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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde des Gustav Meier und Franz Leupi in Buchs, Kanton Luzern, betreffend die Neuwahlen des Gemeinderates von Buchs vom 7. Juni 1903.

(Vom 20. November 1903.)

Der schweizerische Bundesrat hat über die Beschwerde des Gustav M e i e r und Franz L e u p i in Buchs, Kanton Luzern, betreffend die Neuwahlen des Gemeinderates von Buchs vom 7. Juni 1903, auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartementes, folgenden Beschluß gefaßt: A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Am 7. Juni 1903 sind in Buchs, Kanton Luzern, Neuwahlen für den Gemeinderat und für die Betreibungsbeamten vorgenommen worden. Gegen diese Wahlen legten Gustav Meier und Franz Leupi in Buchs beim Regierungsrat des Kantons Luzern Kassationsbeschwerde ein, indem sie geltend machten, sie hätten schon vor der Wahl bei der Behörde verlangt, daß ein Bürger (Josef Bundesblatt. 56. Jahrg. Bd. V.

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270 Peter) vom Stimmregister abgetragen und drei Bürger (Jakob» Buser, Vater und Sohn, und Josef Kaufmann) auf dasselbe aufgetragen werden; sie seien aber mit ihrem Rekursbegehren, daeine Entscheidung vor der Wahl nicht mehr möglich gewesen,, auf den Kassationsweg verwiesen worden. Da nun die Wahlen mit nur drei Stimmen über das absolute Mehr erfolgt seien, so hänge von der materiellen Erledigung der gestellten Auf- und Abtragungsbegehren die Frage ab, ob die Wahlen zu stände gekommen seien oder nicht. Überdies hätten auch Wahlbeeinflussungen stattgefunden, und habe ein Nichtstimmfähiger an den Wahlen teilgenommen.

Mit Entscheidung vom 8. August 1903 erkannte der Regierungsrat über diese Beschwerde, ,,die am 7. Juni 1903 erfolgte Neuwahl des Betreibungsbeamten-Stellvertreters von Buchs sei kassiert; mit bezug auf die übrigen in Frage stehenden Wahlen sei die Kassationsbeschwerde abgewiesen".

Der Regierungsentscheid geht von folgenden Erwägungen aus = 1. Bei der angefochtenen Wahl wurden laut Wahlverbal 91 gültige Stimmen abgegeben. Rechnet man gemäß Verlangen der Kassationsbewerber. hiervon eine Stimme ab und drei hinzu, soergibt sich eine Stimmzahl von 93 und ein absolutes Mehr von 47..

Nun haben Stimmen erhalten: A. Als Mitglieder des Gemeinderates: a. Herr Laurenz Vonarburg &. ,, Johann Kaufmann c. ,, Felix Bisang d. ,, Robert Kilchmann e. ,, Baptist Wanner

76 49 48 43 42

B. Als Ersatzmann des Gemeinderates: a. Herr Josef Kaufmann b. fl Alois Frei

48 43

C. Als Betreibungsbeamten-Stellvertreter: a. Herr Johann Wanner 6. Gustav Meier

46 43

Nimmt man an, der Bürger, dessen Abtragung verlangt wurde, habe für die Kandidaten gestimmt, welche als gewählt erklärt sind, und die drei nicht aufgetragenen Bürger hätten ihre Stimme für deren Gegenkandidaten abgegeben, so resultieren folgende Wahlziffern :

271 A. Betreffend Mitglieder des Gemeinderates: a. Herr Vonarburg 76 -- 1=75 b. ,, Kaufmann 49 -- l = 48 c. ,, Bisang 48 -- l = 47 d. ,, Küchmann 43-4-3 = 46 e. ,, Wanner 42-f-3=45 B. Betreffend Ersatzmann des Gemeinderates: a. Herr Kaufmann 48 -- l = 47 0. ,, Frei 43 + 3 = 46 C. Betreffend Betreibungsbeamten-Stell Vertreter: a. Herr Wanner 46 -- 1=45 b. ,, Meier 43 + 3 = 46 (Der als Betreibungsbeamte gewählte Herr Barnabas Kaufmann erhielt 79 Stimmen ; seine Wahl steht daher nicht in Frage.)

