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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die Eingabe der Arbeiterunion schweizerischer Transportanstalten betreffend die Arbeits- und Ruhezeiten bei den Nebenbahnen.

(Vom 30. Oktober 1903.)

Tit.

Mit geschätzter Zuschrift vom 23. Juni abbin hat der Ständerat uns eine Eingabe der Arbeiterunion schweizerischer Transportanstalten vom 28. September 1902 betreffend die Vollziehungsverordnung über Bau und Betrieb der schweizerischen Nebenbahnen vom 13. Mai 1902 zur Berichterstattung überwiesen.

Obwohl die zitierte Verordnung auf den 1. November dieses Jahres außer Kraft treten und durch die neue Verordnung vom 9. Oktober 1903 ersetzt werden wird, gestatten wir uns doch, im nachfolgenden Über die Eingabe einläßlich Bericht zu erstatten, da die meisten der bisher den Nebenbahnen gewährten und von der Arbeiterunion beanstandeten Erleichterungen auch in der neuen Verordnung wieder vorgesehen sind.

Der Bundesrat hat in der Botschaft vom 5. März 1897 betreffend den Entwurf zu einem Nebenbahnengesetze (Bundesbl. 1897,1, 766) in Anlehnung an seinen Bericht vom 21. Juni 1892 über eine Eingabe des Verbands der Sekundärbahnen (Bundesbl. 1892, III, 1068) sich dahin ausgesprochen, daß es selbstverständlich sei, daß die Kräfte des Personals bei den Nebenbahnen gerade so gut gegen übermäßige Inanspruchnahme zu schützen seien wie bei den Hauptbahnen und daß, wenn grundsätzlich an den Forderungen

503 der bestehenden Gesetze nicht gemindert werden dürfe, die Aufsichtsbehörde dagegen in Zukunft so wenig wie bis dahin unterlassen werde, innerhalb des ihr durch das Gesetz gegebenen Spielraums Ausnahmen von der Regel in Berücksichtigung besonderer Verhältnisse eintreten zu lassen.

Dieser Stellungnahme entsprechend hat der Bundesrat unterlassen, in den Gesetzesentwurf besondere Bestimmungen betreffend die Arbeits- und Ruhezeiten bei den Nebenbahnen aufzunehmen.

.Die gesetzgebenden Räte jedoch beschlossen es anders und setzten im Art. 3 des Nebenbahnengesetzes vom 2l. Dezember 1899 fest, daß der Bundesrat den Verwaltungen der Nebenbahnen in der Durchführung der Bestimmungen über die Arbeitszeit bei den Transportanstalten Erleichterungen gewähren und nach Anhörung der Bahn Verwaltungen d i e s b e z ü g l i c h e V o r s c h r i f t e n erlassensolle.

Diesem Auftrage mußte der Bundesrat nachkommen, und es geschah das durch den Erlaß der nun vom Personale angefochtenen Vollziehungsverordnung vom 13. Mai 1902. Der Bundesrat beschränkte sich dabei in der Hauptsache darauf, diejenigen Erleichterungen, welche in Anwendung von Art. 6 des Arbeitsgesetzes vom 27. Juni 1890 schon seit Jahren einer Reihe von Bahnverwaltungen in Berücksichtigung besonderer Verhältnisse bewilligt worden waren, für alle Nebenbahnen als allgemein gültig zu erklären, nachdem dieselben bis dahin zu keinen Unzukömmlichkeiten geführt hatten. Es kommt daher dieser Verordnung bei weitem nicht die große Bedeutung zu, welche die Potenten ihr beizumessen scheinen; genauer betrachtet ist sie nicht mehr und nicht weniger als eine Zusammenstellung der Ausnahmen, die sich in der Praxis wegen der Eigenartigkeit des Eisenbahnbetriebs als notwendig erzeigt hatten.

Art. l, Ziffer l, gestattet die Ausdehnung der Arbeitszeit von 12 auf 13 Stunden, vorausgesetzt, daß die Arbeit n i c h t e i n e u n u n t e r b r o c h e n e sei und daß die Arbeitszeit an drei aufeinanderfolgenden Tagen zusammen nicht mehr als 36 Stunden, oder pro Tag durchschnittlich 12 Stunden betrage. Arbeitszeiten von 13 Stunden kamen von jeher, sowohl bei Hauptbahnen als Nebenbahnen, bei besondern Vorkommnissen ausnahmsweise vor.

