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Schweizerisches Bundesblatt.

XX. Jahrgang. lll.

Nr. 40.

5. September 1868.

Kommissionalbericht betreffend die Lehrschwestern im Jura

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Minderheit der nationalräthlichen Kommission über den Rekurs mehrerer jurassischer Abgeordneten zum Großen Rath des Kantons Bern, gegen dessen Dekret vom 5. März 1868, betreffend die Theilnahme von Mitgliedern religiöser Kon.gregationen am Primarunterricht.

(Vom 14. Juli 1868.)

Tit. l Eine Frage von hoher Wichtigkeit , da sie ihre Snelle in Grundsäzen hat , wel.he von der Bundesverfassung und von der Verfassung des Kantons Bern sanktionirt sind - es betrifft dieselbe die Freiheit des Unterricht... , der Religion und des Gewissens - ist dermalen der Würdigung der Bundesversammlung unterstellt.

Bundesblatt. Jahxg.XX. Bd. III.

^

18

216 Die thatsächliche Veranlassung dieser Frage ist folgende : Der Grosse Rath des Kantons Bern erliess am 5. März 1868 nacheitirtes Gesez : .

(Siehe Buudesrathsbeschluss ^).

Unterm 25. März 1868 wurde gegen dieses Gesez an den Bun-

.desrath reknrirt von 18 jurassischen Mitgliedern des Grossen Rathes von Bern, welche dahin konkludiren : es möchte der Bundesrath 1^ das

fragliche Gesez von. 5. ^März 1868 als verfassungswidrig annnlliren,

eventuell 2) die Glieder des Ordens der Ursulinerinnen als Angehörige einer einheimischen Verbindung von dem Lehrverbote befreien , und 3^.

in Bezug auf die barmherzigen Schwestern erklären , dass der Grosse Rath nach Art. 82 der Verfassung das Recht beibehalte , ihnen einzeln

die Lehrbewillignng zu ertheilen..

Bereits am 14. März hatte auch der Geschäftsträger des päpstlichen

Stuhles gegen das fragliche Gesez protestirt, weil es die Erziehung und den religiösen Unterricht der katholischen Kinder lahme, erworbene Rechte des betreffenden Lehrerpersonals verleze und eine gehässige Ansschliessung gegen alle religiose Lehrverbindungen involpire.

Der Bischof von Basel, Msg. Eugène, hatte dem Regierungsrath von Bern unterm 15. Rovember 1866 Nachstehendes geschrieben : Meine Konklusionen find folgende : ,,Seien Sie nicht , meine Herren , gegen die Schulen der Schwestern .^ eine edle Raeheiserung, welche alle unsere Jnftit..tionen zu heben geeignet ist, wird den Fortschritt des Unterrichts fördern, und es werden die Bürger , indem sie ihre Kinder in die von ihnen frei gewählten Anstalten schien konnen, sich durch immer innigere Bande an unsere republikanischen Jnstitntionen gefesselt suhlen, da diese ihnen eine der kostbarsten ^reih^iten wahrt.^ Am 27. Mai abhin hat sodann der Bundesrath diesen Rekurs als unbegründet abgewiesen. Dieser Entscheid, der weiter unten zu würdigen sein wird, veranlagte den vorliegenden Rekurs an die lezte Jnstanz, indem die Bürger des Jura durch die ^..rossrathsbeschlüsse und den vor^ erwähnten Entscheid des Bundesraths ihre Rechte für verlebt halten.

Vor Aussuchung eiuer Lösung dieses Versassungsanstan^des wird es nothwendig sein, die thatsächl.iehen Verhältnisse, welche ihn veranlassen, zu resümiren.

Die ^arteieu geben, mit Ausnahme einiger Rüaneen, die sol^euden als Ausgangspunkt dienenden Umstände zu : Die Ursulinerinuen und die barmherzigen Schwestern sind die ein^ zigen Bersonen, welche ^das bernisehe Gesez vom 5. März im Auge hat,

^) Bundesrathsbeschluß vom 2^Mai 18.^.8 . Bunde^blali. 18^ II, S. 8o2,

nnd Bericht der ...^el^rheit der nationalräthlichen Immission, Bd. Ill, S. 71.

217 indem die Schwestern der Vorsehung (les soeurs de la providence), welche im Jura einen dritten religiösen Orden bildeten, in den Jahren

1848 und 1849 von dort weggewiesen ^wurden.

Untersuchen wir ihren Ursprung und ihre Verhältnisse abgesondert.

Die U r s u l i n e r i n n e n haben in diesem Theile des Kantons Bern drei Niederlassungen: Borrentrur^, Saignelegier und Eornol. Von 15 Schwestern (s.^nrs professes) , wie sie ein aus Veranstaltung des Direktors des öffentl.chen Unterrichts des fautons Bern angefertigtes Verzeichniss aufweist , sind 14 Beruerinnen und eine einzige Fremde.

Es ist diess übrigens die in der Wiederhexstellungsakte von 181..) vor-

Gehaltene Rormalzahl.

Die Niederlassung ihres Ordens datirt von 1622 , er wurde ge-

stistet vom Fürstbischof Wilhelm Rinck von Baldenftein. Diese Ordens-

fchwestern widmeten sich der Erziehung und dem Unterricht der Jugend, bis zur französischen Revolution, zu welchem Zeitpunkte ste von der alle religiösen Orden. berührenden Auflösung mitgetrofsen wurden. Rach Beschwichtigung dieses Revolutionssturms und bei der daraus eingetretenen Ruhe nahmen jedoch die ^Ursulinerinnen ihre Mission als Erzieherinnen wieder aus und behielten dieselbe bei, zuerst als einfache Brivaten. später ^mit Subventionen der Munizipalität von Borrentruy. Die

Urkunde von 18l 5 über Vereinigung des Bisthums mit dem Kanton..

Bern fand die Lehrschwestern in dieser Stadt in eine vereinigt und zusammenlebend.

Kongregation

Rachdem es ihnen gelungen w a r , ihr im Jahr 1793 veräussertes Haus in Borrentru.^ wieder zurükzukaufen , erwirkten sie von der Regieruug von Bern die Wiederherstellung ihrer Korporation. Die Gründe, auf welche diese Regierung die fragliche Autorisatiou stüzte , verdienen reproduit zu werden. Sie dienen zur Würdigung des toleranten und billigdenkenden Geistes derjenigen, welche man so gern Aristokraten und Brivilegirte nennt, und sind geeignet, mehr als einem moderneu De^ mokraten beherzigenswerthe Lehren zu ertheilen. Der ^Kleine Rath der ^Stadt und Republik ^Bern drükt sieh wie folgt aus : ,,Da wir , bei Anlast des Gesuchs der Ursulinerinnen von Borreutrny vom 20. Oktober 1817 um Wiederherstellung ihrer Korporation, zu unserer grossen Besriedigung erfahren haben, mit welchem Eifer sich dieselben stetsfort und selbst in den schwierigsten Zeiten, der Erziehung der Jugend ihres Gesehleehts gewidmet, und wie wesentliche Dienste sie dadurch dieser Gegend

geleistet haben, ^ erwägend, dass eindringliehe Empfehlungen und die

vortheilhaftesteu Zeugnisse uns diessfalls vom Magistrat der Stadt Borrentru.^ übermittelt worden sind, verbunden mit dem angelegentlichen Wunsche ihrer Wiederherstellung, -^mit dieser Motiviruug wurde, durch Berathuug vom 5. Januar 1818, die zum Unterhalt des Justituts der Ursulineriunen bestimmte Dotation festgesezt.

