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Schweizerisches Bundesblatt.

XX. Jahrgang. lll.

Nr. 39.

29. Augnst 1868.

Kommissionalberichte über die

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Bahnen.

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der

Mehrheit der Eisenbahnkommission des Ständerathes,. betreffend da.... Konzessionsbegehren fur die Linien Chiasso-Lugano und Locarno-Bellinzona-Biasca

(Vom 15. Juli 1868.)

Tit. l Jhre kommission stellt sich bei der Frage der Ratifieation der zwei in Frage liegenden Eisenbahnlinien im Danton Tessin , in der Hauptsache aus den gleichen Boden , den die eidgenössischen Räthe bei Geuehmigung der Eisenbahn-Konzession E h i a s s o - B i a s e a im Juli 1863 eingenommen haben, und es wird namentlich auf die Begründung zurückgewiesen , die im Rapport der Ständerathlichen kommission vom

22. Juli 1863 (Bundesblatt , Band llI , Seite 676 bis 678) gegeben ist.

Die konzessionierten Linien sind die Vorbahnen der Alpenüberschienu..g , und zwar ist die Fraction der Luckmaniersreunde so gut als die Gotthardauhäng..r --- um es indessen besser, s c h w e i z e r i s c h uud nat i o n a l zu sagen: es sind alle einsichtigen Schweizer, denen die Ver-

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kehrs- und Transttinteressen des Vaterlandes eine grosse Angelegenheit sind, dabei betheiligt, dass nicht .durch Vorsicht ermangelnde Eonzessionirung dieser Vorbahnen der schon mit immensen Schwierigkeiten belasteten Alpenüberschienung statt Forderung neue Belastung zugeführt werde.

Vorausgegangene ^bittere Erfahrungen mahnen zur Vorsicht. Auch im vorliegenden Falle find die Eonzessionsgesuchsteller einstweilen nur Gründnngseomites , die den Danton , . die Eidgenossenschaft und beim besten Willen e i n s t w e i l e n auch sich selbst nur mit Hoffnungen trosten oder bezahlen; denn erhebliche Geldmittel scheinen zur Zeit noch nieht porhanden , zumal die Gründung einer Ausführungsgesellschast erst vorbehalten ist. (^ide Art. 1 und 14 der Konzession.) . Wenn auch die Männer , die ^ich den Tessinischen Behoxden präsentirten , Angehorige^ jenes Kantons sind und von den besten Jntentionen geleitet sein werden , so können die ^.sichern Ehaneen derartiger ohne entsprechende Geldmittel an Hand genommener Vrojekte auch gegen den bessern Willen der ersten Bewerber weit vom ^iele abführen, und was ursprünglich einen realen uneigennützigen Zweck anstrebte, kann ein Gegenstand blosser unrühmlicher Spekulation werden. Eine Gesellschaft, welche früher oder später die Alpenüberschienung zur Hand nehmen würde, kann diese Thallinien kaum entbehren, und wenn auf dieselben in ^olge ungünstiger Eonjunetnren jeder Art abermals grosse, für d e n Bau der L i n i e n s e l b s t u n f r u c h t b a r e Summen fallen sollten, so würde - wir wiederholen es - in diesen Eonzessioniruugen keine Forderung , sondern eine erhebliche Erschwerung der Erreichung des grossen Zieles liegen. Statt den Weg zn ebnen würde der Weg verlegt. Diese ganz e r ^ e e p t i o n e l l e Situation fordert sur die eidgeuossische Genehmigung auch e x^e e p t i o n e l l e Eautelen. Das grosse J..teresse , das hiebei maßgebend ist , ist zudem der Eidgenossenschaft und dem Kanton Tessin durchaus gemeinsam. Jn dieser schwerwiegenden allgemeinen Betrachtung liegt für die .kommission der Grund, sür die Genehmigung die gleichen ^autelen zu reprodu^iren und gemachter Erfahrung gemäss selbst noch zu

