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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Rekurseingabe des Zentralkomitees des Vereins schweizerischer Post-, Telegraphen- und Zollangestellter betreffend Besoldungsverhältnisse.

(Vom 29. Mai 1903.)

Tit.

Mittelst Rekurseingabe vom 2. vorigen Monats stellt das Zentralkomitee des Vereins schweizerischer Post-, Telegraphen- und Zollangestellter das Gesuch, ,,es sei denjenigen Postangestellten, welche auf den 1. April 1900 eine dreijährige Amtsperiode -- drei Dienstjahre seit der letzten periodischen Gehaltsaufbesserung -- zurückgelegt haben, beziehungsweise deren Besoldung letztmalig unter Berechnung des Dienstalters auf 31. März 1897 reguliert wurde, ebenso den zwischen 1. April bis 1. Oktober 1897 Angestellten, grundsätzlich, eventuell aus Gründen der Billigkeit, die volle gesetzliche Gehaltserhöhung von Fr. 300 auszurichten".

Diese Rekurseingabe ist veranlaßt worden durch folgende Tatsachen : Mit Eingabe vom 16. Januar 1902 richtete das Zentralkomitee des Vereins schweizerischer Post-, Telegraphen- und Zollangestellter an den Bundesrat das Gesuch, es möchte ihm belieben, durch die Postverwaltung diejenigen Dienstalters-Kategorien der Festangestellten, welche auf den 1. April 1900 einen Anspruch auf die Bundesblatt. 55. Jahrg. Bd. III.

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246 volle gesetzliche Gehaltserhöhung von Fr. 300 besitzen, feststellen zu lassen und von der hohen Bundesversammlung die für die gesetzliche Befriedigung dieser Postangestellten erforderlichen Nachtragskredite zu verlangen.

Wir haben dieses Gesuch unterm 17. Juni 1902 an die hohe Bundesversammlung geleitet, indem wir bemerkten, daß wir nicht in der Lage seien, dasselbe von uns aus zu erledigen, daß wir es vielmehr der hohen Bundesversammlung überlassen müßten, Sinn und Tragweite ihres Beschlusses betreffend die Petition der Beamten der Postbureaux I. und II. Klasse näher zu definieren und sich darüber auszusprechen, ob und welche weitern Kategorien von Beamten sich einer analogen Ausdehnung der von ihr damals aus Gründen der Billigkeit gefaßten Schlußnahme zu erfreuen haben sollen.

Unterm 20. Dezember vorigen Jahres haben Ihre beiden hohen Räte übereinstimmend beschlossen, auf die Eingabe zurzeit nicht einzutreten, sondern dieselbe zur Entscheidung an den Bundesrat zurückzuweisen.

Wir haben darauf unterm 3. Februar dieses Jahres das Gesuch abschlägig beschieden, indem wir die Gründe der Ablehnung einläßlich darlegten.

Die Petenten erklären sich von unserer Antwort nicht befriedigt. Sie haben sich von Herrn Nationalrat Prof. Dr. Zürcher in Zürich ein weiteres Rechtsgutachten über ihre Forderungen eingeholt und legen dieses Gutachten nun, nebst dem früher eingeholten von Herrn Zivilgerichtspräsident Dr. jur. A. Huber in Basel, einer Rekurseingabe an die hohe Bundesversammlung zu Grunde, in welcher sie das eingangs erwähnte Gesuch stellen.

Unsere Antwort vom 3. Bebruar abhin an das Zentralkomitee des Vereins schweizerischer Post-, Telegraphen- und Zollangestellter lautete wie folgt: ,,Mittelst Eingabe vom 16. Januar 1902 haben Sie das Gesuch gestellt, es möge dem Bundesrate belieben, durch die PostverwaTtung diejenigen Dienstalterskategorien der Postangestellten, welche auf den 1. April 1900 einen Anspruch auf die volle gesetzliche Gehaltserhöhung von Fr. 300 besitzen, feststellen zu lassen und von der Bundesversammlung die für die gesetzliche Befriedigung dieser Postangestellten erforderlichen Nachtragskredite zu verlangen.

