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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung betreffend Konzession einer elektrischen Eisenbahn von Orsières bis zur Landesgrenze am Col Ferret.

(Vom 23. März 1903.)

Tit.

Unterm 12. September 1902 haben die Herren G. Dietrich, Ingenieur in Lausanne, M. de C o c a t r i x , Ingenieur, und A.

C l o s u i t in Martigny, und F. T r o i l l e t , Oberrichter in Orsières, zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft ein Konzessionsgesuch für den Bau und Betrieb einer e l e k t r i s c h e n E i s e n b a h n von O r s i è r e s zum Col P e r r et eingereicht.

Der dem Gesuche beigelegte allgemeine Bericht enthält folgende Ausführungen : Das Tal von Entremont, eines der bevölkertsten und wichtigsten des Wallis, warte schon längst auf die Erstellung einer Eisenbahn. Die Konzession, welche die Bundesversammlung unterm 30. März 1900 für eine Eisenbahn von Martigny nach Bagnes und von Sembrancher nach Bourg St. Pierre bewilligt habe, sei bis jetzt noch nicht zur Ausführung gelangt. Es soi sehr unwahrscheinlich, daß diese Eisenbahn, trotz ihrer Nützlichkeit für das Tal, jemals dazu komme, ihre Betriebskosten zu decken. Auch bestehe die richtige Lösung in der Überschreitung der Alpen durch Erstellung einer Eisenbahn Martigny-Aosta durch das Tal Ferret und über Courmayeur.

219 Für die ganze Gegend werde eine solche Linie von großem Vorteil sein und die Unternehmung werde ordentliche Einnahmen erzielen. Dein neuen Verkehrswege von der Schweiz nach Italien und umgekehrt werde gewiß ein beträchtlicher Fremdenstrom sich zuwenden, so daß die Tarife sowohl für die Unternehmung selbst als auch für das Publikum vorteilhaft gestaltet werden können.

Der Gedanke, die Alpen durch den Col Ferret zu überschreiten, sei übrigens nicht neu. Schon im Jahre 1884 habe der Ingenieur de Vautheleret in den ,,Mémoires de la Société des ingénieurs civils" eine sehr eingehende Studie veröffentlicht, welche die Überschreitung der Alpen über den Col Ferret vorsah, in Konkurrenz mit dem Simplon und Mont-Blanc.

Da das Simplon-Projekt nunmehr gesichert sei, sei es klar, ·daß es sich heute nicht mehr darum handeln könne, die Linie durch das Tal Ferret als eine internationale Hauptlinie zu erstellen. Dagegen werde die Erstellung einer Schmalspurbahn sehr vorteilhafte Dienste leisten. Weit davon entfernt, die Interessen der großen Simplon-Linie zu benachteiligen, werde diese internationale Schmalspurbahn ihr unbestreitbare Vorteile bringen, indem sie insbesondere auch die lokalen Interessen befriedige.

Hauptsächlich Touristenlinie, werde der neue Verkehrsweg die Hotelindustrie auf beiden Seiten der Alpen fordern. In der Schweiz werde er namentlich derjenigen des Wallis zu gute kommen, seine Wirkungen aber auch ausüben auf das ganze .zwischen Genf, dem Berner Oberland und dem Simplon gelegene Gebiet.

Indem die Konzessionsbewerber den Verkehr der zukünftigen Linie in jeder Richtung auf 30,000 Reisende schätzen, glauben sie noch unter der Wirklichkeit zu bleiben.

Was die italienische Seite anbetrefie, so zähle Courmayeur 10 Hotels ersten Ranges, die alle prosperieren. Hier sei der Ausgangspunkt für alle Exkursionen nach dem südlichen Teil der Mont-Blanc-Kette. Courmayeur liege einige Kilometer von Pre-St-Didier entfernt, an der Route des kleinen St. Bernhard, zwischen Aosta und Bourg St. Maurice, einem sehr begangenen Weg, dessen Bedeutung täglich wachse.

Auf der Schweizerseite sei das Tal Ferret vielleicht das wenigst bekannte und sicherlich eines der schönsten des Wallis.