Das Gesetz vom 27. Juni 1890 gestattet eine wirkliche Arbeitszeit von 12 Stunden, und wenn nun die Verordnung für Nebenbahnen 13 Stunden erlaubt,
in welchen sogenannte Wartezeiten enthalten sein mUssen, so werden die Angestellten der Nebenbahnen in Wirklichkeit kaum stärker als diejenigen der Hauptbahnen in Anspruch genommen sein.

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In Ziffer 2 ist für die fahrenden Personale der Drahtseilbahnen die ununterbrochene Ruhezeit auf 9 Stunden und die Präsenzzeit (Zeitabschnitt zwischen Beginn und Schluß eines Tagesdienstes) auf 15 Stunden festgesetzt, während für die fahrenden Personale aller übrigen Bahnen die ununterbrochene Ruhezeit 10 Stunden und die Präsenzzeit 14 Stunden beträgt.

Nun ist aber zu berücksichtigen, daß die Angestellten der Drahtseilbahnen im allgemeinen nicht längere Strecken befahren und jedenfalls einen leichtern Dienst haben, als die Angestellten des Rangierdienstes in den größern Bahnhöfen, für welche die Ruhezeit ebenfalls auf 9 Stunden, die Präsenzzeit also auf 15 Stunden fixiert ist. Die Angestellten der Drahtseilbahnen dürfen daher hinsichtlich der täglichen Beanspruchung wohl als Rangierpersonal, statt als eigentliches Zugspersonal behandelt werden.

In Ziffer 3 und 5 ist eine Verlängerung der Dienstbereitschaft für Barrierenwärterinnen bewilligt, wogegen bisher von keiner Seite Einsprache erfolgte.

Ziffer 4 gestattet die Kürzung der ununterbrochenen Ruhezeiten von 10 und 9 Stunden, sowie die Ausdehnung der Präsenzzeiten von 14 und 15 Stunden, wenn die gesetzlichen Normen im Durchschnitte von 2--3 Tagen eingehalten werden. Diese Bestimmung ist als für alle Bahnen geltend in das neue Arbeitsgesetz vom 19. Dezember 1902 aufgenommen und bildet daher künftig keine Ausnahme zu gunsten der Nebenbahnen mehr.

Gemäß Ziffer 6 darf die im Gesetze geforderte eiostündige Pause um die Mitte der Arbeitszeit in zwei Teilen zugeschieden werden, sofern die Gestaltung des Fahrplans die Gewährung einer einstündigen Pause nicht gestattet und die Beistellung eines Ablösers mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Diese Anordnung ist auch auf den Hauptbahnen häufig mit dem besten Willen nicht zu vermeiden, und zwar bei Angestellten aller Kategorien. Wenn in einer Station, in der nur ein Angestellter den Dienst zu besorgen hat und auf abgelegenen Wärterposten um die Mitte der Arbeitszeit im Zugsverkehr nur eine Lücke von einer halben Stunde Dauer vorhanden ist, so muß~der Angestellte sich mit eiaer halbstündigen Pause für die Mahlzeit begnügen, denn man kann doch vernünftigerweise nicht verlangen, daß ein Ablöser von auswärts vielleicht während einigen Stunden unterwegs sei, um auf diesem oder jenem Posten den
Posteninhaber während einer halben Stunde im Dienste zu vertreten.

Wollte man beim fahrenden Personale in allen. Fällen die einstündige Pause wahren, so müßten die Fahrpläne entsprechend gestaltet werden oder es müßte Ablösung stattfinden, worauf

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dann das abgelöste Personal öfters beschäftigungslos in einer auswärtigen Station liegen bleiben müßte.

In Ziffer 7 ist gestattet, die Dauer der Ruhetage ausnahmsweise auf 20 Stunden herabzusetzen, wenn der Ablöser von einer ändern Station herbeigezogen werden muß; derartige Kürzungen ·sind jedoch durch entsprechende Verlängerung anderer, oder Zuweisung weiterer Ruhetage auszugleichen. Auf einen längern Zeitraum berechnet, wird hierdurch kein Angestellter benachteiligt, wohl aber ist damit den Verwaltungen die Organisation der Ablösung einigermaßen erleichtert worden. Es unterliegt keinem Zweifel, daß mancher Angestellte es begrüßt, wenn er als Ausgleich einzelner gekürzter Ruhetage ab und zu entsprechend verlängerte Ruhetage oder einen Extraurlaub über die 52 gesetzlichen Ruhetage hinaus erhält.

Ziffer 8 regelt die Abstände zwischen den einzelnen Ruhetagen, wie es nun in ähnlicher Weise in der allgemeinen Verordnung vom 22. September 1903 geschehen ist.