2. Demnach wären gleichwohl gewählt die Herren Vonarburg, Johann Kaufmann und Bisang als Gemeinderatsmitglieder und Joseph Kaufmann als Ersatzmann des Gemeiuderates. Dagegen wäre die Wahl eines Betreibungsbeamten-Stellvertreters nicht zu stände gekommen, weil keiner der Kandidaten das absolute Mehr erreicht hätte. Dieser Umstand bedingt nun ein Eintreten auf die einzelnen Beschwerdepunkte. Über dieselben ist folgendes zu sagen : A. Betreffend Nichtabtragung des Josef Peter.

Die Kassationsbewerber beanstanden die Stimmberechtigung des Josef Peter mit der Einrede, dieser Bürger habe anläßlich der angefochtenen Wahl keinen dreimonatlichen gesetzlich regulierten Wohnsitz in Buchs gehabt. Dabei berufen sie sich auf ein Zeugnis des Herrn Josef Rüttimann in Rain, worin dieser sagt, Peter sei bei ihm vom 27. Juli 1902 bis 26. April 1903 als Schmiedgeselle in Arbeit gestanden. Nun ergibt sich aus den Akten, daß Peter mit seinem Vater in Buchs ein Heimwesen in Pacht hat. Am 2. Februar 1903 ging er von Rain fort und kehrte zu seinen Eltern nach Buchs zurück. Dann leistete er vom 5. Februar bis Anfang März in Thun Militärdienst. Nach seiner Rückkehr blieb er einige Zeit bei seinen Eltern, stand dann wieder drei bis vier Wochen bei seinem frühern Meister in Rain in Arbeit, kehrte hierauf neuerdings zu seinen Eltern zurück und ging schließlich nach Inwil 'in eine Stelle. Die Informationen des Amtsgehtilfen haben ergeben, daß Peter während seines letztmaligen Aufenthaltes in Rain, wie auch während des Aufenthaltes in Inwil regelmäßig alle Samstage zu seinen Eltern nach Buchs zurückgekehrt

272 und über den Sonntag bei diesen verblieben ist. In Rain hat Peter seinen Heimatschein am 9. März 1903 zurückgezogen. Zur Deposition desselben in Buchs war er nicht verpflichtet, da Buchs seine Heimatsgemeinde ist. Er stand unangefochten auf dem dortigen Stimmregister für die Großratswahl vom 10. Mai 1903, und es ist weder nachgewiesen, noch überhaupt geltend gemacht worden, daß er auf dem Stimmregister einer ändern Gemeinde figuriere. Alle diese Tatsachen sprechen dafür, daß Peter sein Stimmrechtsdomizil seit 2. Februar 1903 nur in Buchs haben konnte. Dessen Abtragung vom dortigen Stimmregister scheint daher nicht als begründet.

S. Betreffend

NicUauflragung des Jakob Buser, Vater, und des Jakob Buser, Sohn.

Diese beiden Bürger haben am 24. Februar 1903 in Buchs eine Mietswohnung bezogen und am 28. gleichen Monats den Familienheimatschein daselbst deponiert. Die Miete ist monatlich kündbar. Sie wurde vom Vermieter auf den 24. Mai gekündigt.

Laut Gutachten des Amtsgehülfen befinden sich aber die Möbel der Mieter noch in der Mietswohnung, und hat eine faktische Lösung des MietsVerhältnisses bis jetzt nicht stattgefunden. Auf das Stimmregister von Buchs wurden die Buser nicht aufgetragen, mit der Begründung, sie hätten daselbst keinen faktischen Wohnsitz. Nun betreiben sie allerdings ein Wandergewerbe, nämlich die Korbflechterei. Allein gemäß § 6 des Gesetzes über Wahlen und Abstimmungen unterbricht die zeitweise Abwesenheit zwecks Ausübung eines Gewerbes den ordentlichen Wohnsitz nicht. Faßt man alle diese Momente ins Auge, so ist zu sagen, daß die beiden Buser ihren gesetzlich regulierten Wohnsitz und demgemäß auch ihr Stimmrechtsdoruizil anläßlich der beanstandeten Wahl immer noch in Buchs hatten.

