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Schweizerisches Bundesblatt.

55. Jahrgang. III.

Nr. 25.

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24. Juni 1903.

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Eisenbahn von Münster nach Grenchen, eventuell mit Abzweigungen nach Biel und Solothurn.

(Vom 19. Juni 1903.)

Tit.

Mittelst Eingabe vom 21. März 1900 unterbreiteten die Herren R. L u t e r b a c h e r , Gemeindeammann, und Th. S c h i l d , Ingenieur in Grenchen, namens eines Initiativkomitees durch Herrn B. Emch, Ingenieur in Bern, dem Eisenbahndepartement ein Konzessionsgesuch für eine Bisenbahn von M ü n s t e r nach Grenchen.

Bezüglich aller Details erlauben wir uns, auf die Ihnen zugestellte Broschüre vom 28. Februar 1900, enthaltend das Konzessionsgesuch, den allgemeinen und technischen Bericht, sowie den Kostenvoranschlag und die Rentabilitätsberechnung, zu verweisen.

Dem Konzessionsgesuch haben die Konzessionsbewerber noch eine aus dem Jahre 1899 stammende Broschüre des Herrn alt Oberingenieur R. Moser, betitelt ,,Neue schweizerische Eisenbahnprojekte" beigelegt, worin derselbe nachzuweisen versucht, daß die Linie Münster-Grenchen gegenüber den beiden andern in Frage kommenden Juradurchstichen, nämlich der Linie MünsterSolothurn (Weißensteinbahn) und der seinerzeit von der JuraBundesblatt. 55. Jahrg. Bd. III.

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Simplon-Bahn in Aussicht genommenen Linie Glovelier-Keconvilier-Reuchenette, erhebliche Vorteile biete.

In seiner Vernehmlassung vom 6. Juni 1900 äußerte sich der Regierungsrat des Kantons Bern im wesentlichen wie folgt: Einer Einladung der Regierung von Solothurn Folge gebend, habe der Große Rat des Kantons Bern im Beschluß betreffend die Beteiligung des Staates am Bau neuer Eisenbahnlinien auch, die Münster-Solothurn-Bahn aufgenommen und ihr grundsätzlich,, nach Maßgabe von Art. 2, lit. a, desselben eine Beteiligung von 40 % des Anlagekapitals der auf bernischem Gebiet gebauten Bahnstrecke, jedoch höchstens Fr. 80,000 per Kilometer, ferner gemäß Alinea 5 des nämlichen Artikels eine besondere Beteiligung des Staates bis auf Fr. 100,000 per Kilometer der auf dem Gebiet des Kantons Bern liegenden Tunnelstrecken zugesichert und endlich im letzten Alinea des nämlichen Artikels eine innerhalb seiner Kompetenz liegende Erhöhung dieser Staatsbeteiligung in Aussicht gestellt.

Die Gesellschaft der Solothurn-Münster-Bahn habe sich seither konstituiert, und zwar auf Grund eines von den Ingenieuren Müller und Zeerleder ausgearbeiteten Bauprojektes und eines Kostenvoranschlages von Fr. 6,250,000 mit einem Aktienkapital von vorläufig Fr. 3,858,500. Die bezüglichen Gesellschaftsstatuten seien durch Bundesratsbeschluß vom 17. Oktober 1899 genehmigt worden.

Die Länge der Solothurn-Münster-Bahn betrage zwischen den beiden Endstationen 21,95 km. Davon liegen im Gebiet des Kantons Bern rund 8,3 km. Das Maximalgefälle betrage nach einer Projektvariante 25 °/o, der Minimalradius 300 m. Die Bahn solle normalspurig und eingeleisig gebaut werden. Der Kostenvoranschlag sei endgültig auf Fr. 6,700,000 festgestellt worden.

Nun habe aber Herr alt Oberingenier Moser in Zürich bereits im Jahre 1899 in der Presse auf ein Eisenbahnprqjekt aufmerksam gemacht, für welches sich weitere Kreise als nur die Kantone Bern und Solothurn interessieren dürften, nämlich auf eine Linie S o l o t h u r n - G - r e n c h e n - M ü n s t e r , mit Basistunnel durch die Ratsfluh und den Graitery. Dieses Projekt habe das Initiativkomitee Münster-Grenchen aufgegriffen und mit der Abänderung,, daß dasselbe den Basistunnel tiefer lege, zum Gegenstand des vorliegenden Konzessionsgesuches gemacht.

Da sich jedoch im Jura außerdem noch andere Bestrebungen (Glovelier-Reuchenette) für die Abkürzung der internationalen Transitlinien über Basel und Delle durch den Kanton Bern nach

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Italien geltend gemacht haben, besonders mit Rücksicht auf den vom Kanton Bern in Aussicht genommenen Durchstich des Lötschberges als direkteste Zufahrt nach dem Simplon, so habe der Regierungsrat über die Tracéfrage eine Expertise angeordnet, deren Resultat im Gutachten der Herren Ingenieur Hittmann in Bern und Direktor Fellmann in Vitznau, d. d. 23. Februar 1900, niedergelegt sei. Es gehe daraus hervor, daß die zwar rund 5 Millionen Franken teurere Linie Solothurn-Grenchen-Münster ganz erhebliche Vorteile vor den beiden andern Projekten, sowohl in der baulichen Anlage als im Betrieb, biete. Sie liege zudem nicht nur im Interesse der .beiden beteiligten Kantone, sondern auch, wie Oberingenieur Moser richtig bemerke, in demjenigen der Jura-Simplon-Bahn, beziehungsweise des Bundes, als des zukünftigen Nachfolgers derselben.

