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Bundesgesetz betreffend

die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten.

(Vom 19. Dezember 1902.)

Die Bundesversammlung der schweizerischen Eidgenossenschaft, im Hinblick auf Art. 26 der Bundesverfassung; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 11. März 1898 und eines Berichtes des Bundesrates vom 9. Mai 1899, beschließt: Art. 1. Dem gegenwärtigen Gesetze sind unterstellt: die Bisenbahn- und Dampfschiffahrtsunternehmungen, die Postverwaltung, die Telegraphen- inkl. die Telephonverwaltung, sowie andere vom Bunde konzessionierte oder von ihm selbst betriebene Verkehrsanstalten.

Dasselbe findet Anwendung auf die im Betriebsdienste solcher Verkehrsanstalten angestellten Personen, welche mit der Verpflichtung in Dienst genommen worden sind, ihre

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Arbeitszeit ausschließlich oder vorwiegend zur Verfügung der Verkehrsanstalten zu stellen.

Vorbehalten bleiben die Bestimmungen der. Fabrikgesetzgebung.

Art. 2. Die wirkliche Arbeitszeit der Beamten, Angestellten und Arbeiter soll 11 Stunden täglich nicht übersteigen. Wenn besondere Verhältnisse es notwendig erscheinen lassen, kann der Bundesrat eine Kürzung der Arbeitszeit anordnen.

Art. 3. Die ununterbrochene Ruhezeit soll für das Lokomotiv- und Zugspersonal wenigstens 10 Stunden und für das übrige Personal wenigstens 9 Stunden oder, wenn Amtswohnung in der Nähe der Arbeitsstelle angewiesen ist, wenigstens 8 Stunden betragen.

Die Ruhezeiten von 10 und 9 Stunden dürfen, soweit besondere Verhältnisse es nötig machen oder wenn dadurch dem Personale längere Ruhepausen am Wohnorte zugewiesen werden können, auf 8 Stunden gekürzt werden, vorausgesetzt, daß im Durchschnitte von 3 Tagen die 10bezw. 9stündige Ruhe gewahrt bleibt.

Nach ungefähr der Hälfte der Arbeitszeit ist Ruhe von ·wenigstens einer Stunde zu gewähren. "Die Ruhepausen sollen wo immer möglich arn Wohnorte zugebracht werden können.

Art. 4. Die Dauer der Dienstbereitschaft soll für das Lokomotiv- und das Zugspersonal 14 Stunden, für die Barrierenwärterinnen 12 Stunden, für das übrige Personal, sofern ihm Amtswohnung in der Nähe der Arbeitsstelle angewiesen ist, 16 Stunden und beim Fehlen einer solchen Wohnung 15 Stunden innerÈ 24 Stunden nicht übersteigen.

Die Dienstbereitschaften von 14 und von 15 Stunden dürfen, soweit besondere Verhältnisse es nötig machen, auf

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16 Stunden ausgedehnt werden, vorausgesetzt, daß die Dienstbereitschaft im Durchschnitt von 3 Tagen nicht über 14 bezw. 15 Stunden hinausgeht.

Art. 5. Im durchgehenden Nachtdienst dürfen in der Zeit von 11 Uhr abends bis 4 Uhr morgens keine Frauenspersonen, ausgenommen Telegraphistinnen, Telephonistinnen, Wartefrauen, Toilettenwärterinnen, Putzerinnen und ähnliche Bedienstete beschäftigt werden.

Abgesehen von den eigentlichen Nachtwächtern darf ein und derselbe Angestellte innert des Zeitraums eines Monats höchstens an 14 Tagen zum Nachtdienst verhalten werden.

Nachtarbeit, d. h. Arbeit zwischen 11 Uhr abends und 4 Uhr morgens, ist in den Diensteinteilungen mit 25 °/o Zuschlag zu berechnen.

Art. 6. Den Beamten, Angestellten und Arbeitern sind im Jahre, angemessen verteilt, 52 Ruhetage einzuräumen, wovon jedenfalls 17 auf Sonntage fallen sollen.

Die Ruhetage müssen volle 24 Stunden umfassen und um mindestens 8 Stunden verlängert werden,i sofern ihnen O nicht die in Art. 3 geforderte ununterbrochene Ruhepause unmittelbar oder kurz vorher vorausgegangen ist. Sie müssen jeweilen mit einer Nachtruhe endigen und sollen am Wohnorte zugebracht werden können.

Art. 7. Allen Beamten,- Angestellten und Arbeitern der Verkehrsanstalten sind von den 52 jährlichen Ruhetagen mindestens 8 Tage als zusammenhängender Erholungsurlaub zu gewähren.

Dem Personal der Hauptbahnen ist vom abgelaufenen 9. Dienstjahre an oder nach zurückgelegtem 33. Altersjahre dieser zusammenhängende Erholungsurlaub über die 52 Ruhe-

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tage hinaus zu gewähren und für je 3 weitere Dienstjahre um einen Tag zu verlängern.