Die in Ziffer 9 gestatteten Abstände von 4--6 Wochen zwischen zwei Freisonntagen kommen auch bei Hauptbahnen vor, 'denn in Krankheitsfällen und bei festlichen Anlässen können die Bahnverwaltungen den Dienst nicht durch beliebige Taglöhner besorgen lassen, sondern sie werden in erster Linie auf die Angestellten greifen, welche gemäß Diensteinteilung Ruhe haben sollten. Daß man den Saisonbahnen etwas weiter als den Bahnen mit Jahresbetrieb entgegenkam, erschien durch die besondern Verhältnisse gerechtfertigt. In der neuen Verordnung fällt dieser Unterschied dahin. Übrigens ist daran zu erinnern, daß das Gesetz nicht eine g l e i c h m ä ß i g e Verteilung der Ruhetage fordert.

In Ziffer 10 sind die Verwaltungen der städtischen Tramways ermächtigt, für die fahrenden Personale die Zahl der sonntäglichen Ruhetage auf 12--13 per Jahr herabzusetzen in der Weise, daß jedem Angestellten durchschnittlich auf 4 Wochen ·ein solcher Ruhetag zukommt, wobei indessen eine Schmälerung der im Gesetze vorgeschriebenen 52 dienstfreien Tage per Jahr nicht eintreten darf.

Diese Erleichterung wurde gleich nach Inkrafttreten des Gesetzes vom 27. Juni 1890 auf begründete Gesuche einzelnen Verwaltungen zugestanden und wir glauben, mit der Ausdehnung derselben auf sämtliche Tramwaysgesellschaften den richtigen Weg betreten zu haben. Die Tramwaygesellschaften verfügen
über keine Angestellten, welche an den Sonntagen zufolge Einstellung des Güterdienstes frei werden und als Ablöser im Fahrdienste Verwendung finden können. Sie sind daher genötigt, an

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diesen Tagen, welche gerade den stärksten Verkehr aufweisen, als Ablöser für die dienstfreien Angestellten Leute zum Dienste beizuziehen, welche die Woche hindurch in ändern Berufsarten tätig sind und daher im Fahrdienste weniger als das reguläre Personal bewandert sind. Daß dieses Verfahren gewisse Gefahren, für den Betrieb in sich schließt, wird kaum jemand ernstlich zu bezweifeln wagen, es erscheint daher durchaus gerechtfertigt, daß die Zahl der sonntäglichen Ablösungen tunlichst eingeschränkt werde.

Im Art. 2 ist'gesagt, daß, wenn weitergehende Erleichterungen sich als notwendig erweisen, der Bundesrat von Fall zu Fall auf begründeten Antrag einer Verwaltung hin den Umständen angemessenen Verfügungen erlassen werde. Anderseits behalte der Bundesrat sich vor, auf vorstehende Zugeständnisse zurückzukommen, wenn besondere Verhältnisse es als angezeigt erscheinen lassen.

Wenn die Petenten glauben, mit aller Entschiedenheit aus Gründen des Arbeiterschutzes und im Hinblick auf die Betriebs-' Sicherheit gegen die Verordnung Stellung nehmen zu sollen, so ist damit nur bewiesen, daß ihnen die tatsächlichen Verhältnisse nicht bekannt sind. Der Bundesrat hat den Nebenbahnen nichtsbewilligt, das nicht schon vor Jahren einer Reihe von Bahnverwaltungen auf Grund von Art. 6 des Arbeitsgesetzes vom 27. Juni 1890 bewilligt worden war. Er hat dabei weder den Arbeiterschutz noch die Betriebssicherheit aus den Augeu gelassen, im Gegenteil, die am meisten angefochtene Bestimmung betreifend Reduktion der Zahl der Freisonntage wurde speziell mit Rücksicht auf die Betriebssicherheit in die Verordnung aufgenommen.

Die Behauptung auf Seite 2 der Eingabe, daiS die Verordnung den Nebenbahnen die Befugnis einräume, ihr Personal 15 Stunden im Tag an der Arbeit zu halten, wozu noch 2--3 Stunden Präsenzzeit kämen, ist vollständig aus der Luft gegriffen. Der an gleicher Stelle angedeutete Widerspruch besteht nicht; der Bundesrat konnte sich bei Erlaß der Verordnung nur auf das alte Gesetz vom 27. Juni 1890 und nicht auf das erst in Behandlung stehende Gesetz stützen. Die Behörde war sich damals schon bewußt, daß nach Inkraftreten des neuen Gesetzes eine Revision der Verordnung notwendig sein werde.

