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Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung,

68. Jahrgang.

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Bern, den 6. Dezember 1916.

Band IV.

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Botschaft des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die öffentlichrechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses.

(Vom 1. Dezember 1916.)

Am 9. April 1915 hat der Nationalrat folgende Motion der Herren Dr. Affolter und Mitunterzeichner, vom 4. April 1914, erheblich erklärt: ,,Der Bundesrat wird eingeladen, die Frage zu prüfen und darüber Bericht zu erstatten, 1. ob nicht in Nachachtung von Art. 26 des BG über Sehuldbetreibung und Konkurs bundesgesetzlich zu bestimmen sei, dass die fruchtlose Pfändung und der Konkurs keine öffentlichrechtlichen Folgen haben sollen; 2. ob nicht Art. 149, Alinea 5, des BG über Schuldbetreibung und Konkurs in der Weise zu revidieren sei, dass die Forderung aus einem Verlustscheine gegen den Schuldner ebenfalls einer Verjährung unterliegen soll, und ausserdem nocn weitere Bestimmungen des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes zu ergänzen und zu revidieren seien."

Wir beehren uns, Ihnen im folgenden unsern Bericht über den ersten Teil der Motion, nämlich über die Frage der bundesrechtlichen Regelung der öffentlichrechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses zu unterbreiten.

Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. IV.

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Schon bei den Beratungen über die Revision der Bundesverfassung im Jahre 1873 wurden im Nationalrat von Pictet und Klein zwei Anträge gestellt, die sich gegen die Entziehung der politischen Rechte wegen der blossen Tatsache des Konkurses, ohne dass der Konkursit eine strafbare Handlung begangen hätte, richteten und die Aufnahme einer Bestimmung verlangten, wonach ein Schweizerbürger nur durch strafgeriehtlicheg Urteil oder im Falle von Geisteskrankheit seiner · politischen Rechte verlustig erklärt werden könne. Der Antrag Pictet wurde in etwas veränderter Fassung vom Nationalrat angenommen. Bei der Behandlung der Differenzen zwischen den beiden Räten wurde jedoch diese Bestimmung fallen gelassen und der Art. 66 der geltenden Bundesverfassung angenommen, der folgenden Wortlaut hat: ,,Die Bundesgesetzgebung bestimmt die Schranken, innerhalb welcher ein Schweizerbürger seiner politischen Rechte verlustig erklärt werden kaiin."

Schon am 2. Oktober 1874 legte der Bundesrat den eidg.

Räten einen Entwurf zu einem BG über die politische Stimmberechtigung der Schweizerbürger vor (Bundesbl. 1874, III, 34), der diesen Verfassungsartikel ausführen sollte. Der Art. 4 des Gesetzesentwurfes lautete : ,,Ein Ausschluss vorn politischen Stimmrecht darf nur stattfinden : 1. Durch gerichtliches Strafurteil.

2. Infolge von Bevogtigung, die auf einem andern Grunde als dem der Minderjährigkeit beruht.11 Konkurs und fruchtlose Pfändung als solche sollten demnach nicht den Ausschluss vom politischen Stimmrecht nach sich ziehen (vgl. die eingehende Begründung in der bundesrätlichen Botsclvaft vom 2. Oktober 1874, Bundesbl. 1874, III,. 44/47).

Die Bundesversammlung änderte den Gesetzesentwuii' dahin ab, dass ein Ausschluss vom politischen Stimmrecht auch erfolgen dürfe ,,wegen selbstverschuldeten Konkurses bis auf 5 Jahre, wobei der Richter sowohl über die Frage des Selbstverschuldens, als über die Dauer der Einstellung im einzelnen Falle, zu entscheiden hat" (Art. 5, Ziff. 3, des Beschlusses der Bundesversammlung vom 24. Dezember 1874, Bundesbl. 1875,1, 8). Dieser Entwurf wurde aber in der Volksabstimmung vom 23. Mai 1875 mit 207,263 gegen 202,583 Stimmen verworfen (Bundesbl. 1875, HI, 299).

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Am 25. Oktober 1876 unterbreitete der Bundesrat den Räten einen neuen Entwurf zu einem Bundesgesetz betreffend die politischen Rechte der Niedergelassenen und Aufenthalter und den Verlust der politischen Rechte der Schweizerbürger (Bundesbl.

1876, IV, 25). Dieser Entwurf, der, wie der erste, von Nationalrat Dr. Dubs verfasst war, sah im Art. 13 vor, dass ein Ausschluss der Schweizerbürger vom politischen Stimmrecht stattfinden dürfe: ,,1. durch kriminelles oder korrektionelles Urteil; 3. wegen Konkurses in den Fällen, die nicht unter Ziffer l fallen, höchstens bis auf 5 Jahre. Bei geringerer Verschuldung soll die Dauer der Einstellung im Stimmrechte abgekürzt und bei unverschuldetem Konkurs davon auch ganz Umgang genommen werden.a Zur Begründung wurde in der Botschaft ausgeführt, dass über den Ausschluss vom Stimmrecht sich im Referendum zwei entgegengesetzte Meinungsströmungen bemerkbar gemacht hatten.

,,Wie nun diese Verschiedenheiten in den Volksanschauungen vereinbaren, um nicht eine abermalige Verwerfung des Gesetzes herbeizuführen? Der Entwurf schlägt einen Kompromiss vor.

Bei einfachem Konkurse tritt der Regel nach der Ausschluss vom Stimmrechte auf fünf Jahre ein ; bei geringerer Verschuldung soll die Einstellung abgekürzt und bei vollständig unverschuldetem Konkurse ganz nachgelassen werden. Welche Behörde darüber entscheiden soll, bestimmt der Entwurf nicht, sondern überlässt dies der Kantonalgesetzgebung." ,,Es lässt sich nicht verhehlen, dass diese Bestimmungen nach Seiten ihrer Rationalität und Humanität angefochten werden können. Da indes der Kantonalgesetzgebung freigestellt ist, das Stimmrecht auch in den angeführten Beziehungen zu erweitern, so nötigen sie keinen Kanton zu einem Rückschritt und bilden auch kein Hindernis für weitere Fortschritte" (Bundesbl. 1876, IV, 32).

Im Beschlüsse der Bundesversammlung vom 28. März 1877 (Bundesbl. 1877, H, 894) erhielt dagegen die zitierte Ziff. 3 von Art. 12 die Fassung, dass ein Aussehluss vom Stimmrecht zulässig sei ,,wegen Konkurses bis auf fünf Jahre durch Urteil der zuständigen Behörde. In Fällen besonders schwerer Verschuldung kann diese Frist bis auf zehn Jahre ausgedehnt werden. Bei unverschuldetem Konkurse findet eine Einstellung im Stimmrecht nicht statt." Auch dieses zweite Gesetz wurde jedoch in der Volksabstimmung vom 21. Oktober 1877 mit 213,230 gegen 131,557 Stimmen verworfen (Bundesbl. 1877, IV, 653).

296 In den Jahren 1880/81 gingen einige Petitionen, namentlich aus den Kreisen der Falliten ein, mit dem Begehren, der Bundesrat möge bei den eidg. Räten den Antrag einbringen, dass die Tatsache des Konkurses keine Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit nach sich ziehen dürfe, und dass eine Einstellung nur infolge gerichtlichen Urteils stattfinden könne. Am 24. Januar 1882 wurde sodann vom Nationalrat eine Motion Burckhardt und Mitunterzeichner erheblich erklärt, durch die der Bundesrat eingeladen wurde, einen neuen Gesetzesentwurf über die politischen Rechte der schweizerischen Niedergelassenen und Aufenthalter und über den Verlust der politischen Rechte der Schweizerbürger auszuarbeiten.

Der Bundesrat kam dieser Einladung nach, indem er am 2. Juni 1882 einen neuen Entwurf zu einem BG über die politischen Rechte der Schweizerbürger vorlegte (Bundesbl. 1882, III, 1).

Laut Art. 15 dieses dritten Entwurfs sollte ein Schweizerbürger durch Verfügung einer Gerichtsbehörde seiner politischen Rechte verlustig erklärt werden können, wenn er zu einer kriminellen oder korrektioneilen Strafe verurteilt wird. Der Konkurs als solcher war dagegen nicht als Ausschlussgrund vorgesehen. Aus der .bundesrätlichen Botschaft heben wir folgendes hervor: ,,In Ansehung dieser hochwichtigen Frage (Entzug der politischen Rechte) gilt es unseres Erachtens heute, nachdem nahezu fünf Jahre seit der Verwerfung des letzten Gesetzesentwurfs verflossen, einen grundsätzlichen Standpunkt einzunehmen. Der Standpunkt von 1877 hat erfahrungsgemäss schlechte Früchte getragen und dem Gesetze von damals mehr Widersacher als Freunde zugezogen. Wohl mit Recht. Ein Gesetz, von dem man, wie die bundesrätliche Botschaft vom 25. Oktober 1876, sagen kann, es enthalte Bestimmungen, welche weder rationell noch human sind, sein Vorzug bestehe darin, dass es die Kantone zu keinem Rückschritt nötige und für den Fortschritt kein Hindernis bilde, besitzt jedenfalls einen sehr zweifelhaften Wert. Es ist nicht gut, einer unsichern Hoffnung auf Erfolg die wahren Grundsätze der Demokratie zu opfern. Ohne Zweifel hat die öffentliche Meinung seit 1874 eine ganz entschiedene Wendung in diesem Sinne durchgemacht. Die schwere Krisis in Handel, Industrie und Gewerbe, die kaum hinter uns liegt, hat manches Vorurteil zerstört und das Urteil der Menge
über finanziellen Niedergang und ökonomisches Missgeschick, nicht der Börsenspekulanten, wohl aber der Geschäftsleute und Mittelklassen, milder gestimmt. Wo ein betrüglicher oder ein leichtsinniger Kon-

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kurs oder ein anderweitiger, mit dem Konkurs zusammenhängender Straffall vorliegt, mag der Strafrichter einschreiten und dem Schuldigen seine bürgerlichen Ehrenrechte auf angemessene Zeit aberkennen. Darüber hinaus aber gehen wir nicht. Wir sprechen hier vom einfachen Konkursfalle, in welchem das Strafgesetz nicht in Anwendung kommt. Es ist einer in die Unmöglichkeit versetzt, seine Schulden zu bezahlen; Verluste, die er erlitten, und vielleicht unvorhergesehene Ausgaben, Mangel an Voraussicht, Gleichgültigkeit, haben ihn so weit gebracht. Ist es geboten, ihm deshalb die Eigenschaft eines Aktivbürgers zu entziehen? Das ist in ihrer einfachsten Form die Frage, die wir zu beantworten haben. Wir verneinen dieselbe.a Dieser dritte Entwurf stand eine Reihe von Jahren auf der Traktandenliste der eidg. Räte verzeichnet, wurde aber nie in Beratung gezogen. Am 22. März/6. Juni 1893 beschlossen die Räte, das Traktandum für einmal von der Traktandenliste zu streichen.

Die gesetzgebenden Behörden gingen konsequent von dem Standpunkte aus, dass die Frage des Entzuges der Stimmberechtigung wegen Konkurses und fruchtloser Pfändung im Ausführungsgesetz zum Art. 66 B V zu lösen sei. Beim Erlass des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes sah man daher davon ab, diese Frage zu regeln. So erklärt die bundesrätliche Botschaft zum SchKG (Bundesbl. 1886, II, 78): ,,Was sodann die staatsbürgerlichen Folgen der Auspfändung und der Falli terklärung des Schuldners anlangt, so möchten wir darüber nicht im Betreibungs- und Konkursgesetze, sondern in demjenigen Bundesgesetze statuieren, das die Voraussetzungen des Genusses und des Verlustes der politischen Rechts- und Ehrenfähigkeit vollständig und im Zusammenhang ins Auge zu fassen und festzustellen hat.a So entstand der Art. 26 des Schuldbetreibungsgesetzes, der folgenden Wortlaut hat : ,,Die Kantone können unter Vorbehalt bundesgesetzlicher Bestimmungen über die politischen Rechte der Schweizerbürger (Art. 66 der BV) die öffentlichrechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses feststellen.