G. Betreffend Nichtauftragung des Josef Kaufmann.

An Hand der Akten läßt sich diesbezüglich folgendes konstatieren : Kaufmann deponierte am 7. März 1903 io Buchs ein Heimatszeugnis. Kurz vorher soll er dasselbe in Winikon abgegeben und dann wieder zurückgezogen haben. Auf dem für die Großratswahl bereinigten Stimmregister der Gemeinde Buchs stand er nicht, Die gegenteilige Behauptung der Kassalionsbewerber ist unrichlig.

Nun bezeugt allerdings Herr Siegfried BUrgisser in Buchs, dalä Kaufmann (sein Stiefsohn) seit dem Herbst 1902 immer bei ihm

273 gewohnt habe. Allein Kaufmann ist weder im Einwohnerverzeichnis, noch im allgemeinen Stimmregister der Gemeinde Buchs eingetragen. Er erhob seinerzeit, gegen die Nichteintragung keinen Einspruch, und anerkannte dadurch, daß er in Buchs nicht stimmberechtigt sei. Es ist also schon ein genügender Grund formeller Natur vorhanden, um ihm das Stimmrecht für die beanstandete Wahl wegzuerkennen. Dasselbe wäre aber auch tatsächlich nicht begründet. Denn die Informationen des Amtsgehülfen haben ergeben, daß Kaufmann während den drei Monaten vor der Wahl beständig bei Alois Steiner in Dubenmoos zu Winikon arbeitete, daselbst seine regelmäßige Schlafstätte hatte und vorher nur bei vorübergehender Stellenlosigkeit zu seinem Stiefvater in Buchs zurückgekehrt war. Es fehlt ihm also der faktische Wohnsitz in Buchs und damit auch ein wesentliches Requisit zur dortseitigen Ausübung des Stimmrechtes.

D. Betreffend

Wahlbeeinflussungen und Anteilnahme eines Nichtstimmfähigen an der Wahl.

a. Die Kassationsbewerbei1 halten ihrer Gegenpartei vor, sie habe sich gegenüber den Bürgern Kaspar Twerenbold und Samuel Neuenschwander der Wahlbeeinflussung schuldig gemacht. Nun steht aber fest, daß Neuenschwander mit der Partei der Kassationsbewerber gestimmt hat. Es kann sich also diesbezüglich bloß um einen Versuch von Wahlbeeinflussung handeln und ist daher auf die Sache nicht weiter einzutreten. Was sodann Twerenbold anbelangt, so behauptet derselbe allerdings, er sei von Angehörigen der Gegenpartei der Kassationsbewerber in der freien Stimmabgahe behindert worden. Allein die beschuldigten Bürger bestreiten mit aller Entschiedenheit den Vorhalt der Wahlbeeinflussung, und es muß ihnen Glauben geschenkt werden, da auch das Gutachten des Amtsgehülfen, das den Twerenbold als einen dem Trunke ergebenen unglaubwürdigen Menschen bezeichnet, unbeeinflußte Stimmabgabe des Twerenbold konstatiert.

b. Die Kassationsbewerber behaupten, der gleiche Twerenbold sei überhaupt nicht stimmberechtigt, denn er habe im Jahre 1899 Verlustscheine ausgestellt. Ob letzteres richtig, ist unsicher, und ist hervorzuheben, daß Twerenbold auf dem allgemeinen Stimmregister steht und gegen seine Stimmberechtigung vor der Wahl von keiner Seite Einspruch erhoben wurde. Übrigens ist seine Stimmabgabe, sofern er überhaupt mit der Gegenpartei der Kassationsbewerber gestimmt hat, laut Feststellung des Amtsgehülfen kompensiert durch diejenige eines Robert Koller, der in

274 Buchs mit der Partei der' Kassationsbewerber stimmte, obwohl er bereits seit Mitte März in' Sursee wohnt.

c. Gemäß diesen Ausführungen hätten also die beiden Buaer auf das Stimmregister aufgetragen werden sollen. Nimmt maiPan, dieselben hätten sich an der Wahl beteiligt, so wäre die Zahl der Stimmenden auf 93, und das absolute Mehr auf 47 gestiegen, und es hätte alsdann unter der Voraussetzung, daß Vater und Sohn Buser für Herrn //üstav Meier ihre Stimme abgegeben, keiner der Kandidaten aas absolute Mehr als BetreibungsbeamtenStellvertreter erreicht.

