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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes bestraften A. Ernst Kundert, Graveur in Langendorf.

(Vom 2. Juni 1903.)

Tit.

Petent wurde am 24. Oktober 1902 vom Kreiskommando Pruntrut beim Regierungsstatthalteramt Solothurn verzeigt, weil er ungeachtet zweimaliger Mahnung und in schuldhafter Weise den Militärpflichtersatz pro 1902 nicht bezahlt habe. Am 3. November 1902 erfolgte die erste Einvernahme des Vorzeigten durch das Richteramt Solothurn-Lebern, worin Kundert zugestand, die Steuer nicht bezahlt zu haben. Er behauptete, dies sei wegen Mangel an Verdienst geschehen und versprach, die Schuld baldigst zu entrichten.

Am nämlichen Tage noch bezahlte der Verzeigte die Steuer an das Kreiskommando Pruntrut. Das Amtsgericht SolothurnLebern aber, das infolge von Aktenverschickung erst am 16. Februar 1903 zur Erledigung des Prozesses schritt, verurteilte in Kenntnis dieses Umstandes und ungeachtet der Einreden des erschienenen Verzeigten den letztern zu einem Tag Gefängnis und sechs Monaten

257 Wirtshausverbot im Gebiete des Kantons Solothurn, ferner in Solidarhaft mit einem zweiten Verzeigten zur Tragung der Kosten von Fr. 17. 60, Inbegriffen eine Gerichtsgebühr von Fr. 5.

Kundert ersucht um gnadenweisen Erlaß der Haftstrafe und des Wirtshausverbotes, indem er sich darauf beruft, daß im Momente des Strafentscheides die Steuersumme bezahlt gewesen sei.

Das Amtsgericht Solothurn-Lebern erklärt in seinem Begleitberichte bei der Aktenvorlage: Es habe in früheren Fällen gleicher Art jeweilen, wenn vom Schuldner nach ergangener Vorladung Zahlung geleistet worden, die betreffenden Anzeigen von den Sektionschefs zurückziehen lassen, sei aber durch Weisung des Obergerichtes verhalten worden, solche Klagerückzüge nicht zu beachten, da das Vergehen konsumiert sei, sobald die zweite Mahnung an den Schuldner fruchtlos verlaufen. Diese Rechtsanschauung habe das Gericht bei der Beurteilung des Ernst Kundert zum Ausdruck gebracht, immerhin sei die nachträgliche Bezahlung der Steuer als Milderungsgrund berücksichtigt und er mit Rücksicht auf dieselbe mit dem Minimum der angedrohten Strafe belegt worden.

Die Rechtsprechung des solothurnischen Gerichtes entspricht unzweifelhaft dem Wortlaute des anzuwendenden Gesetzes, das ohne Rücksicht auf nachherige Entrichtung des Militärpflichtersatzes kategorisch Bestrafung derjenigen verlangt, welche ungeachtet zweimaliger Mahnung durch die Militärbehörden in schuldhafter Weise damit im Rückstande geblieben sind. Immerhin wäre als Strafminimum auch bloß Gefängnisstrafe von einem Tage zulässig gewesen, da nach dem Gesetze selbst Wirtshausverbot nur fakultativ als Zusatz zu der Freiheitsstrafe ausgesprochen werden kann.

Im übrigen hat Kundert schon im gerichtlichen Verfahren behauptet, die Leistung der Steuer sei ihm während der von der Militärbehörde angesetzten Frist ohne eigenes Verschulden mangels Arbeitsgelegenheit und Verdienst nicht möglich gewesen, und es liegen keine genügenden Anhaltspunkte in den Akten, um diese zur Begründung des Begnadigungsgesuches wiederholte Vorgabe als eine unwahre zu bezeichnen. Die Schuldhaftigkeit des Nichtzahlenden aber ist der wesentlichste Grund zu der ausnahmsweise gegen fehlbare Ersatzpflichtige gesetzten Strafandrohung und der im vorliegenden Fall bestehende Zweifel am Vorhandensein dieser Voraussetzung dürfte genügen, um die Aufhebung der Strafe im Wege der Begnadigung zu rechtfertigen, nachdem die Schuld noch vor dem Richterspruch getilgt worden.

258 Wir stellen daher bei Ihrer hohen Versammlung den A n t r ag:

Es sei dem A. Ernst Kundert die Gefängnisstrafe von einem Tag und das Wirtshausverbot in Gnaden zu erlassen.

B e r n , den 2. Juni 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes bestraften A. Ernst Kundert, Graveur in Langendorf. (Vom 2. Juni 1903.)

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03.06.1903

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256-258

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