Obgleich aber von diesem Tal aus eine ganze Reihe von bemerkenswerten Exkursionen sich ausführen lasse, finde man hier

220 infolge seiner Entfernung von jeglicher Eisenbahn fast keine Hotels. Und doch biete es Vorteile, die nicht verfehlen werden, dasselbe in nächster Zeit zu einem wichtigen alpinen Aufenthaltsort »u machen. Man finde hier in der Tat Quellen von natürlich kohlensaurem Wasser, das demjenigen von Vichy gleichkomme, und Quellen von eisenhaltigem Wasser. Das Tal besitze auch zahlreiche Eisenminen, welche ihm auch seinen Namen gegeben haben und die, nachdem sie bis ans Ende des letzten Jahrhunderts ausgebeutet worden waren, nunmehr wogen der zu großen Kosten der Herstellung aus Holzkohle und wegen der Transportkosten verlassen worden seien. Granit finde sich hier in sehr großen Blöcken, dessen Gewinnung lohnender sein werde.

Es gebe außerdem Anthracitscliichten an verschiedenen Stellen.

Oberhalb Orsiòres begegne man großen Mengen von Gips. Endlich finde man überall Kalkstein, sogar hydraulischen, welcher Kalk von bester Qualität liefere.

Was nun die großen Tannen- und .Lerchenwälder anbetreffe, die in dem Tale vorkommen, so bilden dieselben einen gegenwärtig fast unausgebeuteten Reichtum. .Eine Bergstation, welcher das neue Verkehrsmittel zu einer großen Znkunft verhelfen werde, sei das Dorf Praz-de-Fort, den Touristen sehr gut bekannt, von wo man sich zu den Hütten von Orny und von Saleinaz begebe.

Dio Konzessionsbewerber schließen ihren allgemeinen Bericht mit folgenden Betrachtungen: ,,Um mit Vertrauen in die Zukunft zu blicken, genügt es, den blühenden Zustand der Eisenbahn Visp-Zermatt zu betrachloa, mit der Martignv-Ferret-Courmayeur ohne Bedenken verglichen werden darf.

Wie jene, so mündet auch diese Linie mitten unter Gletschern aus, bedient aber ein Tal, das noch volksreicher und bedeutender ist als das Visptal, und während die Linie Visp-Zermatt eine Sackbahn ist, so Überschreitet die uusrigc die Alpen und verbindet zwei Länder miteinander, die das bevorzugte Stelldichein der Touristen sind.11 Laut dem technischen Bericht mißt die Linie Orsii>res-Col Ferrei (d. h. bis zur italienischen Grenze) 22,s km. Sie beginne bei der Höhenquote 885, ziehe sich den Gletschern von Saleinaz entlang, indem sie dem Lauf der Dranse folge, die sie auf zwei Brücken überschreite, um schließlich in den Tunnel des Col Ferrei bei Quote 2140 einzutreten, welcher, ungefähr 2000 m.

lang, an der Endstation auf italienischem Gebiete ausmünde.

221 Die Kunstbauten bestehen hauptsächlich in der Erstellung von Brücken über die Dranse und ihre Nebenflüsse. Die Zahl der Brücken sei sechs, mit Widerlagern aus Mauerwerk, die eine Eisenkonstruktion von einer einzigen Jochweite tragen. Außerdem seien noch kleine Brücken über die von den Gletschern kommenden Bergbäche zu erstellen. Diese kleinen Brücken, im ganzen 8, werden auf die gleiche Art konstruiert werden wie die Brücken von größern Dimensionen.

Die Eisenbahn werde eine elektrische Adhäsionsbahn sein, die Maximalsteigung überschreite 6 J /2 % nicht. Auf der Seite von Courmayeur werde das Verbindungsgeleise, mit einer Maximalsteigung von 8 °/o, keine erheblichen Schwierigkeiten für die Erstellung bieten. Die Spurweite werde l m. betragen, der Minimalradius 40 m.

Für den Reisenden- und Gepäckverkehr seien täglich 4 Züge in jeder Richtung vorgesehen. Bin Zug in jeder Richtung werde ausschließlich dem Güterverkehr dienen. Im Bedürfnisfalle werden Suppleuientsziige eingeschaltet.

An zwei noch zu bestimmenden Stellen sollen Ausweichgeleise mit automatischer Weichenstellung errichtet werden.