II.

s Mit Eingabe an den Bundesrat vom 10. September 1903 babèli die Kassationskläger Meier und Leupi die staatsrechtliche Beschwerde gegen den Regierungsratsentscheid vom 8. August 1903 erhoben und das Begehren gestellt, ,,die Neuwahl des Gemeinderates von Buchs vom 7. Juni 1903 sei zu kassieren im Sinne des Kassationsgesuches"1.

Zur Begründung dieses Begehrens bringen sie folgendes vor: Der Bundesrat hat schon öfters den Grundsatz ausgesprochen, daß d.as Resultat der Wahlverhandlung aufrecht erhalten werden könne, wenn die Verhandlung regelrecht stattgefunden, und die als gewählt Erklärten das absolute Mehr auch ohne Berechnung der im Streite liegenden Stimmen erreicht hätten (Entscheid des Bundesrates vom 15. März 189-7, Ziffer 3 der Motive).

Danach dürfte die Wahl des Laurenz Vonarburg nicht anzufechten sein, da die von ihm erreichte Sümmenzahl weit über das absolute Mehr hinausgeht. Anders verhält es sich mit den ändern, als gewählt erklärten Kandidaten.

Der Regierungsrat des Kantons Luzern muß zugestehen, daß bei der Wahl Unregelmäßigkeiten vor sich gegangen sind, indem zwei Bürger auf das Stimmregister hätten aufgetragen werden sollen (Vater und Sohn Buser). Außerdem ist aber aus den Feststellungen des Regierungsrates zu entnehmen, daß erstens die Auftragung des Josef Peter auf das Stimmregister unrichtig war, da derselbe bis zum 9. März 1903, infolge seiner Schriftendeposition in Rain, dort sein Domizil hatte, also am 7. Juni 1903 noch nicht drei Monate in Buchs domiziliert war, daß zweitens aber Josef Kaufmann in Buchs stimmfähig war, da er am 7. März 1903 seine Schriften in Buchs deponierte und daher am 7. Juni einen dreimonatlichen Wohnsitz aufweisen konnte und in Buchs stimmfähig war. Ferner ist hervorzuheben, daß es Pflicht der Behörde ge-

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·wesen wäre, zu untersuchen, ob von Twerenbold Verlustscheine ·ausgestellt worden sind oder nicht. Endlich fallen nicht weniger in die Wagschale die angeführten Wahlbeeinflussungen; daß solche, mit:,Drohungen verbunden, vorgekommen sind, ist nachgewiesen.

Im übrigen ist zu bemerken, daß Rechnereien, wie sie der Regierungsrat in der Kompensation einzelner Stimmen gegeneinander aufgestellt, nicht erlaubt sind, weil absolut unzuverlässig; sie verstoßen auch gegen das Prinzip e^gr geheimen Stimmabgabe ·und sind einer Behörde unwürdig. Da ohne solche Manipulationen nicht kann angenommen werden, daß die als gewählt erklärten Kandidaten das absolute Mehr erreicht hätten, so müssen die an.gefochtenen Wahlen kassiert werden.

Es erübrigt schließlich noch, ein Wort zu sagen betreffend ·die Ämterverteilung. Da Vonarburg ohne Zweifel das absolute Mehr erreicht hat, so richtet sich das Kassationsbegehren nur gegen die demselben durch die Wahl zugefallenen Ämter eines Gemeindepräsidenten und Gemeindeammanns. In dieser Stellung ist er nicht gewählt, da er das absolute Mehr nicht erreicht hat; seine Wahl ist also nur in dem Sinne zu annullieren, daß die Zuteilung der Ämter als unrichtig erklärt wird. Da der Regierungsrat sich in seinem Entscheide hierüber nicht ausspricht, so soll nun die -oberste Behörde diese Frage einer Überprüfung unterziehen.

III.

Zur Vernehmlassung auf die Beschwerde eingeladen, be·antragt der Regierungsrat des Kantons Luzern mit Schreiben vom 17./22. Oktober 1903, der Bundesrat möge auf den Rekurs nicht eintreten, eventuell, er möge denselben als unbegründet abweisen.