Wir teilen Ihnen in Erledigung Ihrer Eingabe folgendes mit: Es war nach dem ursprünglichen Entwurfe zu dem neuen Besoldungsgesetz für die eidgenössischen Beamten und Angestellten

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nicht vorgesehen, die Postangestellten in dieses Gesetz einzubeziehen. Später entschloß man sich doch dazu und unterstellte dann ohne weiteres die Postbediensteten, die nicht für eine bestimmte Amtsdauer, sondern auf unbestimmte Zeit gewählt werden, auch dem anfänglich nur für Beamte mit verhältnismäßig höhern Besoldungen berechneten Art. 4 des neuen Gesetzes, wonach die Besoldung mit Ablauf jeder dreijährigen Amtsperiode um Fr. 300 steigt, bis das Maximum erreicht ist. Dies allein bedeutet für die Postangestellten schon eine namhafte Besserstellung, was sofort klar wird, wenn man in Betracht zieht, daß diese Angestellten nach den frühern Besoldungsverordnungen mit wenig Ausnahmen bloß alle 4 Jahre eine Gehaltserhöhung von Fr. 120 erhielten. Früher also, auf das Jahr berechnet, ein Vorrücken um Fr. 30 und jetzt um Fr. 100. Dazu kommt nun, daß, während sie früher erst nach 16 Jahren zum Maximalgehalt gelangten, die meisten Angestellten denselben nun schon nach 9 Jahren (einzelne Briefkastenleerer sogar schon nach 6 Jahren) erreichen. Die Kondukteure erreichen ihn nach 12 Jahren. Sodann kommt als weitere Besserstellung die Erhöhung der Maxima, die sich bei den einzelnen Kategorien von Bediensteten zwischen Fr. 240 und Fr. 300 bewegt.

Die Postangestellten ziehen somit aus dem neuen Besoldungsgesetz einen ganz erheblichen Gewinn. Es ergibt sich das auch aus den nachstehenden Angaben, die dartun, wie viel die Angestellten, die bei Einführung des neuen Gesetzes zwei Dienstjahre hinter sich hatten -- dieselben sind in ihrer Eingabe als einziges Beispiel für die angebliche Verkürzung im Gehalt angeführt -- unter der Herrschaft des neuen Gesetzes mehr an Besoldung erhalten, als unter der Herrschaft der alten Verordnung bis zur Erreichung des Maximums. Es beziehen mehr: Die Kondukteure Fr. 3788 Die Paket-, Mandat- und Nachnahmenträger und die Oberbriefträger ,, 4860 Die Briefträger, Bureaudiener, Hauswarte, Wagenbesorger und Packerchefs ,, 4600 Die Packer und Wagenreiniger ,, 4860 Die Kastenleerer ,, 4580 Vom Jahre 1903 an beträgt der Mehrbezug in den allermeisten Fällen bereits Fr. 360 und mehr.

Es ist allerdings bei den Angestellten, gleich wie bei den Beamten, das Dienstalter bei Einführung des neuen Gesetzes auf 31. März 1897 berechnet worden. Die Bediensteten können aber nicht mit dem nämlichen Rechte sagen wie die Beamten, die

248 Dienstzeit vom 1. April bis 31. Dezember 1897 sei unberücksichtigt geblieben. Die Beamten erhielten vor dem Inkrafttreten des neuen Besoldungsgesetzes alle drei Jahre Gehaltsaufbesserungen von Fr. 300 bis Fr. 420, auf das Jahr berechnet somit Fr. 100 bis Fr. 140. Bei den Angestellten dagegen betrugen die Gehaltserhöhungen in der Regel bloß Fr. 120, und zwar für die Dauer von vier Jahren, was auf das Jahr berechnet, Fr. 30 ausmacht.