Mit diesem Projekt trete nun aber in neuester Zeit dasjenige einer Solothurn-Münster-Bahn, mit Basistunnel durch die Hasenmatt, das von der Gesellschaft der Solothurn-Münster-Bahn studiert werde, in Konkurrenz. Dieses Projekt biete verschiedene wesentliche Vorteile gegenüber demjenigen Münster-Grenchen. Es berücksichtige die Interessen des Kantons Solothurn und der Gemeinden des bernischen Raußtales besser, kürze die Verbindungen von Delle nach Thun sowie nach Luzern und begünstige die zur Konzessionierung eingereichten Projekte für eine Direkte Solothurn-Bern. An diesem Unternehmen werden sich daher jedenfalls der Kanton und die Stadt Solothurn beteiligen, während dies bei der Linie Solothurn-Grenchen-Münster als fraglich zu betrachten sei. Dagegen verkenne der Regierungsrat nicht, daß dieses neue Projekt die Interessen der Jura-Simplon-Bahn und somit auch des Bundes, als deren Nachfolger, kaum in dem Maße befriedigen werde, wie das Grenchenerprojekt.

Nach seiner Überzeugung könne weder das eine noch das andere dieser Projekte mit Basistunnel durch die interessierten Kantone, Gemeinden und Private einzig finanziert werden; das Zustandekommen eines derselben erfordere unbedingt die Mithülfe des Bundes.

Bevor er nun zum vorliegenden Konzessionsgesuch endgültig Stellung nehme, wünsche er zu erfahren, ob nicht der Bund, als zukünftiger Eigentümer der Jura-Simplon-Bahn, sich jetzt oder in absehbarer Zeit am Bau der Solothurn-Grenchen-Münster-Bahn mit Basistunnel nach vorliegendem
Projekt beteiligen könnte, eventuell diese Linie mit angemessener Subvention seitens des Kantons Bern und der interessierten bernischen und solothurnischen Gemeinden selbst bauen würde.

432 Mittelst Eingabe vom 31. Juli 1900 übermittelte sodann der Verwaltungsrat der Solothurn-Münster-Bahn unter Bezugnahme auf die Veruehmlassung des Regierungsrates des Kantons Bern vom 6. Juni 1900, von welcher der Verwaltungsrat Kenntnis erhalten hatte, ein Gutachten von Herrn Ingenieur Ritz in Solothurn, betitelt ,,Kritische Betrachtungen zum Gutachten der Herren Hittmann und Fellmann vom 23. Februar 1900 betreffend das Solothurn-Münster-Bahn-Projekt (Weißensteinbahn) und Konkurrenzprojekte, sowie zum Konzessionsgesuch für eine Eisenbahnverbindung Münster-Grenchen der Herren Emch und Konsortentt, welches sich zu gunsten des bereits konzessionierten und zum Teil finanzierten Weißenstein-Bahn-Projektes ausspricht. Der Verwaltungsrat ersuchte das Eisenbahndepartement, die in diesem Gutachten entwickelten Gesichtspunkte in Erwägung zu ziehen.

Auf die in der Vernehmlassung des Regierungsrates des Kantons Bern vom 6. Juni 1900 enthaltene Anfrage betreffend finanzielle Unterstützung des Milnster-Grenchen-Projektes durch den Bund antwortete .das Eisenbahndepartement mit Schreiben vom 16. Oktober 1901, daß es nicht in den Geschäftskreis des Eisenbahndepartements gehöre, sich darüber auszusprechen, ob der Bund als Nachfolger einer zu verstaatlichenden Eisenbahn dieses oder jenes Bahnprojekt finanziell unterstützen oder es zu dem seinigen machen werde. Da das Rückkaufsgesetz den Grundsatz aufgestellt habe, daß die Verwaltung der Bundesbahnen von der übrigen Bundesverwaltung unabhängig sein solle, so seien derartige Fragen in erster Linie von den Behörden der Bundesbahnen zu beurteilen. .

Hernach äußerte sich der Regierungsrat des Kantons Beru in seiner zweiten Vernehmlassung vom 16. November 1901 definitiv wie folgt : Eine Eisenbahn Münster-Grenchen mit Basistunnel würde die allgemeinen schweizerischen Verkehrsinteressen und namentlich auch die Interessen des schweizerischen Bundesbahnnetzes in vorzüglicher Weise befriedigen. Die Finanzierung einer solchen Eisenbahn sei jedoch, nach seiner Ansicht, ohne wesentliche Mitwirkung des Bundes unmöglich durchführbar. Die nachgesuchte Konzession sei daher nur dann zu erteilen, wenn die Bundesbehörden die Absicht haben, den Bau der in Frage stehenden Linie in absehbarer Zeit (eventuell unter Mitwirkung anderer Interessenten) auszuführen. Sollte diese Absicht nicht bestehen, so sei die Konzession zu verweigern, indem die Erteilung der-

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selben alsdann bloß dazu dienen würde, dem die speziell bernischen und solothurnischen Verkehrsinteressen in wenigstens ebenso hohem Maße wie eine Münster-Grenchen-Bahn befriedigenden Unternehmen der nahezu finanzierten Weißensteinbahn (MünsterSolothurn) Schwierigkeiten zu bereiten.

