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Bundesratsbeschluß über

die Beschwerde der Parketterie Altdorf, H. Hefti & betreffend die Berechtigung des Kantons Uri zur hebung von Staatsgebühren für die Erteilung Überzeitbewilligungen (Bundesgesetz betreffend Arbeit in den Fabriken, vom 23. März 1877).

Cie., Ervon die

(Vom 27. Januar 19030

Der s c h w e i z e r i s c h e Bundesrat hat

über die Beschwerde der P a r k e t t e r i e A l t d o r f , H. H e f t i & Cie., betreffend die Berechtigung des Kantons Uri zur Erhebung von Staatsgebühren für die Erteilung von Überzeitbewilligungen (Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabriken, vom 23. März 1877) ; auf den Bericht des Justiz- und Polizeidepartements, folgenden Beschluß gefaßt:

A.

In tatsächlicher Beziehung wird festgestellt: I.

Auf ein Ansuchen der Parketterie Altdorf, H. Hefti
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Bewilligung sei ,,per Monat eine Staatstaxe von Fr. 20 zu entrichten, nebst Kanzleigebilhr von Fr. 5".

In einer Eingabe an den Regierungsrat vom 29. Juni 1902 antwortete die Firma, indem sie die Überzeitbewilligung verdankte: ,,Betreffend die zu erhebende Staatsgebühr von Fr. 20 machen wir Sie darauf aufmerksam, daß in solchen Fällen laut Fabrikgesetz keine weitern Abgaben erhoben werden dürfen. ' Des fernem verweisen wir Sie auf den Rekurs der Gotthardbahn (Bundesratsbeschluß vom 26. Januar 1897, Bundesbl. 1897, I, 209 ff.)

,,Wir lehnen daher eine Zahlungspflicht dieser Staatsgebühr vorläufig ab, bis ein weiterer Entscheid in Sachen uns zugestellt wird.tt Die Regierung des Kantons Uri stellte hierauf den Petenten am 12. Juli 1902 folgenden Beschluß zu: ,,In Erwägung, ,,daß die landrätliche Verordnung betreffend die Erhebung einer Staatsgebiihr für polizeiliche und fabrikpolizeiliche Bewilligungen vom 18. September 1890 in Art. 2, lit. c, für Überzeitbewilligungen eine Gebühr vorsieht; ,,daß die erwähnte Verordnung durch Landratsbeschluß vom 26. Mai 1897 dahin ergänzt wurde, daß für diejenigen fabrikpolizeilichen Bewilligungen, welche nach Maßgabe der Bestimmungen des Bundesgeset/es über die Arbeit in den Fabriken vom 23. März 1877 in die Kompetenz des Bundesrates fallen und von letzterm erteilt werden, der Gesuchsteller für Einschreibung, Ausfertigung und Zustellung der Bewilligung jeweilen eine Kanzleigebühr von Fr. 20--50 zu Händen der Staatskasse zu entrichten habe; ,,daß mit dieser ergänzten Verordnung weder die Bestimmungen des Fabrikgesetzes, noch der Entscheid des Bundesrates über den Rekurs der Gotthardbahngesellschaft vom 26. Januar 1897 im Widerspruche stehen, und daß somit der Regierungsrat mit der Auferlegung einer Gebühr von Fr. 20 gegenüber der Parketterie Altdorf, H. Hefti & Cie., durchaus im Rahmen seiner Kompetenz gehandelt hat, ,,beschließt der Regierungsrat: ,,Im Sinne vorstehender Erwägungen wird am Beschluß vom 16. Juni betreffend Entrichtung einer Gebühr von Fr. 20 festgehalten."

II.

Gegen diesen Beschluß des urnerischen Regierungsrates rekurriert die Firma Parketterie Altdorf, H. Hefti & Cie., mit Eingabe vom 29. Juli 1902 an den Bundesrat.. Die Begründung des Rekurses lautet:

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,,Es erscheint uns illusorisch, den Kantonsregieruugen das Erheben von Staatsgebühren für solche Bewilligungen zu untersagen, wenn dann Kanzleigebühren im gleichen Betrage verlangt werden dürfen. Die gewohnte Kanzleigebühr von Fr. 5 haben wir bereits bei Empfang der Ausfertigung per Nachnahme bezahlt.