Für den Reisenden- und Güterverkehr seien folgende Stationen vorgesehen : Orsières, Praz-de-Fort und Ferret. Außerdem werde man Haltestellen errichten bei Som-la-Proz, Ville d'Issert, Branchc-d'en-haut, Plan-la-Chaud. Eine Wagenremise werde man in Orsiòres und in Ferret erstellen und eine Reparaturwerkstätte im Elektrizitätswerk Orsières.

Die Linie werde mit Rücksicht auf ihren Charakter als Bergund Touristenbahn nur während der Sommersaison betrieben werden.

Eine in der Nähe von Orsières zu errichtende Zentrale werde die für den Betrieb erforderliche elektrische Kraft liefern. Dieselbe werde durch die Wasser der Dranse, die man unter einem Druck von ungefähr 10 Atmosphären fasse, gespeist. Die Konzession für die Ausbeutung dieser Wasserkraft sei kraft einer vom Staatsrat des Kantons Wallis ausgestellten Urkunde Eigentum der Potenten.

Der nach gewöhnlicher Art und unter Vergleichung mit den Baukosten ähnlicher Linien erstellte Voranschlag weist folgende Hauptposten auf:

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1. Gründung der Gesellschaft, Organisationsund andere Kosten Fr. 150,000 2. Studien, allgemeine Verwaltung, Reise- und Prozeßkosten ,, 80,000 3. Verzinsung des Baukapitals (Fr. 130,000 zu 4%) ,, 52,000 4. Expropriation ., 30,000 5. Betriebsfonds ., 40,000 6. Unterbau - ,, 1,288,000 7. Oberbau ,, 490,000 8. Kunstbauten ,, 140,000 9. Gebäude 120,000 fl 10. Kraftzentrale .,, 220,000 11. Maschinen ., 79,000 12. Verschiedene Ausrüstungsgegenstände . . ,, 8,500 13. Speiseleitung ,, 208,000 14. Rollmaterial .,, 348,000 15. Signale und Telephon ., 21,500 16. Unvorhergesehenes und Verschiedenes . . ,, 130,000 Total Fr. 3,400,000 Für den Betrieb der Linie bringen die Konzessionsbewerber folgende Einnahmen und Ausgaben in Anschlag: A. E i n n a h m e n : (Auf Grund des Erträgnisses der Visp-Zermatt-Bahn und ohne Berücksichtigung der Verkehrsvermehrung, die sich aus der Verbindung mit dem italienischen Teilstück ergeben wird) : J. Einheimische Reisende Fr. 7,500' 2. Touristen (42,000 Fahrten, wovon 14,000 in II. Klasse zu 45 Rappen per km., und 28,000 in III. Klasse zu 28 Rappen per km.) . . ,, 325,500 3. Güter und Gepäck ,, 57,500 Total

Fr. 390,500

B. A u s g a b e n .

1. Kapitalzinse: Fr. 2,000,000 zu 5 % ,, 1,400,000 zu 4% 2. Abschreibungen 3. Betriebskosten

Fr.

,, ,, ,, Total

100,000 56,000 65,000 98,000

Fr. 319,900-

223 so daß eia Einnahmenüberschuß von Fr. 70,600 entstände, der die Ausrichtung einer Superdividende von ungefähr 8,5 % an das Aktienkapital gestatten würde.

Das Konzessionsgesuch wurde der Regierung des Kantons Wallis zur Vernehmlassung mitgeteilt, worauf uns dieselbe unterm 5. Dezember 1902 berichtete, der Große Rat habe sich zu gunsten der Konzessionserteilung ausgesprochen mit dem Vorbehalt: 1. daß der Gesellschaftssitz im Kanton Wallis sei ; 2. daß die Personentaxe für die einheimische Bevölkerung auf diejenige Taxe reduziert werde, die von den Angehörigen des Bezirkes Visp auf der Visp-Zermatt-Bahn bezahlt werde, nämlich 12 Rappen per Kilometer; 3. daß die für Gütertransporte vorgesehenen reduzierten Taxen auch auf die Produkte des Tales Ferret, wie landwirtschaftliche Produkte, Holz, Steine etc., angewendet werden.

