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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch der wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend Fabrikation und Vertrieb von Zündhölzchen bestraften Witwe Burri-Oser, Krämerin in Brislach, Kanton Bern.

(Vom 23. März 1903.)

Tit.

Witwe Burri wurde im Oktober 1901 beim Regierungsstatthalteramt Laufen polizeilich verzeigt, weil sie in ihrem Kramladen ein Paket mit gelben Phosphorzündhölzchen im Preise von 20 Rp. verkauft hatte. Der Polizeirapport enthält die Bemerkung, der verzeigende Landjäger sei schon oft darauf auf-.

merksam gemacht worden, daß die Witwe Burri in ihrem Laden den Handel mit solchen Zündhölzchen ,,seit der verbotenen Zeit", 1. April 1901, ausübe.

Vor Polizeirichter anerkannte die Verzeigte die Denunziation in vollem Umfange als richtig, und sie wurde hierauf zu dem gesetzlichen Minimum von Fr. 100 Buße verurteilt. Witwe Burri ersucht um gnadenweisen Erlaß dieser Strafe, indem sie behauptet, vor dem Verhör, das der Polizeirichter mit ihr vorgenommen, gar nichts davon gewußt zu haben, daß der Verkauf von Phosphorzündhölzchen mit gelbem Phosphor verboten sei.

Die späte Einreichung des Gesuches entschuldigt sie damit, daß ein Rechtskundiger, den sie nach Fällung des Urteiles konsul-

241 tiert habe, gegen ihren Willen in der Abfassung der Bittschrift säumig gewesen sei.

Der Gemeinderat Brislach schildert die Vermögens- und Einkommensverhältnisse der betagten Witwe Burri als dürftige und empfiehlt die Genehmigung ihres Gesuches.

Es mag dahingestellt bleiben, ob die Petentin von dem Verbote der Fabrikation und des Verkaufes von Zündhölzchen mit gelbem Phosphor zurzeit der dem verurteilenden Erkenntnis zu Grunde liegenden Handlung wirklich nichts gewußt habe. Mit Rücksicht auf ihren Beruf als Krämerin und die mannigfachen Stadien der Gesetzgebung, welche der endgültigen Regelung der mit der Neuordnung der Dinge verbundenen Fragen vorausgingen, ist es nicht wahrscheinlich, daß iu dem Grenzorte Brislach nach dem 1. April 1901 irgend ein Interessent sich noch im Ungewissen darüber befunden habe, daß er sich durch weitern Verkauf solcher Ware einer Strafe aussetze. Jedenfalls aber hat Witwe Burri eine Gesetzesverletzung begangen, für welche sie auch dann strafbar war, wenn ihr bloß Fahrlässigkeit zur Last fiel. Ihr Gesuch um gänzlichen Erlaß der Buße ist daher nicht angezeigt Dagegen erscheint auch für diesen Fall bei Würdigung aller Umstände eine Ermäßigung des gesetzlichen Strafminimums gerechtfertigt.

Wir stellen demgemäß bei Ihrer hohen Versammlung den

A nt r ag: Es sei die der Witwe Burri auferlegte Geldbuße auf Fr. 10 zu ermäßigen.

B e r n , den 23. Mär/. 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Dénicher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

--550«

Bundesblatt. 55. Jahrg. Bd. II.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch der wegen Übertretung des Bundesgesetzes betreffend Fabrikation und Vertrieb von Zündhölzchen bestraften Witwe Burri-Oser, Krämerin in Brislach, Kanton Bern. (Vom 23. März 1903.)

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Jahr

1903

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2

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12

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

25.03.1903

Date Data Seite

240-241

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10 020 493

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