Einzig bei dea Kondukteuren betrug die Erhöhung alle vier Jahre Fr. 240. = Fr. 60 per Jahr. -- Die Gehaltszulagen, die bei Einführung des neuen Besoldungsgesetzes den einzelnen Dienstaltersklassen der Angestellten gewährt wurden, sind nun so bemessen, daß sie mehr als das Betreffnis der Gehaltserhöhung nach der alten Verordnung für die seit dem letzten Vorrücken zurückgelegten Dienstjahre ausmachen. Einzig bei den Kondukteuren, die bei Einfuhrung des Gesetzes zwei Dienstjahre zurückgelegt hatten, würde dieses Betreffnis Fr. 120 (2 X 60) ausmachen, während sie nur Fr. 100 erhalten haben. Bei den übrigen Bedienstetenkategorien der nämlichen Altersklasse macht das Betreffnis für die zwei zurückgelegten Dienstjahre Fr. 60 (2x30) aus; die Bediensteten dieser Klasse haben aber alle eine Besoldungszulage von Fr. 100 erhalten. Bei den Bediensteten, die bloß ein Dienstjahr zurückgelegt hatten, macht das Betreffnis für dieses Jahr nach dem alten Systeme nur Fr. 30 aus, dieselben haben aber ebenfalls Fr. 100 erhalten.

Dabei ist hervorzuheben, daß die Angestellten dieser beiden Dienstaltersklassen nach der alten Verordnung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Gesetzes keine Gehaltserhöhung erhalten hätten, sondern daß sie auf dieselbe noch zwei bis drei Jahre hätten warten müssen ; die. Betreffnisse für die zurückgelegten Jahre wurden ihnen also zum voraus ausgerichtet. Zudem erhielten sie im Jahre 1900, wo sie nach der alten Verordnung erst oder noch nicht einmal zu einer Gehaltserhöhung von Fr. 120 gekommen wären, schon wieder eine Zulage von Fr. 200.

Die Angestellten, die bei Einführung des Gesetzes drei Dienstjahre hatten, haben alle Fr. 300 Zulage erhalten. Ebenso haben vom sechsten Dienstjahre an alle Bediensteten, mit einer einzigen Ausnahme, welche die Kondukteure mit acht Dienstjahren betrifft, die nur Fr. 120 erhielten, weil ihnen bloß soviel bis zu der
ihrem Dienstalter entsprechenden Besoldung fehlte, eine erstmalige Gehaltserhöhung von Fr. 300 erhallen. Vom 16. Dienstjahr an betrug die Erhöhung bei einzelnen Kategorien 20--60 Franken weniger, d. h. nur Fr. 240--280, weil ihnen nur noch soviel bis zum Maximum fehlte.

Sie vertreten nun in ihrer Eingabe und insbesondere auch in ihrem weitern Schreiben vom 10. Dezember abhin, in welchem

249 sie auf die Einladung des Postdepartements, unter näherer Begründung die Dienstaltersklassen von Postangestellten zu bezeichnen, welche nach Ihrer Ansicht auf 1. April 1900 eine Gehaltserhöhung von Fr. 300 hätten erhalten sollen, geantwortet haben, die Auffassung, daß den Postangestellten für die Dienstjahre, die zwischen dem letzten Vorrücken im Gehalt unter der Herrschaft der alten Verordnung und dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Besoldungsgesetzes liegen, das Betreffnis der Erhöhung nicht mehr nach der alten Verordnung hätte berechnet werden sollen, sondern nach dem neuen Gesetz, d. h Fr. 100 per Jahr. Sie erklären, ein Recht zu haben, dies zu beanspruchen.

Dem gegenüber müssen wir feststellen, daß die Postangestellten absolut kein gesetzliches Recht dazu haben, für die Dienstjahre vor dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes eine Besoldungserhölmng nach Maßgabe dieses letztern zu beanspruchen. Es ist im neuen Besoldungsgesetz mit keinem Wort gesagt, daß dasselbe irgendwie rückwirkende Kraft habe, und es hnt die Wirksamkeit desselben als Ganzes sowohl als jeder einzelnen Bestimmung deshalb mit dem 1. Januar 1898, d. h. mit dem von uns festgesetzten Zeitpunkt des Inkrafttretens begonnen. Dies trifft insbesondere auch zu mit bezug auf die Bestimmung von Art. 4 des Gesetzes, wonach die Besoldung mit Ablauf jeder dreijährigen Amtsperiode um Fr. 300 steigt, bis das für eine Beamtung oder Anstellung festgesetzte Maximum erreicht ist. Öiese Bestimmung ist nur anwendbar auf die nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes verfließenden Amtsperioden.