Der Regierungsrat des Kantons Solothurn erklärte in seiner Vernehmlassung vom 12. November 1901, daß er gegen die Konzessionierung der Münster-Grenchen-Bahn keine Einwendungen erhebe.

Zu gunsten der letztern Bahn sprach sich neuerdings Herr a. Oberingenieur R. Moser in Zürich in zwei Gutachten, betitelt a V)Weißensteinbahn und ,,Neue schweizerische Eisenbahnprojekte, nochmals die WeilSensteinbahn1' aus, die er dem Eisenbahndepartement mit Zuschriften vom 11. November und 13. Dezember 1901 übermittelte.

Hierauf ersuchte das Eisenbahndepartement .auch die Generaldirektion der S. B. B., sich über das Projekt auszusprechen.

Mittelst Eingabe vom 20. März 1903 an den Bundesrat stellten sodann die Herren E. S t a u f f e r , Stadtpräsident, G.

K u n z , Notar in Biel, R. L u t e r b a c h e r , Gemeindeammann, und T h e o d o r S c h i l d , Ingenieur in Grenchen, das Gesuch, es möchte die im Konzessionsgesuch vom 28. Februar 1900 nachgesuchte Konzession für eine normalspurige Eisenbahn von Münster nach Grenchen auf den Namen der oben genannten vier Konzessionsbewerber zu Händen eines Initiativkomitees von Biel und Grenchen erteilt werden.

In der Begründung wird folgendes angeführt: Seit der Einreichung des Konzessionsgesuches vom 28. Februar 1900 hätten sich auch die Behörden der Stadt Biel und des Kantons Bern mit der Frage eines Jurädurchstiches zwischen Solothurn und Biel eingehend befaßt und seien zu der Überzeugung gelangt, daß eine Durchtunnelung zwischen Münster und Grenehen unter allen den vorliegenden Projekten die beste Lösung der Frage einer bessern Verbindung zwischen den Ausgangspunkten Delle und Basel durch den Jura nach der bernischen Hochebene sei.

Es hätten sich deshalb die Behörden der Stadt Biel den Bestrebungen des Initiativkomitees von Grenchen angeschlossen und treten im Einverständnis mit dem Initiativkomitee von Grenchen dem von den Herren Luterbacher, Gemeindeammann, und.

Theodor Schild, Ingenieur, den Bundesbehörden eingereichten Konzessionsbegehren für eine Normalspurbahn Münster-Gr-enchen

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bei. Als Vertreter des von den Bieler Behörden ernannten Initiativkomitees seien die Herren Stadtpräsident Stauffer und Gottfried Kunz, Stadtrat, ermächtigt worden, ein bezügliches Kon/essionsgesuch mitzuunterzeichnen.

Die Festlegung des Tunnel-Traces, sowie dessen Ausmündung in Grenchen solle auf Grund bezüglicher Studien der Entscheidung der Behörden des Kantons Bern und des Kantons Solothurn überlassen werden.

Diese Studien seien bereits im Gange, und es sei mit denselben Herr Ingenieur Greulich betraut.

In einem eingehenden Berichte an das Eisenbahndepartement vom 27. Mai 1902, der Ihnen zugestellt worden ist, gelangte die Generaldirektion über das Münster-Grenchen-Prqjekt, sowie über die Frage eines weitern Jura-Durchstiches überhaupt zu folgenden Resultaten : 1. Die Bundesbahnen haben zurzeit keine Veranlassung, aus allgemein volkswirtschaftlichen Gründen oder aus solchen der Konkurrenzfähigkeit für den internationalen Verkehr einen weitern Juradurchstich auszuführen.

2. Es wäre verfrüht, heute schon über den Vorzug einer allfällig später zu erbauenden Abkümingslinie von Münster nach Grenchen oder Solothurn einen Entscheid zu treffen, bevor über den Ausbau des Bahnnetzes südlich des Jura (Lötschbergbahn u. s. w.) die Situation besser abgeklärt sei.

3. Die allgemeinen Interessen wie diejenigen der Bundesbahnen verlangen, daß die Erstellung einer neuen Bahn durch den Jura nicht von dritter Seite ausgeführt werde ; es sei daher Konzessionsbegehren für solche neue Projekte nicht zu entsprechen, in der Meinung, daß deren Ausführung zu geeigneter Zeit den Bundesbahnen vorbehalten werden müsse.

4. Die Anlage einer Abkürzungslinie mit ungünstigen Steigungsverhältnissen, wie z. B. nach dem Projekt einer Weißensteinbahn mit 25 %o Steigung, erscheine volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigt und sei vom Standpunkte eines richtigen Ausbaues des schweizerischen Eisenbahnnetzes zu verwerfen.

Die vier oben genannten Konzessionsbewerber teilten hierauf mittelst Eingabe vom 12. Januar 1903 an den Bundesrat zu Händen der Bundesversammlung mit, diese Stellungnahme der Generaldirektion einerseits und die inzwischen wesentlich veränderten Verhältnisse anderseits geben ihnen Veranlassung, ihr

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Konzessionsgesuch vom 20. März 1902 zu ergänzen und zu diesem Behufe folgendes anzubringen : Die Generaldirektion stelle an die Spitze ihrer Erörterungen den Grundsatz, daß als Folge der Verstaatlichung der schweizerischen Hauptbahnen auch der weitere Ausbau dieses Hauptnetzes Sache des Bundes sein müsse. Es sei zweifellos, daß den schweizerischen Bundesbahnen das Recht zugestanden werden müsse, die Erstellung aller derjenigen Linien für sich zu beanspruchen, die sich als Ausbau des Bundesbahnnetzes qualifizieren. Die weitere Schlußfolgerung dagegen, daß die Erteilung von Konzessionen für neue Hauptbahnen an Dritte mit obigem Grundsatz im Widerspruch stehe, können sie nicht als richtig anerkennen.