Die vorgeschriebenen konferenziellen Verhandlungen fanden am 2. Februar 1903 in Bern statt. Der vom Eisenbalmdepartement aufgestellte Konzessionsentwurf fand die Zustimmung aller Interessenten ; nur beharrte der Vertreter des Kantons Wallis darauf, daß in der Konzession ausdrücklich den Einwohnern des Val Ferret, d. h. der Gemeinde Orsières, der Vorteil reduzierter Personentaxen zugestanden werde, wie der Vorbehalt 2 des Beschlusses des Walliser Großen Rates es verlange. Er wies darauf hin, daß die entsprechende Taxbegünstigung, wie sie bei der Visp-Zermatt-Bahn bestehe, in der Praxis niemals zu Streitigkeiten oder Plackereien Anlaß gegeben habe. Sie würde ausschließlich auf die Einwohner des Tales angewendet und käme den übrigen Kantonsinsassen nicht zu gute. Es würde somit dem Walliser kein Vorzug eingeräumt.

Das Eisenbahndepartement ist der Ansicht, es könne dem Begehren des Kantons Wallis, das hauptsächlich bezwecke, das neue Verkehrsmittel der Bevölkerung des Tales zugänglich zu machen, entsprochen werden. Es betont aber, daß es sich hier um eine ausnahmsweise Maßregel handle, die nicht ausgedehnt werden dürfe auf Konzessionen für Bahnen in Gebieten mit wohlhabender Bevölkerung.

Wir können uns dieser Anschauung anschließen, und zwar um so eher, als die Konzessionsbewerber sich mit dem Begehren der Walliser Regierung einverstanden erklärt haben. Infolgedessen haben wir ein entsprechendes Alinea am Schlüsse des Artikels 17 des Konzessionsentwurfes aufgenommen.

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Außer der Konzession für die Linie Orsières-Col Ferrei hatten die Petenten auch die Konzession für eine solche von Martigny nach Orsières verlangt für den Fall, daß diese Linie von den gegenwärtigen Konzessionären einer Eisenbahn von Martigny nach Villette und nach Liddes (vgl. B. A. S. XVI, 93) nicht erstellt werden sollte. Es wurde ihnen aber geantwortet, dieses Gesuch könne nicht berücksichtigt werden, solange die im Artikel 5 der betreffenden Konzession angesetzte und für die Linie MartignyVillette bis zürn 30. März 1904 verlängerte Frist nicht abgelaufen sei. Sobald dies der Fall sein werde, hätten die Bundesbehörden wieder freie Hand und können die Konzession Martigny-Orsières den Konzessionären der Linie Orsières-Col Ferret erteilen, wenn diese für die Ausführung der Bahn größere Garantien böten als die bisherigen Konzessionäre.

Der nachstehende Beschlussesentwurf veranlaßt uns nicht zu besonderen Bemerkungen.

Wir erlauben uns, Ihnen denselben zur Annahme zu empfehlen, und benützen die Gelegenheit, Sie, Tit., unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den 23. Mär/ 1903.

Im Namen dos Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d c n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Eingier.

225 (Entwurf.)

Bundesbeschluß betreffend

.Konzession einer Eisenbahn von Orsières bis zur Landesgrenze am Col Ferrei.

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, nach Einsicht 1. einer Eingabe der Herren G. Dietrich, Ingenieur in Lausanne, M. de Cocatrix, Ingenieur, und A. Closuit, in Martigny, und F. Troillet, Kantonsrichter in Orsières, vom 12. September 1902; .2. einer Botschaft des Bundesrates vom 23. März 1903, beschließt: Den Herren G. D i e t r i c h , Ingenieur in Lausanne, M. de Cocatrix, Ingenieur, und A. C l o s u i t , in Martigny, und F. T r o i l l e t , Kantonsrichter, in Orsières, wird zu Händen einer zu bildenden Aktiengesellschaft die Konzession für den Bau und Betrieb einer Eisenbahn von O r s i è r e s bis zur Landesgrenze am Col F e r r e t , unter den in den nachfolgenden Artikeln enthaltenen Bedingungen erteilt: Art. 1. Es sollen die jeweiligen Bundesgesetze, sowie alle übrigen Vorschriften der Bundesbehörden über den Bau und Betrieb der schweizerischen Eisenbahnen jederzeit genaue Beachtung finden.