Die Gründe des Regierungsrates sind : Die Rekurrenten behaupten nicht, es sei kantonales Verfassungsrecht oder irgend ein Individuali-echi verletzt worden. Sie ·suchen bloß darzutun, daß unser Entscheid teils in tatsächlicher, teils in rechtlicher Beziehung nicht richtig sei. In Wirklichkeit liegt also kein staatsrechtlicher Rekurs im Sinne des Art. 189 des Bundesgesetzes über die Organisation der Bundesrechtspflege vor.

Bei dieser Sachlage ist der Bundesrat unseres Erachtens nicht kompetent, den Rekurs materiell zu erledigen.

Sollte jedoch die Kompetenzfrage bejaht werden, so betonen wir, daß unserem Entscheide keine Willkürlichkeiten zu gründe liegen. Wir ließen die Angelegenheit durch den Amtsgehülfen untersuchen. Die im Gutachten dieses Beamten und in den übrigen Akten enthaltenen Tatsachen unterzogen wir einer objektiven

276 Würdigung. Wir verweisen diesbezüglich auf die Motive de» angefochtenen Entscheides, die wir als integrierenden Bestandteil unserer Antwort erklären. Die Rekurrenten vermögen denselben gegenüber weder in rechtlicher, noch in tatsächlicher Beziehung ein neues Moment geltend zu machen. Wir sehen uns deshalb nicht veranlaßt, auf die einzelnen Rekursanbringen einzutreten.

Nur zwei Punkte wollen wir kurz berühren : a. Die Stimmfähigkeit des Kaspar Twerenbold. Die Rekurrenten haben erst nach der in Frage stehenden Wahl, also ineinem Zeitpunkt, wo das bezügliche Stimmregister schon längst formelle Gültigkeit erlangt hatte, dem vorgenannten Bürger die Stimmfähigkeit abgesprochen. Bei dieser Sachlage trifft nun selbstverständlich nicht mehr die Behörden die Beweisest dafür, daß Kaspar Twerenbold stimmfähig sei, sondern es haben umgekehrt die Rekurrenten ihre gegenteilige Behauptung zu beweisen. Diesen.

Nachweis sind sie jedoch schuldig geblieben, indem sie nicht zu erstellen vermochten, daß die angeblichen Verlustscheine des Kaspar Twerenbold immer noch zu Recht bestehen. Ihre Einrede gegen die Stimmfähigkeit dieses Bürgers kann daher nicht gehört werden.

b. Die Ämterverteilung. Die Rekurrenten verlangen, daß der Bundesrat auch hierüber eine Nachprüfung anstelle. Wir haben gegen dieses Begehren nichts einzuwenden. Wir unsererseits nahmen von einer solchen Prüfung Umgang, weil diesfalls die Wahlziöern so gestaltet sind, daß im Entscheide der Frage, obdie Getneinderatamitgliederwahl zu stände gekommen sei, implicite auch der Entscheid über die Gültigkeit der Gemeindeämterwahl enthalten ist.

IV.

Aus dem der Zuschrift des Regierungsrates beigelegten Bericht des Amtsgehülfen in Willisau vom 22. Juli 1903 ist die Feststellung hervorzuheben, ,,Twerenbold hat wirklich drei leere Pfandscheine resp. Verlustscheine ausgestellt, alle drei vom Jahre1899 datierend".

Aus dem ebenfalls beigelegten Rekurs der heutigen Rekurrenten, Meier und Leupi, an den Regierungsrat des Kantons Luzern vom 15. Juni 1903 ist die Behauptung nachzutragen: ,,Am Wahltage fanden Manipulationen statt, die das Resultat beeinflußten: Samuel Neuenschwander, Senn, erhielt einen Brief von Verwalter Kaufmann, in welchem dieser ihm direkt drohte, die Milch in Buchs nicht mehr zu erhalten, falls er derselben* (der Wahl) nicht fern bleibe.a

277 Hinsichtlich dieser Behauptung stellt der Gemeinderat von Buchs in einer Eingabe an den Regierungsrat vom 28. Juni 1903 fest: ,,Neuenschwander kam an die Wahl und spektakelte riesig;, wo Ite die Beamten durchbläuen, schlug Stühle und Tische um und gebärdete sich wie ein Rasender. Der Brief an ihn war als» ohne Erfolg."

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht: I.