Das Gleiche trifft sodann auch zu mit Bezug auf Art. 3 der Vollziehungsverordnung für die Postverwaltung zum neuen Besoldungsgesetz. Dieser Artikel ist nichts anderes als die Ausführungsbestitnmung zum Art. 4 des Gesetzes, und es sind daher unter den Amtsperioden und Zeitabschnitten, von welchen hier (in Art. 3 der Vollziehungsverordnung) die Rede ist, auch wieder nur solche gemeint, welche nach dem Inkrafttreten des Gesetzes abgelaufen sind. Den Beweis dafür, daß es so ist, liefert schon der Wortlaut von Ziffer l des Art. 3, wo es heißt: ,,Bis das für eine Beamtung oder Anstellung festgesetzte Maximum erreicht ist, werden die Besoldungen der Beamten und Angestellten, denen weder ungenügende Leistungen noch tadelhafte Aufführung nachgewiesen werden,
für die neue Amtsperiode erhöht etc."

Es wird also ausdrücklich von einer neuen Amtsperiode gesprochen, und es können somit die vor dem Inkrafttreten des Gesetzes abgelaufenen, d. h. die alten Amtsperioden, nicht inbe-

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griffen sein. Es ließen sich noch eine Reihe anderer Gründe anführen dafür, weshalb die Bestimmungen von Art. 4 des Gesetzes beziehungsweise Art. 3 der Vollziehungsverordnung nur auf die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes verflossenen Arntsperioden angewendet werden können, die Sache ist aber im Grunde genommen so selbstverständlich, daß wir uns hierbei nicht länger glauben, aufhalten zu sollen.

Art. 4 des Gesetzes, beziehungsweise Art. 3 der Vollziehungsverordnung konnten demnach bei Einführung des Gesetzes auf 1. Januar 1898 in keiner Weise angewendet werden. Sie konnten aber auch auf 1. April 1900 noch nicht voll zur Anwendung gelangen, da auf diesen Zeitpunkt seit Inkrafttreten des Gesetzes noch nicht eine volle Amtsperiode von 3 Jahren und auch nicht einmal der in Ziffer l, lit. a, von Art. 3 der Vollziehungsverordnung erwähnte Zeitabschnitt von 30 Monaten abgelaufen war.

Es war denn auch schon vor dem Inkrafttreten des Gesetzes und unter Zustimmung der Bundesversammlung ausdrücklich festgelegt worden, daß auf 1. April 1900 die Besoldungserhöhung finden einzelnen Beamten oder Angestellten nicht mehr als Fr. 200 betragen dürfe.

Der Übergang von den alten BesoldungsVerordnungen zum neuen Besoldungsgesetz für die zurzeit des Inkrafttretens im eidgenössischen Dienste gestandenen Beamten und Angestellten wurde geregelt durch die Übergangsbestimmungen in Art. 9 bis 12 des Gesetzes und in Art. 9 der Vollziehungsverordnung. D i e s e Bes t i m m u n g e n allein sind maßgebend für die Regel u n g der B e s o l d u n g s v e r h ä l t ( n i s s e , d. h. f ü r die F e s t setzung derBesoldungen auf den Zeitpunkt des Ink r a f t t r e t e n s des n e u e n B e s o l d u n g s g e s e t z e s .

In dem zitierten Art. 9 der Vollziehungsverordnung ist nun unter Ziffer 2, litt, c, allerdings gesagt, daß den Beamten und Angestellten mit befriedigenden Leistungen und tadellosem Verhalten, deren Dienstalter 3 Jahre oder mehr beträgt, die bisherige Dienstzeit bei Festsetzung der neuen Gehalte in der Weise angerechnet wird, daß den Beamten und Angestellten der Bureaux I. und II. Klasse, sowie den Beamten der Bureaux III. Klasse für je 3 Dienstjahre die Besoldung um Fr. 300 über das Minimum angesetzt wird.