verstärken , welche bei dem Ge..ehu.igungsbeschluss im Juli 1863 ange-

wendet worden sind. D.ese Ea^.telen , die lediglich reproduit werden, find : a. Eine kürzere .^rist sür den ernsthasten Beginn des Baues sam.ut wohl zu prüseudem Ausweis über genügende Mittel zur ge^origen Fortsetzung des Baus (Bundesrath 10, kommission 6 Monate nach Ratifikation). Und in dieser Beziehung b e t o n t die Eommission zu Handeu des Bundesraths die Zusieht, dass der Geldmittel-Ausweis e r n s t h a f t und g e n a u geprüft werden moge, ^umal die j ü u g s t e n E r f a h r u n g e n die Notwendigkeit, dieses Recht nicht ^u eiuer Form herabsinken zu lasseu , s a t t s a m iu's

.Licht gestellt haben.

189 b. Die Bflicht der Gesellschaft, die Arbeit im Verhaltniss zu den Vollendungsterminen zu fördern , und der Austrag nebst Vollmacht an den Bundesrath, diesen Fortgang der Arbeiten genau zu überwachen , verbunden mit dem Recht der beiden Räthe der Eidgenossenschaft, die Konzession im äußersten Falle wegen Richterfüllung dieser Verpflichtung als erloschen zu erklären.

c. Das binden jeder Uebertragung und des Verkaufs dieser Eonzessionen ^an die Genehmigung des Bundesrathes.

Rach Ansicht der Eommission genügt Art. 6 des bundesräthlichen Vorschlags , wornach die bundesräthliche Genehmigung nur bei Uebertragung an nichtschwei^erische Gesellschaften vorbehalten ist , hier keineswegs. Da die Geldmittel , diese Konzessionen auszusühren , zur Zeit von den Bewerbern nicht nachgewiesen sind , so liegt die Gefahr, der porgebeugt werden soll, wesentlich in wiederholten onerosen Abtretungen , die fi e t i p e s ^ E^pital schaffen würden. Solche Operationen sind eben leider auch in^ der Schweiz und durch Schweizer möglich und bilden keineswegs etwa nur ein unrühmliches Vorrecht f r e m d e r Speeulanten. Zudem wäre es wohl eine schwere Sache, im einzelnen Falle die volle Gewissheit zu erhalten, dass nicht selbst bei schweizerischem Aushängeschild gleichwohl sremde Jnteressen und sremde Gesellschasten den Kern der neuen Uebernehmer bildeten. Aus diesen Gründen reproduzix.. Jhre Eommission einfach die frühere allgemeiner gehaltene Eautel, und mit Rücksieht aus Erfahrungen , die auch nach dieser Richtung gemacht worden sind, dars es nicht befremden, wenn auch hier dem Bundesrath empfohlen n..ird , in jedem einzelnen ^alle die Rechtsnachfolger sich genau zu besehen und überhaupt Umsicht und Vorsicht in jeder Richtung vor der Genehmigung zu verwenden.

So weit werden einfach die früher gemachten Eautelen repetirt.

Es erübrigt uns noeh, das Reservat, welches wir zu Art. 6 der zwei vorgelegten Konzessionen machen , sowie das außerordentliche Rückkaufsrecht, das wir beantragen, zu begründen. (Art. 12 der Konzessionen.)

Schon in der bundesräthlichen Botsehast wird^ der etwas auffällige Umstand betont , dass die vorgelegten Konzessionen in Art. 6 feststen, dass das Gruudeigeuthum der Gemeinden und Baciate , welches für diese Unternehmungen in Anspruch zu nehmen ist, u n e n t g e l t l i c h abzutreten sei. Der Bundesrath sormulirt hiewegen keiu spezielles Reservat , weil er wohl selbstverständlich annimmt , es beruhe diess entweder aus sreiwilligem Verzicht , oder der tessiuis^e Fiseus stehe dafür ein und es genüge der allgemeine Vorbehalt des Espropriationsgese^es.

