhülfe geschaffen.

Rühmend ist hervorzuheben, daß die Grenzwachtmannschaften im Kanton Tessin dem Vogelmord energisch entgegentreten. Sie

151 haben im Berichtsjahre nicht nur 86 Übertretungen des Bundesgesetzes über Jagd und Vogelschutz verzeigt, sondern sie haben auf ihren Streiftouren in den Berggegenden über 18,000 Fangvorrichtungen für kleine Vögel zerstört.

Sowohl in dem uns vorliegenden Geschäftsbericht als auch mündlich bei unserm Besuche der Oberzolldirektion und der dort gepflogenen Lokalbesichtigung hat sich diese Verwaltungsstelle darüber beschwert, daß die ihr zur Verfügung stehenden Räumlichkeiten durchaus ungenügend seien. Der persönliche Augenschein an Ort und Stelle hat uns davon überzeugt, daß diese Beschwerde eine völlig begründete ist. Wir wollen das im Geschäftsbericht Gesagte hier nicht wiederholen, wir konstatieren nur, daß die dort aufgestellten Behauptungen nach unserer eigenen Wahrnehmung ganz richtig und zutreffend sind. Speziell betonen wir, daß die Zimmer durchaus keinen genügenden Raum für das dort beschäftigte Personal darbieten, wobei wir bemerken, daß das Personal der Oberzolldirektion aus 18 Beamten und einem Bediensteten besteht. Letzterer ist der Abwart für die zwei Abteilungen ,,Verwaltung" und ,,Inspektorat". Ferner sind mit der Oberzolldirektion verbunden 24 Beamte und ein Bediensteter der Abteilung ,,Handelsstatistik". Diese letztere Abteilung befindet sich in einem Gebäude am Waisenhausplatz.

Die Bureaux der Oberzolldirektion sind an der Bundesgasse gelegen. Abgesehen von dem zu beschränkten Raum, sind auch in mehreren Zimmern, zumal in den gegen den Hof befindlichen, die Licht- und Luft Verhältnisse ganz ungünstig. Die Lokalitäten sind nicht nur für das Bureaupersonal viel zu enge, sondern es steht auch gar kein ausreichender Raum für Aufbewahrung von Schriftstücken und Mustern zur Verfügung. Sogar auf dem Estrich und im Keller, welche Räumlichkeiten von uns ebenfalls besucht wurden, sind Akten, Archivalien und andere der Zollverwaltung dienende Gegenstände untergebracht. Auf Abhülfe der mit dieser absoluten Unzulänglichkeit der Lokalitäten verbundenen Übelstände muß um so mehr gedrungen werden, weil das Personal der Oberzolldirektion infolge des neuen Zolltarifes zweifellos eine Vermehrung erfahren wird. Übrigens bildet die Oberzolldirektion eine Verwaltungsstelle von einer so hervorragenden Bedeutung, daß es sich schon durch diesen Umstand vollständig rechtfertigt, wenn ihr entsprechende
Räumlichkeiten angewiesen werden. Die Geschäftsprüfungskommission spricht deshalb den angelegentlichen Wunsch aus, der hohe Bundesrat möge darauf Bedacht nehmen, daß die hier signalisierten Mißstände so oder anders gehoben werden.

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Handels-, Industrie- und Landwirtschaftsdepartement.

I. Handel.

1. Handelsverträge und auswärtige Zollyerliältnisse.

In den Vertragsbeziehungen zum Auslande sind auch im abgelaufenen Jahre, wie schon seit längerer Zeit, keine Änderungen eingetreten. Nichtsdestoweniger war das Jahr 1902 für die Schweiz in handelspolitischer Hinsicht ein bedeutungsvolles, denn in diesem Jahre ist ein neues Zolltarifgesetz durchberaten und am 10. Oktober von den eidgenössischen Räten angenommen worden.

Das Schweizervolk hat dem Werke seither mit großer Mehrheit die Sanktion erteilt. Die Vorarbeiten für die Erneuerung der Handelsverträge sind irn Berichtsjahre fortgeführt worden.