Die Aufhebung dieser Rechtsfolgen (Rehabilitation) hat jedoch einzutreten, wenn der Konkurs widerrufen wird oder wenn sämtliche zu Verlust gekommene Gläubiger befriedigt sind oder der Rehabilitation beistimmen. tt

298 II.

Der g e g e n w ä r t i g e R e c h t s z u s t a n d ist folgender : Einzelne öffentlichrechtliche Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung sieht das Bundesrecht vor. So bestimmt der Art. 18 der Militärorganisation vom 12. April 1907, dass Offiziere, die in Konkurs fallen oder fruchtlos ausgepfändet werden, von der Erfüllung der Dienstpflicht ausgeschlossen sind; wird der Zustand, der den Ausschluss veranlasst hat, aufgehoben, so entscheidet die Wahlbehörde, ob der Ausgeschlossene wieder zur Dienstleistung zugelassen werden darf. Unteroffiziere, die in Konkurs fallen oder fruchtlos ausgepfändet werden, sind für die Dauer dieses Zustandes von der Erfüllung der Dienstpflicht ausgeschlossen. Ferner bestimmt ein Bundesratsbeschluss vom 2. Juni 1894 (A. S. 14, 252), dass das Dienstverhältnis von Beamten und Angestellten der Bundesverwaltung, die in Konkurs geraten oder gegen die in einer Betreibung auf Pfändung ein Verlustschein ausgestellt wird, vom Tage der Bekanntmachung des Konkurses oder der Ausstellung des Verlustscheines an ein provisorisches wird. Im Falle der Ausstellung eines Verlustscheines kann aber der Bundesrat in Würdigung der Verhältnisse anders entscheiden. In allen Fällen behält sich der Bundesrat weitere Verfügungen vor.

Im übrigen bestimmen sich die öffentlichrechtlichen Folgen des Konkurses und. der fruchtlosen Pfändung nach kantonalem Recht. Die Kantone haben von der ihnen durch Art. 26 SchKG eingeräumten Befugnis einen sehr verschiedenen Gebrauch gemacht. In der Mehrzahl der Kantone wird eine Einstellung in der bürgerliehen Ehrenfähigkeit vorgesehen. Diese äussert sich hauptsächlich im Ausschluss vom aktiven Stimm- und Wahlrecht und vom passiven Wahlrecht. Ausserdem sind aber vielfach noch weitere Nebenfolgen vorgesehen, nämlich : Unfähigkeit zur Bekleidung bestimmter öffentlicher Ämter, zur Ausübung patentierter Berufsarten (Fürsprecher, Notare, Geometer), Ausschluss von der Mitgliedschaft an der Börse, Unfähigkeit zum Betrieb eines Wirtschaftsgewerbes 'oder zur Erlangung eines Jagdpatentes, ferner gewisse zivilprozessuale Folgen (Kostenversicherungspflicht, Beschränkung in der Zeugen- und Eidesfähigkeit). Diese Nebenfolgen werden in einigen Kantonen als sekundäre Folgen der Einstellung im Aktivbürgerrecht, in andern als direkte Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung geregelt. Eirio sekundäre Folge der Einstellung stellt auch das ZGB in Art. 384, Absatz 2, auf, wonach als Vormund nicht wählbar ist, wer nicht

299 im Besitze der bürgerlichen Ehren und Rechte steht. Endlich ist darauf hinzuweisen, dass in den meisten Kantonen die Einstellung oder schon die Tatsache der Zahlungsunfähigkeit im Amtsblatte oder auf andere Weise publiziert wird, was nach der bundesgerichtlichen Praxis ebenfalls einen speziellen Teil der öffentlichrechtlichen Folgen darstellt.

Im folgenden werden nur diejenigen Bestimmungen zusammengestellt, die sich auf den Ausschluss vom aktiven Stimmund Wahlrecht infolge Konkurses oder fruchtloser Pfändung beziehen. *) *) Z ü r i c h : Staatsverfassung, Art. 18, Ziffer 3 (revidiert am 2. April 1911); Ausführungsgesetz zum BG über Seh. und K., vom 27. Mai 1913, § 17 ; Verordnung betreffend Einstellung von Konkursiten im Aktivbürgerrecht, vom 27. Mai 1913. -- B e r n : Gesetz über die öffentlichrechtlichen Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung, vom 1. Mai 1898; Verordnung betreffend die öffentlichrechtlichen Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung, vom 3. November 1914. -- L uz e r n': Gesetz betreffend Anwendung des BG über Seh. und K., vom 30. November 1915. -- Uri: Kantonsverfassung, Art. 23 und 24 (revidiert am 3. Mai 1891); Einführungsgesetz zum BG über Seh. und K., vom 3. Mai 1891, Art. 99/100. -- S c h w y z : Eiuführungsgesetz zum BG über Seh. und K., vom 31. Mai 1912, Art. 85 bis 94. -- O b w a l d e n : Kantonsverfassung vom 27. April 1902, Art. 21 ; Vollziehungsverordnung zum BG über Seh. und K., vom 23. April 1891, Art. 83; Landsgemeindebeschluss betreffend teilweise Abänderung des Strafrechts, vom 26. April 1908. -- N i d w a i d e n : Einfuhrungsverordnung zum BG über Seh. und K., vom 19. April 1913, §§ 55 ff. -- G l a r u s : Kantonsverfassung vom 22. Mai 1887, Art. 23 ; Einftthrungsgesetz zum BG über Seh. und K., vom 6. Mai 1906, §§ 56 ff.; Regierongsratsbeschluss betreffend die Ehrenfolgen während der Dauer der Kriegswirren, vom 22. Oktober 1914. -- Z u g : Verfassung vom 31. Januar 1894, Art. 27; Einführungsgesetz zum BG über Seh. und K., vom 5. Oktober 1891i §§ 70 ff. ; Gesetz betreffend das Verfahren bei Wahlen und Abstimmungen, vom 17. April 1902, §2. -- F r e i b u r g : Constitution cantonale, du 7 mai 1857, art. 26; loi concernant l'exécution de la loi fédérale sur la poursuite etc., du 11 mai 1891, art. 48/52. -- S o l o t h u r n : Gesetz
betreffend die öffentlichrechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses, vom 20. August 1893 ; Regierungsratsbeschluss vom 2. Oktober 1914, betreffend Nichteinstellung des Schuldners im Aktivbürgerrecht bei den durch die derzeitige wirtschaftliche Lage verursachten Auspfändungen und Konkursen. -- B a s e l s t a d t : Gesetz betreffend Aufhebung der öffentlichrechtlichen Ehrenfolgen von Konkurs und Auspfändung, vom 10. Juni 1915. -- B äs e Hand: Einführungsgesetz zum BG über Seh. und K., vom 31. August 1891, §§ 35 bis 37, 40--41; Einführungsgesetz zum ZGB, vom 30. Mai 1911, §§ 26/27. -- S c h a f f h a u s e n : Kantonsverfassung, Art. 5 (revidiert am 22. August 1892); Strafgesetznovelle vom 9. November 1891, §§ 288--288 d; Wahlgesetz vom 15. März 1904, Art. 8. -- A p p e n z e l l A . -Kh. : Einführungsgesetz zum SchKG, vom 27. April 1913, Art. 34--40; Strafgesetz vom 28. April 1878, Art. 121--126. -- A p p e n z e l l I.-Rh.: Kantonsverfassung vom 24. November 1872. Art. 16; Strafgesetz vom 30. April 1899, Art. 132, 186 bis 139. -- St. G a l l e n : Gesetz betreffend die Einführung des BG über Seh.

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1. la bezug auf den E i n t r i t t des A u s s c h l u s s e s vom a k t i v e n S t i m m - und W a h l r e c h t sind in den kantonalen Rechten drei verschiedene Systeme zu unterscheiden: a. K o n k u r s und f r u c h t l o s e P f ä n d u n g als solche z i e h e n n i c h t d e n A u s s c h l u s s vom A k t i v hürge r r echt n a c h sich. Ein Au ss chi u ss k a n n l e d i g l i c h d u r c h strafgerichtliches Urteil verhängt werden, wenn e i n e s t r a f b a r e H a n d l u n g v o r l i e g t . Dieses System findet sich in Genf, Neuenburg, Schaffhausen, Baselstadt und Ausserrhoden. Zürich, Waadt und G-larus lassen wenigstens im Falle der fruchtlosen Pfändung (im Gegensatz zum Konkurs) nur bei Vorliegen einer strafbaren Handlung Ehrenfolgen eintreten.

Im einzelnen ist auf das Recht folgender zwei Kantone hinzuweisen : Baselstadt ist erst durch das Gesetz vom 10. Juni 1915 betreffend Aufhebung der öffentlichrechtlichea Ehrenfolgen von Konkurs und Auspfändung zu diesem System übergegangen. Der § l, Absatz l, dieses Gesetzes lautet: ,,Die fruchtlose Pfändung und der Konkurs als solche ziehen, abweichende gesetzliche Einzelbestimmungen vorbehalten, keine Stillstellung in der Ausübung bürgerlicher Rechte nach sich.a und K., vom 22. September 1911, Art. 45 ff. ; Regierungsratsbeschlüsse yom 25. November 1912 und 24. April 1914; Kreisschreibeu des Regierungsrates betreffend die Bestrafung der fruchtlos betriebenen Schuldner und der Falliten, vom 25. September 1914. -- G r a u b ü n d e n : Gesetz betreffend die öffentlichrechtlichen Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung, vom 1. Januar 1895; Verordnung betreffend die öffentlichrechtlichen Folgen etc. vom 30. September 1914 (nebst Kreisschreiben des Kleinen Rates vom 9. Oktober 1914 und 27. Juli 1915). -- A a r g a u: Staatsverfassung vom 23. April 1885, Art. 13; Gesetz betreffend die Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung, vom 28. Mai 1894; Verordnung betreffend die öffentlichrechtlichen Folgen etc. während der Zeit der Kriegswirren, vom 21. Dezember 1914. -- T h u r g a u : Einführungsgesetz zum BG über Seh. und K., vom 3. Blai 1891, §§ 81--89. -- T e s s i l i : Costituzione Cantonale, del 23 giugno 1830, art. 18; Legge di revisione della Legge Cantonale d'attuazione ecc. in tema di Esecuzione e Fallimento, del 8 marzo
1911 (art. 38--43); Legge sull'esercizio dei diritti politici, del 15 luglio 1880, art. 4. -- W a a d t : Constitution cantonale, du l«"1 mars 1885, art. 24; loi concernant la mise en vigueur de la loi fédérale sur la poursuite etc., du 16 mai 1891, art. 38. -- W a l l i s : Loi du 23 mai 1908 sur les élections et votations, art. 5, lit. a; arrêté du Conseil d'Ktat relatif aux conséquences de droit public attachées aux actes de défaut de biens délivrés durant l'état de guerre, du 9 octobre 1914. -- N e u e n b u r g : Constitution cantonale, art. 33 (revidiert am 22. Januar 1882); loi pour l'exécution de la loi fédérale sur la poursuite etc., du 22 mars 1910, art.

28--32; loi sur les élections et votations, du 22 novembre 1894, art. 4. -- G e n f : Constitution cantonale, du 24 mai 1847, art. 24; loi d'application de la loi fédérale sur la poursuite etc.. du 16 mars 1912, art. 24--31.

301 [n Ausserrhoden hat das Konkursamt in jedem Konkursfalle nach Schiusa des Konkursverfahrens dem Gemeindegerichtspräsidenten zuhanden der Untersuchungsbehörde einen Bericht über das Ergebnis der konkursrechtlichen Liquidation, unter Anführung der Wahrnehmungen über die vermutlichen Ursachen der Zahlungsunfähigkeit, einzureichen. Nach § 124 StGB ist auch der einfache Bankerott strafbar, also auch solche Fälle, wo die Voraussetzungen des betrüglichen oder des leichtsinnigen Bankerotts nicht vorliegen. Die Strafe für den einfachen Bankerott ist Gefängnis bis auf 14 Tage, mit oder ohne Geldbusse bis auf 40 Fr., zugleich mit Herabsetzung in den bürgerlichen Ehren und Rechten (darunter fällt der Verlust des Passivwahlrechts, n i c h t aber der Ausschluss vom aktiven Stimm- und Wahlrecht) ; auch kann der Schuldner mit Wirtshausverbot belegt werden. Wo eine Verschuldung nicht vorliegt oder in den Lebensschicksalen oder Familienverhältnissen des Schuldners ein Milderungsgrund liegt, kann auch nur auf Herabsetzung in den bürgerlichen Ehren und Rechten erkannt oder von einer Bestrafung gänzlich Umgang genommen werden. Der ausgeschätzte Schuldner wird wie der Fallit bestraft.

b. Ein Ausschluss vom A k t i v b ü r g e r r e c h t k a n n auch eintreten, wenn keine s t r a f b a r e H a n d l u n g v o r liegt. V o r a u s s e t z u n g des A u s S c h l u s s e s ist a b e r , dass e r d u r c h e i n e B e h ö r d e i n e i n e m b e s o n d e r n V e r fahren nach Prüfung des Einzelfalles verhängt w e r d e . Dabei steht der erkennenden Behörde die Möglichkeit offen, aus bestimmten Gründen von der Verhängung der Ehrerifolgen Umgang zu nehmen. Die Verschuldensfrage wird vor dem Eintritt der Ehrenfolgen geprüft. Dieses System findet sich in den Kantonen Schwj'z, Tessin, Freiburg, beiden Unterwaiden, 'St. Gallen, Thurgau und Innerrhoden, ferner nur für den Fall des Konkurses in Waadt. In bezug auf- das Verfahren, sowie auf die Umschreibung des Verschuldens und die Regelung der Beweislast weisen die einzelnen kantonalen Rechte wesentliche Verschiedenheiten auf.