Die nachherige Umtaufe des Betrages von Fr. 40 finden wir willkürlich und ungerechtfertigt.

,,Es handelt sich in diesem Falle nicht besonders um den Betrag, als vielmehr um einen grundsätzlichen Entscheid für die ' Zukuoft."

III.

Zur Vernehmlassung auf den Rekurs eingeladen, beantragt der Regierungsrat des Kantons Uri, es sei derselbe abzuweisen.

Er führt in seiner Rekursbeantwortung aus: Unterm 18. September 1890 hat der Landrat des Kantons Uri eine Verordnung betreffend Erhebung einer Staatsgebiihr für polizeiliche und fabrikpolizeiliche Bewilligungem erlassen, die in Art. 2, lit. c, für Überzeitbewilligungen eine ,,Staatsgebuhr" von Fr. 10--300 vorsieht.

Diese landrätliche Verordnung erhielt durch Landratsbeschluß vom 26. Mai 1897 folgende Erläuterung bezw. Ergänzung : ,,Art. 6. Für diejenigen fabrikpolizeilichen Bewillungen, welche nach Maßgabe der Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Arbeit in den Fabriken vom 23. März 1877 in die Kompetenz des Bundesrates fallen und von letzterm erteilt werden, hat der Gesuchsteller für Einschreibung, Ausfertigung und Zustellung der Bewilligung jeweilen eine Kanzleigebühr von Fr. 20 -- 50 zu Händen der Staatskasse zu entrichten."

Die den Rekurrenten von uns auferlegte Gebühr von Fr. 20 per Monat befindet sich im Einklang mit obiger gesetzlicher Bestimmung. Zieht man in Betracht, daß die Parketterie Hefti & Cie.

ein umfangreiches industrielles Etablissement ist, welches das ganze Jahr in Betrieb steht und eine ziemlich große Anzahl Arbeiter beschäftigt, und daß die nachgesuchte Überzeitbewilligung sich auf eine längere Zeitperiode erstreckt, so darf die festgesetzte Staatsgebühr eine sehr mäßige, keineswegs übersetzte genannt werden.

Aber nicht um die Höhe des geforderten Betrages handelt es aich ja, wie die Rekurrenten sagen, sondern vielmehr um einen grundsätzlichen Entscheid für die Zukunft. Wenn es sich im vorliegenden Falle nur um einen Entscheid für die Zukunft handelt, warum weigern sich denn die Herren Hefti
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Die Parketterie Altdorf verweist io ihrer Zuschrift vom 29. Juni zur Rechtfertigung ihrer ablehnenden Haltung auf den Bundesratsbeschluß über den Rekurs der Gotthardbahugesellschaft gegen eine Verfügung des Regierungsrates des Kantons Uri betreffend Erhebung einer Staatsgebühr für Sonntags- und Nachtarbeit vom 26. Januar 1897. Bei diesem Rekurse handelte es sich aber keineswegs bloß um eine vorübergehende, sondern um eine konstante, bleibende Bewilligung der Sonntags- und oNachtarbeiten in der Depotwerkstätte zu Erstfeld, welche zu einem ungestörten Betriebe absolut erforderlich sind. Das schweizerische Industriedepartement hatte nach Einholung unseres Gutachtens die von der Gotthardbahn nachgesuchte Bewilligung erteilt. Die Regierung hatte der Gotthardbahn für die Verrichtung der Sonntagsund Nachtarbeit in der Depotwerkstätte zu Erstfeld eine Gebühr von Fr. 500 für das Jahr 1896 auferlegt, gegen welche Schlußnahme die Gotthardbahn unterm 20. Februar 1896 den Rekurs ergriff, indem sie den Bezug der geforderten Gebühr mit den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Arbeit in den Fabriken vom 23. März 1877 für unvereinbar hielt und außerdem darin eine Verletzung des Art. 31 der Bundesverfassung erblickte.