Die Einfuhr hat im Jahre 1901 nochmals um 62 Millionen Franken abgenommen, während sich die Ausfuhr gleich geblieben ist. Im Jahre 1902 beträgt die Einfuhr nach provisorischer Berechnung 1087 Millionen oder 81 Millionen Franken mehr als im Vorjahr, und die Ausfuhr 868 Millionen, also 39 Millionen Franken mehr als 1901. Die Ausfuhr hat seit dem Jahre 1894 stets zugenommen.

HI. Kommerzielle Berufsbildung.

An 20 Handelsschulen mit 2207 Schülern hat der Bund einen Beitrag von Fr. 265,301 gegeben.

Kaufmännische Fortbildungsschulen existieren 76, welche zusammen mit Fr. 131,219 subventioniert wurden.

IT. Handelsamtsblatt.

Dasselbe erschien durchschnittlich in einer Auflage von 5900 Exemplaren.

Im Berichtsjahre wurden 460 Nummern herausgegeben. Der Ertrag des Handelsamtsblattes weist einen Einnahmenüberschuß von Fr. 32,010. 45 auf.

Y. Handelsreisende.

Die Zahl .der Handelsreisenden betrug 29,353. Die Einnahmen für Patenttaxen belaufen sich auf Fr. 361,550, es ist dies

153 der höchste Ertrag1 seit dem Bestehen des Patenttaxengesetzes, also seit 31. Dezember 1892. Nach Abzug von Fr. 4907 für Kosten der Ausweiskarten etc. wurden an die Kantone Fr. 356,643 abgegeben.

Im Berichtsjahre hat der Bundesrat weiter untersucht und geprüft, ob vom volkswirtschaftlichen und rechtlichen Standpunkte aus der Erlaß von einheitlichen Vorschriften über das Hausierwesen und den unlautern Wettbewerb angezeigt sei oder nicht.

Derselbe hat gefunden, es sei dem Begehren um Vereinheitlichung der Hausiergesetzgebung keine weitere Folge zu geben. Ihre Kommission geht mit dem Beschlüsse des Bundesrates und dessen Begründung einig.

Was dann die Frage des unlautern Wettbewerbes anbetrifft, so ist das Justizdepartement beauftragt, die Frage noch speziell vom juristischen Gesichtspunkte aus einer eingehenden Prüfung zu unterwerfen.

II. Industrie.

I. Allgemeines.

Laut Bericht ist das vorhandene Material zum Postulat betreffend A r b e i t s n a c h w e i s u n d S c h u t z g e g e n u n v e r s c h u l d e t e A r b e i t s l o s i g k e i t vom Departemente in einem Berichte verarbeitet, der im laufenden Jahre zum Abschluß gebracht werden wird.

« II. Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken.

Der Bestand" der am 31. Dezember 1902 dem Fabrikgesetze unterstellten Etablissent en te beläuft sich auf 6272. Neu sind im Berichtsjahre 346 Etablissemente aufgenommen, dagegen 176 gestrichen worden.

Der schweizerischen Fabrikstatistik ist zu entnehmen, daß die Zahl der am 5. Juni 1901 unterstellten Etablissemente 6080 mit einer Gesamtarbeiterzahl von 242,534 betrug.

Auf Gesuch hin wurde Herr Dr. Fridolin Schuler in Mollis am 31. März als eidgenössischer Fabrikinspektor des I. Kreises entlassen. Der Bericht bemerkt hierzu: ,,Herr Dr. Schuler hat seit dem Bestehen des Fabrikgesetzes, nämlich seit dem Jahre 1878, mit größter Pflichttreue und hoher Auszeichnung seines Amtes gewaltet, und sich um die Durchführung des Gesetzes und um die erfolgreiche Entwicklung der Fabrikinspektion unter schwierigen Verhältnissen bleibende Verdienste erworben.a Ihre Kommission stimmt dem Lobe des Bundesrates bei.

154

T. Kranken- und Unfallversicherung.

Am 1. Januar des Berichtsjahres trat das Bundesgosetz betreffend Versicherung der Militärpersonen gegen Krankheit und Unfall in Kraft. Das Industriedepartement beteiligte sich an der Vollziehung desselben, soweit versicherungstechnische Fragen in Betracht fielen. Bezüglich der bürgerlichen Kranken- und Unfallversicherung wird erwähnt, daß der durch Bundesbeschluß vom 29. Juni 1897 geschaffene Versicherungsfonds am 31. Dezember 1902 Fr. 11,035,283. 32 betrug.