Das Rechtsbegehren der Rekurrenten Meier und Leupi ist dahin zu verstehen, es sei die Entscheidung des Regierungsratesdes Kantons Luzern vom 8. August 1903 insofern aufzuheben, daß die in dem Entscheide unangefochtenen Wahlen des Johann Kaufmann und Felix Bisang als Gemeinderäte von Buchs und die Wahl des Josef Kaufmann als Ersatzmann des Gemeinderates nichtig: erklärt werden.

Die Rekurrenten stützen ihre Beschwerde darauf, daß eia Bürger, Josef Kaufmann, als stimmberechtigt im Stimmregister hätte aufgetragen werden sollen, weil derselbe drei Monate vor der Wahl in Buchs gewohnt habe; daß ferner zwei Bürger, Josef Peter und Kaspar Twerenbold, vom Stimmregister hätten gestrichen werden sollen, weil der erstere einen dreimonatlichen Aufenthalt in Buchs nicht gehabt und weil gegen den letzteren Verlustscheine ausgestellt worden seien; daß endlich die im Rekursentscheid desRegierungsrates als unrichtig oder unerheblich bezeichneten Wahlbeeinflussungen (gegenüber dem obgenannten Twerenbold und dem Senn Neuenschwander) als tatsächlich vorgekommen zu betrachten seien.

II.

Die vorliegende Eingabe ist als staatsrechtliche Beschwerde rechtzeitig, d. h. innert der Frist von 60 Tagen seit dem angefochtenen Entscheid des Regierungsrates des Kantons Luzern, beim Bundesrat eingereicht worden (Art. 178, Ziffer 3, des Organisationsgesetzes).

1. Hinsichtlich der Stimmberechtigung des Josef Kaufmann ergibt sich : Der Bundesrat ist für die Beschwerde, soweit sie sich auf das Stimmrecht des Genannten bezieht, gemäß Art. 189, Absatz 3, des Organisationsgesetzes, kompetent, da sich der Streit um eiue Bestimmung des Verfassungsrechtes des Kantons Luzern dreht.

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In Frage steht das Stimmrecht bei Gemeindeabstimmungen. § 88 ·der luzernischen Kantonsverfassung vom Jahre 1875 bestimmt in dieser Materie: ,,Alle Kantonsbürger und niedergelassenen Schweizerbürger, welche seit drei Monaten in der Gemeinde wohnen und die Requisite der kantonalen allgemeinen Stimmfähigkeit (§ 27) besitzen, sind in der Gemeindeversammlung der politischen Gemeinde stimmfähig." Und § 27: ,,Das politische ßtimmrecht für kantonale Wahlen und Abstimmungen wird ausschließlich in der Wohngemeiode ausgeübt. Als Wohngemeinde gilt diejenige Gemeinde, wo der betreffende Bürger in den letzten drei Monaten vor der betreffenden Wahl oder Abstimmung seinen ununterbrochenen, gesetzlich regulierten Wohnsitz gehabt hat..."

Der Regierungsrat des Kantons Luzeru hat dem Josef Kaufmann das Stirnmrecht in Buchs abgesprochen, weil Kaufmann in den 3 letzten Monaten vor der Wahl in einer ändern Gemeinde gearbeitet, dort seine Schlafstätte gehabt und nach Buchs (zu seinem Stiefvater) nur zurückgekehrt sei, wenn er keine Arbeit hatte; es habe ihm also der faktische Wohnsitz in Buchs und damit ein wesentliches Requisit zur Ausübung des Stimmrechts daselbst gefehlt. Dagegen machen die Rekurrenten geltend, Kaufmann habe vom 7. März bis 7. Juli 1903 seine Schriften in Buchs hinterlegt und sich damit den von der Verfassung zur Ausübung des Stimmrechtes verlangten dreimonatlichen Wohnsitz erworben.