Im Gegenteil sei bei Anlaß der Rückkaufsdebatte in den eidgenössischen Räten erklärt worden, daß auch nach der Verstaatlichung Kantonen und Gemeinden das Recht gewahrt bleibe, neue Eisenbahnschöpfungen ins Leben zu rufen. Danach werde nicht zu untersuchen sein, ob der projektierten Bahn Münster-Grenchen der Charakter einer Hauptbahn zukomme oder nicht, sondern es sei lediglich die Frage zu prüfen, ob ein Bedürfnis zur Ausführung dieses neuen Projektes vorhanden sei. Es sei nun zuzugeben, daß eine Münster-Grenchen-Bahn sieh zunächst als Verbesserung einer internationalen Hauptlinie der Bundesbahnen qualifiziere und daß die letztern in der Lage wären, den Verkehr der Relationen Basel und Delle nach der Westschweiz für die nächste Zeit noch mit den vorhandenen Verkehrsmitteln zu bewältigen.

Aber dieser Ansicht halten sie das Urteil der Herren Oberingenieure Moser und Bachern in Zürich entgegen, die in einem Memorial, das sie beilegen, den Nachweis erbracht haben, daß der Bau einer Linie Münster-Grenchen als die einzige und richtigste, allen Interessen am besten entsprechende Lösung eines neuen Juradurchstiches bezeichnet werden dürfe und dessen Ausführung auch im Interesse der Bundesbahnen liege. Mit diesem Gutachten sei nicht nur die Existenzberechtigung ihres Projektes nachgewiesen, sondern auch die Bedürfnisfrage in bejahendem Sinne beantwortet. Mit der beabsichtigten Verbesserung des Verkehrs von Basel und Delle nach der Westschweiz werden auch die lokalen Interessen der beteiligten Landesgegenden gefördert.

Das Projekt Münster-Grenchen sei auch für den ganzen Kanton Bern von hoher volkswirtschaftlicher Bedeutung, und zwar als Zufahrtslinie zum Lötschberg. Die Lötschbergbahn sei für einen großen Teil des Kantons Bern eine Lebensfrage, und

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das Bernervolk habe am 4. Mai 1902 durch Zuerkennung einer ersten Subvention von Fr. 17,500,000 dokumentiert, daß es gewillt sei, diese große Aufgabe eines Alpendurchstiches als Zufahrtslinie zum Simplon lösen zu helfen.

Die Konzessionsbewerber haben auf Verlangen der Baudirektion des Kantons Bern durch Herrn Ingenieur K. Greulich einen technischen Bericht und Kostenvoranschlag zum generellen Projekt der Münster-Grenchen-Bahn ausarbeiten lassen, den sie ebenfalls beilegen. In diesem Berichte seien zwei Varianten studiert, Variante I als direkte Verbindung der Station Münster mit der Station Grenchen und Variante II mit Ausmündung des Tunnels oberhalb des Dorfes Grenchen mit Abzweigungen nach Biel und Solothurn. Die Linie Münster-Grenchen-Biel mit Abzweigung nach Solothurn sei als normalspurige Hauptbahn projektiert, welche die bestehende und überlastete Linie DelsbergSonceboz-Biel entlaste, den Verkehr dieser Relation wesentlich verkürze und vermöge ihrer günstigen Steigungsverhältnisse geeignet sei, das große Gebiet der französischen Ostbahn und das hinterliegende reiche Belgien in die Verkehrszone der Lötschbergbahn einzubeziehen. Die Linie Münster-Grenchen-Biel-Solothurn sei ins bernischen Gesetz betreffend die Beteiligung des Staates am Bau und Betrieb von Bisenbahnen aufgenommen, und das Projekt sei mit einer Staatssubvention von zirka 2,a Millionen bedacht worden. Die Konzessionsbewerber haben den von Herrn Greulich ausgearbeiteten technischen Bericht auch auf eine vergleichende Untersuchung des Weißensteinbahnprojektes ausgedehnt und könnten an Hand dieses Gutachtens sowohl wie derjenigen der Herren Moser und Bachern feststellen, daß das Projekt MiinsterG-renchen mit Abzweigungen nach Biel und Solothurn gegenüber dem Weißensteinbahnprojekt in jeder Beziehung bedeutende Vorteile biete und speziell die Interessen des Kantons Solothurn zum mindesten ebensogut, wenn nicht besser wahre. Es sei denn auch gegründete Aussicht vorhanden, daß die Interessenten des Weißensteinbahnprojektes sich den Bestrebungen des Initiativkomitees Münster-Grenchen anschließen werden und daß durch Zusammenwirken der Kantone Bern und Solothurn die Ausführung des Projektes möglich werde.