In S c h w y z bildet ein Antrag des Gläubigers die Voraussetzung für die Einleitung dieses Verfahrens ; stellt der Gläubiger keinen Antrag, so treten auch keine Ehrenfolgen ein (ausser wenn eine strafbare Handlung vorliegt). Der Gläubiger kann binnen
40 Tagen nach der Ausstellung des Verlustscheins beim Bezirksgerichtspräsidenten schriftlich das Begehren um Einstellung des Schuldners im Aktivbürgerrecht stellen ; der Schuldner kann dann eine Vernehmlassung mit den Entlastungsbeweisen

302 «inreichen, worauf eine Erwiderung des Gläubigers und eine Duplik des Schuldners folgen können. Das Bezirksgericht entscheidet ohne mündliche Parteiverhandlung auf Grund der Akten, der Entscheid ist zu motivieren und kann vom Staatsanwalt und von den Parteien an das Kantonsgericht weitergezogen werden.

Die Einstellung soll nicht stattfinden bei Personen, bei denen der Konkurs oder die Auspfändung ohne ihr Selbstversohulden eingetreten ist. Die Gerichtskosten vergütet die Bezirkskasse; im Fall der Abweisung des Begehrens kann' der Gläubiger zur Rückerstattung der Gerichtskosten verurteilt werden ; erfolgt die Einstellung des Schuldners, so ist dieser zur Rückvergütung der Gerichtskosten verpflichtet, wobei eine Rehabilitation erst nach der Rückvergütung stattfinden soll.

In F r ei b ü r g hat das Betreibungs- und Konkursamt innert drei Monaten nach der Konkurseröffnung oder Ausstellung des Veiiustscheins den Schuldner, ,,s'il lui paraît non excusable" oder wenn ein Gläubiger es verlangt, dem korrektionellen Gerichte zu überweisen. Das Gericht hat zu erklären, ob der Schuldner .,non excusable" ist, in welchem Falle es seine Zahlungsunfähigkeit feststellt und ihn, abgesehen von allfälligen andern Strafen, zum Verlust seiner politischen Rechte verurteilt. Die Kosten des Verfahrens trägt der Staat. Der Schuldner ist unentschuldigt, wenn ein Betreibungs- oder Konkursdelikt vorliegt oder ,,wenn die durch den Verlustschein erwiesene Schuld die Folge eines schweren Fehlers ist, insbesondere wenn sie eine strafrechtliche Verurteilung oder die Rückerstattung von Geldern zur Grundlage hat, welche in der Ausübung einer öffentlichen Beamtung oder Anstellung, sowie einer Vogt- oder Vormundschaft in Empfang genommen wurden".

Im Kanton W a a d t hat das Konkursgericht im Schlusserkenntnis festzustellen, ,,si le failli a justifié des pertes qu'il a fait essuyer à ses créanciers par des pertes accidentelles, qu'il aurait lui-même éprouvées" ; verneint es dies, so hat es dio Ehrenfolgen zu verhängen. Der Entscheid kann an das Kantonsgericht weitergezogen werden. Ähnlich ist die Regelung der Ehrenfolgen im T e s s i n : Der Pretore hat nach Anhörung des Gemeinschuldners und der Konkursverwaltung im Schlusserkenntnis festzustellen, ,,se le perdite subite dai creditori appaiono o meno giustificate da altre sofferte
dal fallito senza sua colpa". Im Falle der Auspfändung hat im Tessin das Betreibungsamt von Amtes wegen dem Pretore Bericht zu erstatten, worauf der Pretore in entsprechender Weise wie beim Konkurs sich über die Ent-

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schuldbarkeit auszusprechen und gegebenenfalls den Entzug der politischen Rechte zu verhängen hat. Der Entscheid des Pretore kann an die kantonale Aufsichtsbehörde weitergezogen werden.

In ähnlicher Weise wie im Tessin ist auch in Obwalden, Nidwaiden, St. Gallen, Thurgau und Innerrhoden das Betreibungsund Konkursamt verpflichtet, jeden Fall von Konkurs oder fruchtloser Pfändung von Amtes wegen dem Gerichte, bezw. der Behörde, die über die Bhrenfolgen entscheidet, zu unterbreiten und über den Fall Bericht zu erstatten. Diese Behörde gibt in der Regel dem Schuldner Gelegenheit zur Vernehmlassung und nimmt von Amtes wegen die erforderlichen Erhebungen vor. In O b w a l d e n erstattet das Betreibungs- und Konkursamt dem Polizeigerichte Bericht, sobald die Ursachen der Zahlungsunfähigkeit tunlichst ausgemittelt sind; eine Einstellung im Aktivbürgerrecht tritt in den Fällen nicht ein, ,,auf welche sie wegen offenbaren Nichtverschuldens als nicht anwendbar erklärt wirda. In N i d w a i d e n erfolgt erst nach durchgeführter Liquidation oder nach Ausstellung des definitiven Verlustscheins die Überweisung an das Kantonsgericht; eine Einstellung findet nicht statt in Fällen, ,,in welchen sie wegen offenbaren Nichtverschuldens oder geringen Selbstverschuldens als nicht anwendbar erklärt wird a . In St. G a l l e n gibt das Betreibungsamt dem Gemeinderat von jeder fruchtlosen Betreibung Kenntnis. Der Gemeinderat belegt den Schuldner mit Einstellung, sofern sich dieser nicht über Schuldlosigkeit am ökonomischen Zerfall auszuweisen vermag. Im Falle des Konkurses erstattet das Konkursamt dem Gerichte Bericht über die Ursachen, den Verlauf und das Ergebnis des Konkurses, sowie über ein allfälliges Verschulden des Gemeinschuldners. Das Gericht bestraft den Gemeinschuldner, wenn ihn ein Verschulden am Konkurse trifft, mit Einstellung im Aktivbürgerrecht. Im T h u r g a u hat das Betreibungs- und Konkursamt nach dem Schluss des Pfändungsverfahrens, bezw.

gleichzeitig mit dem Schlussberichte dem Bezirksgericht einen Bericht über die Ursachen der Zahlungsunfähigkeit, über die Grosse des Verlustes der Gläubiger, über" den Grad des Verschuldens, die Lebensweise und den Leumund des Schuldners einzureichen. Die Gläubiger und der Schuldner können von diesem Berichte während einer Frist von 10 Tagen Einsicht nehmen und,
gegen Leistung eines Kostenvorschusses, beim Gerichtspräsidenten das Begehren stellen, dass im Wege des Untersuchungsverfahrens die zur nähern Feststellung der tatsächlichen Verhältnisse dienlichen weitern Erhebungen veranstaltet werden.

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Das Bezirksgericht entscheidet in freier Würdigung der Akten über den Eintritt und die Dauer der Einstellung. Die Einstellung soll erfolgen, wenn der Schuldner die Verschlimmerung seiner Vermögenslage durch eigene Schuld verursacht hat. Dem Schuldner und den Verlustgläubigern steht, gegen Sicherstellung der Kosten, das Recht der Beschwerdeführung beim Obergerichte zu. In I n n e r r h o d e n wird jeder Konkursit, der sich nicht über Schuldlosigkeit am ausgebrochenen Konkurse auszuweisen vermag, mit Einstellung im Aktivbürgerrecht bestraft. Von jeder fruchtlosen Betreibung hat das Betreibungsamt dem Bezirksgerichte Kenntnis zu geben ; dieses belegt auf Verlangen eines geschädigten Gläubigers den Schuldner mit der Einstellung, sofern or sich nicht über Schuldlosigkeit am ökonomischen Zerfall auszuweisen vermag.

c. Die E i n s t e l l u n g im A k t i v b ü r g e r r e c h t t r i t t u n m i t t e l b a r mit der Tatsache der Konkurseröffn u n g , b e z w . d e r A u s s t e l l u n g e i n e s d e f i n i t i v e n Verl u s t s c h e i n e s o d e r m i t d e r e n P u b l i k a t i o n ein. Dieses System der a u t o m a t i s c h e n Einstellung findet sich in Glarus (nur für den Fall des Konkurses!, Zug, Baselland, Solothurn, Aargau, Bern, Graubünden, Uri, Wallis und Luzern.

In Bern findet die Publikation, und damit der Eintritt der Ehrenfolgen, im Falle der Auspfändung drei Monate nach der Ausstellung des Verlustscheins statt; bei dessen Ausstellung wird der Schuldner auf diese Frist und auf die Folgen aufmerksam gemacht. In Graubünden erfolgt die Publikation sechs Wochen nach dem Vollzug der Pfändung. In Baselland hat die Veröffentlichung und damit der definitive Eintritt der Einstellung frühestens 30 Tage nach Ausstellung des Verlustscheins, bezw. nach Durchführung des Konkurses stattzufinden ; die Publikation wird verschoben, wenn der Schuldner inzwischen das Gesuch um Aufhebung oder Verkürzung der Ehrenfolgen gestellt hat.

Sämtliche zu dieser Gruppe gehörenden Kantone, mit Ausnahme von L u z e r n , sehen die Möglichkeit vor, dass der Schuldner im Falle des Nicht Verschuldens die Aufhebung der Ehrenfolgen erwirken kann. Dabei verlangt B a s e l l a n d den Nachweis, dass der Schuldner .,,nicht lediglich durch eigene Schuld" in Konkurs geraten, bezw. ausgepfändet worden sei; dann kann die
Aufhebung der Ehrenfolgen oder eine Verkürzung ihrer Dauer erfolgen. B e r n und G r a u b ü n d e n verlangen den Nachweis, ,,dass die Zahlungsunfähigkeit ohne eigenes Verschulden eingetreten ist"; ebenso fordert A a r g au den Nachweis, .,dass in bezug auf

305 den Konkurs oder die Auspfändung den Schuldner kein Verschulden trifft"1. S o l o t h u r n gestattet die Wiedereinsetzung bei Personen, ,,die unverschuldet der fruchtlosen Pfändung oder dem Konkurse verfallenv~. G l a r u s verlangt vom Konkursiten den Nachweis, ,,dass die Zahlungsunfähigkeit lediglich durch unverschuldete Unglücksfälle herbeigeführt worden ist"1. Wall i s gestattet die Wiedereinsetzung, ,,wenn die Zahlungsunfähigkeit die Folge höherer Gewalt oder ererbter Schulden ista. Uri gestattet die sofortige Aufhebung der Ehrenfolgen, ,,wenn die Zahlungsunfähigkeit sich als eine direkte Folge unverschuldeter Unglücksr fälle erweist" :, nach sechs Jahren kann die Aufhebung erfolgen bei Schuldnern, ,,welche durch Missgeschick, ohne direktes Verschulden und ohne im Verdachte betrügerischer Handlungen zu stehen, ins Falliment geraten sind1''. In Zug tritt der Entzug des Stimmrechts mit der Konkurseröffnung, bezw. mit der Ausschreibung des Ausgepfändeten im Amtsblatt ein. Doch wird der Ausgepfändete nur dann ausgeschrieben, wenn ein zu Verlust gekommener Gläubiger es unter Einsendung der Gebühr verlangt.

Ist die Insolvenz ganz oder teilweise unverschuldet, so kann der Entzug des Stimmrechts auf Gesuch des Schuldners vom Gericht entweder gänzlich erlassen oder auf Ì.--10 Jahre beschränkt werden.

Der Schuldner, der, gestützt auf seine Schuldlosigkeit, die Aufhebung der Ehrenfolgen verlangt, muss beim Richter ein schriftliches Gesuch einreichen. Über die Verschuldensfrage entscheidet der Richter nach freiem Ermessen; in den meisten dieser Kantone hat er einen Bericht des Betreibungsamtes einzuverlangen und den Gläubigern Gelegenheit zu geben, sich über das Begehren zu äussern ; er hat allfällige weitere Erhebungen von Amtes wegen vorzunehmen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Schuldner direkt oder der Staat mit Rückgriff auf den Schuldner ; in Aargau und Baselland ist das Verfahren gebührenfrei. In den meisten Kantonen ist gegen den erstinstanzlichen Entscheid ein Rekurs an das Obergericht vorgesehen.