Zur Ordnung der Angelegenheit der B e a m t e n U n f a l l v e r s i c h e r u n g ist das Industriedepartement beauftragt worden, dem Bundesrate den Entwurf zu einem Bundesbeschlusse nebst Botschaft zu unterbreiten.

VI. Gewerbliche und industrielle Berufsbildung.

An 298 Anstalten aller Kantone für gewerbliche und industrielle Berufsbildung wurde ein Bundesbeitrag von Fr. 980,077 geleistet.

Es ist erfreulich, zu sehen, wie der bezügliche Bundesbeschluß vom 27. Juni 1884 gewirkt hat. Im Jahre 1885 betrug die Zahl der subventionierten Bildungsanstalten 86 und der Bundesbeitrag Fr. 151,940. 22, anno 1895 203 mit Fr. 567,752 Bundesbeitrag und heute existieren, wie oben gesagt, 298 gewerbliche und industrielle Bildungsanstalten, welche eine Bundessubventiod von beinahe einer Million Franken erhalten.

VII. Hauswirtschaftliche und berufliche Bildung des weiblichen Geschlechts.

Auf Grund des Bundesbeschlusses vom 20. Dezember 1895 wurden für hauswirtschaftliche und berufliche Bildung des weiblichen Geschlechtes Fr. 200,747 Bundesbeitrag geleistet.

III. Landwirtschaft.

Landwirtschaftliches Unterrichtswesen und Versuchsanstalten sind im Berichtsjahre wie gewohnt unterstützt worden.

Zu wünschen wäre nur, daß die landwirtschaftlichen Schulen von einer viel größern Anzahl von Bauernsöhnen besucht würden, als dies tatsächlich der Fall ist.

155 Zu bemerken ist, daß nach Art. 3 des Bundesgesetzes betreffend die Förderung der Landwirtschaft vom 22. Dezember 1893 der Bund an Ackerbauschulen, Sommer- und Winterkurse etc. regelmäßige jährliche Subventionen u n t e r d e r V o r a u s setzung verabfolgt, daß Schüler aus allen Kant o n e n u n t e r den gleichen Bedingungen A u f n a h m e finden.

Es gibt Anstalten, die entgegen, dieser Bestimmung ihre Kantonsangehörigen besser zu stellen suchen als Nichtkantonsbürger, und die Kommission spricht daher den Wunsch aus, das Departement wolle in Rekursfälleri im Sinne des Wortlautes des Gesetzes entscheiden.

Landwirtschaftliches Versuchswesen.

Die Versuchsanstalt in Wädenswil ist bekanntlich am 1. September des Berichtsjahres an den Bund übergegangen, während die Obst-, Wein- und Gartenbauschule als interkantonale deutschschweizerische Anstalt fortbesteht.

Die nationalrätliche Geschäftsprüfungskommission hat letztes Jahr den Wunsch geäußert, daß die milchwirtschaftliche Versuchsstation und das bakteriologische Laboratorium die Hauptaufmerksamkeit darauf richten dürften, einen für den Richter verbindlichen Nachweis zu leisten, welchen Einfluß die Düngung ·der Wiesen mit Hülfs- oder künstlichem Dünger und die Verwendung von Kraftfutter auf den Gehalt der Milch, resp. deren Tauglichkeit zur rationellen Käsefabrikation habe.

Die Kommission hat sich überzeugt, daß solche Versuche und Prüfungen vorgenommen werden, aber noch nicht zum Abschluß gekommen sind.

Die Förderung der Tierzucht geht ihren gewohnten Gang und gibt zu keinen Bemerkungen Veranlassung.

Für Bodenverbesserungen wurden im Berichtsjahre an 18 Kantone für 283 Projekte Fr. 669,232. 77 zugesichert.

Aus den Berichten ersieht man, welch große Summen Geldes der Bund für die Förderung von Handel, Industrie und Landwirtschaft ausgibt ; hoffen wir, daß dieselben recht nutzbringend für unser Land verwendet werden.

156

Post- und Eisenbakdepartement.

Eisenbahnwesen.