Die Ansicht der Petenten, daß die Angestellten der Nebenhahnen eher mehr als weniger in Anspruch genommen seien als diejenigen der Hauptbahnen ist nicht zutreffend. Richtig ist, daß

507 bei vielen Nebenbahnen gewisse Angestellte intensiv in Anspruch genommen sind, während einer Reihe von Angestellten der Hauptbahnen ein leichter Dienst zugeteilt ist. Im allgemeinen ist aber als feststehend zu betrachten, daß das Personal der Hauptbahnen körperlich und geistig intensiver beansprucht ist, als dasjenige der Nebenbahnen, denn es ist eine unbestrittene Tatsache, daß mit der Zunahme der Fahrgeschwindigkeit und des Gewichts der bewegten Massen die Gefahren des Betriebs rasch wachsen, und daß diese Gefahren auf das Personal zurückwirken. Um diesen Gefahren zu begegnen, muß das Personal des äußern Dienstes auf den Hauptbahnen eine größere Aufmerksamkeit aufwenden als dasjenige einer Nebenbahn, auf welcher nur eichtere Züge mit geringerer Fahrgeschwindigkeit verkehren. Entsprechend der geringern Verantwortlichkeit darf ein großer Teil des Personals der Nebenbahnen ohne Bedenken etwas länger als dasjenige der Hauptbahnen im Dienst verwendet werden, auch wenn die einzelnen Angestellten verschiedene Funktionen auszuüben haben.

Bezeichnend hierfür ist, daß erst kürzlich einer der Wortführer des Personals, dessen Diensteinteilung wegen ungenügender Nachtruhe vom Eisenbahndepartement beanstandet wurde, an das letztere schriftlich das Gesuch um Belassung jener Diensteinteilung richtete, weil diese ihm gewisse pekuniäre Vorteile sicherte.

Es ist eine Verkennung der tatsächlichen Verhältnisse, wenn die Petenten behaupten, der Dienst des Lokomotivpersonals auf den Nebenbahnen sei aufreibender als auf den meisten Hauptbahnen. Der Dienst ist da am aufreibendsten, wo bei schnellster Fahrt auf zahlreiche Signale und andere Gefahrpunkte wie z. B.

Wegübergänge geachtet werden muß. Auf einer Nebenbahn, auf der mit mäßiger Geschwindigkeit gefahren wird, bleibt dem Lokomotivpersonale in einem Momente der Gefahr mehr Zeit zum Überlegen und Handeln als in gleicher Lage dem Lokomotivpersonale eines Schnellzuges einer Hauptbahn.

Von den Petenten ist ausgeführt, daß es vom Gesichtspunkte der Betriebssicherheit aus schwer verständlich sei, daß der Bundesrat für die Saisonbahnen zwischen den Freisonntagen habe Abstände von 6 Wochen gestatten können. Darauf haben wir zu erwidern, daß der Abstand zwischen den einzelnen Freisonntagen die Betriebssicherheit in keiner Weise beeinflußt, sofern den Angestellten
andere Ruhetage in angemessenen Zwischenräumen zugeteilt werden. Die Gewährung von Freisonntagen bereitet manchen Saisonbahnen die größten Schwierigkeiten; wenn sie jedem Angestellten den dritten Sonntag freigeben sollten, so müßten sie häufig für mehrere Monate Angestellte engagieren, welche sie die Woche

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hindurch nicht ihren Kräften angemessen beschäftigen könnten.

Es darf sodann füglich berücksichtigt werden, daß die Angestellten der Saisonbahnen während des Winters über zahlreiche Freisonntage verfügen.

Mit der Ansicht der Petenten, daß die Wagenführer städtischer Trambahnen außerordentlich stark in Anspruch genommen seien, gehen wir durchaus einig; es ist daher auch noch keiner Tramgesellschaft eine Überschreitung der 12stündigen Arbeitszeit für die Wagenführer gestattet worden. Ebenso gehen wir mit den Petenten darin einig, daß das Publikum an den Nebenbahnen, wie von den Hauptbahnen eine regelmäßige und sichere Beförderung verlangen darf.