In einem zwischen den Initiativkomitees von Biel und Grenchen mit Bezug auf das vorliegende Konzessionsgesuch abgeschlossenen Vertrage
sei die Verpflichtung aufgenommen worden, daß die Konzession den schweizerischen Bundesbahnen kostenlos abgetreten werden müsse, sobald dièse letztern einzig oder in

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Verbindung mit den interessierten Kautonen Bern und Solothura sich zur Ausführung des Projektes bereit erklären. Die Konzessionsbewerber seien damit einverstanden, daß eine bezügliche Klausel in die zu erteilende Konzession aufgenommen werde.

Damit falle der Haupteinwand der Generaldirektion dahin, indem der Bund jederzeit in der Lage sei, sieh den Bau und Betriebdieser Linie zu sichern.

Sie stellen daher das Gesuch, es möchte auf Grund der unterm 28. Februar 1900 und 20. März 1902 eingereichten Konzessionsgesuche, sowie auf Grund des technischen Berichtes und Kostenvoranschlages des Herrn Ingenieur Greulich vom August 1902 den Konzessionsbewerbern zu Händen eines Initiativkomitees von Biel und Grenchen die Konzession für eine normalspurige Eisenbahn von M ü n s t e r nach G r e n c h e n , eventuell mit Abzweigungen nach B i e l und S o l o t h u r n erteilt werden, wobei die Tunnelausmündung bei Grenchen und die Anschlüsse an die Bundesbahnen in keiner Weise präjudiziert, vielmehr weitere Studien über eine rationelle Lösung des Projektes ausdrücklich vorbehalten sein sollen.

Dieses erneute Konzessionsgesuch vom 12. Januar 1903 wurde den Regierungen von Bern und Solothurn, sowie der Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen zur Vernehmlassung zugestellt.

Der Regierungsrat des Kantons Bern äußerte sich in seiner Zuschrift vom 19. Mai 1903, anknüpfend an die ablehnende Vernehtnlassung der Generaldirektion vom 27. Mai 1902, dahin, daß der von den schweizerischen Bundesbahnen eingenommene Standpunkt prinzipiell unhaltbar sei. Wollte daran festgehalten werden,-so hätte dies zur Folge, daß für Gegenden, welche durch den Ausbau des Hauptnetzes der schweizerischen Eisenbahnen zu den modernen Verkehrsmitteln gelangen sollen, die Privatinitiative einfach lahmgelegt und letztere einzig auf diejenigen Gegenden verwiesen würde, welche des Ausbaues des Sekundärbahnnetzes bedürfen. Der Regierungsrat halte dafür, daß der Privatinitiative jetzt wie vor dem Rückkauf volle Aktionsfreiheit gelassen werden solle, höchstens mit der Einschränkung, daß der Bund an Stelle der Privatinitiative den Bau einer zur Ausführung reifen Linie selbst übernehmen könne. Da die Konzessionsbewerber erklären, die Konzession den schweizerischen Bundesbahnen kostenlos abzutreten, sobald letztere einzig oder in Verbindung mit den interessierten Kantonen Bern und Solothurn die Ausführung des Pro-

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jektes selbst an die Hand nehmen, halte er die Opposition der schweizerischen Bundesbahnen für so lange als unbegründet, als sie sich nicht selbst um die Konzession bewerben.

Endlich spreche der Umstand, daß die schweizerischen Bundesbahnen sich mit dem vorliegenden Weißensteinprojekt mit 25 °/oo Steigung nicht befreunden können, auch nicht gegen die Konzessionierung der Linie Münster-Grenchen. Nachdem daher 1. die Finanzierung der Weißensteinbahn bis heute nicht perfekt sei ; 2. das Konzessionsgesuch Luterbacher und Konsorten für eine Münster-G-renchen-Bahn vom Ü8. Februar 1900 nicht behandelt oder zurückgezogen sei ; 3. die schweizerischen Bundesbahnen eine definitive Antwort, ob sie die eine der projektierten Linien ausführen wollen, nicht abgegeben haben, sei er der Ansicht, daß eine Konzession für eine Münster-GrenchenBahn neben der bestehenden Weißensteinbahn wohl erteilt werden könne.

Der Regierungsrat gebe sodann dem neu eingereichten MünsterGrenchen-Projekt gegenüber dem früher eingereichten den Vorzug und beantrage daher, dem Konzessionsgesuch der Herren Stauffer und Konsorten vom 12. Januar 1903 für eine normalspurige Eisenbahn von Münster nach Grenchen, eventuell mit Abzweigungen nach Biel und Solothurn, zu entsprechen.

Der Regierungsrat des Kantons Solothurn erklärte in seiner Vernehmlassung vom 8. Juni dieses Jahres, daß er gegen das erneute Konzessionsgesuch vom 12. Januar 1903 keine Einwendungen erhebe.

Die Generaldirektion der schweizerischen Bundesbahnen teilte in ihrer Vernehmlassung vom 29. Mai dieses Jahres mit, daß sie grundsätzlich durchaus an den Ausführungen ihres Gutachtens vom 27. Mai 1902 festhalte. Namentlich halte sie es heute noch vom Standpunkte einer rationellen Staatsbahnpolitik aus für ganz unzulässig, daß der Bund die Erstellung von Hauptbahnen internationaler Bedeutung Dritten überlasse, seien es Privatgesellschaften oder Kantone und Gemeinden. Die Durchführung dieses Grundsatzes gefährde in keiner Weise den richtigen Ausbau des schweizerischen Bahnnetzes, sie werde nur vor verfrühten und daher volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigten Unternehmungen bewahren. Im richtigen Zeitpunkte werde sodann der Bund selbst einzugreifen und das Hauptbahnnetz auszubauen haben.

