#ST#

Schweizerisches Bundesblatt.

55. Jahrgang. I.

Nr. 5.

4. Februar 1903.

Jahresabonnement (portofrei in der ganzen Schweiz): 6 franken.

Einrückungsgebühr per Zeile oder deren Baum 15 Ep -- Inserate franko an die Expedition.

Druck und Expedition der Suchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

# S T #

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Überwachung der Einführung und der Verwendung von Brieftauben.

(Vom 30. Januar 1903.)

Tit.

Die Brieftauben bilden ein Mittel zur Beförderung von Nachrichten im Kriegsfall und alle Armeen erachten es daher als notwendig, sich für die Eventualität einer Mobilmachung eine genügende Anzahl trainierter Tiere sicherzustellen. Zu diesem Zwecke unterstützt unser Militärdepartement die bestehenden privaten Brieftaubengesellschaften durch Prämien, behält sich dafür aber das Verfügungsrecht über alle diesen Gesellschaften gehörenden Brieftauben für den Kriegsfall vor.

Es hat sich nun schon seit längerer Zeit gezeigt, daß von ausländischen Brieftaubenbesitzern darauf abgezielt wird, ihre Tauben vom Schweizerboden aus über die Grenze zurückfliegen zu lassen und sie derart zu trainieren, daß sie gegebenen Falles zur Beförderung von Nachrichten aus der Schweiz nach dem Auslande benutzt werden könnten. Eine solche NachrichtenÜbermittlung kann sich entweder direkt gegen die Schweiz richten oder aber gegen einen andern Staat, über welchen auf unserm Boden Informationen eingezogen werden. Für die eine wie für die andere Eventualität hat die Schweiz volles Interesse, derartige Bundesblatt. 65. Jahrg. Bd. I.

22

330

Übungen, die geeignet sind, im Kriegsfalle gegen sie selbst oder gegen einen andern Staat als wichtiges Kriegsmittel verwendet zu werden, von vornherein zu inhibieren.

Der ßundesrat hat sich daher schon 1890 veranlaßt gesehen, die Kantonsregierungen durch ein Kreisschreiben seines Milit&rdepartements ersuchen zu lassen: ,,ihre Polizeiorgane dahin ver~ ständigen zu wollen, daß ein weiteres Auffliegenlassen von Brieftauben durch ausländische Vertreter oder Gesellschaften untersagt und allfällige Versuche hierzu vereitelt werden".

Allein dieses administrative Verbot erwies sich nicht als wirksam genug. Wir besitzen den aktenmäßigen Beweis, daß der Versuch, fremde Brieftauben in die Schweiz einzuführen, um sie alsdann nach dem Auslande zurückfliegen zu lassen und sie für diese ßoute zu trainieren, in neuester Zeit wiederholt unternommen würde. Die kantonalen Polizeibeamten, denen diese Übertretungen zur Kenntnis gelangten, erachteten sich nicht hinlänglich autorisiert, die Taubentransporte zurückzuweisen oder zu sequestrieren, und sie ersuchten bei ihrer Oberbehörde um Weisung, wie sie sich zu benehmen hätten, wenn der Begleiter eines Taubentransportes nicht gutwillig von seinem Beginnen abstehen würde, indem für solche Zuwiderhandlung keine Strafe angedroht sei. Eine nähere Darstellung dieser Fälle verbietet sich hier wegen der diskreten Natur des Gegenstandes; die betreffenden Akten werden den vorberatenden Kommissionen zur Verfügung gestellt werden.

Um zu konstatieren, ·welche Prohibitivmaßregeln seitens der ·Kantone zur Durchführung des Verbotes getroffen worden seien, veranstaltete unser Militärdepartement im Frühjahr 1902 eine Enquete. Dieselbe ergab, daß die meisten Kantonsregierungen in Nachachtung des Zirkulars von 1890 ihre Polizeiorgane instruiert hatten, die Auflassung ausländischer Brieftauben vom schweizerischen Territorium aus zu inhibieren. Doch wurde von der bernischen Polizeidirektion die Frage aufgeworfen, ,,ob ein Verbot, wie das in Rede stehende, ohne entsprechende Strafbestimmungen wirksam gehandhabt werden könnea.