Der Rekurs wurde begründet erklärt, aber gerade dieser angerufene Rekursentscheid spricht entschieden für die Korrektheit und Zulässigkeit unserer von den Herren H. Hefti & Cie. angefochtenen Schlußnahmen vom 16. Juni und 12. Juli 1902. Der Bundesrat entschied damals, der Kanton Uri sei nicht berechtigt, die Gotthardbahngesellschaft wegen Sonntags- und Nachtarbeit in der Depotwerkstätte in Erstfeld mit einer S(aat8gebühr zu belasten, d i e ü b e r e i n e m ä ß i g e K a n z l e i t a x e f ü r E i n s c h r e i b u n g e n , A u s f e r t i g u n g e n , Z u s t e l l u n g e n u. a. w.

hinausgehe.

Der Bundesrat ging dabei von der Erwägung aus, daß die von Uri geforderte Gebühr die Höhe einer Kanzlei taxe weit übersteige und auf den Charakter einer solchen überhaupt nicht Anspruch mache. Der Bundesrat anerkennt jedoch in seinen rechtlichen Erwägungen, unter Hinweis auf den Rekursentscheid zwischen der Gotthardbahn und dem Kanton Uri vom 22. Mai 1891 ausdrücklich, d a ß d i e K a n t o n e als G e g e n l e i s t u n g f ü r i h r e Mühewaltung bei Erteilung von Bewilligungen zur V o r n a h m
e g e w i s s e r g e w e r b l i c h e r A r b e i t e n undzur Herstellung gewisser gewerblicher Anlagen und Einrichtungen G e b ü h r e n zu f o v d e r n das R e c h t haben und daß gegen die Höhe dieser Gebühren vom Staudpunkt der Gewerbefreiheit aus nichts einzuwenden sei, wenn dieselben zu den Kosten der Arbeit, der Anlage oder Einrichtung, um die es sich handelt, in einem angemessenen Verhältnis stehen.

247 Mit gegenwärtigem Rekurse will nun die Zulässigkeit von durchaus mäßigen Gebühren in Frage gestellt werden, die wir für eine bei uns nachgesuchte und gemäß Art. 11, Absatz 4, des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken vom 23. März 1877 von uns erteilte Bewilligung der Überzeitarbeit von den Rekurrenten H. Hefti & Cie. gefordert haben. Die festgesetzte Gebühr ist, im Gegensatze zu der in obigem Rekursfalle von der Gotthardbahngesellschaft angestrittenen, eine so bescheidene, daß ihr der Charakter einer mäßigen Eanzleigebuhr für Erteiluog einer fabrikpolizeilichen Bewilligung billigerweise nicht abgesprochen werden kann.

Einer Verletzung des Fabrikgesetzes haben wir uns durch Auferlegung der sehr mäßigen Gebühr der Parketterie Altdorf gegenüber in keiner Weise schuldig gemacht. Die Rekurrentschaft hat übrigens nicht einmal den Versuch gemacht, die Richtigkeit dieser Behauptung nachzuweisen. Ebensowenig ist im vorliegenden Rekursfalle die Frage aufgeworfen worden, ob die von uns geforderte Staatsgebühr mit Art. 31 der Bundesverfassung, d. h. mit dem Grundsatz der Gewerbefreiheit, vereinbar sei. Es erscheint uns daher überflüssig, auf eine Erörterung derselben hier einzutreten.

IV.

Mit Schreiben vom 29. August 1902 ersuchte das eidgenössische Justizdepartement das Industriedepartement um Auskunft über die folgenden Fragen: Ob in den Kantonen für die von ihnen erteilten Überzeitbewilligungen neben den Kanzleigebühren noch durchweg andere Staatsgebühren verlangt werden und gegebenenfalles, in welcher Höhe?

Ob für die Erhebung der letztgenannten Staatsgebühren sich triftige Gründe anführen lassen, oder ob die Verhältnisse nicht vielmehr die gleichen seien, wie diejenigen bei Überzeitbewilligungen durch das Industriedepartement, und daher analog einem vom Industriedepartement und den drei Fabrikinspektoren in der Beschwerdesache der Gotthardbahngesellschaft gegen Uri abgegebenen Gutachten eine Gebühr nur als Kanzleigebühr gerechtfertigt erscheine?