A. Allgemeines.

Organisation und Personal.

Bei der administrativen Abteilung des Eisenbahndepartementes sind immer noch einige Stellen, u. a. diejenige des.

Direktors, unbesetzt. Es scheint, daß kein Bedürfnis vorhanden ist, speziell diese Stelle wieder zu besetzen. Es ist deshalb zu wünschen, daß die in Aussicht genommene Reorganisation des Eisenbahndepartementes bald zur Durchführung gelange.

Gesetze, Yerordnimgen und Postulate.

Das Bundesgesetz betreffend die elektrischen Schwachund S t a r k s t r o m a n l a g e n vom 24. Juni 1902 ist in Kraft getreten. Gemäß dem VI. Abschnitt dieses Gesetzes hätten nach der bestehenden Verordnung betreffend die Organisation der eidgenössischen Schätzungskommissionen zu den für jede Eisenbahnunternehmung bereits bestehenden besondern Kommissionen weitere zirka 25 solche gewählt werden müssen. Die neu erlassene Verordnung vom 25. Oktober 1902 sieht nun zur Beurteilung der auf Grund des Expropriationsgesetzes vom 1. Mai 1850, sowie des oben erwähnten Bundesgesetzes vom 24. Juni 1902 zu leistenden Entschädigungen für jeden Kanton, beziehungsweise bei einzelnen Kantonen für bestimmte Kreise je eine Schätzungskommission vor.

Die Gesamtzahl dieser Kommissionen beträgt 30. Diese Neuerung bringt sowohl für den Bund als auch.für die Kantone eine bedeutende Vereinfachung.

Die in Ausführung des Art. 3 des Nebenbahnengesetzes vom 21. Dezember 1899 zu erlassende Vollziehungsverordnung betreffend die den Nebenbahnen für den Bau und Betrieb zu gewährenden Erleichterungen ist noch nicht erschienen.

157

Eisenbahnrückkauf und Verwaltung der Bundesbahnen.

Die Verträge betreffend den freihändigen Ankauf der Vereinigten Schweizerbahnen, sowie betreffend den freihändigen Rückkauf des Anteiles der Gemeinde Bremgarten an der Bahnunternehmung "Wohlen-Bremgarten wurden von der Bundesversammlung am 21., beziehungsweise am 26. April genehmigt. Die Vereinigten Schweizerbahnen sind auf 1. Juli definitiv an den Bund übergegangen.

Die Verhandlungen über den freihändigen Rückkauf der «lura-Simplon-Bahn sind noch nicht zum Abschluß gelangt. Über den Stand dieser Angelegenheit stellt der Bundesrat einen demnächst erscheinenden besondern Bericht in Aussicht.

B. Rechtliche Verhältnisse.

Am Schlüsse des Berichtsjahres waren 52 Konzessionsgesuche anhängig, darunter eine Anzahl solcher, welche schon vor zwei und mehr Jahren eingereicht wurden. Wie es scheint, soll die Erledigung einiger dieser Konzessionsgesuche von der Frage abhängig gemacht werden, ob die betreffenden Bahnen die Bundesbahnen wesentlich konkurrenzieren würden oder nicht. In diesem Sinne sei denn auch die Prüfung der Frage anhängig, ob das im Eisenbahngesetz vom 23. Dezember 1872 proklamierte Prinzip der sozusagen unbeschränkten Konzessionierung von Eisenbahnprojekten in Zukunft noch seine Berechtigung habe.

Wir halten dafür, daß die Erledigung der hängigen Konzessionsgesuche auf Grund der jetzt bestehenden Gesetzgebung zu erfolgen hat, d. h. daß eine Verschiebung derselben aus dem Grunde, weil eventuell eine Gesetzesrevision als notwendig erachtet werden könnte, unzulässig ist. Wir gewärtigen daher die baldige Behandlung und Vorlage dieser zurückgelegten Konzessionen.

C. Technische Kontrolle.

Bahnbau.

Im Berichtsjahre waren 26 Bahnlinien mit einer Gesamtlänge von 440,77 km. im Bau (gegen 32, beziehungsweise 510,g km. im Vorjahr). Die Gesamtlänge der dem Betrieb neu übergebenen ' Linien beträgt 94 km.