In der Tat fehlte unserem Verbote vom 14. August 1890 die Sanktion durch entsprechende Strafandrohung und bei diesem Mangel konnte das Verbot bisher nicht wirksam gehandhabt werden. Nach dem Grundsatze ,,nulla poena sine lege" können derartige Strafbestimmungen n u r auf dem G e s e t z e s w e g e zu stände kommen, und wir sehen uns daher genötigt, Ihnen anmit einen entsprechenden Gesetzesentwurf zu unterbreiten.

331 ·Als das wirksamste Mittel^ einer Trainierung ausländischer Tauben vom Schweizerboden aus .entgegenzutreten, bietet sich die Verhinderung der Einfuhr. Freilich können wir für unsern einheimischen Bedarf an Brieftauben eine periodische Blutauffrischung aus dem Auslande nicht entbehren. Die Einfuhr ausländischer Tauben soll also nicht absolut verboten, sondern nur unter wirksame Kontrolle gestellt werden, indem sie von besonderer Bewilligung der Generalstabsabteilung des schweizerischen Militärdepartements, welcher der gesamte Verkehr mit den Brieftaubenvereinen übertragen, ist, abhängig gemacht wird.

Anderseits ist aber auch die Eventualität denkbar, daß Brieftauben aus dem Anstände nach der Schweiz trainiert werden, um im Kriegsfalle der Nachbarmächte über schweizerisches Territorium Nachrichten senden zu können. Auch diese Abrichtung muß daher verboten werden, da sie mit dem neutralen Charakter unseres Landes unverträglich erscheint.

In letzter Linie fällt noch in Betracht, daß unter gewissen Kriegseventualitäten auch innerhalb unseres schweizerischen Staatsgebietes ein unsern Interessen nachteiliger Brieftaubenverkehr stattfinden könnte. Es muß daher dem Militärdepartement die Kompetenz zustehen, in Fällen, wo eine Trainierung von Brieftauben zwischen schweizerischen Ortschaften in fremdem Interesse versucht werden sollte, derartige Übungen rechtsverbindlich, d. h. mit Straffolge gegen Zuwiderhandlung, zu verbieten.

Als Strafe gegen die Übertretung dieser Bestimmungen dürfte eine richterlich festzusetzende Buße genügen, indem in allen den Fällen, wo der unerlaubte Brieftaubenverkehr den Charakter eines Vergehens gegen die äußere Sicherheit der Eidgenossenschaft annimmt, das bürgerliche oder militärische Strafgesetz des Bundes mit den dort angedrohten schwereren Strafen platzgreift.

Es möchte vielleicht die Frage aufgeworfen werden, ob der Bund überhaupt konstitutionell befugt sei, das Ihnen beantragte Gesetz zu erlassen. Diese Kompetenz steht unseres Erachtens außer Zweifel : handelt es sich ja doch hier um ein Gebiet, das mit der äußeren Sicherheit der Eidgenossenschaft und mit ihrer neutralen Stellung in unmittelbarem Zusammenhang steht. Und daß die Bundesgesetzgebung, welche polizeiliche Vorschriften statuiert, auch das Recht hat, diese Vorschriften durch entsprechende Strafandrohung gegen Zuwiderhandlung zu sanktionieren, ist eine logische Konsequenz und ein natürlicher Ausfluß des Gesetzgebungsrechtes.

332

Indem wir, Tit., Ihnen hiermit den nachfolgenden Gesetzesentwurf zur Annahme empfehlen, benutzen wir auch diesen Anlaß, Sie unserer vollkommensten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 30. Januar 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

333 (Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

die Überwachung der Einführung und der Verwendung von Brieftauben.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 30. Januar 1903, beschließt: Art. 1. Die Einführung lebender ausländischer Brieftauben in die Schweiz ohne Bewilligung der schweizerischen Militärbehörde ist untersagt.

Art. 2. Die Bewilligung dazu ist bei der Generalstabs · abteilung des schweizerischen Militärdepartements einzuholen unter Angabe von Name und Ort des Absenders, Zahl und Zweck der Brieftauben.