Im Anschluss an diese dritte Gruppe ist zu erwähnen, dass einige Kantone d e n a u t o m a t i s c h e n E i n t r i t t e i n e r p r o v i s o r i s c h e n E i n s t e l l u n g im Aktivbürgerrecht kennen. In Zürich tritt mit dem Konkurserkenntnis eine Einstellung für die Dauer des
Konkursverfahrens ein; nachher wird der Schuldner nur bei Vorliegen einer strafbaren Handlung durch strafgerichtliches Urteil eingestellt. In den Kantonen Tessin, Thurgau und St. Gallen hat die Konkurseröffnung eine provisorische Einstellung-

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zur Folge, die bis zum Entscheid der Behörde über Eintritt oder Nichteintritt der definitiven Einstellung andauert. Im Thurgau tritt auch im Falle der Auspfändung mit dem Schluss des Pfändungsverfahrens bis zur Entscheidung des Gerichts über die definitive Einstellung eine provisorische Einstellung ein. In Baselland ist der Schuldner während der Dauer des Konkursverfahrens provisorisch eingestellt; definitiv wird die Einstellung mit ihrer Publikation nach der Durchführung des Konkurses.

2. Hinsichtlich der V o r a u s s e t z u n g e n des Ausschlusses vom Aktivbürgerrecht ist noch auf folgende Bestimmungen hinzuweisen : Gemäss Art. 173. Absatz 2, ZGB dürfen Ehrenfolgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses aus dem Grunde, dass ein Ehegatte gegenüber dem andern zu Verlust gekommen ist, nicht ausgesprochen werden.

Bei M i n d e r j ä h r i g e n treten keine Ehrenfolgen ein in Bern, Luzern, Uri, Schwyz, Zug, Solothurn, Graubünden und Aargau.

Glarus und Tessin bestimmen, dass im Konkurse einer Kollektiv-, Kommandit-, Kommanditaktiengesellschaft oder Genossenschaft die Ehrenfolgen bei den unbeschränkt haftenden Mitgliedern eintreten. In -Ausserrhoden sind im Konkurse von P e r s o n e n v e r b ä n d e n jeder Art die Strafbestimmungen auf die Einzelpersonen der Verwaltungs- und Aufsichtsorgane anzuwenden. Bezüglich der Betreibungs- und Konkursdelikte stellen, auch andere Kantone fz. B. Schaff hausen) eine ähnliche Bestimmung auf.

Bern, Solothurn, Baselland, Graubünden und St. Gallen schreiben vor, dass w e g e n d e r g l e i c h e n F o r d e r u n g nur e i n m a l E h r e n f o l g e n e i n t r e t e n dürfen.

Graubünden und Baselland bestimmen ferner, dass w ä h r e n d d e r D a u e r e i n e r E i n s t e l l u n g d e r Schuldner n i c h t n e u e r d i n g s im Aktivbürgerrecht eingestellt werden darf.

St. Gallen schreibt in Art. 63, Absatz 3, des EG vom 22. September 1911 vor : ,,Tritt während der Dauer einer wegen fruchtloser Betreibung erfolgten Einstellung im Aktivbürgerrecht eine neue Bestrafung ein, so ist der Entzug des Aktivbürgerrechts um 6 bis 12 Monate zu verlängern; die Gesamtdauer einer solchen ununterbrochenen Einstellung darf vier Jahre nicht übersteigen.a Wenn während dieser Strafdauer durch ein neues Urteil die Maximaldauer der Einstellung von vier Jahren über-

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sehritten würde, so darf eine neue Bestrafung und Publikation des fruchtlos gepfändeten Schuldners nicht erfolgen. Nach Ablauf einer vierjährigen Strafdauer kann dagegen im Falle einer neuen fruchtlosen Betreibung der Schuldner neuerdings mit Einstellung bestraft werden (Hegierungsratsbeschluss vom 25. November 1912).

3. Die D a u e r der Einstellung im Aktivbürgerrecht hat eine sehr verschiedene Regelung erfahren.

U n b e g r e n z t ist die Dauer der Einstellung in Freiburg und Wallis. In Zug kann die Einstellung auf l--10 Jahre beschränkt oder gänzlich erlassen werden, wenn die Insolvenz ganz oder teilweise unverschuldet ist. In Uri können nach 6 Jahren Falliten, welche durch Missgeschick, ohne direktes Verschulden und ohne im Verdachte betrügerischer Handlungen zu stehen, ins Falliment geraten sind, wieder ins Aktivbürgerrecht eingesetzt werden. In Schwyz kann das Kantonsgericht auf Antrag des Bezirksgerichts auf statthafte Gründe hin nach Ablauf von 5 Jahren seit der Einstellung die Rehabilitation aussprechen. In Obwalden kann die Einstellung zeitlich begrenzt werden, wenn nur ein geringer Grad von Selbstverschulden nachgewiesen ist; ferner ist laut dem Landsgemeindebeschluss vom 26. April 1908 nach 10 Jahren eine Wiedereinsetzungmöglich.

Andere Kantone sehen von vorneherein eine E i n s t e l l u n g a u f Z e i t vor, wobei die D a u e r g e s e t z l i c h g e n a u f e s t g e l e g t ist: Luzern 10 Jahre, Glarus (für den Konkursiten)' 10 Jahre, Graubünden 6, Baselland 5 und Solothurn 4 Jahre, Bern 6 Jahre (bei Konkurs) und 3 Jahre (bei Auspfändung), Aargau 6 Jahre (bei Konkurs) und 2 Jahre (bei Auspfändung).

In Zürich erstreckt sich die Einstellung des Konkursiten nur auf die Dauer des Konkursverfahrens.

In denjenigen Kantonen, wo die Ehrenfolgen durch eine Behörde nach Prüfung des Falles verhängt werden, entscheidet meistens diese Behörde über die Dauer der Einstellung, wobei sie auf den Grad des Verschuldens Rücksicht zu nehmen hat. Folgende Kantone stellen für die Dauer der Einstellung ein Maximum, zum Teil auch ein Minimum, auf: Nidwaiden (l--10' Jahre), Waadt (bis zu 10 Jahren), Tessin (bei Konkurs 2--5, bei Auspfändung l--3 Jahre), St, Gallen (1--3), Innerrhoden (bei Konkurs l--3, bei Auspfändung l--2 Jahre). Im Thurgau entscheidet das Gericht nach freiem Ermessen über die Dauer.

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In Bern und Solothurn werden die gesetzlichen Fristen von 6, bezw. 3 und 4 Jahren zur Dauer einer allfällig durch Straturteil wegen eines Betreibungs- oder Konkursdeliktes ausgesprochenen Einstellung hinzugerechnet.

In Bern wird die Dauer der Ehrenfolgen für jeden '/» der Gesamtschuld, den der Schuldner nachweisbar bezahlt hat, um '/3 abgekürzt. Glarus und Tessin lassen nach Ablauf der Hälfte der Einstellungsdauer eine Rehabilitation zu, wenn der Fallit sich seither unklagbar betragen hat und die Hälfte der im Konkurs beteiligten Gläubiger, die zugleich die Hälfte der Forderungen repräsentieren, sich mit dem Rehabilitationsbegehren einverstanden erklären. In Luzern tritt eine Wiedereinsetzung nach 5 Jahren ein, wenn der Schuldner sich ausweist, die Hälfte jeder Verlustforderung getilgt zu haben ; sind mehrere Yerlustscheine ausgestellt worden, so läuft die Frist vom letzten Verlustscheine an.

In St. Gallen kann die Rehabilitation auch erfolgen, wenn in der Fortdauer des Entzuges des Aktivbürgerrechts eine aussergewöhnliche Härte liegt und der Schuldner durch Wohlverhalten und ernste Bemühung, die Gläubiger zu befriedigen, sich der Rehabilitation würdig aeigt.

Endlich ist darauf hinzuweisen, dass gemäss Art. 26, Abs. 2, SchKG die Aufhebung der öffentlichrechtlichen Folgen stets einzutreten hat, wenn der Konkurs widerrufen wird, oder wenn sämtliche, zu Verlust gekommene Gläubiger befriedigt sind oder der Rehabilitation beistimmen.

4. Die Kantone sind frei, die in e i n e m a n d e r n K a n t o n e a u s g e s p r o c h e n e n E h r e n f o l g e n des Konkurses oder der fruchtlosen Pfändung anzuerkennen oder nicht. Ebenso ist es ihnen anheimgestellt, die Tatsache, dass eine fruchtlose Betreibung oder ein Konkurs in einem andern Kanton stattgefunden hat, zu berücksichtigen oder nicht. Wenn sie aber, indem sie von dieser Befugnis Gebrauch machen, die in einem andern Kanton in Konkurs Geratenen oder Ausgepfändeten auch im eigenen Kanton als solche behandeln, so müssen sie es im ganzen Umfange tun und diese Schuldner in allen Beziehungen ihren einschlagenden Gesetzesbestimmungen unterstellen (BGE 27, I, 7 ff.).

Eine gesetzliche Regelung findet sich nur in Baselstadt, wo Konkurs und fruchtlose Pfändung als solche keine Stillstellung im Aktivbürgerrecht nach sich ziehen. ,,Diese Bestimmung gilt im
hiesigen Gebiet auch für auswärts wegen Auspfändung und Konkurs erfolgten Stillstellungen in der Ausübung der bürgerlichen Rechte" (Art. l, Abs. 2, des Gesetzes vom 10. Juni 1915).

309 Aus den Antworten der kantonalen Justizdirektionen auf «ine Anfrage, wie es in der Praxis mit den öffentlichrechtlicheri Folgen gehalten wird hinsichtlich solcher Schuldner, die in einem ·andern Kanton in Konkurs geraten oder ausgepfändet worden sind, ergibt sich, dass in den meisten Kantonen keine feste und allgemein durchgeführte Praxis besteht und dieser Frage keine Aufmerksamkeit geschenkt wird. In einzelnen Kantonen werden die neu in eine Gemeinde Eingezogenen in das Stimmregister erst eingetragen, nachdem die Stimmberechtigung durch Vorlage -eines Leumundszeugnisses oder durch eine Anfrage des Registerführers bei der frühern Wohnsitzgemeinde oder bei der Heimatgemeinde festgestellt ist. An andern Orten wird der neu in die Gemeinde Eingezogene als stimmberechtigt anerkannt, sofern nicht anfällig in Erfahrung gebracht wird, dass er eingestellt sei. Ergibt ·es sich, dass er eingestellt ist, so wird er meist so behandelt, wie einer, der im Kanton in Konkurs geraten oder ausgepfändet worden ist. In einigen Kantonen werden die in andern Kantonen erfolgten Einstellungen überhaupt nicht oder doch nur dann, wenn sie auf Grund eines Gerichtsurteils eingetreten sind, berücksichtigt.

5. Für die D a u e r der g e g e n w ä r t i g e n K r i e g s w i r r e n hat der Bundesrat in Art. 24 der Verordnung betreffend Ergänzung und Abänderung des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs für die Zeit der Kriegswirren, vom 28. September 1914, bestimmt : ,,Die Kantonsregierungen können ·die öffentlichrechtlicheri Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses auf dem Verordnungswege feststellen. Sie haben von den von ihnen, gestützt auf diese Ermächtigung erlassenen Bestimmungen dem Bundesrate Kenntnis zu geben. tl Von dieser Ermächtigung haben folgende Kantone Gebrauch gemacht: Graubünden, Solothurn, Wallis, Glarus, Zürich, Bern und Aargau. In allen diesen Kantonen treten sonst die Ehrenfolgen automatisch ein.

In G l a r u s , G r a u b ü n d e n und S o l o t h u r n kann nur ·der Schuldner, der infolge der Kriegsereignisse nicht in der Lage ist, seine Gläubiger zu befriedigen, beim Konkursgericht das Gesuch um Nichtanwendung der Ehrenfolgen stellen. Dem Gesuch ist zu entsprechen, wenn der Schuldner glaubhaft macht, dass «er tatsächlich infolge der Kriegsereignisse an der Erfüllung seiner
Verbindlichkeiten verhindert worden ist. Das Betreibungs- und Konkursamt hat den Schuldner auf diese Bestimmungen schriftlich hinzuweisen und ihm eine Frist von 10 Tagen s* zur EiriBundesblatt. 68. Jahrg. Bd. IV.

310 reichung des Gesuches anzusetzen. Bis zum Ablauf dieser Frist, beziehungsweise bis zur Entscheidung über das Gesuch, ist der Eintritt der Ehrenfolgen sistiert. Das Verfahren ist in Graubünden kostenlos. Auch in Z ü r i c h kann der Schuldner, sofern die Konkurseröffnung ihren Grund ausschliesslicb oder hauptsächlich in der durch die Kriegswirren veranlassten wirtschaftlichen Lage hat, die ihn zurzeit an der Erfüllung seiner Verbindlichkeiten hindert, das Gesuch um Nichtanwendung der Ehrenfolgen stellen.