158 Beim S i m p l o n d u r c h s t i c h war der Arbeitsfortschritt auf der Nordseite durchwegs ein normaler. Auf der Südseite dagegen mußte die Maschinenbohrung infolge der Beschaffenheit des durchfahrenen Gesteins, sowie infolge großen Wasserandranges vom Oktober 1901 bis Mai 1902 eingestellt werden. Seither sind die Verhältnisse auch auf dieser Seite befriedigend. Im Berichtsjahr wurden im Tunnel ganz außergewöhnlich hohe Gesteinstemperaturen konstatiert; dieselben betrugen bis 54,5° C. und überstiegen das vorgesehene Maximum um 13° bis 14°. Die neuesten Beobachtungen haben jedoch ergeben, daß eine weitere Steigerung der Temperatur nicht mehr zu erwarten ist. Übrigens funktionieren die für Lüftung und Abkühlung der Baustellen erstellten Einrichtungen so vorzüglich, daß aus den Temperaturverhältnissen keine allzugroßen Hindernisse weder für den Bau noch für den Betrieb mehr zu befürchten sein werden.

Mit Rücksicht auf die außerordentliche Erhöhung der Gesteinstemperatur hat die Tunnelbaugesellschaft Brand, Brandau & Cie.

an die Jura-Simplon-Bahn das Begehren uni Abänderung des Bauvertrages gestellt. Das Eisenbahndepartement hat zur Begutachtung der von der Unternehmung geltend gemachten Forderungen eine Expertenkommission ernannt.

Gegenüber dem Bauprogramm befand sich am 31. Dezember 1902 der gesamte Stollenfortscbritt um drei Monate im Rückstand.

Die im Berichtsjahr fällig gewesene IV. Rate von 11,2% der Subventionszusicherungen der Kantone, Gemeinden etc. wurde mit Rücksicht auf den Stand der freihändigen Rückkaufsverhandlungen nicht eingefordert.

Die Gesamtausgaben für den Tunnel samt Zufahrtslinien Brig-Iselle für die vier ersten Baujahre betragen Fr. 37,800,000.

Der U m b a u von L i n i e n b e h u f s E i n f ü h r u n g des e l e k t r i s c h e n B e t r i e b e s hat, allerdings einstweilen in der Hauptsache bloß für Schmalspurbahnen, bereits einen erheblichen Umfang angenommen.

In bezug auf die B a h n h o f u m b a u t e n und den A u s b a u auf z w e i t e S p u r scheinen namentlich auf dem Gebiet der Bundesbahnen eine Anzahl von Projektvorlagen eine gewisse Verzögerung erlitten zu haben. Der Bundesrat betrachtet diese Tatsache als eine unvermeidliche Folge der mit der Verstaat' lichung verbundenen Übergangsperiode und der in dieselbe fallenden Auflösung der alten Direktionen und der Neuorganisation

159 der ganzen Zentralverwaltung und hofft, daß die Rückstände in rascher Folge behoben werden dürften, sobald einmal die organisatorischen Arbeiten zu Ende gebracht sein werden. Wir hegen einige Zweifel, ob diese Hoffnung in genügendem Maße in Erfüllung gehen werde. Wir vermuten vielmehr, daß der für die Bundesbahn eingetretenen Vermehrung der Instanzen im Verkehr mit den Aufsichtsbehörden ein wesentlicher Anteil an der erwähnten Erscheinung zufällt. Jedenfalls darf aber längst als dringend anerkannten Projektvorlagen, durch deren Verzögerung gewichtige öffentliche Interessen geschädigt werden, nicht geringere Bedeutung zugemessen werden, als den organisatorischen Arbeiten. Die Erledigung der letztern dürfte in vielen Fällen durch provisorische Belassung der für die betreffende Privatbahn gültig gewesenen Vorschriften ohne Schaden einigermaßen aufgeschoben werden.

Wir sprechen hier die bestimmte Erwartung aus, daß die Aufsichtsbehörde die Bundesbahn anhalten werde, die längst als dringlich anerkannten Umbauarbeiten mit aller Beförderung zur Ausführung zu bringen.

Bahnunterhalt.

