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Bundesrathsbeschlus in

Sachen de Rekurses des Melchior R ü e di,

von hasle

(Luzern), betreffend Eheverweigerung.

(Vom 9. September 1868.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h hat

in Sachen des Melchior Rüedi, Schuster, von Hasle, Kantons .Luzern, wohnhast in Baden, Kts. Aargau, betreffend E h e v e x w e i gerung, nach angehortem Berichte des Justiz- und Polizeidepartements und nach Einsicht der Akten, woraus sich ergeben : .l. Rekurreut wünscht die reformate Maria L e s e r von Kontenschwel . Kantons Aargau , zu heiraten . es wurde ihm jedoch sowohl von seinem heimatlichen Gemeinderath als von der Regierung des Kantons Luzern die Bewilligung hiezu verweigert.

Der Besehluss der Regieruug von Luzern, d.d. 16. Dezember 1867, stüzt sich auf folgende Erwägungen : ,,dass Reknrrent unterm 30. Juni 1866 wegen "Falschspielerei" ,,bestrast wurde , und für ihn in dieser Sache ein Armutszeugniss von ,,der Heimatgemeiude an die Gerichtskauzlei Bremgarten ausgestellt ,,werdeu musste.

916 ,,dass die Brautleute zwar einiges Vermogen zu besizen vorgeben, ,,dagegen aus den Akten hervorgeht , dass der Rekurrent nicht einmal ,,die Heiratstax.en zu erlegen vermochte , ohne vorhin , und zu..ar in ,, fälschlicher Weise, ein .Einzugsgeld von der Heimatgemeinde der Braut, ,,ausgewirkt zu haben ; ,,dass kein entsprechender Ausweis über den Erwerb der Verlobten ^vorliegt .

,,dass sonach der^ Heiratsabschlag des Ge^neinderathes von Hasle ,,gegründet erscheint.^

ll. Mit Eingabe an den Bundesrath d. d. Baden 22. August ^ 1868 beschwerte sich M. Rüedi gegen diesen Entscheid und stellte ^as Gesuch, dass der Bundesrath, gestüzt ans das Bundesgesez betreffend die gemischten Ehen, die Behorden des Kantons Luzeru anweisen möchte,

ihm die Heiratsbewilligung auszustellen.

Zur Begründung bemerke Rekurrent : Die einmalige zuchtpolizeiliehe .Bestrafung sei nicht geeignet, einen Makel oder den Vorwnrf der Unsittlichkeit zu begründen. Der Einwand , dass die Brautleute kein Vermogen besizen, sei nach bundesrechtlicher Praxis nicht genügend, un..

die Bewilligung der Ehe zu verweigern. Es genüge nicht die blosse

Negation von Seite der Heimatgemeinde ; si.e habe die ^hatsachen zum Beweise ihrer Befürchtungen zu belegeu. Uebrigens leiste er den Gegenbeweis. Er besi^e einen vollständigen Werkzeug und die zum^Hauswesen notwendige Fahrhabe. Seine Braut geniesse den besten Leumund und eine Ersparnis^ von Fr. 300.

Er verneine, dass er fälschlicher Weise ein Einzugsgeld von der Heimatgemeinde der Braut ausgewirkt habe. Diese Gemeinde habe wohl seiner .Braut eiue Ehesteuer von Fr. 75 zugesichert ; allein ans der Annahme eines solchen Beitrages an die ersten Einrichtungen könne kein nachtheiliger ^chluss gezogen werden.

Für den angeblichen Mangel eines genügenden Erwerbes sei auch kein Nachweis gebracht worden.

Uebrigens konnte umgekehrt dargethan werden, dass er, Rekurrent, eine g^.nz anständige Gewerbssteuer bezahle.

Es ergebe sich somit, dass die erhobenen Vorkurse nicht erwiesen seien, umgekehrt geniessen die Brautleute guten Leumnnd, seien arbeitsam und sparsam, und haben, obschon ohne Vermogen , stets ihr Auskommen gut erworben und sogar noch Ersparnisse gemacht.

Unter solchen Umständen könne der wahre Grund für die Verweigeruug der Ehe nur in der Verschiedenheit der Konsessionen der Brautleute liegen.

Ill. Aus den vom Rekurrenten produzirten Belegen ergibt sich, dass er 1841 geboren ist, seit Ansang März l 867 in Baden, Kantons Aargau, wohnt und dort unklagbar sich betragen hat. dass die Maxie

917 .Leser auch dort wohnt, einen ganz guten Leumund geniesst und Fr. 300 Erspartes besizt, sowie dass die in der Wohnung des Rekurrenten befindliche Fahrhabe, die er als sein Eigenthum erklärte, aus Fr. 243. 50 geschaht wurde.

lV.