Da indessen eiue solche Bestimmuug - unrichtig ausgefasst - nichts anders als e.ne ^poliationsmassregel wäre. da in den frühern Konzessionen in dieser Beziehung auch eingegrenzter nur von

190 n i c h t u r b a r i s i r t e m Land gesprochen war, und wie wir horeü selbst eine bundesgerichtliehe E^ropriationseommission die Sache entgegen den ^echten der ^propriirten aufgesasst hat, so dürste es doch nicht überflüssig sein, ein spezielles R e s e r v a t dasür zu sormulire... wie Sie es tn den Anträgen der Eommisston zn Art. 5 des l..undesräthli..hen Vor-

plages finden.

Endlieh will sich die Eomm.ssion (ad Art. 2 des bundesräthliehen Vorschlags) bei diesen Konzessionen im Rückblick aus die gegebene Würdigung der ausnahmsweise Situation ^mit den üblichen Rückkaussrechten und Terminen nicht begnügen, sondern sie vindi^irt auch für den Bund das dem Danton in Art. 12 der Konzessionen gegebene ausnahmsweise^ Rückkaussrecht.

^ Die Begründung dieses Reservats liegt in Rachfolgendem. Das Eisenbahngese^ berechtigt den Bund , bei jeder einzelnen Konzession

speseli das Rückl.aussrecht des Bundes ^u sormuliren (Art. 14). Rach den üblichen Rückkaussklanseln sällt der erste Termin erst auf das Jahr 1888. Run kann aber die Gefährde , welcher hier namentlich zu begegnen ist , viel früher eintreten , ja nach menschlicher Berechnung und nach uuser aller Hoffnung soll sie weit früher eintreten. Die Gefahr, der man begegnen will, besteht nämlich offenbar ^darin, dass diese Eon.^ Zessionen als ein Hindern^ für die Alpeuübersehienung missbraueht werden konnten. Jn j e n e m Augenblick, wenn eine grosse, an Geldmitteln mächtige Eoalition zu diesem Zwecke sich bilden wird, soll, ohne der Speeulation unmässigeu Tribut zahlen zu müssen, über diese Thaieon.^ Zessionen zu Gunsten des grossen Zwecks d i s p o u i r t w e r d e n ko n ne n.

Die Mehrheit der kommission erachtet diesen Gesichtspunkt für hochst wi.htig und sie sieht nicht ein , warum der Bund , um dieser Gefährde .^u begegnen , si.h in casu nicht. ein Rückkaufsreeht au..h für die uächsten Jahre reserviren soll, zumal der .Kanton sür sich selbst das Gleiche vorbehalten hat (Art. 12 der Konzessionen). Aus diesem Gesichtspunkt

ist der beantragte Raehsatz ^u Art. 2 des bundesräthlichen Vorschlags

hervorgegangen.

Jm Rückblick aus die vorsteheude Begründung glaubt die Mehrheit Jhrer kommission, nur Massregeln vorgeschlagen ^.. haben, welche einerseits der speziellen Situation, ^m deren Würdigung es sieh handelt, Z w a n g l o s entfliess.^n und welche anderseits in den Gesezen des Bundes und der bisherigen ^ra^is in Eisenbahnsachen w o h l beg r ü n d e t sind. W.^nn gese^lich die .Termine für Ansang und ^Fortse^ung des Bahnbans (^ 11 des Eisenbahnwesens) festgestellt werden konnen, so muss man selbstverständlich an die Ri.htbefolg....g dieser ..^orChristen und Bedingungen auch ^trafwirlungen hängen konue... Wenn der Geldansweis ^u prüfen ist, muss im schlimmsten und äussersten ^all

191 eine mittellose Speeulation entsexnt werden und sieh nicht zum Rachtheil der Laudesiuteressen b r e i t machen und p e r e w i g e n konnen (^ 11 des Eisenbahnnetzes^. Wenn der Bund das Recht hat, die Rückkaufsbedingungen , der Situation der Konzessionen gemäss, in jedem einzelnen Falle b e s o n d e r s festzustellen (^ 14 des Eisenbahnwesens) und wenn.

derselbe durch ein besonderes Gesetz Jedermann v o l l e n E r s a t z für zwangsweise abzutretende Rechte zusichert (^ 1 und 3 des Expropriationsgesetzes) , so stnd.hiemit auch die vorgeschlagenen weitern Anträge zu Art. 2 und 5. des bundesräthlichen Vorschlags gerechtfertigt.