218

,,Rach Einsicht des Vorschlags unseres lieben Landvogts ^...and bailll^ . . . . , uud von dem Willen beseelt , dem Magistrat der vorg nauuten Stadt uusere Befriedigung zu bezeugen über seine Sorgfalt für gute Primarschulen, und gleichzeitig unfern katholischen Angehörigen einen neuen Beweis unserer bestandigen Sorge und unseres Wunsches zu geben, die Bestimmungen der Art. 3 und 4 der Vereinigungsurknnde .zu Gunsten der Erziehungsanstalten und der religiösen Jnstitntionen zu erfüllen.^ Die Ursulinerinneu blieben in friedlichen. uud gesezlichem Bes^e des Unterrichts und der Erziehung .der jungeu Töchter zu Bruntrut. Wie bereits bemerkt, haben ^wei andere gemeinden, Saignelegier und Eornol^ das Beispiel von Bruntrut befolgt. Ein wesentlicher Umstand ist hier zu beachten , dass nämlich die Schwestern durch die in Bern seit 1819 aus einander Befolgte.. Regierungen nicht beunruhigt wurden ; dass sie gegentheils die vollständigste Ruhe und gesezliehen Schuz genossen naeh wie vor der Verfassung von 1846 ; oder, um genauer ^u sein, erinnern wir, dass am .). Februar 1849 ein Dekret erlassen wurde, welches die .Korporation der Ursulineriunen aufhob ; dass jedoch dieses Dekret ein todter Buchstabe blieb , indem mau nie beabsichtigte oder wagte , dasselbe in Vollzug zu sezen , dass vielmehr die bernische Verwaltung seit jenem Zeitpunkte, d. h. seit 18 Jahren, ossile lleu Verkehr mit den--trente nicht mehr genehmen --- Schwesteru unterhalte^ hat. J.. der That hat die Direktion des öffentlichen Unterrichts, nnbestrittenermassen, mehrmals und erst neulich noch ^ihi^eitsbrepets und Diplome au ^MitGlieder dieser Lehrverbindung ertheilt.

Die Ursulinerinueu des Jura - und dieser Bnnkt dürste von Einfluss sein im Jnteresse ihrer Sache --^ sind anzusehen als eine einheimische Korporation, welche direkte und unmittelbar dem Bischof von Basel gehorcht, ohne irgend einem ausländischen Religionsorden affiliirt zu sein. Diess wird von der Berner Behorde selbst Angegeben : Die Ursuliuerinnen, sagt Herr Kummer, Direktor des offentliehen Unterrichts ^ (siehe dessen Bericht an^ den Regierungsrath , Rr. 8) , gehoren keinem .kantonsfremden ^rden an uud ..önnen demnach vom .^rt. 82 der Ver^ fassnug nicht betrossen werden.

Es wirst die Regierung von Bern in ihrer Eingabe an den Bnndesrath deu Ursuliueriunen jedoch vor, dieselben
weigern sieh, ihre Statuten vorzuweisen, ein Umstaud,^deu man, wie es seheint, zu dem Zweke hervorhebt , um in Bezug anf ihre Aussagen über ihre Unabhängigkeit von jedem andern auswärtigen Religiousorden Verdacht zu weken. Es ist wirklich nicht moglich , den diessälligen Bemerkuugeu der Regierung

von Bern irgeud welche Wichtigkeit beizulegeu , indem einerseits die

Rekurreuten behaupten --- uud es liegt kein Gruud vor , ihnen hierin nicht zu glauben - dass die reklamirten Statuten, der bernischen Regie-

219 ruug zur Zeit der Wiederherstellung der Ursulinerinnen vorgelegt worden seien , wobei eine Abschrift der nämlichen Statuten feit damals im Staatsarchive deponirt ^geblieben sei, ---und anderseits wahrhastig nicht anzunehmen ist, dass der Regierungsrath der Republik Bern ein Juteresse daran haben konne, sich eine Ergänzung der Statuten vorlegen zu lassen,.

aus denen er sehr wahrscheinlich nichts weiter zu entnehmen hätte , als einige Details des devoten Gebens, einige asketische Uebungen. Ausserhalb ihrer Lehrfunktionen müssen sich die Ursulinerinnen eben so srei bewegen können und eben so unabhängig sein, wie alle andern Staats^ Beamten und Angestellten.

Wir werden uns mit diesem befremdenden

Argument bald näher belästigen,. denn dasselbe ist das einzige, das

der Trosse Rath von Bern zur Unterstüzung seines Dekrets vom 5. März anruft, indem er von einer Unvereinbarkeit der Funktion einer Lehrerin mit dem unbedingten gehorsam. den die Mitglieder der religiösen Orden ihren Obern schulden, spricht.

Berüksichtigen wir endlieh, dass die Unterzeichner des Rekurses, sowie die 10,000 Betenten und die 7 Gemeiuderäthe des Jura einstimmig diesen Ordensschwestern eiu wohlverdientes Lob zollen . sie stellen sie dar , wie sie als Engel der Armen wirken , wie sie sich der Bfleg.. der Franken widmen , wie sie der Jngend religiose Gefühle , .^anftmuth, artige und ehrbare Manieren einpflanzen, mit einem Worte, wie sie überall mit Achtung uud ^iebe umgeben sind.

Die .Statuten dieser Schwestern zeigen vor Allem ihre Tendenz und die Früchte , welche sie hervorzubriugen bestimmt sind. Man liest daselbst. ,,Das Gedeihen und der Ruin der Familien ist porzugsweise durch die weiblichen Bersonen bedingt ; wenigstens lässt sich behaupten, dass die Ordnung und das geregelte Wesen im Jnnern der Familien , der Friede und der Austand unter den Dienstboten , und besonders die erste Erziehung der Binder, hauptsächlich von den Hausmüttern abhängen, und dass durch diese sich die Kenntniss, die Liebe und die Uebung der Religion ans die folgende Generation überträgt . und wie manches andere Gute mnss nicht in der Welt gestiftet werden durch die in die ^erne leuchtenden Beispiele der Tugend und Erbauung , für wie viele junge Bersouen wird nicht diese christliche Erziehung eine ^ Quelle der Glukseligkeit für dieses und fur das künftige Leben .^ Die barmherzigen Schwestern haben sich erst ini Jahr 1.^18 im Jnra niedergelassen. Sie sind nicht aus ganz gleiche .Linie mit den Ursuliueriuneu zu stellen , indem sie ihr Mntterhaus in Besau^on haben uud d^r daselbst wohnenden Su^eriorin unterworfen bleibeu. Laut dem vom Direktor des .offentliehen Uuterrichts am 24. Rovember 1866 dem Regierungsrath ^uhandeu des Grossen Raths von Bern eingereichten Berichte exftxeken fich die Gelübde dieser Ordensschwestern : 1) auf die Armuth. 2) auf die Keuschheit, 3) auf den Gehorsam gegen.