Bundesblatt. 55, Jahrg. Bd. 71.

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Die Bahn wird als Nebenbahn im Sinne des Bundesgesetzes vom 21. Dezember 1899 erklärt.

Art. 2. Die Konzession wird auf die Dauer von 80 Jahren, vom Datum des gegenwärtigen Beschlusses an gerechnet, erteilt.

Art. 3.

Der Sitz der Gesellschaft ist in Martigny.

Art. 4. Die Mehrheit der Direktion und des Verwaltungsrates oder weitem Ausschusses soll aus Sc'.hweizerbürgern, welche ihren Wohnsitz in der Schweiz haben, bestehen.

Art. 5. Binnen einer Frist von 24 Monaten, vom Datum des Konzessionsaktes an gerechnet, sind dem Bundesrate die vorschriftsmäßigen technischen und finanziellen Vorlagen nebst den Statuten der Gesellschaft einzureichen.

Innert 6 Monaten nach stattgefundener Plangenehmigung ist der Anfang mit den Erdarbeiten für die Erstellung der Bahn zu machen.

Art. 6. Binnen 2!/2 Jahren, vom Beginn der Erdarbeiten an gerechnet, ist die ganze konzessionierte Linie zu vollenden und dem Betriebe zu übergeben.

Art. 7. Die Ausführung des Bahnbaues, sowie der zum Betrieb der Bahn erforderlichen Einrichtungen darf nur geschehen auf Grund von Ausführungsplänen, welche vorher dem Bundesrat vorgelegt und von diesem genehmigt worden sind. Der Bundesrat ist berechtigt, auch nach Genehmigung do r Piano eine Abänderung derselben zu verlangen, wenn eine solche durch die Fürsorge für die Sicherheit des Betriebes geboten ist.

ö*Art. 8. Die Bahn wird mit Spurweite von l Meter und eingeleisig erstellt und mittelst Elektrizität betrieben.

Art. 9. Gegenstände von wissenschaftlichem Interesse, welche durch die Bauarbeiten zu Tage gefördert werden, wie Versteinerungen, Münzen, Medaillen u. s. w., sind Eigentum des Kantons Wallis und an dessen Regierung unentgeltlich abzuliefern.

Art. 10. Den eidgenössischen Beamten, welchen die Überwachung der Bahn hinsichtlich der Bauten oder des Betriebes obliegt, hat die Bahnverwaltung behufs Erfüllung ihrer Aufgabe.

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zu jeder Zeit Einsicht von allen Teilen der Bahn, der Stationen und des Materials zu gestatten, sowie das zur Untersuchung nötige Personal und Material zur Verfügung zu stellen.

Art. 11. Der Bundesrat kann verlangen, daß Beamte oder Angestellte der Gesellschaft, welche in der Ausübung ihrer Funktionen zu begründeten Klagen Anlaß geben und gegen welche die Gesellschaft nicht von sich aus einschreitet, zur Ordnung gewiesen, bestraft oder nötigen Falls entlassen werden.

Ebenso hat er das Recht, zu verlangen, daß Mitglieder der Verwaltung, welchen vorübergehend oder dauernd Funktionen eines Beamten oder Angestellten übertragen sind und die in der Ausübung derselben Anlaß zu begründeten Klagen geben, dieser Funktionen enthoben werden.

Art. 12. Die Gesellschaft übernimmt die Beförderung von Personen, Gepäck und Gütern. Im Falle des Bedürfnisses ist der Bundesrat berechtigt, die Einführung des Transportes lebender Tiere zu verlangen.

Art. 13. Die Gesellschaft kann vom Bundesrat ermächtigt werden, den Betrieb auf die Touristensaison zu beschränken.

Art. 14. Die Beförderung von Personen, soll täglich mindestens viermal nach beiden Richtungen, von einem Endpunkt der Bahn zum andern und mit Anhalten auf allen Stationen erfolgen.

Die Fahrgeschwindigkeit der Züge wird vom Bundesrat festgesetzt.

Art. 15. Die Gesellschaft hat sich dem Transportreglement der schweizerischen Eisenbahn- und Dampfschiffunternehmungen zu unterziehen. Soweit sie Änderungen nötig findet, können solche erst eingeführt werden, nachdem sie vom Bundesrat genehmigt worden sind.