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Die Konsequenz dieses Standpunktes sei nun allerdings, daß die Konzessionserteilung an Dritte für Hauptbahnen nicht mehr stattfinden sollte.

Dagegen räume sie ein, daß die Sachlage im vorliegenden Falle dadurch kompliziert sei, daß für das eine der sich entgegenstehenden Projekte für einen neuen Juradurchstich, für die Weißensteinbahn, eine Konzession bereits erteilt sei, und für die Ausführung dieses Projektes ernstliche Anstrengungen gemacht werden, obwohl das vorliegende Projekt nach ihrer Ansicht volkswirtschaftlich nicht gerechtfertigt erscheine, wie sie in ihrem Berichte vom 27. Mai 1902 näher ausgeführt habe.

Unter diesen Umständen dürfte es sich empfehlen, zum Zwecke der Gleichstellung der Konkurrenzprojekte auch dem Initiativkomitee für Münster-Grenchen eine Konzession zu erteilen.

Zur Wahrung der Interessen des Bundes wäre aber jedenfalls die ausdrückliche Verpflichtung in die Konzession aufzunehmen, daß der Konzessionär die Konzession jederzeit der Bundesbahnverwaltung unbelastet abzutreten habe, falls letztere die konzedierte Bahn selbst auszuführen sich bereit erkläre.

Die Generaldirektion verkenne jedoch nicht, daß auch eine solche Klausel die Interessen des Bundes nicht vollständig zu schützen vermöge, indem die freie Entschließung desselben über eventuelle Ausführung eines künftigen Juradurchstiches präjudiziert sei; die Bundesbahnverwaltung werde in die Lage versetzt, ein ihr eventuell weniger zusagendes Projekt ausführen zu müssen, um dessen Erstellung durch Dritte zu hindern. Die Möglichkeit sei nicht ausgeschlossen, daß ein einläßliches Studium zum Resultate führe, ein- anderes Basistunnelprojekt, wäre die richtige Lösung, falls sich später das Bedürfnis für die Erstellung eines weitern Juradurchstiches einstellen sollte.

Die üblichen konferenziellen Verhandlungen fanden am 13. Juni in Bern statt.

Mit dem vom Eisenbahndepartement vorgelegten Konzessionsentwurfe erklärte man sich im allgemeinen einverstanden.

Für die Stellung, die die Bundesbehörden gegenüber dem Konzessionsgesuche für eine Eisenbahn von Münster nach Grenchen einzunehmen haben, scheinen uns folgende Erwägungen maßgebend zu sein : Ein dringendes Bedürfnis nach einem neuen Juradurchstich besteht für den Bund einstweilen nicht, kann sich aber mit der Zeit einstellen. In diesem Falle wird die betreffende Bahnlinie,

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als Hauptbahn, von Bedeutung sein für die Gestaltung des Verkehrs auf den Bundesbahnen. Diesen sollte daher der Bau eines Juradurchstiches vorbehalten bleiben. Nun sind aber die Bundesbahnen zurzeit nicht in der Lage, sich mit einem solchen Projekte ernstlich zu befassen; anderseits ist ein Juradurchstich zwischen Münster und Solothurn auf Grund einer aus dem Jahr 1889 datierenden Konzession beabsichtigt, d. h. ein Projekt, das von der Verwaltung der Bundesbahnen als irrationell verurteilt wird, während sich auf der Basis des von den Konzessionsbewerbern vertretenen Projektes eine weitaus günstigere und vorteilhaftere Lösung finden ließe. Auch sind die Potenten damit einverstanden, daß in der Konzession dem Bunde, beziehungsweise den Bundesbahnen besondere Vorrechte betreffend Abtretung der Konzession, Rückkauf etc. eingeräumt werden.

Unter diesen Umständen werden die Interessen des Bundes besser gewahrt durch Erteilung der Konzession als durch gänzliche oder temporäre Abweisung des Gesuches, weshalb wir Ihnen beantragen, den nachstehenden Beschlußentwurf zu genehmigen.

Zur Begründung einzelner Bestimmungen desselben mögen folgende Bemerkungen angebracht sein : Im Art. l ist das übliche zweite Alinea, lautend: ,,Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt'1, weggelassen, da, wie wir schon oben zu bemerken Gelegenheit hatten, eine neue Linie durch den Jura von Münster nach Grenchen als Hauptbahn betrachtet werden müßte. Dies in der Konzession ausdrücklich zu sagen, halten wir nicht für notwendig, weil gemäß dem Bundesgesetz vom 21. Dezember 189, Art. l, Absatz 4, nur die N e b e n b a h n e n als solche zu bezeichnen sind. Fehlt also eine derartige Bestimmung in der Konzession, -so ist die konzessionierte Linie ohne, weiteres als Hauptbahn zu betrachten.

Im Art. 8 haben wir die Worte ,,und eingeleisiga, die gewöhnlich vor ,,erstellt"1 eingeschaltet sind, gestrichen, in der Meinung, daß der Bundesrat gemäß Art. 14, Alinea 3, des Eisenbahngesetzes zu entscheiden habe, ob ein zweites Geleise zu bauen sei oder nicht. Wir werden in Zukunft mit Ihrer Zustimmung diese Worte auch in den übrigen Konzessionsentwürfen ausmerzen.