Sofort nachher ist aber bestimmt, daß Bruchteile unter drei Jahren nicht in Betracht fallen. Diese
letztere Bestimmung gehört zu der erstem ; sie bildet den Ausgleich und zwar ganz besonders mit bezug auf die Angestellten, bei denen die Berechnung von Fr. 300 für je drei Dienstjahre schon an sich ein großer Sprung vorwärts bedeutete. Ohne die ausgleichende Bestimmung, daß Bruchteile unter drei Jahren nicht in Betracht fallen, wären den

251 Angestellten, von denen die meisten bloß alle vier Jahre um je Fr. 120 vorgerückt waren, sicher nicht Fr. 300 für je drei Dienstjahre zugesprochen worden, da die Besserstellung für sie sonst den Beamten gegenüber eine unverhältnismäßig große geworden wäre. Nach Maßgabe dieser Bestimmung, wonach Bruchteile unter drei Jahren nicht in Betracht fallen, hätten die Angestellten, die bei Einführung des Besoldungsgesetzes l und 2 Dienstjahre zurückgelegt hatten, eigentlich keine Besoldungszulage erhalten dürfen, sondern es hätte ihnen der Minimalgehalt ausgesetzt werden sollen.

Wenn nun den Angestellten dieser Dienstalterskategorien gleichwohl auf 1. Januar 1898 Besoldungserhöhungen von je Fr. 100 zugesprochen wurden, so geschah es, um zu verhüten, daß das neue Besoldungsgesetz einem Angestellten momentan keine Besserstellung bringt; man wollte, daß bei Einführung des Gesetzes alle mit wenigstens einem Dienstjahr etwas erhalten. Zugleich wollte man allerdings den Angestellten der beiden Dienstaltersklassen die Betreffnisse der Besoldungserhöhung nach der alten Verordnung für das zurückgelegte Dienstjahr oder die zwei Dienstjahre, auf die sie zwar nach dieser Verordnung noch zwei und drei Jahre hätten warten müssen, vergüten. Damit ließ sich auch die Zulage von je Fr. 100 teilweise rechtfertigen, während eine höhere Zulage nicht zu rechtfevtigen gewesen wäre. Bei den Beamten verhält sieh dies anders; da sie unter der alten Verordnung alle drei Jahre um je Fr. 300 und mehr vorgerückt waren, mußte bei ihnen dieser Maßstab angewendet werden, wollte man sie nicht schlechter stellen. Wenn die Bundesversammlung dem Begehren einzelner Dienstalterskategorien von Beamten um Bewilligung einer Gehaltserhöhung von Fr. 300 auf 1. April 1900 entsprochen hat, so geschah es denn auch hauptsächlich mit Rücksicht auf den Umstand, daß sich diese Beamten unter der Herrschaft des neuen Gesetzes vorübergehend schlechter gestellt hätten, als unter der Herrschaft der alten Verordnung. Dieser Umstand trifft bei keinem einzigen Angestellten zu; das neue Besoldungsgesetz bedeutet vielmehr für jeden Angestellten zu jeder Zeit eine Besserstellung, und zwar ist diese Besserstellung, wie wir hiervor dargetan haben, eine erhebliche. Sie ist im Verhältnis auch eine bedeutend größere als diejenige der Beamten, was sich schon daraus
ergibt, daß die letztern den Maximalgehalt erst nach Zurücklegung des 21. Dienstjahres, d. h. noch sechs Jahre später, als unter der Herrschaft der alten Verordnung, erreichen, während die Großzahl der Angestellten schon nach neun Jahren, d. h.

sieben Jahre früher als unter der alten Verordnung dazu kommt (die Briefkastenleerer in Orten mit weniger als 10,000 Einwohner kommen sogar schon nach sechs Jahren zum Maximum und den

252 Briefträgern und Bureaudienern an solchen Ovten fehlen nach sechs Jahren nur Fr. 80 bis zum Maximum und den Packern nur Fr. 40).

