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Bundesrathsbeschluss in

Sachen des Rekurses von jurassischen Großrathen, betreffend die katholischen Feiertage.

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(Vom 4. März 1868.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h

hat in Sachen der Herren B. B re t r e und E. F oll e t e t e mit 12 andern Mitgliedern des bernischen Grossen Rathes aus dem Jura, betreffend Verlegung der Kantonsversassung ; nach angehörtem Berichte des Justiz- und Volizeidepartements, und nach Einsicht der Akten , woraus sich ergeben : L Zwischen der Regierung des Kantons Bern und dem Bischof von Basel warteten seit längerer Zeit Verhandlungen über die V e r m i n d e r u ng der k a t h o l i s c h e n F e i e r t a g e im Jura. Jn einem Berichte der Kirchendirektion an den Regierungsrath zuhanden des Grossen

Rathes des Kautons Bern vom 11. Mai 1867 wurde der geschichtliche Verlaus dieser Unterhandlungen näher gezählt. Zunächst heisst wörtlich : ,,Vor dem Auschluss des Jura an den Kanton Bern, zur ,.derselbe uoch unter sranzöfischer Herrschaft stand, nahm er an ,,günftigungeu Theil , welche durch das zwischen ......apoleon l.

es darin Zeit als den Verund dem

Papst Bius Vll. am 15. Juli 1801 abgeschlossene Konkordat der franasi-

,,schen Ration zugestanden wurden. Rach Art. 41 der articles organiques.

794 ,,des cnltes. welche infolge dieses Konkordates aufgestellt wurden , waren ,,die Wochenfeiertage ans vier, nämlich aus Himmelfahrt Ehrifti, Himmel,,fahrt Maria, Aller Heiligen und Weihnacht reduzirt, alle übrigeu aber ,,aus den nächst darauf folgenden Sonntag verlegt worden. Der nämliche ,,Artikel enthielt im Fernern wortlieh folgende Vorsehrist : ^ucnne kete, ,.à l^cep...on dn dimanche, n.... pourra elre etabhe sans la permission ,,dn Gouvernement.^ ,,Dieser Zustand der Dinge dauerte bis zum Jahre 1815, wo der ..grossere Theil des Bisthums Basel dem Kauton Bern einverleibt wurde.

,,Die daherige Vereiuigungsnrkunde vom 23. Rovember 1815 sezt im

"Art. 1 Folgendes fest :

.,,,Die romisch-katholisehe Religion wird gewährleistet, um in ihrem .,,,jezigen Zustande gehaudhabt und in allen Gemeinden des Bisthums ^Basel, wo sie gegenwärtig besteht, als offeutlicher Gottesdienst frei aus,,.,geübt zu werden..^ ^Ungeachtet dieser Bestimmung und der oben erwähnten Vorschrift des ,,Art. 41 der articles or.^mqnes des cultes wurden seit der Vereinigung ,,des Jura mit dem Kanton Bern allmählig , ohne irgend eine Verfügung ,,oder Bewilligung der Regierung, ^ine Menge von festen von der ka.tho-

,,lischen Geistlichkeit des Jnra willkürlich wieder auf die Wochentage ^verlegt. Es konnte nicht fehlen , dass gegen dieses eigenmächtige

,,Vorgehen der katholischen Geistlichkeit bei einem grossen Theil der jurassiAschen Bevolkeruu^ sich Bedenken erhoben, welche sich zum ersten Male .,im Jahre 1828 in Gesuchen au die Regieruug um Verminderung der

"Feiertage kund gaben. Jn den Jahren 1833 und 1834 bildete die

^Angelegenheit einen Gegenstand der Unterhandlung zwischen der Regie^ruug und dem bischoflichen Ordinariate. Damals wurde dem^ leztern "von Seite der Regierung der Wunsch ausgesprochen , d^ss es mit der ,.^eier der Wochenfefttage in den katholischen Gemeiudeu des Jura wieder ,,so gehalteu werden mochte , wie vor dem Anschlüsse derselben an den ,,Kauton Bern.^ ,,Diesem Wunsche stellte aber der Bischof die Bemerkuugeu eutgegen, ,,dass die der Regierung von Frankreich s. Z. gemachten Kouzessio^eu von ,,Seite des heiligen Stuhles auf die Jurabezirke seit dereu ..^ostrennung ,,von Frankreich keine Anwendung mehr finden, sondern dass diese leztern ,,hinsichtlich der Feier der Festtage unter die allgemeinen kirchlichen Be,,stimmuugen fallen . dass es demnach weder eines besondern Erlasses Deiner kirchlichen Behorde, noch viel weniger einer Verfügung oder Be,,willigung der Regieruug bedurft habe , u^u die Festtage wieder auf ,,Woehentage zu verlegen, und dass es nicht in der Kompetenz der Bi,,schofe, sondern des heiligen Stuhles allein liege, eine Abweichnng von ,,den bestehenden allgemeinen kirchlichen Vorschriften über die ^eiertage ,,zu gestatten. - Die daherigen Uuterhaudln..gen der Regierung mit