Ob, im Falle der Bejahung der letztem Frage, unter den von der Rekurrentin angegebenen tatsächlichen Verhältnissen eine Gebühr von Fr. 45 noch als eine ,,mäßige Kanzleigebühr" betrachtet werden könne?

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Mit Zuschrift vom 29. Oktober 1902 übermittelte das eidgenössische Industriedepartement einen Bericht der drei Fabrikinspektoren, mit dessen Inhalt es sich einverstanden erklärte.

Diesem Bericht, dem Resultat einer Konferenz der Inspektoren vom 22. Oktober 1902, ist folgendes zu entnehmen : Die erste Frage anlangend, müssen wir konstatieren, daß die in den einzelnen Kantonen bezüglich der Überzeitbewilligungstaxen geübte Praxis eine durchaus verschiedene ist. Während eine Reihe von Kantonen, wie Unterwaiden, Glarus, Graubünden, Tessin, Wallis, Neuenburg und .Genf, keinerlei Gebühren erheben, berechnen andere nur bescheidene Schreibgebuhren, so Zürich Fr. 3. 20 bis 4.20, Bern Fr. l, Schwyz Fr. 1. 80 bis 5, Freiburg Fr. 0. 30 bis 2, beide Basel Fr. 2. 50 bis 10, Schaffhausen Fr. 5, Appenzell Fr. 3 bis 5, St. Gallen Fr. 3 bis 5, Aargau Fr. 2 bis 5, Thurgau Fr. 2 bis 5, Waadt 'Fr. 3 bis 5.

Höhere Gebühren beziehen nur wenige Kantone, wie Lüzern, welches bis auf ein Maximum von Fr. 30 geht, Zug, welches eine Kanzleigebühr bis auf Fr. 5 und eine Staatsgebühr von Fr. l bis 20 verrechnet, Solothurn, welcher Kanton per Monat Fr. 5 bis 50 Staatsgebühr vorgesehen hat (es ist jedoch in Solothurn der Betrag von Fr. 20 per Monat noch nie überschritten worden), und Uri, wo bekanntermaßen für Sonntagsarbeitsbewilligung Fr. 10 bis 500, für eine Überzeitbewilligung Fr. 10 bis 300 berechnet werden können. Hierzu kommen dann noch die in mehreren Kantonen üblichen Stempelgebühren, in einigen andern die Insertionskosten für die Bekanntmachung der Bewilligung im Amtsblatt.

Die Gebühren, welche überall durch besondere Gesetze (Sportelgesetze), Verordnungen und Regierungsbeschlüsse festgelegt sind, haben in der Mehrzahl der Kantone den Charakter von Kanzleioder Schreibgebühren, nur in den Kantonen Lüzern und Solothurn finden wir eigentliche Staatsgebühren; Uri und Zug erheben beide zugleich.

Die zweite Frage betreffend, sind wir der Ansicht, daß allerdings triftige Gründe nicht vorhanden seien, welche den Bezug einer ungewöhnlich hohen Gebühr, also einer förmlichen Staatsgebühr, rechtfertigen würden, indem uns nicht bekannt ist, daß die in Frage kommenden Kantone weitgehendere Maßnahmen zur Überwachung der erteilten Ausnahmegestattungen anordnen, als wie sie in andern Kantonen ebenfalls üblich sind. Allein die Kompetenz
zur Erteilung von Bewilligungen zu vorübergehender Verlängerung der Arbeitszeit ist durch den Gesetzgeber den Kantonen ohne irgendwelche Restriktion bezüglich der zu erhebenden Gebühren überbunden worden, und somit erscheint es uns frag-

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lieh, ob es dem Bunde zustehe, den Kantonen die Erhebung solcher Gebühren zu untersagen. Die Verhältnisse liegen eben inft gegenwärtigen Rekursfalle anders als in demjenigen von 1897. Damals handelte es sich um die Belastung einer vom Industriedepartemente «rteilten Bewilligung, heute um eine Bewilligung der Kantonsregierung, die in förmlicher Sitzung beschlossen werden mußte.