Dem Geschäftsbericht ist zu entnehmen, daß die von der Aufsichtsbehörde ausgeübte Kontrolle fortgesetzt eine intensive ist und daß dieselbe denn auch auf den Zustand der Bahnanlagen sehr günstig eingewirkt hat. Wie notwendig eine so gewissenhafte Kontrolle ist, beweist der am 2. Mai erfolgte Einsturz des Tunnels bei Chexbres, ein Ereignis, das, glücklicherweise ohne andere als finanzielle Folgen zu hinterlassen, ganz unerwartet, ohne daß dasselbe vorausgesehen werden konnte, eingetreten ist.

Zur Verbesserung der Geleise der Hauptbahnen hat die Bundesbahnverwaltung stärkere Schienentypen eingeführt; dieselben haben ein Gewicht pro Laufmeter Schiene von 45,9 kg.

für die offene Linie und 48,s kg. für die Tunnels. Der Geleiseumbau hat im Berichtsjahre um 63,556 Meter zugenommen.

Bezüglich des Rollmaterials ist zu bemerken, daß die Ausrüstung der Personenwagen mit elektrischer Beleuchtungseinrichtung sowohl bei den Hauptbahnen als auch bei den Nebenbahnen erfreuliche Fortschritte macht.

Die zur Ausführung von Tramzügen auf Linien der frühern Nordostbahn versuchsweise angeschafften zwei Motorwagen (System Serpollet und Daimler) scheinen sich nicht be-

160 sonders gut zu bewähren, da von sämtlichen dem Departement im Jahre 1902 gemeldeten Lokomotivdefekten nahezu 10°/o auf die erwähnten zwei Wagen fallen.

uion

Bahnbetrieb.

Im Berichtsjahr ist der Som m erfahrplan erstmals auf 1. Mai in Kraft gesetzt worden. Diese Neuerung dürfte im Publikum allgemein Anerkennung gefunden haben. Sie erhält jedoch erst dann praktische Bedeutung, wenn auch die sogenannten Saisonzüge entsprechend früher kursieren.

Die Fahrplangeschäfte nehmen immer zu, ein Beweis dafür, daß die Forderungen, welche das moderne Verkehrsleben bezüglich der Zahl der Fahrgelegenheiten, der Fahrgeschwindigkeit etc. an die Bisenbahnen stellt, immer größere werden. Es ist anzuerkennen, daß sowohl die Aufsichtsbehörden, als im allgemeinen auch die Bahngesellschaften bestrebt sind, die Verkehrseinrichtungen den Anforderungen der Neuzeit nach Möglichkeit anzupassen.

Unter den zahlreichen neu entstandenen Verbesserungen verdient der pro 1902/1903 zur Ausführung gelangte Winterbetrieb der Brünigbahn besondere Erwähnung. Diese Neuerung wurde von der Bevölkerung der direkt interessierten Landesgegenden seit Jahren mit Nachdruck verlangt; sie hat denn auch in jeder Beziehung in hohem Maße befriedigt.

D. Administrative Kontrolle.

Tarif- und Transportwesen.

Anläßlich eines Spezialfalles (Gürbetalbahn) hat der Bundesrat einen für Tarifsachen bedeutungsvollen prinzipiellen Entscheid gefaßt, wonach eine gesetzliche Verpflichtung zur Erstellung direkter Tarife im Transit über eine längere Nebenlinie zum Zwecke der Ablenkung des Verkehrs von der kürzesten und verkehrstechnisch leistungsfähigsten Linie weder für den Personennoch für den Güterverkehr bestehe. Wenn auch die formelle Richtigkeit dieses Entscheides außer Zweifel steht, so dürften nach unserer Ansicht doch die Rücksichten auf die allgemeinen Verkehrsinteressen in zahlreichen Fällen (u. a. auch im vorliegenden Spezialfall) eine andere Lösung erfordern.

161

Postverwaltung.

Das finanzielle Ergebnis der Postverwaltung ist auch im Berichtsjahre wieder ein günstiges. Ber Reinertrag beträgt Fr. 3,666,289.11 gegenüber Fr. 3,063,527. 68 im Vorjahr.