795 ^dem bischöflichen Ordinariate kamen zu keinen.. Abschlusse , weil später ,,die Frage der Verlegung der Woehensesttage auf die Sonntage in die ^Badener-Konserenzartikel hineingezogen wurde und das Schiksal dieser ,,leztern theilte.^ Sodann fährt der erwähnte Vortrag fort : Jm Jahr 1844 haben in Folge einer Petition aus dem Jura neuerdings Unterhandlungen mit dem Bischof stattgefunden, aber wieder ohne Erfolg. Jn gleicher Weise s.^ien auch die pon ^errn Stockmar Ramens

der Regierung im Jahr 1848 mit dem damaligen päpstlichen Rep rasentanten in der Schweiz, Erzbischof .Lu.^uet, angeknüpften Unterhandlungen erfolglos gewesen.

Jm Jahr 1855 hab^en die Diözesanstäude des Bisthums Basel der Sache sich bemächtigt und gemeiuschastlich beim päpstlichen Stuhle eine Verminderung der kirchlichen Feiertage im ganzen Bisthum ange-

regt. Es sei aber erst im April 1857 eine Antwort erfolgt, die äusserst

beschränkte Vollmachten für den Bischof gewährt habe, von welchen Vollmachten kaum je Gebrauch gemacht worden sei.

Jn Folge dessen habe sich im Jura selbst Unzufriedenheit geäussert, so dass im Juli 1859 pon 18 Gemeinden des Amtsbezirkes .^runtrut Gesuche um energische Fortsezung der Unterhandlungen mit dem bischosliehen Ordinariate^ eingelangt^seien. Die katholische .^rche.nkommission habe sich .diesem Gesuche aus das Entschiedenste angeschlossen. De.^ Regieruugsrath habe daher am 5. August 1862 eine Zuschrift an den Bischof erlassen und neuerdings die bedeutenden Raehtheile der vielen Feiertage sür die jurassische Bevölkerung, sowohl in s ozia ^sittlicher als in natioual^okonomischer Beziehung anseinandergesezt und die Verwendung des Bischofs für Aufhebung gewisser Feiertage nachgesucht. Hieraus sei aber gar keine Antwort erfolgt. Erst aus eine Mahuung an den Bischos

habe dieser am 19. August 1864 mitgetheilt, er habe - weil nicht

kompetent - jenes Gesuch dem Vapste unterbreitet. Hierauf habe die Regierung am 5. September 186.4 un.d die Konferenz der Diozesanstände am 11. Januar 1865 die frühern Verwenduugen zuhanden des Bapftes erneuert, aber erst am 7. Dezember 1865 sei vom Bischof die Anzeige eingegangen , dass er diese Angelegenheit neuerdings dem Vapste unter-

breitet habe. Durch päpstliches Reseript vom 31. Jannar 1866 seien

endlich einige .Konzessionen bewilligt und namentlich dem Bisehos die Besugniss eingeräumt worden, in Bezng ans mehrere Feiertage Dispense zur Verrichtung gewerblicher Arbeiten denjenigen Fabriken und iudustriellen Etablissementen zu gewähren, welche mit motipirteu Ansuchen dasür einkommen , immerhin in der Meinung , dass die katholischen Arbeiter gehalten sein sollen, an solchen Feiertagen einer Messe beizuwohnen.

796 Dieses Anerbieten habe nicht befriedigen konnen ; aber das Vorgehen ..iner einzelnen Kantonsregierung sei aueh nicht mehr als rathsam erschienen.

..^ie Regierung von Bern habe daher die weitern Schritte der Dio^esanKonferenz abgewartet , welche in ihrer Sizung vom 7. uud -. Januar 1867 beschlossen habe, dem Bisehose zu erklären, dass zwar die von dem päpstlichen Stuhle gewährte Konzession nicht von der Hand gewiesen werde, dass es aber den einzelnen ^iözesanständen überlassen bleiben müsse , die ihnen weiter gut seheinenden Vorkehren zu treffen.