Die verlangte Gebühr von Fr. 20 per Monat ist jedenfalls auch nicht so hoch, daß von einer Beschränkung der Gewerbefreiheit durch dieselbe gesprochen werden könnte, denn die Belastung stellt sich bei rund 40 Arbeitern mit l Va Stunden Mehrarbeit während 42 Tagen per Arbeitsstunde auf 1,7 Rappen; sie kann also gewiß nicht als sehr drückend empfunden werden.

Mißlich ist ja allerdings die Tatsache, daß die Praxis der Kantone eine so verschiedene und damit die Behandlung der Industriellen eine so ungleichmäßige ist. Dagegen möchten wir doch darauf aufmerksam machen, daß eigentlich Beschwerden über die hohen Gebühren recht selten sind. Abgesehen von den beiden gegen die Regierung von Uri gerichteten Beschwerden finden sich solche nur in dem bekannten Bericht des Vorstandes vom schweizerischen Gewerbeverein an die Vereinssektionen vom 26. Mai 1898, die Anwendung des Fabrikgesetzes betreffend. Wenn wir uns daher nicht gegen den Bezug einer Staatsgebühr aussprechen, so geschieht dies in der Voraussetzung, daß eine solche, wie beispielsweise in den Kantonen Luzern und Solothurn, nur in m ä ß i g e r W e i s e zur Anwendung komme.

Die dritte, eventuelle Frage des Justizdepartementes müssen ·wir dahin beantworten, daß wir eine Bewilligungsgebühr von Fr. 45 allerdings nicht mehr als ,,mäßige Kanzleigebühr1* betrachten können; sie wird ja übrigens von Uri auch nicht als solche bezeichnet. Als ausschließliche Kanzleigebuhren dürften nach unserer Ansicht etwa die von den 11 Kantonen der mittleren Gruppe vorgesehenen Gebühren angesehen werden.

B.

In rechtlicher Beziehung fällt in Betracht:

I.

Durch den vorwürfigen Rekurs wird die Rechtsfrage gestellt: Ist im Sinne des Bundesgesetzes betreffend die Arbeit in den Fabriken vom 23. März 1877 für die Erteilung von Überzeitbewilligungen durch eine kantonale Behörde düe Erhebung einer bloßen ,,Kanzleigebühr a gestattet oder können vom bewilligenden Bundesblatt.

55. Jahrg. Bd. I.

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Kanton noch weitere Gebühren, als ,,Staatsgebühren", erhoben werden ?

1. Die rekurrierende Firma, Parketterie Altdorf, H. Hefti & Cie.r in Altdorf, ist zur Beschwerdeführung legitimiert, weil ihr eine ,,Staatsoebühr" von Fr. 20 per Monat vom Regierungsrat des KantonsUri neben einer ,,Kanzleigebühr^ für die Erteilung einer Überzeitbewilligung auferlegt worden ist, die sie aus 'dem Gründe anficht., daß neben der Kanzleigebühr keine andere Gebühr zulässig sei.

Die Kompetenz des Bundesrates zur Entscheidung der Beschwerde ist aus Art. 189, Absatz 2, abzuleiten, der, unter Verweisung auf Art. 102, Ziffer 2, der Bundesverfassung, folgendesfestsetzt: ,,Vom Bundesrat oder von der. Bundesversammlung sind überdies zu erledigen Beschwerden betreffend die Anwendung der auf Grund der Bundesverfassung erlassenen Bundesgesetze, soweit nicht diese Gesetze selbst oder gegenwärtiges Organisation sgesetz (Art. 182) abweichende Bestimmungen enthaltend 2. Das Fabrikgesetz hat die Voraussetzungen, unter welchen eine Bewilligung für eine Überzeitarbeit erteilt werden kann, erschöpfend normiert. Was den Behörden überlassen ist, ist einzig die Würdigung der Frage, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind oder nicht. Sind sie erfüllt, so müssen die kompetenten Behörden, das eidgenössische Industriedepartement, die Kantons- oder Bezirksbehörden, die Bewilligung erteilen.