220 die Generalsuperiorin, 4) auf die Bflege der Armen, und aus den Unterricht. Diese Gelübde sind nu.^ auf ein Jahr verbindlich.

Diese Schwestern liessen sich querst in St. Ursanne nieder und wurden dann sueeessive als Brimarlehrerinnen in verschiedenen gemeinden angestellt.^ gegenwärtig sind die Superiorin, sowie die dem Unterrichte vorstehenden Schwestern Gegnerinnen. Die Bevolkerung des Jura vermengt sie mit den Ursulinerinnen , indem sie die Beibehaltung derselben auf Grund des nämlichen Titels , mit der nämlichen Eindring-

lichkeit, Entschiedenheit und Einmütigkeit verlangt.

.,Seitdem diese Frauen (die barmherzigen Schwestern) in Boneonrt sind, sagt der dortige Gemeinderalh, kouneu wir einen grossen Fortschritt

in der Disziplin der Binder vermelden. Mit der Arbeitschule geht es

auch weit besser als srüher. Ju Bezng ans die andern Zweige ist ebenfalls ein Fortschritt bemerkbar, wenn auch nicht in dem Grade, wie in obigen Branchen. Was den Eltern die meiste ^reude macht, ist der Umstand, dass die Kinder in die Schule gehen, ohne jemals entmuthigt zu wer.^eu. mehrere wollen in die Schule troz ihrer Uupässlichkeit, was früher nicht der Fall war.

,,Der Gemeinderath und die Schulkommission können ihren Lehrerinnen nur .Lob zollen. sie wünschten nur, das nämliche Zeu^uiss auch ihren Lehrern ertheilen ^u können.

,,Der Gemeinde Bo..eo..rt liegt ungemein viel au der Beibehaltung dieser religiose.. Lehrerinnen. sie hat Vertrauen in dieselben.

Die kleinen Mädchen halten sich Besser als ^nr Zeit, wo die .Schule von einer Lehrerin aus dem .Laienstande gehalten wurde . wir haben überdies den Vortheil einer Kleinkind^rsehnle , die uns die grossten Dienste leistet.^ (Bericht des ^.rn. Kohler, abgestattet namens ...er Minderheit der Kommission des Grossen Raths von Bern in der ^nng vom

21. Rovember 1867).

Der Bis^hos von Basel würdigt in seinen Vorstellungen au den Grosseu Rath von Bern, datirt vom 18. November 1867, diese Heldiunen der Barmherzigkeit und der christlichen Hingebung, durch sollende Hinweisung . ,,Zur Stunde, da ich schreibe, halteu die barmherzigen Schwestern, ^as ho.hster Beachtung werth ist, offentliche Schulen, unter dem Schuze der Regierungen , ich sage nicht bloss in mehrern unserer Kantone, und in Frankreich, sondern in England, Russland, Serien, Konstantinopel. Währeud der legten Session der sranzosischen Kammern haben die demokratischen, soeialistischen Deputirlen lant die Dienste proklamirt, welche sie dem Lande im Unterrieht leisten.^ Monseigneur Misslin , früherer Briuzipal des ^Kollegiums von Borxentru...,, ein eminente^ schweizericher Brälat, welcher Palästina besucht hat , lässt in seinem, von eiuem beredten Redner des bernischeu Jura

. 221 ^itirten Werke über die heiligen Statten, ^diese Worte voll Trauer und Bitterkeit fallen : ,,Jndem ich diese Linien schreibe, fühle ich mein Herz zerrissen.^ ich fühle die Schamrothe mir ins Gesicht steigen, wenn ich an meine Heimat denke. Jn Serien, unter dem Joche des Halbmondes, sehen wir Volkerschasten, die... wir Barbaren nennen. nicht nur den heiligen Tochtern alle Freiheit für die Ausübung ihres Amtes der Barmherzigkeit lassen, sondern ihre Gesühle des Zankes und der Bewunderung denjenigen der ganzen Erde anschliessen. Jn der Schweig dagegen, im Mittel.punkt Europas, im Laude der Freiheit und der T o l e r a n z , wurden die ...Tochter von St. Vineent de Baul in unwürdiger Weise ausgewiesen .-und es haben sich die Manen der Gründer der helvetischen Republiken nicht aus ihren Gräbern erhoben , um gegen dieses dreifache Attentat, ein Atteutat gegen das Ehristenthum , gegen die Eivilisation und das Frauengeschlecht zu protestiren .^ Jst die Minderheit Jhrer .kommission angesichts de^ neulichen Ver-

fügung des Grossen Raths nicht berechtigt, sich zu fragen : ob die

barmherzigen Schwestern, welche unter allen Regierungsformen , unter fast allen Erdbreiten Gegenstand der Verehrung und der Anerkennung sind, - wohl Befürchtungen in Bezug auf Erziehung einslösseu und einen schmerzlichen Ostraeismus in der demokratischen und regeuerirten Republik von Bern rechtfertigen konnen ^ ^ Jn Bezng aus die barmherzigen Schwestern stellen die Rekurrenten so vorteilhaft auch die Würdigung jener Schwestern ausfällt, und wiewohl sie in Bezng. ans das Spirituelle vom Bisehos von Basel abhangen - einen snbsidiären Antrag , wornaeh dieselben nur als ein a u s l ä n d i s c h e r .^rden anzusehen wären, im ^inne des Art. 82 der bernischeu Verfassung, indem das Begehren der Rekurrenten sich darauf beschränkt , dass diese Ordensschwestern mit Bewilligung des Grossen Raths individuell Diplome als Lehrerinnen sollen erlangen konneu.

Diese Erwägungen vorausgeschickt , sieht sich die Miuderheit Jhrer .kommission nun a..f dem Vuukte angelangt, sieh mit dem den Räthen vorgelegten Rekurse speziell vom Gesichtspunkte der Verlezuug der bernischeu Verfassung aus, zu beschäftigen.