Il. Gestüzt auf diesen Vortrag beschloss die Regierung des Kantons Bern, diese Angelegenheit nun ans dem Wege der Gesezgebung erledigen ^u lassen, und hinterbrachte dem Grossen Rathe einen bezüglichen Antrag.

Am 2..). Mai 1867 fand die erste Berathnng desselben statt und wurde

.am 3. September 1867 zum .geseze erhoben., dahin lautend :

.. ^ e f e z ., über ^Verminderung der katholischen Feiertage im Jura.

., D e r G r osse R a t h d e s K a n t o n s B e r n ,

.

,,nach Kenntnisnahme der ungenügenden und überdies dem Grund.,sa^ der Gleichheit aller Bürger vor dem Gesez widersprechenden Ver,.fügung, welche die oberste katholisch^kirchliche Behorde am 3l. Jänner .,,1866 aus das Gesuch vom 1l. Januar 1865 der Abgeordneten der ,,Dio^esaustäude des Bisthums Basel um eine beträchtliche Verminderung ,,der obligatorischen Feiertage getroffen hat .

,,im Hinblsk ans die wiederholten und beharrliehen , aber jeweilen ,,sruehtlosen Verstehe, welche seit langen Jahren gemacht worden stnd, ,,um die katholiseh-kirehliehen Behorden zu veranlassen , aus eine wirk,,same Weise Hand zu bieten , damit diese wichtige Augelegeuheit zu .,,eiuem befriedigenden Abschluss gebracht ^werde .

,,in Betrachtung , dass eine Verminderung der vielen Feiertage im .,,katholis^en Theile des Jura ans moralischen, religiosen und volkswirth,,sehastlichen Gründen geboten ist, und es nunmehr, nachdem alle Ver^,suehe, die kirchlichen Behorden zur Mitwirkung zu bewegen, geseheitert ..sind, in der Bflicht des ...Staates liegt, von sich aus die geeigneten ,,Massregelu zu treffen, um den gegenwärtigen, der Volkswohlfahrt so .,,naehtheiligen Znstand zu beseitigen.

,,aus dei. Antrag des Regieruugsrathes,

,,besehliesst: ,,Art. 1. Jn Zukunst siud die gesezlich anerkaunten Festtage im .,,katholischen Theile des Kautons Bern auf folgende reduzirt, als: .,,Weihnacht, Auffahrt , Himmelfahrt Maria , Allerheiligen, Fronleich^,,namstag und Reujahr.

797 ,,Art. 2. Die Sonntage und die in Art. 1 genannten Festtage ^ausgenommen, sind die andern bisherigen Feiertage von Staatswegen ,,als Werktage erklart, und es sind demach an denselben alle öffentlichen ,,und Brivatarbeiten gestattet und freigestellt, und die Gerichte, die ,,Büreaui. der öffentlichen Verwaltungen, die Schulen u. s. w. nicht geschlossen.

,,Art. 3. Dieses Gesez tritt sofort in Krast. Dasselbe soll auf ^gewohnte Weise bekannt gemacht und in die Sammlung der Geseze ^ausgenommen werden.^ (Reue offizielle Sammlung der Geseze des Kantons Bern, 1867,

Seite 116.)

lll. Mit Eingabe an den Bundesrath, d. d. Bruntrut 23. Oktober

1867, beschwerten sich die Herren Uretre, Follerete und zwölf andere Mitglieder des bernischen Grossen Rathes aus dem Jura über das so^ben erwähnte Gesez, weil es eine Verleznng enthalte pom Art. 1 der Urkunde über die Bereinigung des Jura mit dem alten Kauton Bern, vom 23. Rovember 18t 5, und von Art. 80 der Versassung des Kantons Bern.

Zunächst sei jenes Gesez materiell im Widerspruche mit .^lrt. 1 der Vereinigungsurkunde, welcher dahin lante :

^Die römisch-katholische Religion wird gewahrleistet, um in ihrem ,,jezigen Znstand gehaudhabet und in allen Gemeinden des Bisthums ,,Basel, wo sie gegenwärtig besteht, als ....fsentlu.her Gottesdienst frei aus,,geübt zu werden. Der Diöeesau.^Bischos und die Vsarrer werden un.gestört ihre gan^e geistliche Gerichtsbarkeit, nach den allgemein ange.,.nommenen staatsrechtlichen Verhältnissen. zwischen der weltlichen und ^geistlichen Macht geniessen ; sie werden ebensalls ohne Hiuderniss ihre ^...lmlsverriel.tunge.. erfüllen, namentlich der Bischof seine bischöflichen ^Visitationen, und alle Katholiken ihre Religionshandlungen. ^ Damit stehe in Uebereinstimmung ....^az 1 vom ^lrt. 80 der Verfassnng des Kantons Bern, lautend wie solgt.