B e r n bestimmt, dass die Entziehung der bürgerlichen Khreufähigkeit nicht eintreten soll, wenn das Konkurserkenntnis oder die Ausstellung des Verlustscheins nach dem 30. September 1914 erfolgt sind ; die Publikation der fruchtlosen Pfändung soll ebenfalls unterbleiben. Ehrenfolgen sollen nur eintreten, ,,wenn die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners durch dessen Arglist oder grobes Verschulden verursacht worden isttt. Diese Gründe und deren rechtliche Folgen werden durch den Gerichtspräsidenten auf Gesuch des Betreibungsamtes oder eines zu Verlust gekommenen Gläubigers hin festgestellt. A a r g a u hat ebenfalls den automatischen Eintritt der Ehrenfolgen suspendiert, räumt aber dem verlustigen Gläubiger das Recht ein, beim Richter den Nachweis zu erbringen, dass der Schuldner der Rechtswohltat des Nichteintritts der Ehrenfolgen unwürdig sei. Dieser Nachweis hat darin zu bestehen, dass der ökonomische Zusammenbruch des Schuldners nicht eine Folge der durch die Kriegswirren bedingten wirtschaftlichen allgemeinen Notlage ist, sondern durch die Lebens- oder Geschäftsführung des Schuldners ganz oder doch überwiegend verursacht wurde (liederliche, arbeitsscheue Lebensweise; unvernünftiges Geschäffegebahren und dergleichen). Die Klage ist binnen 10 Tagen nach der Konkurseröffnung oder der Ausstellung des Verlustscheins einzureichen; das Verfahren ist gebührenfrei.

Der Staatsrat des Kantons W a l l i s hat durch Beschluss vom 9. Oktober 1914 festgesetzt, dass der gegenwärtige Kriegszustand als Fall höherer Gewalt im Sinne des Art. 5 des Wahlgesetzes zu betrachten ist. Während des Kriegszustandes hat daher die Zahlungsunfähigkeit, welche durch nach dem 1. Oktober 1.914 veröffentlichte Verlustscheine festgestellt ist, weder den Verlust der bürgerlichen Rechte noch die Streichung aus dem Stimmregister zur Folge.

Die übrigen Kantone haben sich nicht veranlasst gesehen, von der Ermächtigung zur Milderung der Ehrenfolgen Gebrauch.

311 zu machen. In St. G a l l e n , wo die Gerichte beziehungsweise Gemeinderäte über den definitiven Eintritt der Ehrenfolgen entscheiden, hat der Regierungsrat am 25. September 1914 ein Kreisschreiben erlassen, womit diese Behörden eingeladen wurden, bei Behandlung solcher Fälle ,,billige Rücksicht und Milde walten zu lassen. "· 6. Baselstadt hat in letzter Zeit eine R e v i s i o n der Regelung der Ehrenfolgen durchgeführt und durch das bereits erwähnte Gesetz vom 10. Juni 1915 die Stillstellung im Aktivbürgerrecht infolge Konkurses oder Auspfändung aufgehoben.

Im Kanton Luzern ist ebenfalls irn Jahre 1915 das Einl'ührungsgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs revidiert worden. Das neue Gesetz, vom 30. November 1915, ist air» 1. Mai 1916 in Kraft getreten. Es hat gegenüber dem früheren Rechtszustand insofern eine Milderung gebracht, als der Verlust des Aktiv- und Passivwahlrechts nicht mehr dauernd ist, sondern auf 10 Jahre beschränkt worden ist; ferner ist bei Tilgung der Hälfte jeder Verlustforderung eine Wiedereinsetzung nach fünf Jahren möglich.

In St. Gallen ist beim Grossen Rate eine Motion anhängig, die auf eine Milderung der Straffolgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses abzielt.

Im Kanton Graubünden hat der Grosse Rat in der letzten Session des Jahres 1915 einstimmig eine Motion erheblich erklärt, welche eine Milderung des Ehrenfolgengesetzes in Aussicht nimmt.

Mit Botschaft vom 22, April 1916 hat der Kleine Rat einen in cliesem Sinne ausgearbeiteten Gesetzesentwurf dem Grossen Rate unterbreitet.

Im Grossen Rat des Kantons Bern wurde ein Postulat Brüstlein und Mitunterzeichner, vom 17. September 1912, das auf eine Revision des Bhrenfolgengesetzes im Sinne einer Milderung der grössten Härten hinzielte, abgelehnt (Tagblatt des Grossen Rates des Kantons Bern, 1912, S. 426, 436 fi.). Wohl aber wurde eine Revision in Aussicht genommen, wonach der Nachweis der unverschuldeten Zahlungsunfähigkeit nicht erst nach erfolgter Publikation, sondern schon vorbei', geleistet werden könnte.

7. Im Anschluss hieran ist auf die Regelung hinzuweisen, die in den V o r e n t w ü r f e n zu e i n e m s c h w e i z e r i s c h e » S t r a f g e s e t z b u c h hinsichtlich der Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit als Nebenstrafe vorgesehen wird.

312 Der Vorentwurf vom April 1908 enthielt in Art. 40 folgende Bestimmung: ,,1. Wer in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt ist, ist unfähig, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen und zu wählen, und er ist nicht wählbar. Er kann nicht Beamter, Vormund oder Wehrmann sein.

,,2. Wer zu Zuchthaus verurteilt wird, wird für mindestens zwei und höchstens zehn Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt.

,,Wer zu Gefängnis verurteilt wird, ist, wenn seine Tat eine gemeine Gesinnung bekundet, für mindestens ein Jahr und höchstens fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit einzustellen.

riDer verwahrte Gewohnheitsverbrecher bleibt zehn Jahre lang in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt.

,,3. Die Zeit des Strafrollzuges und der sichernden Massnahmen wird nicht eingerechnet.tt Der Vorentwurf von 1908 enthielt keine besondern Vorschriften über die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit bei Betreibungs- und Konkursdelikten, sondern es sollte bei den allgemeinen Bestimmungen des Art. 40 sein Bewenden haben. Dagegen betreffen die Strafgesetzentwürfe nur die Einstellung als Nebenstrafe; sie lassen die kantonalrechtlichen Vorschriften über die Einsfeellung infolge Konkurses oder fruchtloser Pfändung unberührt (vgl. Zürcher, Erläuterungen, S. 90 ff., Protokoll der zweiten Expertenkommission, l, 302 ff.).

Der Vorentwurf votn August 1915 sieht folgenden Art. 52 vor: ,,1. Wer zu Zuchthaus verurteilt wird, wird für zwei bis zehn Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt.

,,Wer zu Gefängnis verurteilt wird, kann, wenn seine Tat «ine ehrlose Gesinnung bekundet, für ein bis fünf Jahre in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt werden.

,,Wer als Gewohnheitsverbrecher in eine Verwahrungsanstalt «ingewiesen wird, bleibt zehn Jahre lang in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt.

,,2. Der in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit Eingestellte ist unfähig, in öffentlichen Angelegenheiten zu stimmen und zu ·wählen, und er ist nicht wählbar. Er kann nicht Beamter, Mitglied einer Behörde, Vormund oder Zeuge bei Aufnahme von Urkunden sein.

31B ,,Wer in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit eingestellt wurde, ist dauernd unfähig zum Dienste in der Armee*).

,,3. Die Folgen der Einstellung treten mit der Rechtskraft des Urteils ein. Die Dauer der Einstellung wird von dem Tage an gerechnet, da der Verurteilte endgültig entlassen wurde."

Der Art. 152 des Vorentwurfs 1915 stellt 'sodann für die Ehrenfolgen bei Konkurs- und Betreibungsvergehen folgende Bestimmung auf: ,,Bei den Vergehen der Art. 144, 145, 146, 148, 149, 150 und 151 kann in jedem Falle auf Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit erkannt werden.a Die darin zitierten Artikel betreffen die folgenden Delikte : betrügerischer Konkurs, Pfändungsbetrug, leichtsinniger Konkurs und Vermögensverfall, Bevorzugung eines Gläubigers, Stimmenkauf, Verfügung über gepfändete, mit Arrest belegte oder amtlich aufgezeichnete Sachen, Erschleichung eines Nachlassvertrags.

Der Art. 152 bezieht sich somit auf alle Betreibungs- und Konkursvergehen mit Ausnahme der in Art. 147 unter Strafe gestellten Unterlassung der Buchführung. Die Vorschrift, wonach bei solchen Vergehen in jedem Falle auf Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit «rkannt werden kann, stellt sich als eine Ausnahmebestimmung gegenüber dem in Art. 52 aufgenommenen Grundsatze dar, dass die Nebenstrafe der Einstellung nur dann zu verhängen ist, wenn der Täter zu Zuchthaus verurteilt wird, oder wenn die Tat eine ehrlose Gesinnung bekundet.

III.

Von den verschiedenen öffentlichrechtlichen Folgen des Konkurses und der fruchtlosen Pfändung liegen mehrere vollständig auf kantonalem Boden (Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, Mitgliedschaft an der Börse, Ausübung patentierter Berufsarten, besondere Stellung im Zivilprozessverfahren). Diese Nebenfolgen eignen sich daher nicht für eine bundesrechtlicho Regelung. Für eine solche kommt nur die Frage des Ausschlusses vom öffentlichen Stimm- und Aktiv\vahlreeht in Betracht.

*) Die Strafrechtsexpertenkommission hat diesen Absatz gestrichen.

Sie war dabei der Meinung, dass es zu weit ginge, den bürgerlich Rehabilitierten von der militärischen Rehabilitation schlechthin auszuschliesBen (vgl. Protokoll der Strafrechtsexpertenkomnaission vom 19. Oktober 1915 und Bd. I dieses Protokolls, S. 440).

314 Die Frage des A u s s a h l u s s e s v o m S t i m m - u n d W a h l recht infolge fruchtloser Pfändung öde r Konkurses hängt mit der ganzen Gestaltung des Schuldrechts zusammen.

Fast in allen Staaten, deren Ursprünge weit in die Vergangenheit zurückreichen, nehmen wir wahr, dass auf einer ersten Stufe der Rechtsentwicklung die Schuldexekution sich hauptsächlich gegen die Person des Schuldners richtet. Es mag beispielsweise daran erinnert werden, dass im alten Rom in frühester Zeit der Schuldner, der eine Schuld nicht bezahlte, Leben und Freiheit verwirkt hatte (Tötungsrecht des Gläubigers, Schuldsklaverei), dass im alten germanischen Recht der Schuldner im Falle der Nichtzahlung der Schuld als Missetäter behandelt wurde. So findet man auch in unseren schweizerischen Rechten, zum Teil sogar bis tief in das 19. Jahrhundert hinein, Massnahrnen gegen die Person des Schuldners (Schuldhaft, Verrufung und Verbannung, Ehr- und Wehrlosigkeit. Ausstellung am Pranger, schimpfliche Verpflichtung zum Tragen eines grünen Hutes). Ebenso übereinstimmend ist aber auch die Wahrnehmung, dass, sobald der Güterverkehr sich reicher entwickelt, die Schuldexekution ihren Kurs ändert und sich mehr an das Vermögen des Schuldners zu halten beginnt. Die Zwangsmittel gegen die Person des · Schuldners werden nach und nach beseitigt, und es befestigt sich die grundsätzliche Auffassung, dass dem Gläubiger nicht die Person, sondern nur das Vermögen des Schuldners haftet. So sind in der Schweiz die Falliten im Jahre 1850 als wehrpflichtig erklärt worden; die Bundesverfassung von 1874 hat dann in Art. 59 und 45 den Schuldverhaft abgeschafft und die Ausweisung der Falliten als solcher beseitigt.

Es erscheint aber als ein Widerspruch, dass die Bundesverfassung, die den Schuldverhaft abgeschafft hat und die Freizügigkeit der zahlungsunfähigen Schuldner schützt, den Kantonen nahezu ohne Einschränkung gestattet, den ausgepfändeten Schuldnern und den Konkursiten die bürgerliche Ehrenfähigkeit zu entziehen.