In Zusammenfassung des Gesagten müssen wir Ihr Begehren als unbegründet bezeichnen und Ihnen mitteilen, daß wir nicht in der Lage sind, demselben Folge zu geben. Dabei können wir nicht unterlassen, unserer Meinung dahin Ausdruck zu geben, daß die Postangestellten endlich die große Besserstellung, die ihnen das neue Besoldungsgesetz gebracht hat, anerkennen und sich damit zufrieden geben dürften. Diese Angestellten sollten nicht vergessen, daß sie sich gegenüber den zahlreichen Angestellten der Kantone, der Gemeinden und namentlich gegenüber den Angestellten und Arbeitern in der Industrie in einer Lage befinden, welche die öffentliche Meinung mehr und mehr als eine bevorzugte bezeichnet."

Wir stehen auch heute auf dem Standpunkte, daß das Gesuch des Zentralkomitees des Vereins schweizerischer Post-, Telegraphenund Zollangestellter absolut unbegründet sei. Hiervon mögen uns auch die Schlußfolgerungen des der Eingabe beiliegenden Rechtsgutachtens des Herrn Professor Dr. Zürcher in Zürich nicht abzubringen. Zur Begründung unseres ablehnenden Standpunktes erlauben wir uns, auf die Ausführungen in der vorstehend wiedergegebenen Antwort des Bundesrates an die Petenten vom 3. Februar abhin zu verweisen. Wir können diesen Ausführungen nicht viel beifügen. Die Postangestellten haben nach unserer vollen Überzeugung sowohl bei der Einführung des neuen Besoldungsgesetzes auf 1. Januar 1898 als auch bei der erstmaligen allgemeinen Besoldungsrevision auf 1. April 1900 die Besoldungen erhalten, auf die sie nach dem Besoldungsgesetz vom 2. Juli 1897 (A. S.

n. F. XVI, 272) und nach der zudienenden Vollziehungsverordnung für die Postverwaltung vom 30. Dezember 1897 (A. 8. n. F. XVI, 380) Anspruch erheben konnten.

Wir bestreiten also den Petenten den rechtlichen Anspruch auf die von ihnen verlangte nachträgliche Besoldungserhöhung.

Dieselben geben dem Umstände, daß das Dienstalter bei Einführung des neuen Besoldungsgesetzes auf 31. März 1897 berechnet worden ist, eine ganz unrichtige und unzulässige Deutung. Die Berechnung des Dienstalters auf 31. März 1897, statt auf den Tag der Einführung des Gesetzes, erfolgte lediglich aus verwaltungstechnischen Gründen. Wir erlauben uns,
diesfalls zu verweisen auf die in einem gedruckten Exemplar bei den Akten liegende Antwort des Bundesrates auf die beiden Petitionen einer Anzahl Beamter und Angestellter des Hauptpostbureaus Genfs und des Zentralvorstandes des Vereins schweizerischer Postbeamter betreffend die Vollziehung

253 des Besoldungsgesetzes vom 25. März 1898, wo auf Seiten 9--11 diese Gründe ausführlich angegeben sind. Es wurde durch diese Berechnung die Festsetzung der Anfangsbesoldungen der Postangestellten bei Einführung des neuen Gesetzes nicht beeinflußt, d. h. es würde sachlich für das Personal ganz auf das Gleiche hinausgekommen sein, wenn statt des 31. März der 31. Dezember 1897 als Grundlage für die Berechnung des Dienstalters angenommen worden wäre. Es fand der Umstand, daß das Dienstalter auf einen 9 Monate vor der Einführung des Gesetzes liegenden Zeitpunkt berechnet wurde bei der Festsetzung der neuen Besoldungen für die Postangestellten volle Berücksichtigung, mit andern Worten, es erhielt jeder Angestellte trotz des erwähnten Umstandes bei der Einführung des Gesetzes die Besoldung, auf die er sowohl dem Wortlaute, als auch dem Sinn und Geist des letztern nach Anspruch hatte. Es ist also unrichtig, wenn behauptet wird, es sei mit dem Personal auf 31. März 1897 abgerechnet worden und es habe dasselbe infolgedessen von diesem Zeitpunkt an Anspruch auf das Vorrücken in der Besoldung nach Maßgabe des neuen Gesetzes. Wenn man von einer Abrechnung sprechen will, so ist dieselbe tatsächlich auf 1. Januar 1898 erfolgt, d. h. auf den Tag der Einführung des Besoldungsgesetzes. Mit einer Abrechnung auf 31. März 1897 hätte der Bundesrat dem neuen Besoldungsgesetz, dessen Inkrafttreten er auf 1. Januar 1898 angesetzt hat, rück?

wirkende Kraft verliehen, wozu er nicht berechtigt gewesen wäre.