,,Die Rechte .der bestehenden evangelisch-resormirten Landeskirche, ..,sowie der römiseh-katholischen Kirche, in den^zn ihuen sich bekennenden ,,Gemeinden, find gewährleistet.^ Run werden durch .^lrt. 1 jenes Gesezes eils im katholischen Jura gefeierte ^esttage ausgehoben und nur sechs beibehalten. ^lber so wenig der Grosse Rath des Kantons Bern katholische ^eiertage einführen könne, eben so wenig könne er solche ausheben. Hiefür seien nnr die kirchlichen .Behörden, der Bischof und der heilige Stuhl, kompetent. Jenes Gesez erseheine daher als ein offenbarer Eingriff in die Rechte der Katholiteu. Jn gleicher Weise könnte die protestantische Mehrheit des Gro.ssen Rathes des Kautous Bern alle andern katholischen Institutionen

Bund^blatl. Ja^a.. XX. Bd. Il.

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798 aufheben, .z. B. mehrere Bsarreien vereinigen, die noch bestehenden Feste und selbst die Messe ausheben. Aber der Bund sei da, um di.^.

katholische Minderheit vor diesen Eingriffen in den Art. 1 des von der Eidgenossenschaft ^arantirten Vereinigungsvertrages ^u schüfen.

Auf der andern Seite sei die Heiligung der Festtage ein Gebot der .Katholiken aller Länder. Das fragliche Gesez erscheine von diesem Gesichtspunkte aus als ein Eingriff in die Bfliehten der Katholiken.

Sie werden abgehalten, den Geboten ihrer Konsession und ihren Ge^ wissen ^u genügen. Sie konnen niebt mehr ihren Gottesdienst frei ausüben, wie di.e Vereinigungsnrkunde ihnen dies garantire. Wenn aber der eine ..^heil diesen Vertrag in solcher Weise verleg, so sei der andere au.h srei . also konne sieh der bernisehe Jura von Bern trennen, und einen besondern Schweizerkanton bilden.

Als der Jura mit dem Kanton Bern verbunden worden sei, haben die 17 ^esttage schon bestanden, und die Vereinigungsurkunde habe ihm den dannzumaligen Bestand garantirr.

Wenn ^uweilen um Verminderung der ^eiertage petitionirt worden sei, so habe es sieh sür die Betenten von selbst verstanden, dass diese Reduktion bei den kompetenten Kirchenbehorden nachzusuchen sei.

Die Regiernng von Bern habe selbst anerkannt, .dass nur diese Kireheubehorden kompetent seien, da sie auch bei denselben petitionirend einge^.

kommen sei.

Auch pom formellen Standpuukte aus müsse das fragliche Gesez als nichtig erklärt werden. Der schon erwähnte Art. 80 der berufen Verfassung sehreibe i.m ^a^ 4 vor, was folgt : ,,Einer aus Katholiken. ^usammengese^te.u Kurenkommission steht ,,das Antrags- und Vorberathnngsre..ht in romisch-katholischen KirchenAachen zu, so weit diese in den Bereieh der Staatsbehörden sallen.^ ferner laute Art. 5 des Gesezes über die .^rgauisation der katho..

liseheu Kircheukommission vom 27. November 1852: ^Die katholische Kireheukommission. übt in alleu, in den Bereich ,,der Staatsb^horden fallenden romisch-katholisehen Kireheusa.hen das ^verfassnngsu.ässige Recht der Vorberathuug ^..ud Antragstellung aus.

.^ ^^ .^e^ Staat^verfaffuu^.

,,Zu dem Ende wird jedes solche Geschäft, bevor es pon der Kir,,chendirektion erlediget, oder zum Entscheide vor den Regieruugsrath oder^ ,,Grossen Rath gebraut wird, dem Bräsidenten der Kommission ^u Hau^,deu derselben übermittelt worden.^ (Reue offizielle Gesetzessammlung des Kautous Bern, Band Vl.ll,

Seite 258.)