Man kann in diesen Dingen nicht auf halbem Wege stehen bleiben, ohne sieh in Widersprüche zu verwickeln und Ungerechtigkeiten zu begehen. Mit Recht hatte der Bundesrat in seiner Botschaft von 1874 betont: ^Unsere Republik kennt zwei für ihr Wesen und Leben massgebende Institutionen : die allgemeine Wehrpflicht und das allgemeine
Stimmrecht. Beide stehen miteinander im innigsten Zusammenhange. Wer in vaterländischen Dingen sein raassgebendes Wort sprechen kann, soll im Notfall auch dafür mit seiner Person einstehen : aber es soll auch umgekehrt derjenige,

315 welcher im Notfall sein Blut einsetzen muss, nicht stumm sein in der Gemeinde. Wenn man nun einem Teil der Bürger die Wehrpflicht auferlegt, ihnen aber das Stimmrecht entzieht, so vollzieht man in diesem Doppelverhältnis von Recht und Pflicht einen unnatürlichen Bruch ; man erniedrigt den des Stimmrechts Beraubten zum Söldner und man hebt damit im Volk und Heer die Rechtsgleichheit auf. Das alte System war in sich konsequent, indem es die Falliten ehr- und wehrlos machte; das neue aber ist in einem innern Widerspruche befangen, der gelöst werden muss und billigerweise nur so gelöst werden kann, dass man der konstituierten Pflicht ihr korrelatives Recht beigesellt. " Es wider^spricht den einfachsten Begriffen der Gerechtigkeit, wenn in einem Lande die Pflichten und Rechte ungleich verteilt sind, wenn nicht der Pflicht das entsprechende Recht gegenübersteht. An die Tatsache des Ausgetriebenseins den Verlust der bürgerlichen Ehrenfähigkeit zu knüpfen, entspricht aber auch deshalb der Gerechtigkeit nicht, weil sich die Verhältnisse so gestaltet haben, dass ein grosses Falliment weithin Unzahlbarkeit bewirkt und eine Menge von Existenzen ökonomisch gefährdet, so dass auch Personen, die kein Mensch als nicht vollkommen ehrbar betrachtet, in solches Unglück geraten können. Dass die in der gegenwärtigen Gestaltung der Ehrenfolgen bestehende Ungerechtigkeit beseitigt werde, liegt aber auch im Interesse der Befestigung unserer Einrichtungen*), denn jeder Staat, und zumal der demokratische, hat seine einzige feste Grundlage in der Gerechtigkeit seiner Einrichtungen.

Das Land, das die Gleichheit aller Schweizer vor dem Gesetze verkündete und jeden Einfluss der Vermögenslage auf die öffentlichen Rechte verpönt, gerät mit diesen Anschauungen in Widerstreit, wenn es hier in ein Zensussystem vergangener Zeiten .zurückfällt und nach der Vermögenslage Bürger zweiter Klasse schafft**). Der Entzug des Stimmrechts ist nicht vereinbar mit dem Prinzip, ,,dass die Grosse des Privatbesitzes keinerlei Einfluss auf die politische Rechtsfähigkeit der Bürger ausüben soll, *) Vgl. auch folgende Ausführungen der Botschaft vom 2. Juni 1882 : ,,Ein Land kann seiner Zukunft nur dann mit Sicherheit entgegenschauen, ·wenn seine selbstgeschaffeneD Einrichtungen beständig der Willensausdrack der grossen Mehrheit der Bürger sind;
es wird aber diesen Willen nicht zu erkennen vermögen, wenn es ganze Klassen von Bürgern an der Aussprache desselben verhindert."

**) Vgl. Ratschlag der Regierung von Baselstadt betreffend Aufhebung ·der Ehrenfolgen von Konkurs und Auspfändung, vom 10. Oktober 1912, S. 12/13.

316 dass dem Ärmsten und von Habe Entblösstestea im Volke dieselbe politische Ehre zukommt wie dem Reichsten, dass als ein Lump nur der gilt, der sich durch schlechte Handlungen der bürgerlichen Ehre verlustig gemacht hat. Und dieses Prinzip, welches jeder Art von Aristokratie des Besitzes rechtlich den Riegel stösst, trägt unendlich mehr dazu bei, das Ehrgefühl im Volke zu erhöhen, dem momentan Gefallenen das Wiederaufkommen zu erleichtern und selbst die Berichtigung früherer Schulden zu ermöglichen, als jenes künstliche Niederdrücken einzelner ins Unglück Geratener*)."

Es ist nicht das öffentliche Interesse, das heute in den Ehrenfolgen entscheidend mitspricht, sondern der Staat schützt hier wirtschaftliche Privatinteressen mit ganz unverhältnismässigen Zwangsmitteln des öffentlichen Rechts, nur um einen Druck auf die Erfüllung privater Forderungen auszuüben. Es kommt dies darin deutlich zum Ausdruck, dass es im Belieben der Gläubiger steht, über jene Zwangsmittel zu verfügen ; erklären sie, der Rehabilitation zuzustimmen, so kommen die Ehrenfolgen nicht mehr in Frage, mag das Gebaren des Schuldners noch so schuldhaft sein. ,,Die Disposition über die Ehrenrechte liegt nicht in der Hand staatlicher Organe, sondern privater Interessenten und darin liegt die grösste und unverzeihlichste Schwäche der Institution (Ratschlag der Regierung von Baselstadt, S. 13)."

Die Einstellung stellt sich als eine Strafe dar (vgl. Zeitschrift für schweizerisches Recht, 1883, S. 588 ff.). Sie wird auch in mehreren kantonalen Rechten ausdrücklich als Strafe bezeichnet und als solche im Strafgesetzbuch oder unter den Strafbestimmungen des Einführungsgesetzes zum Schuldbetreibungsgesetzegeregelt. Wir verweisen auf folgende kantonale Gesetze : Innerrhoden, Strafgesetz vom 30. April 1899, Art. 132 (,,wird mit Einstellung bestraft") ; Freiburg, EG vom 11. Mai 1891, Art. 49 und 50 (,,Das korrektionelle Gericht verurteilt den Schuldner, abgesehen von allfälligen andern Strafen, zum Verlust seiner politischen Rechte"); St. Gallen, EG vom 22. September 1911T Art. 45 ff. (,,wird mit Einstellung im Aktivbürgerrecht bestraft") ; ferner Schwyz, EG vom 31. Mai 1912, § 85 ff. ; Obwalden, Vollziehungsverordnung zum SchKG vom 23. April 1891, Art. 83, und Nidwaiden, Einführungsverordnung vom 19. April 1913, § 55, wo die Einstellung im Abschnitt ,,Straibestimmungen" des Einführungserlasses zum SchKG geregelt wird. Auch in den, *) Vgl. Botschaft des Bundesrates vom 2. Oktober 1874, S. 14.

317

Materialien zum SchKG werden die Ehrenfolgen als ,,Straffolgena (Bundesbl. 1886, HI, 737, 842, 886) oder als ,,strafähnliche Folgen" (Bundesbl. 1886, II, 77) bezeichnet.

Als Strafe setzt aber die Entziehung des Aktivbürgerrechts ein Verschulden voraus. Liegt ein solches nicht vor, so ist die Strafe überhaupt unverdient. Ist aber ein "solches gegeben, so hängt die Entscheidung der Frage, ob die Einstellung im Stimmund Aktivwahlrecht eine angemessene Strafe sei, davon ab, welcher Charakter und welche Bedeutung diesem Strafinittel beigemessen wird.

Wollte man übrigens die Einstellung im Aktivbürgerrecht wegen Insolvenz nicht als eine Strafe ansehen, so müsste man sie doch als ein dem Schuldverhaft ähnliches Zwangsmittel gegen die Person des Schuldners betrachten. Im einen wie im andern Falle erscheint diese Ehrenfolge als unvereinbar mit dem Grundsätze, dass die Geltendmachung privatrechtlicher Ansprüche nur mit Zwangsmitteln gegen das Vermögen des Schuldners verbunden werden darf. Zwangsmittel gegen die politischen Rechte des Schuldners erscheinen nach unserer Auffassung nicht als zulässig.

Die gegenwärtige Regelung der Ehrenfolgen hat stossende Ungleichheiten zur Folge. Für die Ausländer hat die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit keine Bedeutung; sie verlieren nichts, während es für den Schweizerbürger einen schweren Eingriff in seine persönliche Rechtssphäre bedeutet, wenn er in der Ausübung der politischen Rechte eingestellt wird. Ferner treten, auch wenn die Zahlungsunfähigkeit eine verschuldete ist, keine Ehrenfolgen ein, falls es dem Schuldner gelingt, einen Nachlassvertrag abzuschliessen. Dazu kommt schliesslich, dass die Veränderung der Formen des wirtschaftlichen Lebens neue Ungleichheiten geschaffen hat. Aktiengesellschaften und Genossenschaften betreiben gewaltige Unternehmungen und beanspruchen den Kredit zum Teil in weit höherem Masse als es Einzelpersonen möglich wäre. Aber wenn sie in Konkurs geraten, sind ihre Leiter von vornherein vor den Ehrenfolgen geschützt, die den Einzelkaufmann beim Konkurse treffen können, weil sie ja nicht für sich, sondern für die Gesellschaft gehandelt haben.

Zur Verteidigung des Ausschlusses vom Aktivbürgerrecht wird geltend gemacht, wer in eigener Sache nicht Ordnung halte, solle in öffentlichen Dingen nichts zu sagen haben. Es gibt jedoch zahlreiche Konkurse und Auspfändungen, die gar nicht darauf zurückzuführen sind, dass der Schuldner in seinen Ange-

318 legenheiten nicht Ordnung gehalten hätte; in vielen Fällen hat die Zahlungsunfähigkeit ihre Ursache in ganz andern Momenten, die man dem Schuldner nicht zum Vorwurfe anrechnen kann.

Es wird auch eingewendet, die Beibehaltung der Ehrenfolgew liege im Interesse des kleinen Mannes, der den Kredit nötig habe; denn er werde viel leichter Kredit erhalten, wenn scharfe Bestimmungen bestehen. Wir bezweifeln, dass die Einstellung im Aktivbürgerrech; die Wirkung hat, dass der. Kredit des Schuldners sich erweitert. Zudem fragt es sich, ob überhaupt für den kleinen Mann eine Kreditgewährung nützlich ist, die im Hinblick auf die öffentlichrechtlichen Folgen des Konkurses und der Auspfändung erfolgt. Soll doch niemand über seine realen Verhältnisse hinaus, sondern jeder nur soweit, als seine ökonomische Kraft es rechtfertigt, Kredit erhalten. Im weitern wird der Einwand erhoben, die Gefahr des Verlustes des Aktivbürgerrechts sei für den Schuldner ein Antrieb, seinen Verpflichtungen nachzukommen. Es mag vorkommen, dass die Scheu vor der Einstellung den Schuldner zu ausserordentlichen Anstrengungen stimuliert; die Regel wird aber dies nicht sein. Jedenfalls ist nichts davon bekannt, dass die Schuldner derjenigen Kantonp, die eine Einstellung der Ausgepfändeten und der Konkursiten nicht kennen, in der Erfüllung ihrer Verbindlichkeiten nachlässiger seien als die Schuldner der übrigen Kantone. Wir können daher auch diesen Einwand nicht als stichhaltigb betrachten.

Es entspricht hingegen einem Gebot der Menschlichkeit, wenn man den in Konkurs geratenen oder ausgepfändeten Schuldner nach Kräften unterstützt, wenn er sich aus der schwierigen Lage, in der er sich infolge des Vermögenszerfalls befindet, herauszuarbeiten sucht. Dass der Schuldner sich erholt und zu neuen Kräften kommt, liegt auch im Interesse der Gläubiger. Man verstösst jedoch gegen jene Pflicht und handelt diesem Interesse zuwider, wenn man den Falliten oder ausgepfändeten Schuldner auf Jahre hinaus oder dauernd der politischen Ehre beraubt.

Denn gerade die Ehrenfolgen sind es, die dem Schuldner in vielen Fällen es erschweren, sich wieder aufzurichten.

Endlich ist mit Nachdruck auf den Gesichtspunkt der Rechtseinheit hinzuweisen. Die Wirkung der Auspfändung und des Konkurses auf die Stimmberechtigung soll nicht mehr, sogar in eidgenössischen
Angelegenheiten, je nach den Kantonen verschieden sein. Die bestehende Buntscheckigkeit in der Regelung des Ausschlusses vom Aktivbürgerrecht infolge Zahlungsunfähigkeit hat bei der heutigen Entwicklung des Verkehrs keine Daseinsberech-

319 tigung. Bei der Leichtigkeit, mit der man sich jetzt von einem Kanton in den andern begeben und sich dadurch den Ehren' folgen unter Umständen entziehen kann, ist eine einheitliche bundesrechtliche Ordnung dieser Materie dringend nötig.

Wir gelangen daher zum Schlüsse, dass eine Abänderung und Milderung des gegenwärtigen Rechtszustandes auf dem Wege ·der Bundesgesetzgebung sich als dringend geboten erweist.

IV.

Nachdem die bisherigen Versuche, ein Ausführungsgesetz zum Art. 66 der Bundesverfassung zu erlassen und in diesem Zusammenhang die Frage der Einstellung im Aktivbürgerrecht wegen Konkurses oder fruchtloser Pfändung zu regeln, zu keinem Resultate geführt haben, empfiehlt es sich, diese Frage gesondert zu behandeln und in einem Spezialgesetze zu ordnen. Darüber, dass der Bund zu einer gesetzlichen Regelung dieser Materie zuständig ist, kann im Hinblick auf Art. 66 und 64 der Bundesverfassung kein Zweifel bestehen.