Aus dieser Gegenüberstellung ergibt sich, daß die luzernische Regierung das Verfassungsrequisit des ,,ununterbrochenen, gesetzlich regulierten Wohnsitzes11 dahin versteht, daß das tatsächliche Wohnen ein Essentiale desselben, und dann ausschlaggebend ist, wenn die Schriften des Bürgers an einem ändern Orte deponiert sind. Die Rekurrenten haben nicht behauptet, daß diese Interpretation willkürlich sei, oder daß sie gegenüber dem Josef Kaufmann eine Rechtsungleichheit bedeute; sie stellen ihr bloß die Behauptung entgegen, daß die Deposition der Schriften das Maßgebende sei. Da sie aber auch nicht einmal den Versuch eines Beweises dafür unternehmen, daß in den Fällen, wie dem vorliegenden, wo tatsächlich Wohnsitz und Schriftendeposition nicht zusammenfallen, das letztere Moment ausschlaggebend sein mUsse und die gegenteilige Auslegung dei1 Regierung keineswegs an sich schon als im Widerspruch mit der Verfassungsnorm erscheint,
so kann die Rekursinstanz der Anfechtung der Regierungsratsentscheidung in diesem Punkte keine Folge geben.

2. Hinsichtlich der Stirn m berech tigung des Josef Peter: Der Rechtsstreit und die Kompetenz des Bundesrates basieren auf den gleichen Grundlagen wie unter Ziffer 1.

279 Die Regierung spricht dem Josef Peter das Stimmrecht zu, weil Peter in Buchs ein Heimwesen in Pacht habe, am 2. Februar 1903 von auswärts zu seinen Eltern nach Buchs zurückgekehrt sei und seither, nach Absolvierung seines Militärdienstes in Thun und trotz auswärtiger Arbeit, regelmäßig alle Sonntage wieder zu seinen Eltern zurückgekehrt sei; die Rekurrenten bezeichnen den Peter als bis zum 9. März 1903 noch auswärts (in Rain) domiziliert, weil er dort erst an diesem Datum seine Schriften erhoben habe. -- Da also auch in diesem Falle die Entscheidung der Regierung auf der Erwägung beruht, daß im Zweifel das faktische Wohnen im Sinne der §§ 27 und 88 der luzernischen Staatsverfassung entscheidend sein solle, und auch hier die Rekurrenten nichts dagegen vorbringen, so bleibt die Entscheidung der Regierung bestehen.

3. Hinsichtlich der Stimmberechtigung des Kaspar Twerenbold: Auch bei dieser Anfechtung des Regierungsentscheides ist eine Bestimmung der luzernischen Kantonsverfassung die Grundlage des Rechtsstreites und damit die Zuständigkeit des Bundesrates gegeben; denn der oben genannte § 27 der Kantonsverfassung schließt in Alinea 6 von der Stimmfähigkeit aus ^e) diejenigen, auf welche ein Verlustschein ausgestellt oder über deren Vermögen der Konkurs eröffnet ista. Die Rekurrenten haben behauptet, gegen Twerenbold seien seinerzeit Verlustscheine ausgestellt worden, und aus dem vom Regierungsrat zu den Akten gelegten amtlichen Bericht des Amtsgehülfen von Willisau vom 22. Juli 1903 geht hervor, daß gegen Twerenbold im Jahr 1899 drei Verlustscheine ausgestellt worden s i n d . Die Richtigkeit der Behauptung der Rekurreulen ist damit dargetan. -- Dagegen stellt sich die Regierung in der Rekursbeantwortung auf den Standpunkt, daß, nachdem die Stimmfähigkeit der Betreffenden erst nach der Wahl, d. h. in einem Zeitpunkt angefochten worden sei, wo die Stimmregister formelle Gültigkeit erlangt hatten, nicht mehr die Behörden zu beweisen hätten, daß Twerenbold stimmfähig gewesen sei, sondern umgekehrt die Rekurrenten ihre gegenteilige Behauptung zu beweisen haben.

Sie hat daher die Streichung des Twerenbold vom Stimmregister verweigert, weil die Rekurrenten den ihnen obliegenden Nachweis schuldig geblieben seien, ,,indem sie nicht zu erstellen vermochten, daß die angeblichen Verlustseheine immer noch
zu Recht bestehen". Dies ist verfassungswidrig. Denn da nach der Kantonsverfassung die Tatsache der Ausstellung von Vei-lustscheinen von der Stimmfähigkeit ausschließt, so kann es, ganz abgesehen

280 davon, daß die Übertragung des zivilprozessualen Rechtssatzes von der Umkehrung der Beweislast auf das öffentliche Recht nicht zulässig ist, nur als willkürlich erscheinen, wenn im Falle der Anfechtung der Stimmfähigkeit mehr als der Nachweis dieser Tatsache verlangt wird, gleichgültig, in welchem Stadium die Anfechtung erfolgt. Erst dann kann das Stimmrecht wieder gegeben werden, wenn bewiesen ist," daß die Verlustscheine nicht mehr zu Recht bestehen ; daß dem aber so sei, hat die Regierung nicht behauptet.