Die zur Unterstüzung dieses Rekurses angerufenen .Argumente resümiren sich dahin : Verlezt das rekurrirte grossräthliche Dekret die Artikel 81 und 82 der beruischen Kantonsversassung ^ --- Dieselben lauten wie folgt : .,Art. 81. Die Besugniss zu lehren ist, unter Vorbehalt leserlicher Bestimmungen,

freigestellt

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,,Art. 82. Keine dem Kanton fremde , religiose Korporation oder Orden ,^ und keine mit demselben verbundene Gesellschaft kann sich ans dem Staatsgebiete niederlassen, und kein einer solchen Korporation..

222.

Orden oder Gesellschaft angehörendes Jndividuum dars im Staatsge-

biete Unterricht ertheilen, als mit Bewilligung des Grossen Raths.^ Die

Regierung von Bern rechtfertigt ihr Dekret von. 5. Mär^

1868 durch folgenden Gedankengang : Laut Art. 81 hat die gesezgebende

Gewalt des Kantons das Recht und die Vflicht, in Bezug aus den öffentlichen Unterrieht ^die angemessen oder nothweudig befnudenen Vorschristen und Restriktionen zu erlassen. dieses Recht ist, ihr zufolge,.

keineswegs beschränkt durch den Art. 82 der Verfassung , welcher sich.

nur aus die Niederlassung der fremden religiösen Korporationen oder Orden bezieht. Aus den. Umstande, dass dieser Artikel den Unterricht vereinzelter Glieder eines fremden Ordens ohne Spezialbewiliigung des Grossen Raths nicht gestattet, dars nicht geschlossen werden, dass die im genannten Artikel Vergangenen inländischen religiösen Korporationen, wie die Ursulinerinuen, durch Vorbehalte und selbst durch ein absolutes.

Lehrverbot nicht..... betrosseu werden können, indem solche Vorbehalte und Verbote in der Kompetenz der obersten Gewalt verbleiben. Desswegen, weil Versonen. welche ausländischen Orden angehoren , durch die Verfassung zum Gegenstand einer Ausnahme gemacht sind , kann logischerweise nicht behauptet werden, dass die daselbst nicht erwähnten iuländisehen Orden nicht unter die allgemeine Regel fallen, wie sie der Gese^ geber aufzustellen angemessen finden mag : die Befugniss , in dieser Materie gesezgebende Verfügungen zu erlassen , ist ohne ^Vorbehalt und ohne Ansehen der Berson im Art. 81. ausgesprochen.

Die Rekurrenten argumentiren anders. Raeh ihrem Dafürhalten stellt der Art. 82 der Kantonsversassnng die inländischen Korporationen, also vor Allem die Ursulineriunen, unter spezielle Garautie. Jn der That konnte die Verfassnngsbehörde eine Ausnahme nicht ausstellen, ohne einen allgemeinen Grundsaz, eine positive Regel vorauszusehen, in der Weise nämlich, dass durch die ^ernhaltuug der ausländischen Religionsorden vom Unterricht implicite die Berechtigung derjenigen anerkannt wurde , welche als dem Kanton Bern angehorend augesehen werden.

Es ergibt sich ans dieser Auslegung, welche sich aus den gesnudeu Verstand und die Vernunft ftüzt , dass der Gesezgeber , ohue Verlegung der Verfassung, in sein Gese.^ kein Lehrverbot gegen die religiosen Orden aufnehmen konnte, welche auf die uämliche Liuie wie die bernischen Jndividualitäten zu stellen sind. Die Verteidiger der jurassischen Vetenten verweisen, zur Rechtfertigung des von der Kantonsregierung so genannten unzulässigen Vorrechts zu Gunsteu der betreffenden Korporationen, aus die Umstände, in denen sich der Kanton Bern und insb...sondere der Jura im Jahr 1846 befanden, ^u einer Zeit, wo einerseits die Jesuitensrage im Vordergxunde stand, während es anderseits ^von den

Verhältnissen geboten erschien, die Empfindlichkeit der katholischen Bartei

223 zu schonen, in der die Erinnerung an die knrz vorher durch die Badener Konferenzen hervorgerufene militärische Okkupation noch nicht erloschen war. Die .Protokolle über die Verhandlungen des bernischen Verfassungsraths im genannten Jahre 1846 , .die damalige Sprache der Hauptredner, das Jnteresse, welches man hatte, die Annahme der Versassung durch eine grosse Mehrheit in den Bezirken des Jura zu erlangen, endlich das Jukrastse^en dieser Verfassung und die seitherige, der Ausleguug der jurassischen .Katholiken entsprechende Vra^is, ---alle diese Umstände bezeugen die Berechtiguug der Beanstandung des Dekrets ^ vom 5. Mär^. Roch mehr. die Rekurrenten glauben, das dasselbe überdiess verfassungswidrig sei, weil es die von der bernischen Verfassung wie von der Bundesverfassung gewährleistete Freiheit des Gewissens, des Unterrichts und der Niederlassung ^antastet. .

Brüfen wir die gegenseitigen Rechtsargument....

Zunächst ist unn allerdings uicht zu verkennen , dass die Versassungsbestimmungen von 1846 klarer und e^plieiter hätten sein können.

Man dars sieh daher nicht verwundern, wenn, je nach den Umständen und den Jnteressen, die dabei in's Spiel kommen, abweichende Auslegungen den Zweifel und die Ungewißheit nähreu. Dies bestätigen denn

auch die Debatten, welche die uns beschäftigende Frage im Sehoosse des

Grossen Rathes von Bern hervorgerufen hat , insbesondere der folgende im Jahr 1852 pou der Regierung dem bernischeu Grossen Rathe gestellte

Antrag :

.,D e r G r osse R a t h d e s K a u t o n s B e r n , Jn Erwägung , dass man bei Erlass des Dekrets vom ^.^^..bruar 1849, betreffend die Mitglieder des Ordens der S.hweftern der Barmherzigkeit, der Schwestern pon .^t. Vinrent de Vanl und derjenigen der Vorsehuug , sich unzweifelhaft auf eine irrige Auslegung des Art. 82 der Kantonsversassung geftüzt hat..

Aus den Antrag der Erziehuugsdirektion und das Gutachten des

Regierungsraths,

b e s eh l i esst :

Das Dekret vom 9. Januar 184^ ist aufgehoben.^ Ebenso ist leicht wahrzunehmen , dass die Gesezgeber , welche das Dekret vom 5. März zu .^age gefordert , sich durch et.vas verwirrte Jdeen haben beherrschen lassen , indem man aus demselben nicht klar ersieht, welcher Unterschied zwischen dem öffentlichen und dem Privatunterbricht gemacht werden wollte.

Der Buudesrath macht in seinem Besehlusse vom 27. Mai (zweite Erwäguug) den Gruudsaz geltend: es sei jeweilen ein wesentliches Gewicht auf diejenige Versassungsinterpretation zu legen, welche die oberste

224 Kantonsbehorde , die in erster Linie zur Handhabung derselben berufen ist, selbst der Verfassung gibt, und nur dann zu interveniren, wenn in^

dieser Auslegung Unbill, Gefährde oder Unterdrükung liegt.