Für alle übrigen Beamten, Angestellten und Arbeiter der Verkehrsanstalten wird vom abgelaufenen 10. Dienstjahre an die Zahl der jährlichen Ruhetage, mit Inbegriff des zusammenhängenden Erholungsurlaubs, auf 60 erhöht.

Die Dienstjahre im Sinne dieses Artikels zählen vom Eintritt in eine Anstellung bei einer der diesem Gesetze unterstellten Verkehrsanstalten.

Wegen der durch dieses Gesetz dem Personale gewährten Erleichterungen darf eine Schmälerung des bisherigen Lohnes oder Gehaltes nicht stattfinden.

Ari. 8. Sofern die im Art. 3 geforderten Ruhepausen nicht am Wohnorte zugebracht werden können, und wenn ·die Mahlzeiten bei der Arbeitsstelle eingenommen werden müssen, so sind die Verwaltungen verpflichtet, dem Personale heizbare und mit Einrichtungen zum Wärmen der Speisen versehene Unterkunftslokale zur Verfügung zu stellen, soweit nicht besondere Schwierigkeiten entgegenstehen.

Überhaupt sollen die Räume, welche den Beamten, Angestellten und Arbeitern als Wohnungen oder /um Aufenthalte während der Ruhezeiten angewiesen sind, den Anforderungen der Gesundheitspflege, sowie billigen Ansprüchen an häusliche Behaglichkeit Rechnung tragen und heizbar sein.

Art. 9. An den Sonntagen, sowie an den allgemeinen Feiertagen Neujahr, Karfreitag, Auffahrt und Weihnacht ist ·der gesamte Güterdienst untersagt. Vorbehalten bleibt die Beförderung von Gütern und Vieh in Eilfracht.

Der kantonalen Gesetzgebung steht frei, vier weitere Feiertage per Jahr zu bestimmen, an welchen keine gewöhnliehen Frachtgüter übernommen oder ausgeliefert werden dürfen.

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Art. 10. Wenn besondere Verhältnisse es notwendigmachen, ist der Bundesrat ermächtigt, gegenüber den Bestimmungen dieses Gesetzes ausnahmsweise Anordnungen zu treffen.

Art. 11. Der Bundesrat wird über die Vollziehung des Gesetzes eine Kontrolle durch entsprechende Organe . des Post- und Eisenbahndepartements ausüben lassen.

Zur Erleichterung dieser Kontrolle sind vom Personal geordnete Tagebücher zu führen. Der Bundesrat wird in der Vollziehungsverordnung die erforderlichen Vorschriften, erlassen.

Art. 12. Übertretungen dieses Gesetzes werden auf Klage des Bundesrates von den kantonalen Gerichten mit Geldbußen bis auf 500 Franken, im Wiederholungsfalle bisauf 1000 Franken, bestraft.

Der Verzicht auf die gesetzlich zugesicherte Dienstbefreiung schließt die Strafbarkeit der Widerhandlung nicht aus.

Art. 13. Durch dieses Gesetz werden das Gesetz vom 27. Juni 1890 betreffend die Arbeitszeit bei den Transportanstalten (A. S. n. F. XI, 713) und das Nachtragsgesetz zu demselben vom 22. Dezember 1892 betreffend die Telegraphenverwaltung (A. S. n. F. XIII, 362) aufgehoben.

Art. 14. Der Bundesrat wird mit der Vollziehung dieses Gesetzes beauftragt und erläßt die nötigen Vollziehungsverordnungen.

Art. 15. Der Bundesrat ist beauftragt, auf Grundlage der Bestimmungen des Bundesgesetzes vom 17. Juni 1874, betreffend die Volksabstimmung über Bundesgesetze und Bundesbeschlüsse, die Bekanntmachung dieses Gesetzes zu

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veranstalten und den Beginn der Wirksamkeit desselben zu bestimmen.

Also beschlossen vom Ständerate, B e r n , den 18. Dezember 1902.

Der Präsident: Hoffmann.

Der Protokollführer: Schatzmann.

Also beschlossen vom Nationalrate.

B e r n , den 19. Dezember 1902.

Der Präsident: Cd. Zschokke.

Der Protokollführer; Ring]er.

Der schweizerische Bundesrat beschließt: Veröffentlichung des vorstehenden Bundesgesetzes.

B e r n , den 30. Dezember 1902.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident: Zemp.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

Note. Datum der Veröffentlichung: 7. Januar 1903 Ablauf der Referendumsfrist : 7. April 1903.

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Bundesgesetz betreffend die Arbeitszeit beim Betriebe der Eisenbahnen und anderer Verkehrsanstalten. (Vom 19. Dezember 1902.)

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