Hinsichtlich der Frage, welches P r i n z i p der b u n d e s r e c h t l i c h e n Regelung zugrunde zu legen ist, ergeben sich zwei verschiedene Möglichkeiten. Das Bundesrecht kann, im Anschluss an die kantonalen Rechte der Gruppe a (vgl. oben sub II, 1) den Grundsatz aufstellen, dass der K o n k u r s und die f r u c h t l o s e P f ä n d u n g als s o I c h e ' k e i n e E i n s t e l l u n g i m Aktiv-b ü r g e r r e c h t n a c h s i c h z i e h e n d ü r f e n . Damit würde man zu einer logischen, konsequenten Regelung gelangen, die einheitliches Recht für das ganze Land schaffen würde. Der ·andere Weg besteht darin, dass das Bundesrecht,, im Anschluss an die kantonalen Rechte der Gruppe b (vgl. oben Ziffer II, 1), auch für gewisse Fälle v e r s c h u l d e t e r Z a h l u n g s u n fähigkeit, in denen eine strafbare H a n d l u n g nicht v o r l i e g t , e i n e E i n s t e l l u n g z u l a s s e n w ü r d e . M i t dieser letztern Lösung würde man sich auf einer Mittellinie bewegen, in der Weise, dass das Bundesrecht bestimmen würde, wie weit im äussersten Falle die Kantone gehen dürfen. Die kantonale Gesetzgebung, die sich innerhalb dieser Schranken bewegt, bliebe unberührt; die kantonalen Erlasse, die über diese Grenze hinausgehen, fielen dagegen, soweit dies der Fall ist, dahin. Dabei könnte vorgeschrieben werden, dass die Einstellung im Aktivbürgerrecht nicht
automatisch eintreten, sondern nur nach vorgängiger Untersuchung des Einzelfalls und Feststellung des Verschuldens durch eine Gerichtsbehörde den Ausgepfändeten oder

320 Konkursiten, der seine Zahlungsunfähigkeit durch eigenes Verschulden verursacht hat, treffen dürfe. Es könnte bestimmt werden, dass eine Präsumtion des Verschuldens nicht statthaft ' sei, und es könnten bezüglich des Gerichtsverfahrens gewisse Garantien geschaffen werden. Ferner wäre die Dauer der Einstellung bundesrechtlich durch Aufstellung einer Maximalgrenze einzuschränken und es müssten die Voraussetzungen umschrieben werden, unter welchen der ausgepfändete Schuldner im Falle einer neuen fruchtlosen Pfändung neuerdings eingestellt werden könnte.

Wir haben uos für die erstere Lösung entschieden, wonach der ausgepfändete Schuldner oder der Konkursit nur bei Vorliegen einer strafbaren Handlung im Stimm- und Aktivwahlrecht eingestellt werden darf.

Vor allem sprechen prinzipielle Erwägungen für diese Lösung und gegen die Zulassung der Einstellung in Fällen, wo die Insolvenz eine verschuldete ist, jedoch eine strafbare Handlung nicht vorliegt. Gestattet man die Einstellung in Fällen, wo die Zahlungsunfähigkeit durch den Schuldner verschuldet, aber nicht durch strafbare Handlungen verursacht wurde, so verzichtet man auf die Verwirklichung der Rechtseinheit in dieser Materie und muss sich damit begnügen, gewisse Schranken aufzustellen, innerhalb welcher die kantonalen Rechte nach wie vor voneinander erheblich al>·weichen würden. Ferner ist zu beachten, dass eine Bestimmung, wonach die verschuldete Zahlungsunfähigkeit auch bei Nichtvorliegen einer strafbaren Handlung mit der Einstellung im Aktivbürgerrecht belegt werden kann, einen Einbruch in die Grundsätze des Strafrechts bildet. Die moderne Strafgesetzgebung nimmt den Standpunkt ein, dass eine Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit nur dann eintreten solle, wenn die strafbare Handlung eine niedrige Gesinnung bekundet. Wenn im übrigen nicht alle Vergehen (nicht einmal Diebstahl, Wucher etc.) notwendigerweise die Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit nach sich ziehen, so lässt es sich umsoweniger rechtfertigen, den zahlungsunfähigen Schuldner, der sich gar keiner strafbaren Handlung schuldig gemacht hat, einzustellen*). Wenn man sagt, das.

*) Der Vorentwurf zu einem schweizerischen Strafgesetzbuch vom August 1915 enthält mit Bezug auf Betreibungs- und Konkursdelikte insofern eine Abweichung von dem allgemeinen Grundsatze des
Art. 52, als er bei diesem die Möglichkeit der Einstellung in der bürgerlichen Ehrenfähigkeit bei Gefängnisstrafe nicht abhängig macht von dem Requisit der ,,ehrlosen Gesinnung" (vgl. Art. 152. VE, 1915).

321 Volk wolle in argen Fällen eine Sühne, die in der Ausschaltung der öffentlichen Rechte bestehe, so ist zu bemerken, dass eben eine Sühne eintreten soll, wenn eine strafbare Handlung vorliegt.

Dieser Volksanschauung ist durch einen ausreichenden strafrechtlichen Schutz, nämlich durch strafrechtliche Ahndung der Betreibungs- und Konkursdelikte, Rechnung zu tragen. Wo es sich um leichtsinnig eingegangene Verbindlichkeiten, um Liederlichkeit des' Schuldners handelt, kann eine Bestrafung auch eintreten, da nach den geltenden Strafgesetzbüchern leichtsinniger Konkurs und leichtsinniges Schuldenmachen strafbar sind*). Ist aber eine strafbare Handlung nicht nachgewiesen, so soll auch keine Einstellung erfolgen; namentlich darf diese nicht zu einer Verdachtsstrafe werden, die dann verhängt wird, wenn der Nachweis einer strafbaren Handlung nicht erbracht werden kann. Im mehrfach zitierten n Ratschlag" bemerkt die Regierung von Baselstadt gewiss mit Recht, sie könne sich der Vermutung nicht entziehen, dass gerade wegen der bisherigen Regelung der Ehrenfolgen eine strafrechtliche Untersuchung viel zu selten Platz greife.

Nicht nur prinzipielle Bedenken, sondern auch Erwägungen der praktischen Durchführbarkeit stehen der Unterscheidung zwischen der unverschuldeten und der verschuldeten nicht strafbaren Insolvenz entgegen. So hatte schon die bundesrätliche Botschaft hierüber ausgeführt: ,,Es wird der Regel nach auch nichts herauskommen. Der Richter ist dabei auf ein vages, willkürliches Moralisieren angewiesen, bei der ihm die Grundlage des Urteils darum mangelt, weil er in das Innere des Haushalts, die treibenden Motive dieser oder jener verhängnisvollen Massregel, die familiären Verhältnisse, welche diese oder jene Ausgabe veranlasst haben mögen, doch niemals mit voller Klarheit hineinzusehen vermag. Solcherlei Urteil ziemt nicht dem irdischen Richter, und es hat etwas Missliches, von solchen willkürlichen Appreziationen die Frage der politischen Existenz eines Bürgers abhängig zu machen. Der Richter soll die rechtliche, nicht aber *) Auch die Vorentwürfe zum schweizerischen Strafgesetzbuch sehen eine Bestrafung des leichtsinnigen Konkurses und Vermögensverfalls vor; so lautet der Art. 146, Abs. l, des Vorentwurfs von 1915: ,,Der Schuldner, der durch argen Leichtsinn, unverhältnismässigen Aufwand,
gewagte Spekulationen oder grobe Nachlässigkeit in der Ausübung seüies Berufes seine Zahlungsunfähigkeit herbeigeführt oder im Bewusstsein seiner Zahlungsunfähigkeit seine Vermögenslage verschlimmert hat, wird, wenn über sein Vermögen der Konkurs eröffnet oder wenn gegen ihn ein Verlustschein ausgestellt worden ist, mit Gefängnis oder mit Busse bestraft."

322 die moralische Verschuldung bestrafen.tl Die Schwierigkeiten der praktischen Durchführung einer solchen Unterscheidung gehen aus folgendem beachtenswerten Passus des Ratschlages der Basler Regierung deutlich hervor: ,,Unser Grundsatz, dass eine Einstellung im Aktivbürgerrecht stattzufinden habe, wenn dem Schuldner ein Verschulden als Ursache des Vermögenszerfalls zur Last gelegt und von der Behörde erwiesen werden könne, lässt sich nun beim Konkurs noch einigermassen durchführen. Hier gestattet der einlässliche allseitige Überblick über die Vermögenslage und das Geschäftsgebaren des Schuldners, welchen die Konkursverwaltung in der umfassenden und längere Zeit beanspruchenden Konkursexekution gewinnt, ein Urteil über die Ursachen des Vermögenszerfalls.

Und darum kann man dem Konkursamt hier die Beweislast für das Verschulden überbürden. Anders in Pfändungsfällen. Nur selten wird hier die Sachlage auf der Oberfläche liegen. In der Mehrzahl der Fälle wird vielmehr der Zufall über Einstellungöder Nichteinstellung entscheiden. Die Berührung mit dem Schuldner und der Einblick in seine Verhältnisse setzen hier nur in Einzelpunkten ein ; das Urteil auf dieser Grundlage wird damit ein unvollkommenes; denn unsere Verhältnisse sind so gross geworden, dass sich Sicheres über die Umstände des Falles ohne unverhältnismässige Untersuchungshandlungen nicht in Erfahrung bringen lässt. Die Folge ist, dass in der Hauptsache die Ausgepfändeten bei unserer Regelung besser wegkommen als die Konkursiten, weil man jene weniger beurteilen kann als diese.

Umgekehrt mag es vorkommen, dass in dem raschen Verfahren anhand eines nebensächlichen, vielleicht nicht genügend aufgeklärten Moments die Einstellung eines Ausgepfändeten verfügt wird, wo ein Falliter frei ausgegangen wäre. Es ist nicht zu vermeiden, dass bei den Ausgepfändeten die Geriebenen und die Nachlässigen leicht besser wegkommen als die Ungeschickten und die Gewissenhaften. Was erfahren die Behörden von Ausgepfändeten? Auf die Natur der Forderung, auf Angaben eines vielleicht rachsüchtigen Gläubigers, oder auf das oder jenes Gerücht abzustellen, ist bedenklich, und der Kontrollversuch, Angaben des Schuldners zu erlangen, versagt denen gegenüber, die gewandt genug sind, sich Glauben zu verschaffen und Massgebliches zu verschweigen, wie auch denen gegenüber,
die sich um die Vorladung des Belreibungsamtes nicht kümmern. Vor Gericht gelangen aber nur die, gegen welche ein Einstellungsantrag vorliegt, denn von der Möglichkeit, von Gerichts wegen

323 gegenüber andern Vorladung und Verhör anzuordnen, wird kaum Gebrauch gemacht. Umgekehrt kann derjenige unverdientermassen schlechter wegkommen, der sich stellt und durch Offenheit oder Ungeschick sich wahre oder scheinbare Blössen gibtWer vorgeladen wird, hat gegenüber dem nicht Vorgeladenen einen schlechten Stand, denn bei der Fülle der zu erledigenden jeweilen in einer Sitzung pro Quartal zusammengedrängten Fällenimmt die Gerichtsverhandlung notwendig ein Tempo an, dass ein ausreichendes richterliches Gehör kaum möglich ist, zumal die Vorgeladenen die ihnen gemachten Vorhaltungen erst da erfahren und aus dem Stegreif beantworten müssen. Der Gerichtsentscheid ·aber ist endgültig. Man kann den Ausgepfändeten im heutigen Verfahren gar nicht gerecht werden. Und auch die Behörden leiden unter dem peinlichen Gefühl, dass die Vorschrift, zu individualisieren, an der tatsächlichen Unmöglichkeit der Durchführung scheitert." -- Bezeichnend ist, dass auch die Mehrheit der Basler Grossratskommission (vgl. deren Bericht vom 5. Juni 1914), trotzdem sie, im Gegensatz zur Regierung und zur Kommissionsminderheit, grundsätzlich die Einstellung infolge verschuldeter Insolvenz als berechtigt ansah, doch die Aufhebung dieser Ehrenfolge beantragte, weil die Durchführung jenes Grundgedankens an der Unmöglichkeit einer zuverlässigen Untersuchung der für die Auspfändung oder den Konkurs ursächlichen Tatsachen scheitere, da es zum Nachweis des Verschuldens im einzelnen .Falle einer umfassenden Kenntnis der Verhältnisse des Schuldners bedürfe. Wenn aber das Betreibungsamt gewissenhaft für alle Fälle gleichmässig seine Anträge stellen wolle, müsste es umfangreiche und zeitraubende Erhebungen vornehmen; eine genaue Prüfung aller Fälle würde eine Arbeit erfordern, die mit dem spärlichen und doch immer nur bedingt zuverlässigen Ergebnisse in krassem Widerspruch stehen würde.