Da mit Rücksicht auf den Charakter dieser Bahn als Hauptbahn angenommen werden muß, daß eine eigentliche Verwaltung (Direktion) mit ständigen Beamten geschaffen werde, haben wir

441 den in den neuern Konzessionen üblichen Absatz 2 des Art. 11 betreffend Abberufung von Mitgliedern der Verwaltung, denen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind, und die in der Ausübung derselben Anlaß zu begründeten Klagen geben, fallen gelassen.

Die Taxansätze sind den besonderen Bau- und Betriebsverhältnissen angepaßt, nach Analogie der Konzession für die Weißensteinbahn.

Die Art. 30 und 31 sind neu. Gemäß Art. 30 sind die Konzessionäre gehalten, die Konzession jederzeit unbelastet der Bundesbahnverwaltung abzutreten, falls diese sich verpflichtet, die konzessionierte Bahn selbst auszuführen.

Mit Rücksicht darauf, daß die fragliche Linie die Bundesbahnen teilweise konkurrenziert, ist die Aufnahme dieser Bestimmung in die Konzession notwendig. Zur Vermeidung von Mißverständnissen mag hier beigefügt werden, daß der Ausdruck ^unbelastet"1 so verstanden ist, daß die Konzessionäre aus der Abtretung der Konzession an die Bundesbahnverwaltung keinen Gewinn ziehen, daß sie aber auch keinen Schaden erleiden sollen.

Es werden ihnen einfach die nachgewiesenermaßen auf die Konzession und die Vorstudien verwendeten notwendigen Auslagen zu ersetzen sein.

Gemäß -Artikel 31 wird für den Fall der Konstituierung einer Aktiengesellschaft dem Bunde das Recht vorbehalten, sich bis zu 50 °/o des Aktienkapitals zu beteiligen. Eine P f l i c h t zu einer finanziellen Beteiligung erwächst hieraus für den Bund selbstverständlich nicht.

Im Art. 32, lit. a, ist mit Rücksicht auf die Konkurrenzierung der Bundesbahnen vorgesehen, daß der Rückkauf frühestens 15 J a h r e (statt der sonst üblichen 30 Jahre) nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen kann.

Müßte aber die Bahn während des 15. bis 30. Jahres nach der Betriebseröffnung nur nach dem Reinertrag bezahlt werden, so bedeutete dies unter Umständen eine Unbilligkeit gegenüber anderen Bahnunternehmungen, deren Rückkauf bis zum 30. Jahre ausgeschlossen ist, die also bis dahin Zeit haben, ihren Verkehr zu entwickeln. Zur Ausgleichung empfiehlt es sich daher, für den Fall eines solchen, gewissermaßen vorzeitigen, Rückkaufes als Minimalentschädigung den Betrag der Anlagekosten zuzusichern.

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, Genehmigen Sie, Tit., auch bei diesem Anlasse den Ausdruck unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 19. Juni 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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(Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

Konzession einer normalspürigen Eisenbahn von Münster nach Grenchen, eventuell mit Abzweigungen nach Biel und Solothurn.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Herren R. Luterbacher, Ammann, und Th. Schild, Ingenieur, in Grenchen, vom 28. Februar 1900 ; 2. zweier Eingaben der Herren B. Staufler, Stadtpräsident, und.G. Kunz, Notar, in Biel, und R. Luterbacher, Ammann, und Th. Schild, Ingenieur, in Grenchen, vom 20. März 1902 und 12. Januar 1903; 3. einer Botschaft des Bundesrates vom 19. Juni 1903, beschließt: Den Herren E. S t a u f f e r , Stadtpräsident, und Gr. K u n z , Notar, in Biel, handelnd namens eines Initiativkomitees in Biel und Grenchen, und R. L u t e r b a c h e r , Ammann, und Th. Schild, Ingenieur, in Grenchen, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und den Betrieb einer normalspürigen Eisenbahn von M ü n s t e r durch den Jura nach G r e n c h e n , eventuell mit Abzweigungen nach B i e l und nach S o l o t h u r n . unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt:

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Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Grenchen.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitern Ausschusses soll aus Schweizerbürgern, welche ihren "Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 36 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen-technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten ·der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 4 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn "erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausfilhrungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung der Pläne eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

Art. 8.

stellt.

Die Bahn wird mit Spurweite von 1,435 Meter er-

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons, auf dessen Gebiet sie gefunden werden, und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

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Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat, die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen und die unentgeltliche Benutzung eines geeigneten Lokals zu gewähren.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einsehreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigenfalls entlassen werden.

Art. 12. Die Beförderung von Personen soll täglich mindestens sechsmal nach beiden Richtungen, von einem Bndpunkt der Bahn zum andern und mit Anhalten auf allen Stationen erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrate festgesetzt.

Art. 13. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen.

Art. 14. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach dem Durchgangssystem mit drei Klassen aufstellen.

In der Regel sind allen Personenzügen Wagen aller Klassen beizugeben; Ausnahmen kann nur der Bundesrat gewähren.

Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, daß alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sich Anmeldenden, wenn immer möglich, durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können. Auf Verlangen des Bundesrates sind auch mit Warenzügen Personen z,u befördern.

Art. 15. Die Gesellschaft kann für die Beförderung von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze beziehen : in der ersten Wagenklasse 20 Rappen, in der zweiten Wagenklasse 15 Rappen, in der dritten Wagenklasse 8 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

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Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in allen Wagenklassen zu zahlen.

Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfte der Taxe berechtigenden Altersgrenze verlangen.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20 °/o niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillete zu reduzierter Taxe auszugeben.

Art. 16. Für die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist die halbe Personentaxe zu berechnen. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 17. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 8 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

Art. 18. Bei der Erstellung der Gütertarife ist im allgemeinen vom Gewicht und Umfang der Warensendungen auszugehen, aber, soweit es die Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe,, Handel und Landwirtschaft rechtfertigen, auch auf den Wert und die wirtschaftliche Bedeutung der Waren Rücksicht zu nehmen.

Es sind Klassen aufzustellen, deren höchste nicht über 3 Rappen und deren' niedrigste nicht über l,5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Bei Beförderung von Waren in Eilfracht kann die Taxe um 100 °/o des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

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Die für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft erforderlichen Rohstoffe sollen am niedrigsten taxiert werden.

Art. 19. Für den Transport von Edelmetallen, von barem Geld und von Kostbarkeiten mit deklariertem Wert ist für Fr. 1000 per Kilometer höchstens 2 Rappen zu erheben.

Art. 20. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besondern Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 25 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

Art. 21. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Futtermitteln u. s. w. zeitweise niedrigere Taxen zu bewilligen, welche vom Bundesrat nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 22. Für den Transport · lebender Tiere mit Güterzügen sind Taxen zu beziehen, welche nach Klassen und Transportmengen (Stückzahl, Wagenladungen) abzustufen sind und den Betrag von 20 Kappen per Stück und Kilometer für die höchste und 5 Rappen für die niedrigste Klasse nicht übersteigen dürfen.

Bei Beförderung in Eilfracht kann ein Taxzuschlag bis auf 40 % erhoben werden.

Art. 23. Die Minimaltransporttaxe für Gepäck, für Gütersendungen und für Tiersendungen beträgt höchstens 40 Kappen.

Art. 24. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungs-

448 gutem, für lebende Tiere und andere Gegenstände, deren Verladung mit besonderen Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 25. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Bezüglich des Gewichtes werden Sendungen in Eilfracht und in gewöhnlicher Fracht bis auf 20 kg. für volle 20 kg. gerechnet und Gepäcksendungen bis auf 10 kg. für volle 10 kg.; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 kg. berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 kg. für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr, 500 als volle Fr. 500 gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der gemäß diesen Vorschriften berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird dieselbe auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, insofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 26. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 27. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergeben wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 28. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden,i so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

O Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 29. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem ßundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen

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bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besondern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 30. Die Konzessionäre sind gehalten, die Konzession jederzeit unbelastet der Bundesbahnverwaltung abzutreten, falls diese sich verpflichtet, die konzessionierte Bahn selbst auszuführen.

Art. 31. Für den Fall der Konstituierung einer Aktiengesellschaft bleibt dem Bunde das Recht vorbehalten, sich bis zu 50 % des Aktienkapitals zu beteiligen.

Art. 32. Für den Fall, daß die Konzession nicht von der Bundesbahnverwaltung erworben wird, gelten für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, der Kantone Bern und Solothurn folgende Bestimmungen: a. Der Rückkauf kann frühestens 15 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je- auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahre vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstützungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge getan werden und sollte auch die Verwendung der Erneuerungsund Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis 1. Januar 1935 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in welchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen ; -- ·sofern der Rückkauf zwischen dem i. Januar 1935 und 1. Januar 1950 erfolgt, den 22y2fachen Wert; -- wenn der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1950 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages; -- unter Abzug der Erneuerung«- und Reservefonds.

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Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller andern etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

Sollte der Rückkauf früher als 30 Jahre nach der Eröffnung des Betriebes erfolgen, so darf die Entschädigungssumme nicht weniger als die nachgewiesenen erstmaligen Anlagekosten der bestehenden Einrichtungen, jedoch unter Abzug der Erneuerungs- und Reservefonds, betragen.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 33. Haben die Kantone Bern und Solothurn den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es im Art. 32 definiert worden, jederzeit auszuüben, und die Kantone haben unter den gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 34. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche sofort in Kraft tritt, beauftragt.

-·?*
451

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Aenderung der Konzession der Locarneser Eisenbahnen mit Bezug auf die Linie Locarno-Bignasco.

(Vom 19. Juni 1903.)

Tit.

Mit Eingabe vom 2. Mai abhin ersuchte Herr Francesco Balli, Konzessionär der Locarneser Eisenbahnen, um Änderung der ihm durch Bundesbeschluß vom 22. Dezember 1898 (E. A.

S. XV, 328), zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft erteilten Konzession. Die Änderung bezweckt, für die Linie Locarno-Bignasco (Val Maggia), deren Bau demjenigen der beiden anderen Linien Locarno-Centovalli und Locarno-Valmara vorangehen soll, höhere Taxen zu erhalten. Dieselben sollten künftighin per Kilometer betragen : a. für P e r s o n e n : in der zweiten Wagenklasse 12 Rappen anstatt 7 Rappen, in der dritten Wagenklasse 7 Rappen anstatt 5 Rappen ; b. für G e p ä c k : per 100 Kilogramm 7 Rappen anstatt 5 Rappen;

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer Eisenbahn von Münster nach Grenchen, eventuell mit Abzweigungen nach Biel und Solothurn. (Vom 19. Juni 1903.)

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Jahr

1903

Année Anno Band

3

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25

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

24.06.1903

Date Data Seite

429-451

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10 020 603

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