^ Unsere Anträge schützen zudem, richtig gewürdigt, eben so sehr die wohlverstandenen in dieser Sache durchaus nicht divergirenden Jnteressen des Kantons Tessin als die der Eidgenossenschaft.

Bern, den 1l. Juli 1868.

Der Berichterstatter : ^. ^appeler.

R a ch t r a g.

Erst nachdem die Eommission ihre Sehlussnahme gesasst hatte, gelaugte die bei der Sehlussverhandlnng angekündigte protestation des Liquidators der depossedirten Gesellschaft in die .^and des Präsidenten der kommission (nämlieh am 14. Jnli). Die kommission verweist

rücksichtlich dieses ^tenstückes aus d...n B u n d e s l. e schl u ss v o m 21. E h r i st m o n a t 1 8 6 6 , auf die demselben vorangehenden Berichte und Zutrage des Bundesraths vo.n 30. Rovember 1866 , auf die Berichte der .kommissionen des Stände- und Nationalrathes vom

18. Dezember l866 und 2t. Dezember 1866, welche .durch eine Ueberfülle schlüssigen faktischen Materials und mit Bezug auf das in

der eidgenössischen Ratifikation klar vorgehaltene Recht die Erlosehun^ jener Konzession begründeten, resp. die erstgenannte Entscheidung sattsam m.^tivirten. Rechte aus gewisse Aetiven der frühern Gesellschaft konnen

möglicherweise gleichwohl selbst nach der Erlos.huugs .^ Erklärung der

Masse . geblieben sein. Jn welchem weitern oder eugeru Sinne von daher noch Aetiven sür die ^allimentsmasse zu lia^uidireu sind , berührt

die heutigen Sehlussnahmen nicht. Die Eidgenossenschaft macht lediglich von ihrem wiedergewonnenen Recht der^ Eon^ssionsge..ehmigung Gebrauch. Der Liquidator mag immerhin die Jn^ressen der Masse auf

192 gütlichem oder gerichtlichem Wege verfolgen. aber fein Brotest kann von den Räthen in keinerlei Würdigung gezogen werden , resp. die Ertheilung der neuen Konzessionen weder verhindern noch verzogern. Die kommission findet desshaib, dass über diese Brotestation einsach z u r T a g e s o r d n u n g zu s c h r e i t e n , resp. davon Umgang zu nehmen ist.

B e r n , den 15. Juli 1868.

Ramens der Mehrheit der ständeräthlichen Eisenb.ahn-Eommission , Der Berichterstatter:

Kappeler.

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Be richt der

Minderheit der ständeräthlichen Eisenbahnkommission , betreffend die Konzessionen fur die tessinischen Bahnlinien ChiassoLugano und Locarno-Bellinzona-Biasca

(Vom 14. Juli 1868.)

Tit. l Ein Mitglied Jhrer kommission k...nn dem Ständeräthe die Annahme zweier Anträge nicht empfehlen , welche die Mehrheit derselben zu dem bundesräthlichen Entwurf über Genehmigung der vom Grossen Rathe des Kantons Tessin unterm 16. Mai 1868 zuhanden zweier tessiuischen Komites für die Eisenbahnlinien Ehiasso-Lugano und Locarno Bellinzona-Biasea ertheilten Konzessionen stellen zu sollen glaubt.

Diese beiden Anträge bilden Amendements zu den Artikeln 2 und 6 des bundesräthliehen Beschlussentwurfs. Es sei dem Unterzeichneten

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Bericht der Mehrheit der Eisenbahnkommission des Ständerathes, betreffend das Konzessionsbegehren für die Linien Chiasso-Lugano und Locarno-Bellinzona-Biasca (Vom 15. Juli 1868.)

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29.08.1868

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