Der Unterzeichnete kann dem ersten Theile dieser Erwägung nur beipflichten , mnss aber dabei bemerken, dass die Anwendung des betressenden Grundsazes jeweilen unterzuordnen ist der zu losenden faktischen Frage, hier also der Frage, ob nicht wirklich eine Antastung der Rechte des katholischen Jura stattgefunden. habe. Run hält eben die Minderheit dafür, dass die Rechte der Rekurreuten verlebt seien. Jhre gründe resümiren sich dahin : L Die Versassungsbehorde hat offenbar den Bestand der OrdensSchwestern sanktioniren wollen, welche den Lehrberuf im Kanton Bern ausübten, als die Verfassung von 1846 durchberathen und dem Volke vorgelegt wurde.

Dieser Saz findet sich hinlänglich gerechtfertigt durch die Brüsung des oben eitirten Art. 82. Verschiedene Gesichtspunkte pereinigen sich zu Gunsten dieser Ansicht.

Von einer Verfassung , weit mehr noch als pon einem gesezgeberisehen Erlasse, ist nicht vorauszusehen, dass sie unnüze oder widersprechende Bestimmungen enthalte. Wenn nun die bernische Verfassung dadurch, dass sie im Art. 82 die Unfähigkeit fremder Orden, das .Lehramt auszuüben , prokl.amirte , nicht im Gegentheil die diesfällige Berechtigung der inländischen Orden ausgesprochen hätte , so ^würde sie eine Sprache geführt haben , die man sich nicht erklären konnte . sie hätte unnüze Dinge gesagt, weil uach Art. 81 der Gesezgeber durch uichts beschräukt wäre. Aber noch mehr. ausgesasst im Siune des Dekrets vom 5. März, müssl.en die Art. 81 und 82 einen sormlichen Widerspruch , d. h. eine Absurdität zu Tage fordern , welche man hier nicht voraussezeu darf.

Es wurde nämlich das ^urch Art. 82 den Mitgliedern ausläudischer

Religionsordeu formlich gewährleistete Recht, mit Bewilligung des Grossen ^über den Mitgliedern inländischer ..^rden , die dur.h das prohibirende Raths deu Lehrberus auszuüben, sieh ^u einem Vorrechte gestalten gegen-

Dekret vom 5. Mär^ in Gemässheit des Art. 81 getroffen wären. Rehmen wir den Fall an, eine Ronne aus einem Religionsorden, der seinen ^i^ im Auslande, ^. B. in Frankreich, hat, lasse sich iu Vorrentrn^ uieder und verlange die Bewilligung zum Lehren , - dann wäre der Grosse Rath nach der Versassuug gehalten , darauf einzutreten , d. h.

dem Begehreu ^u entsprechen oder dasselbe abzulehnen. Richt so verhielte es sich aber mit einer beliebigen andern Schwester, von der man z. B. annimmt , sie sei in Vorrentrur^ geboren und gehore der einheimischen Kongregation der Ursuliner.nnen an, - weil das Gesez es nicht gestattet, sie zum Unterrieht ^zulassen. Wir hätten also die seltsame Anomalie vor uns, dass der einem ausländischen Orden angehörenden

225 Franzosin entsprochen werden konnte, während die einheimische Ordensschwester sich unbedingt ^ausgeschlossen sähe. Die Verfassung würde die Ausländerin schüzen , die Bernerin hingegen konnte dieselbe nicht anrufen , sondern sähe sich durch ein einfaches Gesez abgewiesen. Es ist wahrhaftig nicht möglich, eine solche Auslegung zu aeeeptiren , vielmehr

drängt sieh unwiderstehlich der Schluss aus, dass das durch Art. 81 dem ^esezgel.er vorgehaltene Recht nicht so ....eit gehen kann , dass^ dadurch

die im Art. 82 implieite enthaltene Garantie beseitigt würde. Allein

hier entgegnet man uns : Jhr könnt nicht verlangen , dass die Korpora^tionen. und seien es auch einheimische, sich, so lauge die Verfassung in .Krast steht, der ferner Regierung als Lehrkräfte aufnothig...n dürfen; es hiesse diess ein ......orrecht sanktioniren, das sich keine Regierung gefallen lässt. denn überall enthalten die Geseze Vorbehalten in mehrern Staaten wurde der offizielle und ofsentliche Unterricht den Ordensgeiftlichen und .Ordensschwestern endogen, und gewiss darf mau nicht mit der Zumuthung austreten, die b^.rnische Verwaltung zu immobilisiren , ^während sie fich überzeugen musste , dass die bisher ^..gelassenen Lehrschwestern den Jntentionen des Staates nicht mehr zu entsprechen vermögen.

Wir verkennen das Gewicht dieses Einwurss nicht, und haben gewiss nicht die Brätension, einen souveränen Kanton in der regelmässigen und normalen Ausübung seiner Souveränetät hindern zu wollen. Unsere Antwort aus die uns entgegengehaltenen Argumente geht dahin: Wenn gewisse Staaten es angemessen fanden, den öffentlichen Unterricht den religiösen .Kongregationen oder selbst der Geistlichkeit überhaupt zu eut-

ziehen, so lässt sich dies leicht damit erklären, dass diese Staaten sieh in

der .Sphäre ihrer Gesezgebungsbesugnisse srei bewegen dürfen, während der ^taat Bern .^ben, wie wir gesehen haben, sich durch die Versassung selbst zu binden veranlasse war. Mau kann daher gegeu die Minderheit nicht mit anderweitigen Vorgängen in Sachen der Erziehung und des Unterrichts argumentiren. Die Anhänger der Anficht, welche derjenigen der Minderheit entgegensteht, müssen also notwendigerweise anerkennen, dass, wenn der Geist der bernischen Verfassung nicht geradezu uöthigt, die zu... Zeit des Jukraftsezens der Versassung in Funktion stehenden Ordensschwestern als Lehrl.orperschaft beizubehalten, derselbe sieh wenigstens dem durch das Gesez vom 5. März versagten unbedingten Verbot widersezt.

Dieses Gesez stellt eiue Jnkompatibilität aus, welche sieh gegen die Ver-

sassuug verstosst: die ^ehrkörperschasten oder wenigstens ihre einzelnen Mitglieder sind auf keinen andern^ Boden zu stellen, als den des gemeinen Rechts ^ will die bernische Verwaltung dieselben durchaus von dem Unterrieht fernhalten, den die Eltern sowohl als die Gemeinden mit gleicher Eindringlichkeit beibehalten zu sehen wünschen, so ist dies ein Schritt, dessen moralische Verantwortlichkeit ganz aus die Verwaltung fällt, aber Sache des Gesezes ift es nicht, diese Lehreriuuen von

der allgemeinen Regel willkürlieh auszusehliessen.