Damit ist bei der Erteilung von ,,ausnahmsweisen oder vorübergehenden Verlängerungen der Arbeitszeit" (Fabrikgesetz, Artikel 11, Absatz 4) sowohl der polizeilichen wie auch der Steuer hoheitsgewalt der Kantone eine Schranke gesetzt; insbesondere könnte eine Steuerauflage irgend welcher Art, von deren Erlegung seitens einer kantonalen oder Gemeindebehörde die Bewilligung abhängig gemacht würde, vor dem Gesetze nicht bestehen.

Dies hat der Bundesrat in dem von beiden Rekursparteien angerufenen Bundesratsbeschlusse vom 26. Januar 1897 ausdrücklich bezüglich der vom eidgenössischen Industriedepartement erteilten Überzeitbewilligungen mit den Worten erklärt: Bezüglich der Absicht des Gesetzgebers ist zu sagen, ,,daß das Gesetz die Voraussetzungen der Bewilligungen von Überzeitarbeit genau und erschöpfend regelt und daß die Kantone keinen ihnen vom Gesetze angewiesenen Beruf haben, durch fiskalische Bestimmungen dahin zu wirken, daß solche Bewilligungen möglichst selten vorkommena. Dieser Satz gilt aber ebenso für diese wie für diejenigen Bewilligungen, deren Erteilung den k a n t o n a l e n Behörden vorbehalten ist.

251 3. Mit diesen Grundsätzen steht die Erhebung von ,,Gebühren" durch die Kantone nicht im Widerspruch. Denn die Gebühr bildet, wie sich der Bundesrat im Rekursentscheid in Sachen der G-otthardbahndirektion vom 22. Mai 1891 betreffend Verletzung der Handels- und Gewerbefreiheit erklärt hat, ihrem Begriffe nach die Gegenleistung fijr eine dem Staate dadurch verursachte Ausgabe, daß seine Dienste von einem Einzelnen oder einer Mehrheit von Personen in Anspruch genommen werden.

Hiervon ausgehend, hat der Bundesrat denn auch im obgeuannten Rekursentscheid vom 26. Januar 1897 allerdings auf dem Boden des Fabrikgesetzes die Erhebung einer ,,K a n z l e i g e b ü h rtt, ,,die als Gegenleistung filr die Ausfertigungen und Einschreibungen von bundesrätlichen Bewilligungen auferlegt" werde, als zulässig bezeichnet.

Gestützt auf die gleichen Erwägungen ist auch die S t a a t s g e b ü h r zulässig.

Als Staatsgebühr wird die Gebühr bezeichnet, welche der Staat aus seiner administrativen und urteilenden Tätigkeit erhebt: als Staatsgebühr für die Enlscheidung von Rekursen, für die Erteilung von kantonalen (z. B. Bau-) Bewilligungen, für die Fällung eines Gerichtsurteils u. s. w. Die Staatsgebühr wird in der Regel neben der Kanzleigebühr erhoben, oder aber die letztere in die Staatsgebühr verrechnet.

Im vorliegenden Rekursfall handelt es sich um mehr als die Übermittlung einer von einer dritten Behörde erteilten Überzeitbewilligung wie im Rekursfall vom Jahr 1897. Hier ist die Regierung des Kantons Uri als das vom Bundesgesetz für den Vollzug betraute Organ vom Privaten insofern in Anspruch genommen worden, als eine Entscheidung über die Zulässigkeit und Erteilung einer Überzeitbewilligung von mehr als zweiwöchentlicher Dauer verlangt wurde. Der Regierungsrat hat als Administrativbehòrde in den Beschlüssen vom 16. Juni/12. Juli 1902 die Bewilligung erteilt: hierfür kann er die Staatsgebühr verlangen; er hat der Rekurrentin seine Entscheidung auf dem ordentlichen, amtlichen Wege zur Kenntnis gebracht: hierfür hat er die Kanzleigebühr bezogen. Die Erhebung der Staatsgebühr ist somit auch im vorliegenden Falle neben der Erhebung der Kanzleigebühr zulässig.