Art. 16. Die Gesellschaft wird zur Personenbeförderung Wagen nach dem Durchgangssystem mit zwei Klassen aufstellen.

In der Regel sind allen Personenzügen Wagen beider Klassen beizugeben ; Ausnahmen kann nur der Bundesrat gewähren.

Die Gesellschaft hat dafür zu sorgen, daß alle auf einen Zug mit Personenbeförderung sieh Anmeldenden, wenn immer möglich,

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durch denselben, und zwar auf Sitzplätzen, befördert werden können. Auf Verlangen des Bundesrates sind auch mit Warenzüeen Personen zu befördern.

i* v.

o

Art. 17. Die Gesellschaft kann für die Beförderung von Personen Taxen bis auf den Betrag folgender Ansätze beziehen : in der zweiten Wagenklasse 45 Rappen, in der dritten Wagenklasse 28 Rappen per Kilometer der Bahnlänge.

Für Kinder unter vier Jahren ist, sofern für solche kein besonderer Sitzplatz beansprucht wird, keine Taxe, für Kinder zwischen dem vierten und dem zurückgelegten zehnten Altersjahre die Hälfte der Taxe in beiden Wagenklassen zu zahlen.

Der Bundesrat kann eine angemessene Ausdehnung der zur Hälfte der Taxe berechtigenden Altersgrenze verlangen.

Für Hin- und Rückfahrten sind die Personentaxen mindestens 20% niedriger anzusetzen als für einfache und einmalige Fahrten.

Die Gesellschaft ist verpflichtet, zu Bedingungen, welche im Einvernehmen mit dem Bundesrat aufzustellen sind, Abonnementsbillete zu reduzierter Taxe auszugeben..

Sie wird ferner den Einwohnern der Gemeinde Orsiòres eine Taxreduktion bewilligen, die im Einverständnis mit dem Bundesrat festzusetzen ist.

Art. 18. Für die Beförderung von Armen, welche sich als solche durch Zeugnis der zuständigen Behörden ausweisen, ist die halbe Personentaxe zu berechnen. Auf Anordnung eidgenössischer oder kantonaler Behörden sind auch Arrestanten zu transportieren.

Der Bundesrat wird hierüber die nähern Bestimmungen aufstellen.

Art. 19. Jeder Reisende ist berechtigt, 10 Kilogramm Reisegepäck taxfrei zu befördern, sofern es ohne Belästigung der Mitreisenden im Personenwagen untergebracht werden kann.

Für anderes Reisegepäck kann eine Taxe von höchstens 15 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer bezogen werden.

Mit Zustimmung des Bundesrates kann für das Reisendengepäck ein Abfertigungsverfahren mit einer einheitlichen Taxe eingeführt werden. In diesem Falle setzt der Bundesrat die Taxe fest.

229 Art. 20. Bei der Erstellung der Gütertarife ist im allgemeinen vom Gewicht und Umfang der Warensendungen auszugehen, aber, soweit es die Bedürfnisse von Industrie, Gewerbe, Handel und Landwirtschaft rechtfertigen, auch auf den Wert und die wirtschaftliche Bedeutung der Waren Rücksicht zu nehmen.

Es sind Klassen aufzustellen, deren höchste nicht über 7 Rappen und deren niedrigste nicht über 4,5 Rappen per 100 Kilogramm und per Kilometer betragen soll.

Eine ganze Wagenladung (d. h. mindestens 5000 Kilogramm oder 5 Tonnen) hat gegenüber den Stücksendungen Anspruch auf Rabatt.

Bei Beförderung von Waren in Eilfracht kann die Taxe um 100 % des gewöhnlichen Ansatzes erhöht werden.

Die für Industrie, Gewerbe und Landwirtschaft erforderlichen Rohstoffe sollen am niedrigsten taxiert werden.

Art. 21. Für den Transport von Edelmetallen, von barem Geld und von Kostbarkeiten mit deklariertem Wert ist für Fr. 1000 per Kilometer höchstens 5 Rappen zu erheben.