226 Das Motip, ^auf welches sich der bernische Gesezgeber bei Erlass

des rekurirten Dekrets stüzt, macht --^ es lässt sich dies nicht verschweigen -.- einen peinlichen Eindruk. ,,Die Beobachtung der Geseze (heisst es) ^ über das osfentliche Schulwesen ist unvereinbar mit dem unbedingten Gehorsam, welchen die Mitglieder religiose^ Orden ihren daherig..n Obern schuldig stnd.^ Es ist ui..ht moglich, ungenauer und, sagen wir es offen, ungerechter zu sein. Man braucht hier nicht daran zu eriun^ern, dass die Katholiken in Glaubens^ und Dogmens^.heu den. ^lutoritätsprinzip uuter.vorsen sind, während der protestant zu seiner Riehtschnur nur seine individuelle Vernunft hat. was aber in dieser Streitfrage betont werden muss, das ist, dass wenn Bersouen, die in religiose Orden eintreten, bei den Katholiken ein Gehorsamsgelübde ablegen, wenn sie ein geistliches Band anknüpfen, welches sie zum Gehorsam

gegen ihre Obern verpflichtet, dieser Gehorsam sieh lediglich auf Dinge

bezieht, welche diese Obern ihnen anbesehlen dürfen. Der im bernischen Dekret betonte u n b e d i n g t e Gehorsam ist eine unstichhaltige Ueber^ treibung. Wie kommt es denn, dass dieser unbedingte Gehorsam ^bis heute der Erfüllung der diesen Ordensschwestern auferlegten .^fliehten keine ernsten Hindernisse entgegenstellte^ Wie kommt es, dass infolge blosser Anstände in untergeordneten ...ldministrativdetails , wie sie sicher allen Behorden, seien es welche es wollen, jeweilen vorkommen, diese nämlichen Lehrerinnen, deren Dienste geschaht sind von e.ner Bevolternng, welche zum Zweke, sich dieselben serner zu erhalten, alle Jnstanzen durchzumachen sich gedrungen fühlte, erst heute der Demüthigung ausgesät werden, ausser das gemeine Gesez gestellt zu werden^ Kann der religiose Grundsaz des Gehorsams an sich selbst dieses odiose privile-

gium rechtfertigen^ Wir sagen es mit Bedauern : die ^ersügu^g des

^ernisehen Grossen Raths erscheint entweder als eine Kriegserklärung gegen Kappen und Schleier, was ^ lächerlieh wäre, oder, was weit ernster, als eine Antastung der Religions- und Gewissensfreiheit. Jedenfalls

trifft das Verlebende in dieser Angelegenheit schliesslich die Obern,

welehe den Gehorsam vorschreiben, das heisst den Bisehof von Basel, von dem die Ursulineriunen direkte abhängen, und die Obern der barmherzigen Schwestern, welche iu Frankreich residiren. Run glauben wir, dass es unrecht und vermessen wäre, anzunehmen, es werde von ihnen den Untergebenen zugemutet, sich in Bezug auf den Unterrieht in .^pposition zu sezen gegen die gerechten und vernünftigen Geseze des Landes, das ihnen eine Stätte gewährt. Uebrigens handelt es sieh durchaus nicht darum, die religioseu .Lehrerinneu mehr als die .Laien gegen die berechtigten Anforderungen der osfeutlichen ^Verwaltung in.^ehuz zu nehmen. Diese behält ihnen gegenüber alle gesezlichen Repressionsmittel in Händen.

Dürfen wir in Bezug auf diesen unbedingte Gehorsam nicht die Frage stellen : Sollte die Vflicht einer .Ordensschwester, wie diejenige

227 des Katholiken, die vom Dogma und der Moral der eigenen Konfession auferlegten Vorschriften zu erfüllen, mit dem öffentlichen Unterrieht un- ^ vereinbarer sein, als die Sorgen und die Obliegenheiten einer vom ehelichen Bande in Anspruch genommenen Schullehrerin ^ Bietet jene etwa die nämlichen Rachtheile wie gewisse, auf eine Versorgung abzielenden Vräliminarien, die von einigen bernischen Rednern bei Anlass der von unserer vorliegenden Frage hervorgerufenen Debatten bemerklich gemacht wurden^ Anf diesen Abhang geführt, muss man augenscheinlich dahin gelangen, einen wirklichen Druk auf die ..gewissen auszuüben.

Rur Eines kann mau von der Lehrerin verlangen : die Erfüllung der . Vflichten, welche das Gesez ihr auferlegt.

Ju der Sizung des Grossen Raths, in welcher das nun von uns zu würdigende Gesez durchberathen und votirt wurde, hat man sich, wie das Protokoll ausweist, energisch gegen das Monchthum und dessen Erzi..hu..gsmethode, gegen die sogenannten ultramontanen Tendenzen ausgesprochen. Dies veranlagt die Minderheit zu einigen Worten über diese immer delikaten und dornigen Fragen, und zwar lediglieh um wo möglich einige diessalls waltende bedauerliche Vorurtheile zu zerstreuen.

Es ist hier nicht der Ort, die verschiedenen Systeme der Töchtererziehung zu erörtern, uur darf nicht ausser Acht gelassen werden, dass die Katholiken des Jnra stch durch die praktischen Resultate überzeugen konnten. dass der Unterricht ihrer Lehrschwestern ihren Bedürfnissen reichlich genügt . dass insbesondere ihre jnngen Tochter in den betreffenden Schulen, ausser den Erfordernissen der offiziellen programme, dasjenige lernen, was die Hauptsache ist und weniger leicht vergessen wird, als eine Menge Hanpt- und Rebenkenntnisse, d. h. Gesezl.heit, Bescheidenheit, Sittsamkeit und die andern weiblichen Tugenden, lauter Eigenschaften, welche die gute Hausmutter ausmachen. Die Tagestendenzen verleiten selbst einsichtige Kopfe zu einem Jrrthu.n oder einer Uebertreibung, insosern uamlich die öffentlichen Behörden zu vorherrschend darauf bedacht siud, bloss den Geist der jungen Lente ^u kultiviren, wobei aber die eigentliche Erziehung in den Hintergrund gedrängt wird.

Zu den Vflichteu der Regierungen muss man gewiss die Fortbildung und

die Fortschritte des öffentlichen Unterrichts zählen . allein es darf nicht

ausser Acht gelassen werden, dass das Kind vor Allem der Familie angehört, und dass ein zu weit gehender Eifer in diesem funkte einer Beeinträchtigung der Freiheit sehr nahe kommt, man darf sich nicht mit dem Gedanken schmeicheln, dass Alles zum Besten steht, sobald man Geseze und Reglemente zur .^.ebung des Unterrichts erlassen hat, und dass alle Lehrer, welche nicht am gouvernementalen Gängelband gefuhrt werden, unfehlbar straucheln müssen.

