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Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Nichtbezahlung des Militärpflichtersatzes bestraften Arnold Fink, Landwirt, in Derendingen, Kanton Solothurn.

(Vom 20. November 1903.)

Tit.

Der Sektionschef der Gemeinde Derendingen überwies den Petenten am 24. August 1903 dem Richteramt BucheggbergKriegstetten wegen schuldhafter Nichtbezahlung von Militärpflichtersatz, weil er ungeachtet der am 19. Juli und 17. August erlassenen vorschriftsgemäßen Mahnungen die Fr. 3 betragende Militärsteuer pro 1903 nicht entrichtet habe. Fink wurde am 29. August vom Richter zur Sache einvernommen und erklärte sich der ihm zur Last gelegten Übertretung schuldig. Am 2. September verurteilte ihn das Amtsgericht Bucheggberg-Kriegstetten auf Grund des Bundesgesetzes vom 29. März 1901 zu 3 Tagen Gefängnis und zu den Untersuchungskosten mit Fr. 5 Gerichtsgebühr. In der Urteilsbegründung wird ausgeführt: ,,Der Beklagte ist beschuldigt und ist geständig, trotz zweimaliger Mahnung durch den Sektionschef die Militärsteuer pro 1903 mit Fr. 3 noch nicht bezahlt zu haben. Er verdient perTag Fr. 2. 85 und wäre wohl im stände gewesen, bei einigermaßen gutem Willen diesen kleinen Steuerbetrag aufzubringen.

Er hat sich deshalb auch der schuldhaften Nichtbezahlung dieser-

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Steuer schuldig erklärt, er ist zu bestrafen und erscheint eine Gefängnisstrafe von 3 Tagen als angemessen. " Fink ersucht um Erlaß dieser Strafe mit dem Vorbringen, ·es sei ihm unmöglich gewesen, die Steuer rechtzeitig zu entrichten, da er eine sehr zahlreiche Familie zu ernähren habe und mit ihr in großer Armut lebe. Die Erstehung der Gefängnisstrafe hätte weitere Schmälerung seines Verdienstes und Vergrößerung der Armut seiner Haushaltung zur Folge.

Das Oberamt Bucheggberg-Kriegstetten empfiehlt das Gesuch ·des Fink zur Genehmigung, mit Rücksicht auf die wirklich große Armut in dieser Taglöhnerfamilie. Es bezeugt dabei, daJJ Fink seit dem amtsgerichtlichen Urteil die Blilitärsteuer und die Gerichtskosten bezahlt habe und daß er in der Zeit zwischen der Überweisung ans Gericht und dem Richterspruch die Buße beim Oberamt habe bezahlen wollen, aber dort abgewiesen worden «ei, weil der Sektionschef noch nicht mit dem Amt abgerechnet hatte.

Im Verfahren der kantonalen Instanzen gegen Fink ist unterlassen worden, vor dessen Verurteilung zu untersuchen, ob er auch wirklich in s c h u l d h a f t e r W e i s e die Entrichtung des Militärpflichtersatzes versäumt habe. Das anzuwendende Bundesgesetz präsumiert eine derartige Feststellung. Es genügt nicht, daß die beiden Mahnungen der Militärbehörde erfolglos blieben, sondern darüber hinaus noch soll bewiesen sein, daß der Ersatzpflichtige die Taxe aus bösem Willen nicht geleistet hat. Die Solothurner-Vollziehungsverordnung vom 11. März 1902 bestimmt in § 4 : Ist auch die zweite Mahnung fruchtlos geblieben, so hat der Sektionschef die rückständigen Steuerschuldner dem Richteramt zur B e s t r a f u n g im Falle schuldhafter Nichtbez a h l u n g zu überweisen.

Es ist also in diesem Kanton Sache des Richters, den Nachweis für das subjektive Verschulden des Ersatzpflichtigen im Einzelfalle zu erheben. Bei Fink hat er sich begnügt, zwischen der Höhe des täglichen Einkommens von Fr. 2. 85 und der Steuer von Fr. 3 eine Parallele zu ziehen, und er ist dabei zu dem Schlüsse gekommen, der Ersatzpflichtige hätte bei einigermaßen gutem Willen diesen kleinen Betrag wohl aufbringen können. Ob dem Angeklagten Gelegenheit gegeben wurde, sich in der gerichtlichen Verhandlung über Details seiner Familienverhältnisse in der kritischen Zeit auszusprechen, ist mangels ·eines Protokolles über seine Befragung nicht ersichtlich. Wenn

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aber er selbst und das Oberamt im jetzigen Verfahren seine Lage als eine sehr ärmliche schildert, so kann hierüber nicht leicht hinweggegangen werden, denn für einen Hausvater mit zahlreicher Familie wird überall ein Taglohn von Fr. 2. 85 nur knapp zur Befriedigung der dringendsten Bedürfnisse ausreichen.

Zu dieser Betrachtung kommt zu gunsten des Petenten noch hinzu das Zeugnis des Oberamtes, daß Fink schon vor dem gerichtlichen Urteil bei dieser Stelle die Bezahlung der Steuer habe leisten wollen und aus formellen Gründen abgewiesen worden sei. Diese Tatsache schließt geradezu aus, daß im kritischen Momente des Gerichtsentscheides die Nichtbezahlung der Steuer noch als eine schuldhafte bezeichnet werden könne und sie rechtfertigt die Aufhebung der ausgesprochenen Strafe im Wege der Begnadigung.

Wir stellen deshalb bei Ihrer hohen Versammlung den ÖO

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Antrag: Es sei dem Begnadigungsgesuche sprechen.

des Arnold Fink zu ent-

B e r n , den 20. November 1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Ringier.

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Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung zum Begnadigungsgesuch des wegen Nichtbezahlung des Militärpflichtersatzes bestraften Arnold Fink, Landwirt, in Derendingen, Kanton Solothurn. (Vom 20. November 1903.)

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25.11.1903

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85-87

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