Daß der Familienvater an einem Freisonntage viel eher als an einem freien Werktage in der Lage ist, die Freuden- des Familienlebens zu genießen, wie von den Petenten geschildert wird, muß ohne weiteres zugegeben werden, es waren denn auch lediglich Rucksichten auf die Betriebssicherheit, welche den Bundesrat dazu führten, den Trambahnen eine Reduktion der Zahl der jährlichen Freisonntage zu bewilligen. Die Petenten selbst haben den Dienst der Wagenführer der Trambahnen als außerordentlich anstrengend bezeichnet; es ist daher einleuchtend, daß für diesen Dienst nur ganz zuverlässige ' und eingeschulte Leute verwendet werden dürfen, welche aber leider nicht zu jeder Zeit und überall zu finden sind. Die Trambahnverwaltungen in Basel und Zürich haben während Jahren keine Ausnahmen hinsichtlich der sonntäglichen Dienstbefreiung beansprucht, woraus die Petenten den .Schluß ziehen, daß man auch anderwärts ohne Schwierigkeit an den Sonntagen ein hinreichend geübtes Ersatzpersonal beistellen könnte.

Hierzu ist zu bemerken, daß die Verwaltung in Zürich im Jahre 1899 um die Bewilligung einer Reduktion der Zahl der jährlich zu gewährenden Freisonntage nachsuchte, weil sie Mühe hatte, an den Sonntagen zuverlässige Ablöser in genügender Zahl zu finden, während man in Basel bisher anscheinend keinen Schwierigkeiten begegnete. Immerhin hat die Verwaltung in Basel, welche auch die Straßenbahn Basel-Dornach betreibt, auf letzterer Bahn ebenfalls die Zahl der Ruhesonntage herabgesetzt. Die Verhältnisse sind eben nicht in allen Städten dieselben. In einzelnen Städten mögen sich zahlreiche fähige und zuverlässige Personen um die Sonntagsablösung bewerben, während an ändern
Orten solche Leute nur in geringer Zahl vorhanden sind. . Soviel kann wohl als feststehend angenommen werden, daß für die Sonntagsablösung nur solche Personen sich melden, welche den kleinen Nebenverdienst an diesen Tagen sehr nötig haben, denn mit Über-

509 nähme der Sonntagsablösung verzichten sie nicht nur auf die Sonntagsruhe, sondern auf den wöchentlichen Ruhetag überhaupt.

Daß dieses im allgemeinen die fähigsten Leute seien, und daß dieselben, nachdem sie vielleicht während mehreren Wochen gar keinen Ruhetag hatten, sich für den verantwortungsvollen Tramwaysdienst ebenso wie das reguläre Personal eignen, darf füglich bezweifelt werden. Will man aber die Ablöser nur an einzelnen Sonntagen verwenden, so bedarf es deren eine sehr große Zahl, und der einzelne Mann wird alsdann so wenig fahren können, daß er aus der Übung kommen muß. .

Die von den Petenten aufgeworfene Frage, ob das Personal der Nebenbahnen nicht ein Anrecht auf Gleichstellung mit demjenigen der Hauptbahnen habe, ist dahin zu beantworten, daß im Bundesgesetze über Bau und Betrieb der Nebenbahnen ausdrücklich vorgeschrieben ist, daß der Bundesrat den Verwaltungen der Nebenbahnen in der Vollziehung des Arbeitsgesetzes Erleichterungen gewähren solle und daß somit durch das Gesetz selber eine gewisse Ungleichheit geschaffen wurde. Damit sind auch die weitern Bemängelungen der Vollziehungsverordnung zum Nebenbahnengesetze beantwortet.

Wenn die Petenten glauben, insbesondere auch den Art. 2 der Verordnung, welcher noch weitergehende Erleichterungen vorsieht, anfechten zu sollen, so ist ihnen zu entgegnen, daß allerdings noch Erleichterungen nötig werden können, welche in der Verordnung selbst nicht aufgeführt sind und daß der Bundesrat seit Inkrafttreten des Gesetzes vom 27. Juni 1890 häufig in die Lage kam, nicht nur den Nebenbahnen, sondern auch den Hauptbahnen auf Grund von Art. 6 des Gesetzes gewisse Ausnahmen zu bewilligen, welche nicht zum voraus in einer Vollziebungsverordnung festgelegt werden können ; es sei hier nur an die Besorgung des Güterdienstes an einigen Sonntagen in der Zeit des starken Herbstverkehrs und an die Verschiebung von Ruhetagen bei größern Festen und Militärtransporten erinnert.