Wir dürfen uns nicht lange bei den Anschuldigungen aufhalten, welche oft^ nichts Fassbares darbieten, als leidige Kousesfionsvornrtheile

228 oder die nur zu verbreitete Riehtkenntniss der wahren Sachverhältnifse.

Sollte die bürgerliehe ^Freiheit, diese kostliche Errungenschaft der Neuzeit, steh noch jezt entsezen müssen vor solchen ....... chrekbildern, wie sie hinter den Schlagworten steken : Ultramontanismus, Monehthum ...... ^ Alle Katholiken sind bis auf einen gewissen Vunkt Ultramontane. insofern das geistliche Oberhaupt ihrer Religion in Rom, also jenseits der Berge, residirt. Aber, Herr Bräsident, meine Herren l ist es nicht wahrhaft ungerecht, dieses Umstandes wegen ihren Batriotismns und ihre Bürgertugenden in Verdacht zu ziehen^ Die beste Antwort. auf derartige Anschuldigungen wäre eine Verweisung anf die Thatsachen und die Beispiele. Unsere Vorsahren knieten nieder und beteten, bevor sie bei Mur-^ ten die Burgunder bekämpften und besiegten --- sie waren Katholiken.

Jn einem uns näher gelegenen Zeitpunkte .sehen wir die Helden der Schiudelegi und von Rothenthurm unter Anführung von Reding und unter dem Jmpulse eines demüthigen Kapuziners --- es waren Katholiken. Jene Männer, Weiber und Tochter, welche im Jahr 1798 in ......idwalden einem gewissen Tode entgegen gingen, um eine J..vasion zurükzuweisen, währenddem die preise und Kinder in der Kirche beteten, - waren ebenfalls eifrige Katholiken.

Jn dieser Beziehung ist noch ^u bemerken, dass gewisse Gesetzgeber zu wenig Rüksicht nehmen auf die Stellung der Katholiken , welche sich nicht von einem einheitlichen Mittelpunkt ablosen konnen , während der Souverän in einem resormirten Staate in der Ausübung der gesezgebeuden Gewalt nicht durch eine geistliche , ausserhalb der Staatsgrenzen befindliche Macht beschränkt ist.

Wenn heutzutage Viele sich nicht mehr in die klösterliche Erziehung finden konnen, so mnss doch anerkannt werden , dass das ^hantom des sogenannten Monchthums nicht die gefahren bietet, welche man in demselben erbliken will. übrigens pergissl. man in unserer Zeit zu sehr die von den Klostern den Wissenschaften und Künsten geleisteten Dienste.

Darf ein Schweizer St. Gallus , seine Rachfolger und ihre berühmte Schule vergessen .^ Konnen die Jurassier St. Ursanne uud ^t. Germain vergessen .^ Werst einen Blik ans ^reibnrg, aus den Blaz Notr^D.^me .

dort seht ihr die Statue eines por mehrern Jahren verstorbenen Monchs von europäischem Rnse, so zu sagen, den
die liberale Regierung eiuer Grossmacht.^ dekorirte , ^- den Frennd und Erzieher der Jugend ^ ans dieser Statue siud die Worte eingeschrieben : Mome patriote (patriotischer Monch).

H. Kehren wir nach diesen von unserer ^rage uns eingegebenen Abweichungen zur Verfassung des Kantons Bern ^urük, und suchen wir, den wahren Sinn derselben herauszubringen , indem wir die Umstände berüksichtigen, unter denen sie zu Stande kam. Die Bitten, Tendenzen und Anforderungen einer jeweiligen Epoche sind sehr geeignete Elemente,

229 um den Bedanken zu enthüllen, welchen die Schrift fairen sollte , und zum deutliehen Verständnis^ zu bringen, was im Tei.te mehr oder weniger dunkel scheinen mag.

Wie bereits bemerkt, wird von der 1846er Verfassung den ausländisehen Religionsorden die Lehrbefngniss verweigert, jedoch unter Sanktionirung derjenigen der einheimischen ^rden. Diess erklärt sich, wie oben angeführt, durch den Umstand, dass man es vermeiden wollte, der katholischen Bevölkerung des Jnra Anftoss zu geben , . welche eine , wenige Jahre vorher stattgehabte militärische Okkupation noch nicht vergessen

^ hatte. Die Art. 81 und 82, in Verbindung mit einander, sind als

eine Abfindung der verschiedenen Varteien anzusehen , denen die Aufgabe zugesallen war, die Republik ans neue Grundlagen zu stelleu. Die Abgeordneten des Jura sowie die einflußreichsten Mitglieder aus dem alten Kanton haben alle in den Diskussionen über deu Verfassungen^ wurf Erklärungen der beruhigendsten Art für den Jura abgegeben, welcher damals wie ^heute die lebhaftesten Sympathien für die Lehrschwestern bekundete. Wir beschränken uns auf die Zuführung folgender Worte des Hrn. Oehsenbein, eines der Redaktoren, und Berichterstatter über den Entwurf dieser. Verfassung . sie finden sich im Bulletin der Verhandlungen des Verfassungsrathes , . Rummer 78 , datirt pom 6. Mai 1846: ,,Bei Aufnahme dieses Artikel.... .(Axt. 82 der Versassung) hatte man hauptsächlich die Jesuiten im Auge ; denn nach den allbekannten Vorgängen in der Eidgenossenschaft fand man es nothwendig, diesem gefährlichen Orden für immer den Weg zu versperren, damit derselbe .nicht das eine oder andere Mal sieh in diesem Kanton feststen konne. Um aber nicht in eine Spezifikation eingetreten, hat man gleichzeitig sür angemessen erachtet , im .Allgemeinen allen kantonssremden Korporationen oder Orden zu untersagen, sich ans dem Gebiete der Republik niederzulassen. oder daselbst ohne Bewilligung des Grossen .Raths zu lehren.^ Jn der gleichen Si^nng äusserte sich der nämli^e Redner wie folgt: .,Es gibt gewisse ^rau.msorden. welche sich die Vflieht auserlegen , die Kranken in den Spitälern zu pflegen , oder die einen anderweitigen wohli.hätigen Zwek verfolgen. Man^ wollte daher diese Orden ans den Gegenden der Republik, denen an ^ ihrer Beibehaltung gelegen ist, nicht entfernen. Jch sühre z. B. die barmherzigen Schwestern an ..e.^.

Es war wohl nicht moglich , deutlicher zu sei.. : man nahm den Art. 82 nur auf, um sieh vor deu Jesuiten, nicht aber vor den durch das Dekret vom 5. März betroffenen Lehrschwestern zu sehüzen.