Art. 22. Traglasten mit landwirtschaftlichen und einheimischen gewerblichen Erzeugnissen, sowie Handwerkszeug für den persönlichen Gebrauch des Aufgebers, welche in Begleitung der Träger, wenn auch in besonderh Wagen, mit den Personenzügen transportiert und am Bestimmungsort sofort wieder in Empfang genommen werden, sind, soweit sie das Gewicht von 15 Kilogramm nicht übersteigen, frachtfrei. Für das Mehrgewicht ist die Taxe für Waren in gewöhnlicher Fracht zu erheben.

Art. 23. Beim Eintritt von Notständen, insbesondere bei ungewöhnlicher Teuerung der Lebens- und Futtermittel, ist die Gesellschaft verpflichtet, für den Transport von Getreide, Mehl, Hülsenfrüchten, Kartoffeln, Futtermitteln u. s. w. zeitweise niedrigere Taxen zu bewilligen, welche vom Bundesrat nach Anhörung der Bahnverwaltung festgesetzt werden.

Art. 24. Für den Transport lebender Tiere mit Güterzügen sind, falls dieser Transport eingeführt wird, Taxen zu beziehen, welche nach Klassen- und Transportmengen (Stückzahl, Wagenladungen) abzustufen sind und den Betrag von 56 Rappen per Stück und Kilometer für die höchste und 7 Rappen für die niedrigste Klasse nicht übersteigen dürfen. Bei Beförderung in Eilfracht kann ein Taxzuschlag bis auf 40 °/o erhoben werden.

230 Art. 25. Die Minimaltransporttaxe für Gepäck, für Gütersendungen und für Tiersendungen beträgt höchstens 40 Rappen.

Art. 26. Die vorstehenden Taxbestimmungen beschlagen bloß den Transport von Station zu Station. Die Waren sind von den Aufgebern an die Stationsverladplätze aufzuliefern und vom Adressaten auf der Bestimmungsstation abzuholen.

Das Auf- und Abladen der Waren ist Sache der Gesellschaft, und es darf eine besondere Taxe dafür in der Regel nicht erhoben werden. Ausnahmen hiervon sind nur mit Zustimmung des Bundesrates zulässig für einzelne Klassen von Wagenladungsgütern, für lebende Tiere und andere (regenstände, deren Verladung mit besondern Schwierigkeiten verbunden ist.

Art. 27. Bei Festsetzung der Taxen werden Bruchteile eines Kilometers für einen ganzen Kilometer gerechnet.

Bezüglich des Gewichtes werden Sendungen in Eilfracht und in gewöhnlicher Fracht bis auf 20 Kilogramm für volle 20 Kilogramm gerechnet und Gepäcksendungen bis auf 10 Kilogramm für volle 10 Kilogramm; das Mehrgewicht wird nach Einheiten von je 10 Kilogramm berechnet, wobei jeder Bruchteil von 10 Kilogramm für eine ganze Einheit gilt.

Bei Geld- und Wertsendungen werden Bruchteile von Fr. 500 als volle Fr. 500 gerechnet.

Wenn die genaue Ziffer der gemäß diesen Vorschriften berechneten Taxe nicht ohne Rest durch 5 teilbar ist, so wird dieselbe auf die nächsthöhere durch 5 teilbare Zahl aufgerundet, insofern der Rest mindestens einen Rappen beträgt.

Art. 28. Für die Einzelheiten des Transportdienstes sind besondere Réglemente und Tarife aufzustellen.

Art. 29. Die sämtlichen Réglemente und Tarife sind mindestens zwei Monate, ehe die Eisenbahn dem Verkehr übergehen wird, dem Bundesrate zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 30. Wenn die Bahnunternehmung drei Jahre nacheinander einen sechs Prozent übersteigenden Reinertrag abwirft, so ist das nach gegenwärtiger Konzession zulässige Maximum der Transporttaxen verhältnismäßig herabzusetzen. Kann diesfalls eine Verständigung zwischen dem Bundesrate und der Gesellschaft nicht erzielt werden, so entscheidet darüber die Bundesversammlung.

231 Reicht der Ertrag des Unternehmens nicht hin, die Betriebskosten, einschließlich die Verzinsung des Obligationenkapitals, zu decken, so kann der Bundesrat eine angemessene Erhöhung obiger Tarifansätze gestatten. Solche Beschlüsse sind jedoch der Bundesversammlung zur Genehmigung vorzulegen.