Der Bundesrat stellt die baldige Vorlage des vom Postdepartement bereits ausgearbeiteten Entwurfes ,,Bundesgesetz betreffend das schweizerische Postwesena nebst begleitender Botschaft in Aussicht. Mit dieser Vorlage sollen dann auch die seit längerer Zeit bei den Bundesbehörden anhängigen Fragen betreffend die Herabsetzung der Transporttaxe für die abonnierten Zeitungen, sowie betreffend Einführung des Scheck- und Giroverkehrs zur Behandlung kommen.

Im Berichtsjahre ist die Einstellung der Paketvertragung an Sonntagen und 'an staatlich anerkannten Feiertagen allgemein verfügt worden. Diese Maßnahme dürfte im Publikum allgemein günstige Aufnahme gefunden haben.

In neuester Zeit haben sich Anfänge von Automobilunternehmungen gezeigt, die, wenn sie sich weiter entwickeln, den Charakter von Transportanstalten mit Motorenbetrieb besitzen werden. Der Bundesrat hat die in Art. 8 des Postregalgesetzes vom 5. April 1894 vorgesehene Kontrolle, sowie die Erteilung der Konzessionen an diese Unternehmungen provisorisch der Eisenbahnabteilung des Post- und Eisenbahndepartements übertragen. Die an sie gestellten Begehren um Überlassung des gesamten Postdienstes an die Automobilunternehmungen hat die Postverwaltung vorläufig abgewiesen, indem sie mit Recht geltend macht, daß es für Postsendungen nicht nur auf möglichste Steigerung der Schnelligkeit, sondern mehr noch auf einen gesicherten und regelmäßigen Dienst ankommt, 'dn dieser Beziehung werden noch weitere Erfahrungen über die Zuverlässigkeit der Motorfuhrwerke im allgemeinen und über ihr Verhalten bei Schnee und Eis im speziellen gesammelt werden müssen, bevor die Postverwaltung ihre bespannten Postkurse zu gunsten-der Automobilkurse einstellen darf. Immerhin ist zu erwarten, daß sich die Postverwaltung dem neuen Verkehrsmittel gegenüber eher zuvorkommend als ablehnend verhalten werde.

162

Telegraphenverwaltung.

Das Jahr 1902 war für die Telegraphenverwaltung ein Jubiläumsjahr. Am 5. Dezember waren fünfzig Jahre verflossen, seit der elektrische Telegraph in der Schweiz dem Betriebe übergeben wurde.

Das Rechnungsergebnis ist für den T e l e g r a p h günstiger als im Vorjahr : Dasselbe weist einen Aktivsaldo von Fr. 8464. 26 auf gegenüber einem Passivsaldo pro 1901 von Fr. 101,516. 29.

Beim Telephonbetrieb dagegen ist der Passivsaldo von Fr. 942,955. 89 pro 1901 im Berichtsjahr auf die Summe von Fr. 1,350,704. 85 angestiegen.

163

Im Laufe des Berichtsjahres erlitt das Bundesgericht einen sehr schweren Verlust durch den Tod des Herrn Bundesrichter Dr. Hafner, dessen- hervorragende Fähigkeiten anerkannt und sehr geschätzt wurden.

Unter den im bundesgerichtlichen Geschäftsberichte pro 1902 aufgeführten Tabellen gibt eine die Dauer der im genannten Jahre erledigten Prozesse an. Wir müssen bemerken, daß in vielen Fällen die Zeit bis zum Urteilsspruch eine sehr lange ist.

Es wäre angezeigt, daß der Bundesrat den Gründen dieses Übels Standes nachginge, um zu sehen, ob nicht die Möglichkeit einerascheren Ganges der bundesgerichtlichen Rechtsprechung gefunden werden könnte.

164

Antrag der Kommission.

Der Geschäftsbericht des Bundesrates und des Bundesgerichts fèr das Jahr 1902 wird genehmigt.

B e r n , den 16. Mai 1903.

Die Mitglieder der K o m m i s s i o n : Eug. Richard, Präsident.

Battaglili.

Wirz.

Leumann.

de Chastonay.

Meyer.

Morgenthaler.

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Bericht der Kommission des Ständerates über die Geschäftsführung des Bundesrates und des Bundesgerichts im Jahre 1902. (Vom 16. Mai 1903.)

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03.06.1903

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