Insofern daher die Eekurrentin die Erheîaung einer Staatsgebühr neben einer Kanzleigebühr durch den Kanton Uri für die Erteilung einer Bewilligung auf Grund des Fabrikgesetzes bo.

streitet, ist ihre Beschwerde abzuweisen.

252 II.

1. Die Höhe der Staatsgebühr ist von der Rekurrentin nicht angefochten worden. Wollte man auch in der Phrase: ,,Es handelt sich in diesem Falle nicht besonders um den Betrag als vielmehr um einen grundsätzlichen Entscheid für die Zukunft", den Ausdruck des Willens anerkennen, gegen den Betrag der Staatsgebühr zu rekurrieree, so könnte diesem Willen doch keine Folge gegeben werden, weil sogar ein Versuch der Begründung der ' ü b e r m ä ß i g e n Höhe der verlangten Staatsgebühr fehlt. Die Mitgabe einer Begründung ist aber nach den Bestimmungen des Organisationsgesetzes Voraussetzung für die Erhebung einer staatsrechtlichen Beschwerde (Art. 178 in Verbindung mit Art. 190).

Ob die Staatsgebühr Art. 31 der Bundesverfassung verletze und in ihrer Höhe den Betrieb der Parkettfabrik verunmögliche oder unabträglich mache, kann der Bundesrat nur als Rekursbehörde entscheiden und hierfür fehlen die Voraussetzungen.

2. Trotzdem ist auf die Untersuchung der Frage einzutreten, ob die vom Regierungsrat des Kantons Uri verlangte Gebühr im Betrage von Fr. 20 per Monat (== Fr. 40 für die ganze Übersseitbewilligung) zu hoch ist, und ob nicht im Sinne des Bundeagesetzes selbst eine Beschränkung liege.

Diese Frage hat der Bundesrat in der Tat zu prüfen, und zwar bedarf es hierzu der Einreichung einer Beschwerde durch einen Privaten (Bürger) nicht, sondern der Bundesrat hat von sich aus die erforderlichen Verfügungen zu treffen. Die Kompetenz hierzu gibt ihm Art. 102, Ziffer 2, der Bundesverfassung in den Worten: Der Bundesrat .,,hat für Beobachtung der Verfassung, der Gesetze und Beschlüsse des Bundes, sowie der Vorschriften eidgenössischer Konkordate zu wachen; er trifft zur Handhabung derselben von sich aus oder auf eingegangene Beschwerde, soweit die Beurteilung solcher Rekurse nicht nach Art. 113 dem Bundesgericht übertragen ist, die erforderlichen Verfügungen11. Ein Vorbehalt zu gunsten des Bundesgerichtes besteht nicht.

3. Es ist bereits ausgeführt worden, daß das Fabrikgesetz die Voraussetzungen der Erteilung fabrikpolizeilicher Überzeitbewilligungen erschöpfend regelt und aus diesem Grunde alle diejenigen Taxen unzulässig sind, welche sich nicht als Gebühren im engern Sinne, als Taxen für Gegenleistungen des Staates darstellen, und welche aus einem andern Grunde entstehen als aus der Durchführung
des Gesetzes durch die kompetenten kantonalen Organe. Eine solche unzulässige Taxerhebung mußte auch darin erblickt werden, daß unter dem Titel einer ,,Staatsgebühr" dem Privaten eine Last auferlegt wird, die mit der Gegenleistung des

253 Staates in keinem Verhältnis mehr steht. Dies ist dann der Fall, wenn die Gebühr den dem Staate verursachten direkten oder indirekten Aufwand überschreitet. Der Überschuß, das Mehr der Gebühr, fällt unter den Begriff der Steuer.

Für die Schätzung der den Kantonen tatsächlich erlaufenden Kosten gibt die vergleichende Übersicht im Bericht der Fabrikinspektoren wertvollen Aufschluß.