Der Zentral vorstand des Verbands des Personals schweizerischer Transportanstalten ist bereits mit Eingabe vom 2. September 1902 beim Bundesrate in dem Sinne vorstellig geworden, daß einzelne Bestimmungen der Verordnung vom 13. Mai 1902 gemildert werden möchten. Wir haben hierauf erwidert, daß der Bundesrat mit dem Erlaß dieser Verordnung nur dem im Art; 3 des Neben bahnengesetzes enthaltenen Auftrage nachgekommen sei Bundesblatt.

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510 und daß übrigens die den Nebenbahnen zugebilligten Erleichterungen in der Hauptsache seit Jahren in «Form von Ausnahmen im Sinne von Art. 6 des Arbeitsgesetzes einer Reihe von Gesellschaften zugestanden worden seien, ohne daß dieserhalb von seiten der Angestellten Beschwerden laut geworden wären. Unter diesen Umständen erscheine ein Zurückkommen auf einzelne Bestimmungen der Verordnung unzulässig; es werde aber der Bundesrat nach Durchführung der Revision des Arbeitsgesetzes in die Lage kommen, zu prüfen, ob und eventuell welche Änderung zu gunsten des Personals allenfalls angezeigt erscheinen.

Nachdem das Inkrafttreten des . Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1902 auf den 1. Oktober 1903 angesetzt worden war, haben in einer gemeinschaftlichen Eingabe vom 31. Juli 1903 der Verband des Personals schweizerischer Transportanstalten, der schweizerische Zugspersonalverein, die Arbeiterunion schweizerischer Transportanstalten und der Zentralvorstand des Personals der Nebenbahnen dem Bundesrate nachstehende Wünsche für eine Revision der mehrerwähnten Verordnung unterbreitet: 1. Reduktion der Dauer der Arbeitszeit; 2. Anhörung des Personals, bevor eine Verlängerung der Arbeitszeit, eine Kürzung der Ruhezeit oder eine Kürzung der Dauer der Ruhetage bewilligt wird; 3. Beseitigung der in Ziffer 6 von Art. l der Verordnung vom 13. Mai 1902 enthaltenen Bestimmung, wonach die einstündige Pause um die Mitte der Arbeitszeit in 2 Teilen soll zugeschieden werden dürfen; 4. Vermeidung größerer Abstände als von 10 Tagen zwischen den einzelnen dienstfreien Tagen; 5. Vermeidung größerer Abstände als von 4--5 Wochen zwischen den einzelnen Freisonntagen; 6. Gewährung von 17 dienstfreien Sonntagen auch an .die Angestellten der städtischen Straßenbahnen.

Die Begründung der Postulate ist ungefähr dieselbe wie in der Eingabe vom 28. September an die eidgenössischen Räte.

Inzwischen ist das Arbeitsgesetz vom 19. Dezember 1902 nebst zugehörender Vollziehungsverordnung vom 22. September 1903 am 1. Oktober dieses Jahres in Kraft getreten, und demzufolge dem Bundesrat die Aufgabe erwachsen, die Verordnung vom 13. Mai 1902 in einzelnen Punkten einer Revision zu unterziehen.

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Wir haben den Anlaß wahrgenommen, um die im Art. l, Ziffer l, der Verordnung vom 13. Mai 1902 für die Angestellten der Nebenbahnen gestattete maximale Arbeitszeit um eine Stunde herabzusetzen, womit wieder eine gewisse Übereinstimmung mit dem neuen Gesetze hergestellt ist. Diese Änderung zu gunsten des Personals erschien um so eher angezeigt, als bisher nur verhältnismäßig wenige Verwaltungen von der in der Verordnung ihnen eingeräumten Befugnis, die Arbeitszeit unter gewissen Voraussetzungen auf 13 Stunden auszudehnen, Gebrauch gemacht haben und zudem im Art. 2 der Verordnung dem Bundesrat vorbehalten bleibt, im Falle des wirklichen Bedarfs eine Verlängerung der Arbeitszeit anzuordnen.

Ein weiteres Entgegenkommen gegenüber dem Personale erscheint dermalen im Hinblick auf den bestimmten Wortlaut von Art. 3 des Nebenbahnengesetzes nicht angezeigt.

Der Bundesrat ist daher nicht in der Lage, der Bundesversammlung zu empfehlen, der Eingabe der Arbeiterunion schweizerischer Transportanstalten eine weitere Folge zu geben.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vollkommenen Hochachtung.

B e r n , den 30. Oktober 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die Eingabe der Arbeiterunion schweizerischer Transportanstalten betreffend die Arbeits- und Ruhezeiten bei den Nebenbahnen. (Vom 30. Oktober 1903.)

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1903

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04.11.1903

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502-511

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