Art. 31. Die Gesellschaft ist verpflichtet, für Äuffnung genügender Erneuerungs- und Reservefonds zu sorgen und für das Personal eine Kranken- und Unterstützungskasse einzurichten, oder dasselbe bei einer Anstalt zu versichern. Ferner sind die Reisenden und das Personal bezüglich der aus dem Bundesgesetz über die Haftpflicht, vom 1. Juli 1875, hervorgehenden Verpflichtungen bei einer Anstalt zu versichern. Die hierüber aufzustellenden besoridern Vorschriften unterliegen der Genehmigung des Bundesrates.

Art. 32. Für die Ausübung des Rückkaufsrechtes des Bundes oder, wenn er davon keinen Gebrauch machen sollte, des Kantons Wallis, gelten folgende Bestimmungen : a. Der Rückkauf kann frühestens 30 Jahre nach Eröffnung des Betriebes und von da an je auf 1. Januar eines Jahres erfolgen. Vom Entschluß des Rückkaufes ist der Gesellschaft drei Jahve vor dem wirklichen Eintritte desselben Kenntnis zu geben.

b. Durch den Rückkauf wird der Rückkäufer Eigentümer der Bahn mit ihrem Betriebsmaterial und allen übrigen Zugehören. Immerhin bleiben die Drittmannsrechte hinsichtlich des Pensions- und Unterstutzungsfonds vorbehalten. Zu welchem Zeitpunkte auch der Rückkauf erfolgen mag, ist die Bahn samt Zugehör in vollkommen befriedigendem Zustande abzutreten. Sollte dieser Verpflichtung kein Genüge gethan werden, und sollte auch die Verwendung der Erneuerungs- und Reservefonds dazu nicht ausreichen, so ist ein verhältnismäßiger Betrag von der Rückkaufssumme in Abzug zu bringen.

c. Die Entschädigung für den Rückkauf beträgt, sofern letzterer bis i. Januar 1940 rechtskräftig wird, den 25fachen Wert des durchschnittlichen Reinertrages derjenigen zehn Kalenderjahre, die dem Zeitpunkte, in Avelchem der Rückkauf der Gesellschaft notifiziert wird, unmittelbar vorangehen; -- sofern der Rückkauf zwischen dem 1. Januar 1940 und 1. Januar 1955 erfolgt, den 221/s('achen AYert; --- wenn der Rück-

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kauf zwischen dem 1. Januar 1955 und dem Ablauf der Konzession sich vollzieht, den 20fachen Wert des oben beschriebenen Reinertrages ; -- unter Abzug der Erneuerungs- und Reservefonds.

Bei Ermittlung des Reinertrages darf lediglich die durch diesen Akt konzedierte Eisenbahnunternehmung mit Ausschluß aller anderen etwa damit verbundenen Geschäftszweige in Betracht und Berechnung gezogen werden.

d. Der Reinertrag wird gebildet aus dem gesamten Überschuß der Betriebseinnahmen über die Betriebsausgaben, zu welch letztern auch diejenigen Summen zu rechnen sind, welche auf Abschreibungsrechnung getragen oder einem Reservefonds einverleibt wurden.

e. Im Falle des Rückkaufes im Zeitpunkte des Ablaufs der Konzession ist nach der Wahl des Rückkäufers entweder der Betrag der erstmaligen Anlagekosten für den Bau und Betrieb oder eine durch bundesgerichtliche Abschätzung zu bestimmende Summe als Entschädigung zu bezahlen.

f. Streitigkeiten, die über den Rückkauf und damit zusammenhängende Fragen entstehen möchten, unterliegen der Entscheidung des Bundesgerichtes.

Art. 33. Hat der Kanton Wallis den Rückkauf der Bahn bewerkstelligt, so ist der Bund nichtsdestoweniger befugt, sein daheriges Recht, wie es in Art. 32 definiert worden, jederzeit auszuüben, und der Kanton hat unter dea gleichen Rechten und Pflichten die Bahn dem Bunde abzutreten, wie letzterer dies von der konzessionierten Gesellschaft zu fordern berechtigt gewesen wäre.

Art. 34. Der Bundesrat ist mit dem Vollzuge der Vorschriften dieser Konzession, welche sofort in Kraft tritt, beauftragt.

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25.03.1903

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