4. Es erscheint nun aber nicht angezeigt, daß der Bundesrat alle Gebührenansätze der vom urnerischen Landrat erlassenen ,,Verordnung betreffend die Erhebung einer Staatsgebühr für polizeiliche und fabrikpolizeiliche Bewilligungen" vom 18. September 1890 und 26. Mai 1897 einer Prüfung darauf unterwerfe, ob sie in der genannten Beziehung mit dem Fabrikgesetz im Einklang stehen und in ihrer Höhe den Charakter einer wirklichen Gebühr wahren. Einmal nicht mit Rücksicht auf die mannigfachen Verschiedenheiten der tatsächlichen Verhältnisse, unter welchen fabrikpolizeiliche Bewilligungen erteilt werden müssen, andererseits in Anbetracht des Umstandes, daß in den eidgenössischen Fabrikinspektoren ein Organ geschaffen ist, welches den Bundesrat vorkommenden Falles stets unterrichten wird, gana abgesehen davon, daß der von einer hohen Taxe Betroffene in seinem eigenen Interesse die Triebfeder zur Anrufung eines Entscheides der vollziehenden Behörde besitzt. Diesen Erwägungen gegenüber erscheint es, in Übereinstimmung mit den Beschlüssen des Bundesrates vom 22. Mai 1891 uod 26. Januar 1897, besser, die Prüfung der Entscheidung von Fall zu Fall vorzubehalten.

Es bleibt heute somit zu untersuchen, ob im vorliegenden Fall in der vom Regierungsrat des Kantons Uri von der Parketterie Altdorf verlangten .,Staatsgebührtt von Fr. 20 per Monat eine Steuer zu erblicken ist.

Es ist klar, daß der von der Urner Regierung aufgestellte und im Bericht der Fabrikinspektoren ebenfalls vertretene Gesichtspunkt nicht eingenommen werden kann, wonach eine Gebühr von insgesamt Fr. 45 gerechtfertigt sei, weil die Parketterie Altdorf ein umfangreiches industrielles Etablissement sei, welches das ganze Jahr im Betriebe stehe und eine ziemlich große Zahl von Arbeitern beschäftige, und daß die Belastung sich per ArbeiterStunde nur auf 1,7 Rappen belaufe. Die Argumentation wäre eine richtige, wenn es sich um die Frage einer Verletzung von Art. 31 der Bundesverfassung handelte, und darum, ob das Etablissement der Rekurrentin die Belastung überhaupt ertragen könne.

254 Immerhin lassen sich gerade bei Erteilung einer Überzeitbewilligung an ein größeres Etablissement gewisse Verhältnisse denken, bei denen auch die Erhebung einer höheren Gebühr den Charakter der Gegenleistung nicht einbüßt. Die staatlichen Beamten haben bei der Prüfung in Betracht zu ziehen die Leistungsfähigkeit der Fabrik überhaupt, die Zahl und die Löhnungsverhältnisse der Arbeiter, die allgemeine Konjunktur des betreffenden Industriezweiges, sie haben die Bücher und Korrespondenzen einzusehen, um die Dringlichkeit ,der erteilten Aufträge beurteilen zu können. Wenn nun auch bei Prüfung der Frage, ob die verlangte Staatsgebühr im konkreten Falle den Charakter einer Steuer besitze, allerdings infolge des Umstandes, daß die Staatsgebühr von Fr. 20 ,,per Monata erhoben wird, ihr Charakter als eine Gebühr in den Hintergrund tritt, so muß doch zugegeben werden, daß die Summe, die im Ganzen erhoben wird, sich noch innert der Grenzen des Anspruches auf Gegenleistung bewegt. Der Bundesrat sieht sich daher nicht veranlaßt, die Forderung einer Staatsgebühr von, einschließlich der KanzleigebUhr Fr. 45 als unzulässig zu bezeichnen.

Demnach wird erkannt: Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B e r n , den 27. Januar

1903.

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

Deucher.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Bingier.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bundesratsbeschluß über die Beschwerde der Parketterie Altdorf, H. Hefti & Cie., betreffend die Berechtigung des Kantons Uri zur Erhebung von Staatsgebühren für die Erteilung von Überzeitbewilligungen (Bundesgesetz betreffend die Arbeit in den Fabrik...

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1903

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28.01.1903

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243-254

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10 020 425

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