Die Stimmabgabe des Twerenbold ist somit unbefugterweise erfolgt.

4. Betreffend die behaupteten Wahlbeeinflussungen: Sowohl die Legitimation des einzelnen Bürgers zur Geltendmachung dieser Tatsache, wie die Kompetenz des Bundesrates zur Beurteilung derselben im staatsrechtlichen Rekursverfahren ergibt sich aus der Überlegung, daß im Falle des Vorhandenseins einer Wahlbeeinflussung das verfassungsmäßig garantierte Stimmrecht jedes einzelnen Wählers beeinträchtigt würde, die Behauptung der Wahlbeeinflussung also auch die Behauptung der Beeinträchtigung des Stimmrechtes der Bürger bedeutet.

Von den namhaft gemachten zwei Wahlbeeinflussungen fällt die angeblich gegenüber dem Twerenbold vorgekommene, da Twerenbold überhaupt nicht stimmberechtigt war, außer Betracht.

Eine zweite Wahlbeeinflussung soll gegenüber dem Senn Neuenschwander vorgekommen sein. Sie besteht nach Angabe der Rekursschrift der Rekurrenten an den luzernischen Regierungsrat vom 15., Juni 19t)3 darin, daß Neuenschwander vom Verwalter Kaufmann in Buchs mit dem Milchentzug bedroht worden sei, falls er der Wahl nicht fern bleibe. Da nun aber festgestellt ist, daß Neuenschwander an der Wahl teilnahm, so muß mit der Regierung des Kantons Luzern angenommen werden, daß es bei einem Versuche der Wahlbeeinflussung blieb, der auf das Resultat der Wahl ohne Einfluß geblieben ist.

5. Die Prüfung der vorgebrachten Beschwerdepunkte ergibt somit folgendes Resultat: Auf die Stiramregister hätten nach den unwidersprochenen Ausführungen der Regierung die beiden Buser, Jakob, Vater und Sohn, aufgetragen werden sollen, und hätte auf Grund der Erwägung unter Ziffer 3 Kaspar Twerenbold vom Stimmregister gestrichen werden sollen. Damit wäre die Zahl der Stimmenden von 91 auf 92 gestiegen (zwei Auftragungen und eine Streichung), das absolute Mehr dagegen 47 geblieben. -- Nimmt man nun

281 weiter an, der zu Unrecht aufgetragene Bürger habe seine Stimme für die als gewählt Erklärten, und die nicht aufgetragenen Bürger hätten ihre Stimme für deren Gegenkandidaten abgegeben, so ergeben sich folgende Wahlziffern: a. Betreffend Mitglieder des Gemeinderates : Vonarburg .

76 -- l = 75 Kaufmann 49 -- l = 48 Bisang 48 -- l = 47 Kilchmann 43 + 2 = 45 Wanner . . 42 + 2 = 44 b. Betreffend Ersatzmann des Gemeinderates: Kaufmann 48 -- l = 47 Frei 43 -f- 2 = 45 Auch auf Grund dieser Wahlziffern hätten demnach die als gewählt Erklärten das absolute Mehr erreicht. Die vorgekommenen Fehler des Stimmregisters sind also für das Wahlergebnis, so wie es im angefochtenen Regierungsentscheid festgesetzt wird, unerheblich.

6. Auf Grund dieser Erwägungen braucht der Bundesrat · auf die Anfechtung der Ämterverteilung der als gewählt Erklärten nicht einzutreten.

Demnach wird e r k a n n t : Die Beschwerde wird im Sinne der Erwägungen abgewiesen.

B e r n , den 20. November

1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Rillgier.

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Bundesratsbeschluß über die Beschwerde des Gustav Meier und Franz Leupi in Buchs, Kanton Luzern, betreffend die Neuwahlen des Gemeinderates von Buchs vom 7. Juni 1903.

(Vom 20. November 1903.)

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16.12.1903

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269-281

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