Run sei es unbestreitbar, dass die ^rage betreffeud die ^eiertage, zu den Gegeuständeu gehort hätte , welche von der katholischen Kirchen-

799 kommission vorberathen werden müssen ; allein diese Kommission habe keinen Bericht gemacht, sie sei nicht einmal konsultirt worden.^ Endlich biete das fragliehe Gesez den katholischen Beamten und den Mitgliedern des Grossen Rathes des Kantons Bern Jnkonv.enienzen, die .man hatte vermeiden sollen. ^ie müssen ..nämlich schwören., alle versassnngsmässigen Geseze zu ^beobachten.

Run können .sie ab.^r jenes ^..esez nicht als ein versassnngsmassig.es anerkennen, und indem sie es nicht beobachten, erscheinen sie als eidbrüchig. Ein solcher Zustand sei nicht annehmbar, und der Bund sei gemäss .^lrt. 44 der Bundesverfassüng verpflichtet, der katholischen Minderheit des Kantons Bern .^erechtigl.eit zu verschaffen.

.^ie Vetenten schlössen mit dem Antrag, der Bundesrath möchte das erwähnte Gesez vom 3. September 1867 als mit der Kantonsund Bundesverfassung, sowie mit den Verträgen, welche ihre .Heimat mit der Schweiz verbinden, im Widerspruch stehend erklären und ausheben.

lV.

.^ie Regierung des Kantons Bern beantwortete diese Beschwerde unterm 20. Januar 1868, ^indem sie zunächst darauf hinwies, ^dass der Grosse Rath des Kantons Bern bei Erlass des in Frage stehenden Gesezes nur durch die moralischen , religiösen und ökonomischen Jnteressen der katholischen Bevölkerung des Jura sich habe leiten lassen, und dass das Gesez , dessen Rüzliehkeit von Niemanden angefochten worden, beinahe einmüthig, und zwar auch von der Mehrzahl der kathotischen Deputaten angenommen worden sei.

^odaun erörterte die Regierung die in Fakt. I bereits dargelegten historischen Verhältnisse, und wies nach, dass im Jura zur Zeit seiner Verewigung mit Bern nur vier Wochenfeiertage bestanden .haben, näm-

lich : Himmelfahrt Ehrifti , Himmelfahrt Mariä, Aller Heiligen und

Weihnacht. ^iese vier Feiertage seien durch die Verträge betreffend jene Vereinigung nicht vermehrt worden.

Ebenso seien sie nicht vermehrt worden weder bei der Reorganisation des Bisthums Basel, noch durch irgend ein politisches oder kirchliches Gesez, und eben so wenig weder durch den römischen Hof, noch durch einen Bisehos. Es seheine, dass die willkührliche Einführung nener ^efte während der Uebergaugsperiode durch reaktionäre und ultramontane Einflüsse bewirkt und durch. den Kleinen Rath des Kantons Bern geduldet worden sei ; aber keine Regierung ^ habe sie jemals anerkannt oder genehmigt.

^er durch die Verträge genehmigte status quo bestehe also .nicht in jener abusiveu Vermehrung der Feiertage, sondern in dem gesezlichen Stande, wie er durch das französische Konkordat von 1801 und die article^ organiques begründet worden sei. Bei der Jnterpretation der Verträge, betreffend den Ans^hlnss des Jura au den ^Kanton Bern müsse man also auf diesen Bode.. sieh stellen.

800 Mau werde sich dann sogleich überzeugen , dass das angefochtene Gese^ diese Verträge in keiner Weise verlebe.

Der Trosse Rath des Kantons Bern habe nicht katholische ^.estta^e aufgehoben , sondern lediglich die Beziehungen des bürgerlichen Gebens geregelt, den Katholiken, Brotestanten, Jsraeliten ..e., überhaupt den Angehörigen anderer Glaubensbekenntnisse die gesezliche Möglichkeit gesichert, in dem katholischen Kantonstheil wohnen und ihren Arbeiten obliegen ^u kouueu, ohne eils Festtage mehr seiern ^u müssen. Wenn den Katholiken untersagt worden wäre, zu feiern uud in die Kirche ^u gehen, sofern sie es sür ihr gewissen nüzlieh erachten, dann, aber nur in diesem ^al.le allein konnten die vierzehn Grossräthe von einem Eingriffe in ihre konfessionellen Reehte reden.

Der Eharakter des Gesezes sei ein wesentlich toleranter , daraus gerichtet, eine m.ssbrauchlich.e Situation ^u heben, nachdem die katholisch^.

kirchlichen Behorden die langjährigen Bitten der Regierungen und der Jnteressirteu zurükgewiesen haben.