Die daraus zu ziehende Konsequenz ist folgende : Die Stellung, welche die barmherzigen Schwestern sowie die Ursulinerinnen im Jahr 1846 iuue hatten , wird durch die Verfassung geschüzt , und es ist die diessällige 20jährige Anwendung derselben ^ mit ihrem Wortlaute und Geiste voll-

230.

..

kommen im Einklang. Aus diesem Tatbestand mnss entnommen werden, dass das bernische Dekret, hauptsachlich vom Standpunkte der von dem-

selben ausgestellten unbedingten Jnkompatibilitäteu, verfassungswidrig ist und demnach, gemass Art. 74, Ziffer ^ der Bundesverfassung, nicht zu Recht bestehen kann.

Was die barmherzigen Schwestern betrifft , in Bezng anf welche die Rekurrenten , freilich nur snbsidiär, sich aus das Begehren beschränken, dass die Schwestern ..ur^ kraft einer jeweiligen individuellen Bewilligung den .Lehrberuf ausixen. dürfen . - so kann mit Fng behauptet werden , dass die Verfassung ihneu den Eharakter eines einhei-

mischen Ordens beigelegt hat.

^

III. Die Rekurrenten verweisen zur Unterstü^.ng ihrer Auffassung aus die den Lehrschwestern gegenüber betätigte Verlegung der an die Spize aller Verfassungen gestelltem Freiheit des Gewissens , der Riederlassuug und des Unterrichts.

Die vorausgehenden ^luseinandersezungen der Minderheit entheben sie der Mühe, sich in eine Erorternug dieser schwierigen und delikaten Bunkte einzulassen. Sie beschränkt sich ans eine einfache Bemerkung : Das bernische Dekret beanstandet die Lehrschwestern nur wegen des Gehorsams, den sie ihren .^.bern schulden, mit andern Worten : sein Motiv liegt einzig in den Religions- und Gewifsenspflichten, während durchaus nicht nachgewiesen ist, dass die Erfüllung dieser Bflichten dem Lehrberuf irgendwie hinderlich ist. Dieses Beanstandungsmotiv hat demnach für die Katholiken etwas Verlebendes; dennoch werden sie sich, wie wir hoffen, wohl hüten, sieh aus den nämlichen abschüssigen Bo^en zn stellen und an Reziprozit.it zu denken.

IV. Berühren wir nun noch mit einigen Worten ein Argument, welches seiue Wurzel in der Billigkeit und im ^chil.liehl.eitsgesuhl hat.

Jn einer Republik , welche ans der Sonveranetät des Volkes beruht, geht es nicht an, dessen Beschwerden und berechtigte Reklamationen unbeachtet verfallen zu lassen.

Sie haben hier vor sich die Wünsche und Begehren der immensen Mehrheit der Bewohner des J..ra (nach der Betition von St. t.lrsanne an den Grossen Rath von Bern bilden ihre Unterzeichner ^,^ der ^a^milienväter dieser .Landesgegend); ihre Betitionen tragen die Unterschriften von Burgern der verschiedensten politischen Anschauungen ; die.

Brotestanten wie die Juden figurireu. mit ihren. Ramen neben einander auf diesen Dokumenten, so dass ein .berniseher Magistrat, und zwar gerade der Bathe der ^lendernngen , ^welche die .hier uns beschäftigende^.

Reklamationen hervorriefen, in der Simung vom 21. November 1867 gesagt hat : .,Man hat einen grossen Lärm gemacht über die Betitionen aus dem katholischen Jura ; . man hat behauptet , 8 bis 9000 Bürger verlangeu die Beibehaltung ^der Schwestern. Diess ist moglieh^

2.^1 .r.as mich betrifft, so habe ich, als ich auf diesen Betitionen die Unterfristen von Brotestanten des alten Kantons und selbst von Frauen .erblikte, daraus verziehtet, sie zu lesen. ^ ^Gedruktes Protokoll.)

Jst es am Blaze , mit einer solchen Rüksicht.^.losigkeit die Schritte dieser interessanten Landesgegend zu beantworten, welche erst seit 50 Jahren mit dem Kanton Bern pereinigt ist und die während dieser Zeit harte Brüfungen zu bestehen hattet Dars man schiklicherweise in einer so ernsten Angelegenheit eine solche Voreingenommenheit an den Tag legend Wir denken : nein. .......er. alte Kanton ist durch eine Bevölkerung von ungesähx 400,000 Seelen vertreten, während die jurassischen Katholiken die Zahl von 50,000 nicht übersehreiten. Schon dieser Umstand allein

^sollte - so scheint es -- Mässigung und Rüksichten auferlegen. Wir

sind weit entfernt, der bernischen Regierung ^...te Absichten abzusprechen; allein wir glauben, dass der Fortschritt relativ ist und dass ex aus Jrrwege geräth , wenn ex durel^ Geseze und Dekrete erzwungen .werden will, welche nnr Keime des Hasses und der Erbitterung säen und ^damit auf das Wirksamste zur Untergrabung des Friedens^. und der Eintracht führen.

Roch ein Wort. Wir haben es wiederholt gesagt: die Redner des Verfassungsraths haben alle im Jahr 1846 eine beruhigende Sprache gegenüber den Lehrschwestern im Juxa geführt, im Glauben aus diese Versprechungen , welche übrigens im Tex^te der Versassung hinlänglich angesprochen erscheinen mußten, hat die heute petiti.^.nrende Bevölkernng ein annehmendes Votum abgegeben , als diese Verfassung dem Volke vorgelegt wurde. He..te nun, nach einem Beistand, der ihren Wünschen entspricht und aus den sie rechtliche Ansprüche zu haben glauben, sollte man es als etwas ganz Unbegründetes erklären können, wenn diese Bevölkerung behauptet, dass man ihr Gewalt anthue, dass man sie in eine ^alle gerathen liess .^ Wir schlössen , indem wir Jhnen , Tit. , den Rekurs lebhaft em-^ ^fehlen.

.^ Durch seine Aufrechtstellung werden Sie die Unabhängigkeit, die Toleranz und Freiheit, ohne welche vor Allem die föderativen Republiken nicht frei von Konflikten und gefährlichen Reibungen bestehen können, --. Sie werden auch die helvetische Rechtlichkeit gewahrt haben.

Be^rn, den 14. Juli 1868.

Für die Minderheit der nationalräthlichen Kommission : ^. ^.achebo.^.

..^te. .^ergl. BundesbaItl. 18^ III, S. 8....

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^ ^ ^ .

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Bunde^blatt. Jahrg. XX. Bd. III.

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Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Bericht der Minderheit der nationalräthlichen Kommission über den Rekurs mehrerer jurassischer Abgeordneten zum Großen Rath des Kantons Bern, gegen dessen Dekret vom 5. März 1868, betreffend die Theilnahme von Mitgliedern religiöser Kongregationen am...

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1868

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3

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40

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05.09.1868

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