Es ist nicht zu verkennen, dass die Mehrzahl der kantonalen Rechte noch nicht den Grundsatz, dass eine Einstellung deszahlungsunfähigen Schuldners nur bei Vorliegen einer strafbaren Handlung erfolgen dürfe, angenommen hat. Es ist daher anzunehmen, dass weite Volkskreise gegen eine so weitgehende Milderung der Ehrenfolgen Bedenken tragen werden. Es werden auch manche Vorurteile einer solchen Regelung im Wege stehen.

Gerade die gegenwärtigen Verhältnisse
zeigen aber mit aller Deutlichkeit die Härte der in einigen Kantonen bestehenden Regelung der Ehrenfolgen und man darf annehmen, dass die heutige schwere Zeit manchen in dieser Hinsicht milder gestimmt hat.

324

Dass sich ein solches Bedürfnis nach einer Milderung des gegenwärtigen Rechtszustandes tatsächlich geltend macht, kommt auch in den Revisionsbestrebungen in den einzelnen Kantonen (vgl.

oben Ziffer II, 5 und (i) zum Ausdruck.

Es sprechen mithin überwiegende Gründe dafür, die Einstellung im Stimm- und Aktivwahlrecht lediglich dann zuzulassen, wenn ein besonderes Betreibungs- oder Konkursvergehen vorliegt, diese Einstellung aber nicht nur bei unverschuldetem Vermögensverfall, sondern auch dann auszuschliessen, wenn die fruchtlose Pfändung und der Konkurs auf ein an sich nicht strafbares Verschulden des Schuldners zurückzuführen sind.

V.

Der beiliegende Gesetzesentwurf stützt sich im Grunde genommen einzig auf Art. 66 der Bundesverfassung. Diese Bestimmung erlaubt dem Bundesgesetzgeber, die Gründe festzusetzen, aus welchen die politischen Rechte einem sonst stimmfähigen Bürger abgesprochen werden können (vgl. Burckhardt, Kommentar zur Bundesverfassung, 2. Auflage, S. 624). Sie gibt dem Bunde das Recht, zu bestimmen, ob und wie weit die fruchtlose Pfändung und der Konkurs den Schweizerbürger von der Ausübung des Stimmrechts in eidgenössischen, kantonalen und kommunalen Angelegenheiten ausschliessen.

Die Kompetenz zum Erlass des im Entwurf vorliegenden Bundesgesetzes lässt sich aber auch, ganz oder teilweise, aus andern Verfassungsbestimmungen herleiten. Zunächst erklärt Art. 64 der Bundesverfassung den Bund für zuständig, das Betreibungs- und Konkursrecht und damit auch die Frage zu regeln, welche öffentlichrechtliche Folgen sich an die fruchtlose Pfändung und den Konkurs knüpfen. Sodann können die im Entwurfe enthaltenen Bestimmungen, soweit sie sich auf eidgenössische Wahlen und Abstimmungen beziehen, auf die Vorschrift des Art. 74, Abs. 2, der Bundesverfassung gestützt werden, wonach es der Gesetzgebung des Bundes vorbehalten ist, über die Stimmberechtigung in diesen Angelegenheiten einheitliche Vorschriften aufzustellen.

Zu den einzelnen Bestimmungen des Entwurfs haben wir noch folgendes zu bemerken: Ziu Art. 1. Der e r s t e A b s a t z dieses Artikels enthält den Grundsatz, dass die fruchtlose Pfändung und der Konkurs als solche nicht die Einstellung im Stimm- und Aktivwahlrecht nach

325 ·sich ziehen. Dass sich diese Vorschrift auf das Stimm- und Aktivwahlrecht sowohl in eidgenössischen als in kantonalen und {Jemeindeangelegenheiten bezieht, braucht, weil selbstverständlich, im Gesetze nicht ausdrücklich hervorgehoben zu werden.

Mit diesem Grundsatze sind die Bestimmungen des geltenden Rechts unvereinbar, gemäss welchen der ausgepfändete oder in Konkurs geratene Schuldner, sei es automatisch in jedem Falle ·oder durch Entscheid einer Behörde bei verschuldeter Zahlungsunfähigkeit, eingestellt wird. Auch eine provisorische Einstellung (z. B. für die Dauer des Konkursverfahrens) erscheint als unzulässig, weil sie gegen den Grundsatz des Abs. l verstösst.

Eine Einstellung soll erst erfolgen können, wenn durch straf' gerichtliches Urteil festgestellt ist, dass eine strafbare Handlung vorliegt. In einer vorherigen provisorischen Einstellung würde .aber eine nicht zu rechtfertigende Schuldpräsumtion und eine .gestützt auf diese schon eintretende Bestrafung liegen.

Der z w e i t e A b s a t z dieses Artikels macht einen Vorbehalt für das Strafrecht. Liegt ein Betreibungs- oder Konkursdelikt oder ein anderer mit der fruchtlosen Pfändung zusammen hängender Straffall vor, so darf durch strafgerichtliches Urteil eine Einstellung erfolgen, wenn das Strafrecht für die in Frage stehende strafbare Handlung eine Einstellung vorsieht. In solchen Fällen wird der Schuldner nicht wegen der fruchtlosen Pfändung ·oder des Konkurses als solcher, sondern wegen der strafbaren Handlung eingestellt.

In einigen Kantonen liegt die Prüfung der Frage, ob die .Zahlungsunfähigkeit des Schuldners eine verschuldete ist, und die Entscheidung über die Einstellung im Aktivbürgerrecht dem .Strafrichter ob (vgl. oben U, l ò ) ; in diesen Kantonen beruht somit jede Einstellung auf einem strafgerichtlichen Urteil; die .einfache verschuldete Zahlungsunfähigkeit ist als strafbare Handlung .ausgestaltet. Es erscheint daher als nötig, eine Vorschrift auf-° zustellen, wonach der zahlungsunfähige Schuldner bloss um der fruchtlosen Pfändung oder des Konkurses als solcher willen nicht mit der Einstellung bestraft werden darf. Das Strafrecht wird, nach wie vor, an den betrügerischen Konkurs, an den leichtsinnigen Konkurs, an das leichtsinnige Schuldenmachen oder an andere Betreibungs- und Konkursvergehen die Strafe der
Einstellung knüpfen können. Dagegen wird der ausgepfändete Schuldner oder der Konkursit nicht lediglich deshalb, weil er sich nicht über Schuldlosigkeit am ökonomischen Verfall auszuweisen vermag oder weil ihm am Eintritt seiner ZahlungsBundesblatt. 68. Jahrg. Bd. IV.

25

326 Unfähigkeit ein Verschulden zur Last fällt, mit der Einstellung bestraft werden dürfen. Um dies klar zum Ausdruck zu bringen,, bestimmt der zweite Absatz, dass der Schuldner ,,um der fruchtlosen Pfändung oder des Konkurses als s o l c h e r willena nicht mit Einstellung im Stimm- und Aktivwahlrecht bestraft werden darf, im Gegensatze zu demjenigen Falle, wo ein besonderes Betreibungs- oder Konkursvergehen vorliegt.

Zu, Art. 2. Dieser Artikel entspricht dem geltenden Art. 26 des Schuldbetreibungs- und Konkursgesetzes. Immerhin stimmen die beiden Vorschriften nicht völlig überein.

Der im Art. 26 SehKG enthaltene ,,Vorbehalt bundesgesetzlicher Bestimmungen über die politischen Rechte der Schweizerbürger (Art. 66 der Bundesverfassung)" erscheint als zu eng, weil nicht nur die aus Art. 66 BV hergeleiteten, sondern auch andere bundesgesetzliche Vorschriften (z. B. Art. 18 der Milit&rorganisation, sowie allfällige auf Art. 64bi8 BV sich stützende Gesetzesvorschriften) in Frage kommen. Wir haben daher diesen Vorbehalt durch den Zwischensatz ,,unter Vorbehalt von Art. l und soweit nicht andere bundesrechtliche Vorschriften entgegenstehena ersetzt.

Unter Vorbehalt des Bundesrechts bleibt es den Kantonen unbenommen, an die fruchtlose Pfändung und den Konkurs gewisse öffentlichreehtliche Nebenfolgen zu knüpfen, wie auch gegenwärtig' Genf und Baselstadt keine Einstellung im Aktivbürgerrecht, wohl aber gewisse öffentlichrechtliche Nebenfolgen vorsehen. So können die Kantone auch weiterhin für den Ausgepfändeten und den Konkursiten besondere Bestimmungen über die Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, über den Aussehluss von patentierten ßerufsarten, von der Börse, vom Wirtschaftsgewerbe, von der Jagd, sowie über eine besondere Stellung im Zivilprozess usw.

aufstellen. Auch Vorschriften über die Publikation des ausgepfändeten Schuldners oder Konkursiten können nach wie vor von den Kantonen erlassen werden.

Zii Art. 3. Dieser Artikel bestimmt zunächst den Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes.

Sodann sieht er vor, dass die widersprechenden Vorschriften des Bundesrechts und der kantonalen Rechte aufgehoben sind.

Das im Entwurf» vorliegende Gesetz greift in das geltende B u n d e s r e c h t . n u r in ganz geringem Masse ein. An Stelle von Art. 26 SchKG tritt Art. 2 des Entwurfs. Weiterhin wird beispielsweise Art. 2 des "Bundesgesetzes betreffend die eidgenös-

327

sischen Wahlen und Abstimmungen vom 19. Heumonat 1872 alteriert, indem für die Frage der Stimmberechtigung in eidgenössischen Angelegenheiten das kantonale Recht nur noch soweit Geltung beanspruchen kann, als es den vorliegenden Bestimmungen nicht widerspricht.

Viel tiefer wird durch den Entwurf in kantonales Recht eingegriffen. Wie weit dies der Fall ist, ergibt sich ohne, weiteres aus einer Vergleichung unserer Darlegung über den geltenden Rechtszustand mit den Vorschriften des Entwurfs.

· Zu Art. 4. Es ist selbstverständlich, dass die im Zeitpunkt des Inkrafttretens bestehenden Einstellungen im Stimm- und Aktivwahlrecht dahinfallen, soweit sie gestützt auf kantonale Bestimmungen eingetreten sind, die durch die vorliegenden Vorschriften aufgehoben werden.

Wir beantragen Ihnen die Annahme des nachfolgenden Entwurfes zu einem Bundesgesetz betreffend die öffentlichrechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses und benützen diesen Anlass, Sie unserer ausgezeichneten Hochachtung zu versichern.

B e r n , den I.Dezember 1916.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Decoppet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

328

(Entwurf.)

Bundesgesetz betreffend

die öffentlichrechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses.

Die Bundesversammlung der-schweizerischen Eidgenossenschaft, gestützt auf Art. 66, 64 und 74 Absatz 2 der Bundesverfassung ; nach Einsicht einer Botschaft des Bundesrates vom 1. Dezember 1916, beschliesst: Art. 1. Die fruchtlose Pfändung und der Konkurs als solche ziehen die Einstellung im Stimm- und Aktivwahlrecht nicht nach sich.

Die Bestimmungen des kantonalen Strafrechts über die Einstellung im Stimm- und Aktivwahlrecht als Strafe bei Betreibungs- und Konkurs vergehen bleiben vorbehalten. Jedoch darf der Schuldner um der fruchtlosen Pfändung oder des Konkurses als solcher willen nicht mit Einstellung im Stimm- und Aktivwahlrecht bestraft werden.

Art. 2. Die Kantone können, unter Vorbehalt von Art. l und soweit nicht andere bundesrechtliche Vorschriften entgegenstehen, an die fruchtlose Pfändung und den Konkurs öffentlichrechtliche Folgen (wie Unfähigkeit zur Bekleidung öffentlicher Ämter, zur Ausübung patentierter ßerufsarten usw.) knüpfen.

Die Aufhebung solcher Rechtsfolgen hat jedoch einzutreten, ·wenn der Konkurs widerrufen wird, oder wenn sämtliche zu Verlust gekommenen Gläubiger befriedigt sind oder der Rehabilitation beistimmen.

Art. 3. Das vorliegende Bundesgesetz tritt am in Kraft. Auf diesen Zeitpunkt werden alle den Bestimmungen des vorliegenden Bundesgesetzes widersprechenden Vorschriften der Gesetzgebung des Bundes und der Kantone unwirksam; insbesondere fällt Art. 26 des Bundesgesetzes über Schuldbetreibung und Konkurs vom 11. April 1889 dahin.

Art. 4. Mit dem Inkrafttreten des vorliegenden Bundesgesetzes fallen die vor diesem Zeitpunkt eingetretenen, mit dessen Bestimmungen in Widerspruch stehenden Einstellungen im Stimmund Aktivwahlrecht dahin.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Entwurf eines Bundesgesetzes betreffend die öffentlichrechtlichen Folgen der fruchtlosen Pfändung und des Konkurses.

(Vom 1. Dezember 1916.)

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1916

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49

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06.12.1916

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293-328

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