Wenn die Regierung von Bern mit den kirchlichen Behorden in Unterhandlungen eingetreten sei, so sei es geschehen, weil sie mit allen andern Dio^esanständen gewünscht habe, diese mehr der Zerstreuung uud^ der Ausgelassenheit gewidmeten ^este im Jnteresse der Jndividuen und der Familie^ nicht bloss vom bürgerlichen, sondern anch^ noch vom kirchlichen und konfessionellen Staudpunkte aus ausheben ^u konnen. Da aber die Kirchenbehorden stumm geblieben , so sei der Grosse Rath des Kantons Bern verpachtet und kompeteut gewesen, ein Gese^ ^n erlassen, um wenigstens so viel an ihm der Liederlichkeit und der Unordnung zu steuern und am Bla.^e dessen Arbeitsamkeit und Sparsamkeit zu fordern.

Das Rämliche haben auch die Kantone Aargau uud Soloi.hnrn gethan, ohne dass dort irgend Jemand darüber sieh beklagt hätte. Die katholischen Beamten uud Ri.hter im Jura haben sich aneh nicht bel.lagt, uud noch keiner habe die Demissiou genommen.

Der heute erhobene formelle Einwand sei im Grossen Rathe nicht geltend gemacht worden. Die Rel.urrenten haben wahrscheinlich dessen Unbegründetheit gekannt. Wirklich sei die katholische Kirchenkommission vor allem aus über diese ^rage konsnltirt wordeu und habe am 14. Mai 1867 deu Gese^entwurs berathen und ihm einmüthig so beigestimmt, wie er nun zum Gese^ erhoben sei.
Die Regieruug s^.hliesst daher mit dem Antrage ans Abweisung dieser Beschwerde.

J n Erwägung.

1) Der Art. 44 der Bundesverfassung garantirt allerdings den an.....kernten christlichen Religionen im ganzen Umfange der Eidgenossenschaft die sreie Ausübung des Gottesdienstes. Bon einer Verlegung dieser

801 Bestimmung kann aber schon desswegeu nicht die Rede sein , weil der Grosse Rath keineswegs katholische Festtage aufgehoben hat, sondern nur von der staatliehen Berechtigung Gebrauch gemacht hat, über die bürgerliehe Wirkung der kirchlichen Feiertage gewisse Verfügungen zu erlassen ; 2) aus dem gleichen Grunde kann auch von einer Mißachtung des ^ 80 der bernischen Kantonsverfassung nicht die Rede sein , denn auch dieser Artikel enthält nichts anderes als eine Gewährleistung der Rechte der römisch-katholischen .Kirche in den betreffenden Gemeinden, welche Rechte das angegriffene Gesez nicht autastet, weil es weder den katholisehen Kirchenvorstehern , noch der katholischen Bevolke.^uug des Jura verbietet, diese Tage in beliebiger Weise zn feiern, sondern nur die bürgerlichen Rechte wahrt, so weit dieselben dem Schnze und der Oberhoheit des Staates unterstellt sind .

3) eben so unstichhaltig ist die Berufung auf die Vereinigungsurkunde vom 23. November t 815, welche bezüglich der katholischen Religion und ihrer freien Ausübung den st^l.ns qno sestgehalten wissen will. Es ist nun aber Thatsaehe, dass zur ^eit der Wiedervereinigung des Jura mit dem Kanton Bern dort uur vier kirchliche Wocheufeiertage bestanden, welche ohne Zustimmung der Regierung nicht permehrt werden sollten.

Wenn seither ohne irgend welche ausdrükliehe Bewilligung der Regieruug,

ja sogar ohne^nachweisbare Zustimmung höherer staatlicher oder kirchlieher Behörden , die Verlegung mehrerer Feiertage aus die Wochentage stattgefunden hat , so kann in diesem Umstand sür die Reknrrenten am allerwenigsten ein Grund liegen, die Znlassigkeit d.^s Gesezes aus diesem Boden anzugreisen .

beschlossen : 1.

Es sei der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

2. Sei dieser Beschluss der Regierung des Kantons Bern, sowie den Rekurrenten unter Rül.seudu..g der Ulkten mitzutheilen.

Bern, den 4. März 1868.

Jm Ramen des schweig. Bundesrathes , Der B u u d e s p r ä s i d e u t :

...^.^.Dubs.

Der Kauzler der Eidgenossenschaft: Schieß.

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Bundesrathsbeschluss in Sachen des Rekurses von jurassischen Großräthen, betreffend die katholischen Feiertage. (Vom 4. März 1868.)

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11.07.1868

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