Art. 3. Die Trainierung von Brieftauben aus der Schweiz nach dem Auslande oder umgekehrt ist verboten.

Das schweizerische Militärdepartement ist berechtigt, auch Trainierungen im Inlande zu verbieten, wenn dieselben den staatlichen oder militärischen Interessen der Schweiz zuwiderlaufen.

334

Art. 4. Widerhandlungen gegen die Bestimmungen der Art. l--3 dieses Gesetzes werden mit Buße von Fr. 10--200 bestraft. Mit der Buße ist die Konfiskation der vorschriftswidrig eingeführten oder gehaltenen Brieftauben zu Händen der eidgenössischen Brieftaubenstationen zu verbinden.

Der Versuch der vorstehend mit Strafe bedrohten Handlungen wird der Vollendung gleichgehalten.

Fremde Brieftauben, die auf schweizerischem Gebiet betroffen werden, verfallen dem Auffinder und sind zu töten.

Art. 5.

sischen Zollder Kantone schriften zu vollziehen.

Die Beamten und Angestellten der eidgenösund Postverwaltung sowie die Polizeibehörden sind verpflichtet, Übertretungen obiger Vorver/eigen und die Konfiskation vorläufig zu

Art. 6. Die Beurteilung der Übertretungen erfolgt nach dem kantonalen Verfahren betreffend Polizeiüberschreitungen durch die Behörden desjenigen Kantons, in welchem der Übertreter seinen Wohnsitz hat. Liegt dessen Wohnsite außerhalb des schweizerischen Gebietes, so geht der Ge^ riohtsstand an die Behörden des Begehungsortes über.

Wenn Landesfremde, welche ohne Erlaubnis ausländische Brieftauben in die Schweiz einführen oder hier auffliegen lassen, sich der Beurteilung durch die schweizerischen Gesetze entziehen, so ist die administrative Konfiskation ohne weiteres rechtswirksam.

Art. 7. Vorbehalten bleiben besondere Vorschriften der Militärbehörde für Kriegszeiten und die strafrechtliche Verfolgung der Personen, welche mittelst·· Einführung ausländischer Brieftauben oder Auffliegenlassen solcher in der Schweiz Verbrechen im Sinne der bürgerlichen oder militärischen Strafgesetze begehen.

335

Art. 8. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über ßundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Bundesgesetzes zu veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben festzusetzen.

336

# S T #

»

Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung, betreffend Genehmigung des IV. Nachtrages zu dem zwischen der Eisenbahn Bière-Apples-Morges und der Jura-SimplonBahn abgeschlossenen Betriebsvertrag.

(Vom 30. Januar 1903.)

Tit.

Durch Bundesbeschluß vom 26. März 1900 (E. A. S. XVI, 45) haben Sie dem Betriebsvertrag, den die Eisenbahn BièreApples-Morges am 15. August 1899 mit der Jura-Simplon-Bahn abgeschlossen hatte, die Genehmigung erteilt. Dieser Vertrag wurde durch die Nachträge I, II und III, welchen Sie Ihre Genehmigung ebenfalls erteilten, sukzessive bis zum 31. Dezember 1902 verlängert.

Mittelst Schreibens vom 20. Dezember 1902 ersuchte nun die Direktion der Jura-Simplon-Bahn um Genehmigung eines IV. Nachtrages, welcher den Hauptvertrag bis zum 1. Mai 1903, d. h. biszum Zeitpunkt des Überganges des Jura-Simplon-Bahnnetzes an den Bund, verlängert. Durch diesen Nachtrag wird bestimmt, daß ein eventuelles Defizit, welches sich aus der im Art. 13 des Vertrages vorgesehenen Rechnung ergeben würde, aus der von der Bahngesellschaft Bière-Apples-Morges früher geleisteten und nach Begleichung der Rechnungen pro 1902 noch zur Verfügung bleibenden Garantiesumme zu decken wäre. Sollte diese Summe

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung, zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die Überwachung der Einführung und der Verwendung von Brieftauben. (Vom 30. Januar 1903.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1903

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

05

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

04.02.1903

Date Data Seite

329-336

Page Pagina Ref. No

10 020 433

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.