Für die Postangestellten begann mit dem 1. Januar 1898, dem Tage der Einführung des Besoldungsgesetzes, hinsichtlich der Besoldungen eine neue Zeitrechnung, und es war deshalb für sie am 1. April 1900, dem Zeitpunkte der ersten allgemeinen Besoldungsrevision keine volle Amtsperiode von 3 Jahren im Sinne von Artikel 4 des Gesetzes- abgelaufen, weshalb sie auch nicht auf die volle Gehaltserhöhung von 300 Franken Anspruch hatten.

Die Verhältnisse sind bei den' Postangestellten ganz andere als bei den Postbeamten. Während diese schon unter der Herrschaft dei alten Besoldungsverordnung alle 3 Jahre Gehaltsaufhesserungen erhielten und dazu solche von Fr. 300, 360 und 420, also zürn Teil sogar höhere als unter dem neuen Gesetz, fanden für jene, die Postangestellten, nur alle 4 Jahre Besoldungserhöhungen statt und dabei bloß
im Betrage von Fr. 120 bis höchstens Fr. 180.

Während also mit bezug auf das Vorrücken im Gehalt das neue Besoldungsgesetz den Beamten keine Besserstellung gebracht hat, bedeutet es für die Angestellten eine ganz bedeutende Verbesserung ihrer Lage. Es ist denn auch nicht der Fall, daß sich ein Angestellter, wenn auch nur vorübergehend, unter dem neuen Gesetze schlechter stellen würde als unter der alten Verordnung, und es

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fällt damit das Moment, das für die Anerkennung der Ansprüche der Beamten durch die Bundesversammlung ausschlaggebend war, bei den Angestellten vollständig weg. Es sind bei den Angestellten Billigkeitsgründe für die Entsprechung, wie sie bei den Beamten vorlagen, absolut keine vorhanden. Sie, die Angestellten, ziehen aus dem neuen Besoldungsgesetz einen ungleich größern Nutzen als die Beamten. Abgesehen von der eben erörterten großen Besserstellung mit bezug auf das Vorrücken im Gehalt, kommen sie auch viel rascher zum Maximum als die Beamten. Die Postcommis, zum Beispiel, erreichen dasselbe erst nach Zurücklegung des 21. Dienstjahres, die Angestellten aber schon nach 9 Jahren oder in einzelnen Fällen sogar noch früher. Von den Angestellten, die bei der Einführung des neuen Besoldungsgesetzes am 1. Januar 1898 im Dienste der Postverwaltung standen, hat heute der größte Teil den Maximalgehalt bereits erreicht. Dieser Maximalgehalt beträgt : An Orten mit über An Orten mit weniger 10,000 Einwohner als 10,000 Einwohner Fr.

Fr.

Für die Kondukteure 2700 2500 (Fr. 2700 für Kondukteure, welche besonders wichtige und verkehrsreiche Alpenpostkurse oder Bahnrouten zu bedienen haben) für die Paket-, Mandat- und Nachnahmenträger, Briefträgerchefs, Oberbriefträger, Briefträgerchefgehülfen . . 2500 2380 für die Briefträger, Bureaudiener, Hauswarte, Wagenmeister, Packerchefs . 2300 2180 für die Packer und Wagenbesorger . . 2200 2080 für die Briefkastenleerer 2100 1980 Wenn dem vorliegenden Begehren des Vereins schweizerischer Post-, Telegraphen- und Zollangestellter entsprochen und damit das Argument, daß für die Postangestellten deswegen, weil ihnen bei Einführung des neuen Besoldungsgesetzes das Dienstalter auf 31. März 1897 berechnet wurde, am 31. März 1900 eine dreijährige Amtsperiode im Sinne von Art. 4 des zitierten Gesetzes abgelaufen war, als zutreffend anerkannt würde, so müßte die nachträgliche Besoldungserhöhung von Fr. 100 auf 1. April 1900 gerechterweise auch dem gesaraten übrigen Postpersonal, d. h. auch den Posthaltern und Ablagehaltern zuerkannt werden. Es würde dies nach den von der Postverwaltung angestellten Berechnungen folgende Summen allein für die Nachzahlungen für die Zeit vom 1. April 1900 bis Ende April 1903 erfordern:

255 Für das Jahr 1900 Für 190!

(9 Monate)

Für ,, ,, ,,

die Postbureaux III. Kl. 45,750 ,, Postablagen . . . 66,000 ,, Kondukteure . . .

8,700 ,, übrigenBedienstetea 173,925

Für 1902

61,000 61,000 88,000 88,000 11,600 11,600 231,900 231,900

Für 1903 Total der 4 Monate Nachzahlung 11,500 15,200 1,800 42,950

179,250 257,200 33,700 680,675

T o t a l 294,375 392,500 392,500 71,450 1,150,825

Es würde also die Nachzahlung für die Zeit seit 1. April 1900 allein mehr als eine Million betragen. Ganz abgesehen davon, daß weder rechtliche Gründe, noch solche der Billigkeit für das vorliegende Begehren sprechen, erscheint uns eine derartige neue Ausgabe für Besoldungen für das Postpersonal nicht angezeigt und könnten wir sie unter keinen Umständen befürworten, nachdem seit der Einführung des neuen Besoldungsgesetzes für Gehaltsa a f b e s s e r a n g e n zu gunsten dieses Personals bereits folgende Summen aufgewendet worden sind : Auf 1. Januar 1898 (Zeitpunkt der Einführung des Gesetzes) Fr. 1,618,000 Auf 1. April 1900 (erste allgemeine Besoldungsrevision), auf das ganze Jahr berechnet . . ,, 1,235,000 Auf 1. April 1903 (zweite allgemeine Besoldungsrevision), auf das ganze Jahr berechnet . . ,, 1,625,000 T o t a l Fr. 4,478,000 Aus den vorstehend dargelegten Gründen beantragen wir Ihnen Abweisung der Rekurseingabe des Zentralkomitees des Vereins schweizerischer Post-, Telegraphen- und Zollangestellter.

B e r n , den 29. Mai 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

xxe-

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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuche des wegen schuldhafter Nichtentrichtung des Militärpflichtersatzes bestraften A. Ernst Kundert, Graveur in Langendorf.

(Vom 2. Juni 1903.)

Tit.

Petent wurde am 24. Oktober 1902 vom Kreiskommando Pruntrut beim Regierungsstatthalteramt Solothurn verzeigt, weil er ungeachtet zweimaliger Mahnung und in schuldhafter Weise den Militärpflichtersatz pro 1902 nicht bezahlt habe. Am 3. November 1902 erfolgte die erste Einvernahme des Vorzeigten durch das Richteramt Solothurn-Lebern, worin Kundert zugestand, die Steuer nicht bezahlt zu haben. Er behauptete, dies sei wegen Mangel an Verdienst geschehen und versprach, die Schuld baldigst zu entrichten.

Am nämlichen Tage noch bezahlte der Verzeigte die Steuer an das Kreiskommando Pruntrut. Das Amtsgericht SolothurnLebern aber, das infolge von Aktenverschickung erst am 16. Februar 1903 zur Erledigung des Prozesses schritt, verurteilte in Kenntnis dieses Umstandes und ungeachtet der Einreden des erschienenen Verzeigten den letztern zu einem Tag Gefängnis und sechs Monaten

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Rekurseingabe des Zentralkomitees des Vereins schweizerischer Post-, Telegraphen- und Zollangestellter betreffend Besoldungsverhältnisse. (Vom 29. Mai 1903.)

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03.06.1903

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