Die Regierung des Kantons Luzern beantwortete diese Befchwerde unterm 3l. August a. c., und .produite ebenfalls verschiedene Akten, aus denen sieh ergibt: 1) dass Melchior Rüedi im Jahr 1866 zu Bremgarten wegen Falschspielerei zu 14 Tagen Gefangenschaft und zur Bezahlung der ^ Kosten vou Fr. 66. 90 verurteilt wurde, dass aber sein heimatlicher Gemeiuderath wegen dieser Kosten ein Armutszeugniss ausstellte ; 2) dass Rekurrent der Gemeindebehörde von Gontenschw^l vorgab, die Heiratsteuer in seiner gemeine betrage Fr. 100, und dass er den Gemeindeammann von Hasle ersuchte , den Uebersehuss über den wirkliche .Betrag nicht nach Gontenschw^l. zurük zu schiken, sondern ihm zukommen zu lassen .

.3) dass im allgemeinen schweizerischen Volizeianzeiger pon Seite der Vol^ei des Kantons St. Gallen sub .^to 28. Mai 1868 ein Melchior Rüedi , Sehustergeselle von Hasle (Luzern) in Arbeit gestanden in Kempraten, Gemeinde Rappersehw^l, 28 Jahre alt, wegen Diebstahls mit Einbruch und Unterschlagung zur Fahndung ausgeschrieben ist, und dass laut einem Schreiben des Landjägers zu Rapperschw^l an das Gemeindeammannamt Hasle v. 11. August 1868 Rüedi mit Hinterlassung seines Heimatscheines von seinem Meister sich entfernte.

Unter Hinweisnng aus diese Thatsacheu schließt die Regierung von .Luzern m.t dem Antrag auf Abweisung des Rekurrenten.

J n Erwägung:

1) Der Art. 3 des Bundesgesezes vom 3. Dezember 1850 spricht den Grundsaz aus, dass die Bewilligung zum Absehluss gemischter Ehen auszustellen sei, sobald gegen eine solche Ehe sonst keine gesezliehen Ehehindernisse bestehen ; der Bundesrath hat somit ohne ^weiteres Eintreten aus konfessionelle Verhältnisse im Spezialfalle jeweilen nur zu untersuchen, ol.. nach der Gesezgebung des betreffenden Kantons gesezliehe Hindernisse bestehen , 2)

das Gesez des Kantons Ludern über Ehebewilligungen vom

11. März 1835 gestattet die Verweigerung der Ehe dann, wenn begründete Besorgniss obwaltet , dass später die Familie des Verlobten

der Gemeinde zur Last sallen werde, indem beim Abgang von allsälligem Vermögen nicht der Rachweis vorliege, dass er durch einen Erwerb

918 oder andern Verdienst eine allsällige Rachkommensehast , der Heimatgemeinde unbeschadet , aus eine ehrliehe Weise ernähren und gehörigermassen zu erziehen im Stande ^ei, oder wenn er auch einiges Vermögen oder einen Verdienst hätte, aber einen solchen liederlichen .Lebenswandel führen würde, der einen künstigen Rothstand befürchten liesse.

3) Wenn man die von der Regierung des Kaulons Luzern gegen den Konkurrenten vorgebrachten Thatsachen im Sinne des luzernischen Gesezes in Erwägung zieht , so lässt sich nicht perkennen , dass daraus ungünstige Rükschlüsse auf seinen sittlichen Eharakter und seinen haushälterischen Sinn stch ergeben. Selbst wenn man annehmen wollte, es seien die Angaben des nicht sehr vertrauenswürdigen Rekurreuten über geringe Ersparnisse und Erwerbsfähigkeit richtig , so sind andererseits Gründe genng vorhanden, welche weder eine ordentliche KindererZiehung, noch die Wahrscheinlichkeit einer andauernd selbstständigen E^istenz permutheu lassen.

4) Es ist daher das übrigens mehr als acht Monate vor Ergreisung des Rekurses erlassene Erkanutniss der Regierung von L...zern, selbst wenn man annehmen wollte, es ^ei nach den vorliegenden Akten noch einigermaßen zweifelhaft, ob die Ausschreibung im allgemeinen schweizerisehen Volizeiauzeiger wirklich den Rekurrenten angehe , als znr Zeit begründet anzusehen .

l.. e schl o s s e u :

1.

Es sei der vorliegende Rekurs als unbegründet abgewiesen.

2. Sei dieser Beschluss der Regierung von .Lnzern, sowie dem Herrn Fürsprecher H. G u g g e n h e i m in Baden, zuhanden des Rekurrenten M. Rüedi daselbst, unter Rüksendung der Akten mittheilen.

Also beschlossen, Bern, den 9. September 1868.

Jm Ramen der schweig. Bundesrathes, Der B u n d e s p r ä s i d e n t :

.^.r. ^. Dubs.

Der Kauzler der Eidgenossenschaft: S^ie^.

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Bundesrathsbeschluss in Sachen des Rekurses des Melchior Rüedi, von Hasle (Luzern), betreffend Eheverweigerung. (Vom 9. September 1868.)

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19.12.1868

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