8

1

K

1

# S T #

9

Schweizerisches Bundesblatt mit schweizerischer Gesetzsammlung,

68. Jahrgang.

Bern, den 23. Februar 1916.

Band I.

Erscheint wöchentlich. Preis 10 Franken im Jahr, B Franken im Halbjahr, zuzüglich ,,Nachnahme- und Postbestellungsgebühr".

Einrückungsgebühr : 15 Rappen die Zeile oder deren Raum. -- Anzeigen franko an die Buchdruckerei Stämpfli & de. in Bern.

# S T #

Z u

5 7 5

II. Bericht des

Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 getroffenen Massnahmen.

(Vom

19. Februar 1916.)

Mit unserem Berichte vom 1. Dezember 1914 haben wir Ihnen unter Berufung auf Art. 5 des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 betreffend Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität Rechenschaft abgelegt über den Gebrauch, den wir von unsern Vollmachten bis zu jenem Zeitpunkte gemacht haben.

Wir gaben uns damals der Hoffnung hin, dass in einem nicht allzufernen Zeitpunkt ein Schlussbericht über unsere Tätigkeit eingereicht werden könnte. Der Verlauf des Weltkrieges hat diese Hoffnung zerstört; noch ist kein Ende abzusehen.

In der letzten Dezembersession haben wir Ihnen einen weitern Bericht in Aussicht gestellt, umfassend die in Ausübung unserer ausserordentlichen Vollmachten bis Ende 1915 getroffenen Massnahmen. Unsere Erwartung, dass es möglich sein werde, diesen Bericht bis zur ausserordentlichen Frühjahrstagung bereitzustellen, hat sich nicht erwahrt. Die ganz ausserordentliche Arbeitslast, die insbesondere auf den mit dieser Berichterstattung betrauten Departementen ruht, hat es nicht ermöglicht, eine in alle Einzelheiten eingehende Berichterstattung fertigzustellen.

Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. I.

11

120

Seither sind nun Ereignisse von einer Bedeutung und Tragweite eingetreten, die es uns wünschbar, ja notwendig erscheinen Hessen, nicht nur dem in Aussicht gestellten Detailbericht vorgängig an Sie zu gelangen und einzelne mit dem grundlegenden Bundesbeschlusse in Zusammenhang stehende Fragen zu erörtern, sondern auch die auf den 27. Man, beschlossene Frühlingstagung der eidgenössischen Räte mit Rücksicht auf die Notwendigkeit einer solchen Erörterung vorzuschieben.

Die Verfehlungen zweier Offiziere des Armeestabes haben im ganzen Lande eine tiefgehende Aufregung und Erbitterung hervorgerufen. Im Zeitpunkte, in welchem Sie über den gegenwärtigen Bericht sich abzusprechen haben werden, wird das Militärgericht, dem der General, im Einverständnis mit dem Bundesrate, die Angeschuldigten überwiesen hat, sein Urteil gesprochen haben.

Wir hielten darauf, dass der Richter frei und unbeeinflusst seines Amtes walten könne; deshalb haben wir auch den Schein vermeiden wollen, als ob durch parlamentarische Erörterungen ein Druck in irgend einer Richtung ausgeübt werden wollte.

Aus diesem Grunde haben wir dem mit Eingabe vom 20. Januar 1. J. gestellten Gesuch der sozialdemokratischen Partei und der sozialdemokratischen Fraktion der Bundesversammlung um unverzügliche Einberufung der Bundesversammlung und Niedersetzung einer parlamentarischen Untersuchungskommission zwecks Untersuchung aller in der Presse bekanntgegebenen Anschuldigungen genen Militärbeamte und Staatsbeamte betreffend Neutralitätsverletzung keine Folge geben können; war doch in der Begründung kurzerhand die Behauptung aufgestellt worden, nur eine parlamentarische Untersuchung könne ,,Klarheit und Reinheit"1 schaffen, es habe sich gezeigt, ,,dass auf die militärische Untersuchung kein Verlass ist."

Die Erregung über die beklagenswerten Vorgänge im Armeestab hatte sich inzwischen in einzelnen Landesteilcn noch vertieft; ihr schreiben wir es zum Teile zu, dass es am 27. Januar in Lausanne zu bedauerlichen Ausschreitungen kam, bei denen die Fahne eines uns befreundeten Nachbarstaates beschimpft wurde.

Der Bundesrat sowohl als die waadtläudischen Behörden haben sich beeilt, zuhanden der deutschen Reichsregierung das lebhafteste Bedauern auszusprechen. Im ganzen Lande wurde das Vorkommnis verurteilt. Auch hier werden die Gerichte ihres Amtes zu walten haben.

Die Vorgänge in Lausanne waren symptomatisch · für die gewaltige Aufregung, die in weitesten Volkskreisen herrschte. Wir

121

konnten; uns der Überzeugung nicht verschliessen, dass auch unabhängig v,on der das innerste Empfinden des Volkes verletzenden Verfehlung der beiden Obersten in einzelnen Teilen unseres Landes starkes Misstrauen und tiefe Unzufriedenheit eine allgemeine Stimmung erzeugt hatten, die uns mit ernster Sorge erfüllen musste.

Als- daher die Regierung des Kantons Waadt und die Abordnung dieses Kantons in den eidgenössischen Räten bei uns in dringender Weise mit dem Gesuche vorstellig wurden, für eine möglichste Beschleunigung des Zusammentritts der Bundesversammlung bedacht zu sein, glaubten wir uns diesem Begehren nicht länger widersetzen zu sollen, um so weniger als mit diesem Gesuche eine Reihe von Postulaten verbunden waren, die die grundlegende Stellung der zivilen und militärischen .Gewalten und damit die Garantien für eine fruchtbare Weiterarbeit ihrer Träger betrafen. Es bestand von vornherein Einverständnis darüber, dass der Zusammentritt der Räte nicht vor der militärgerichtlichen Verhandlung in der mehrerwähnten Strafsache stattfinden solle.

Dem Ersuchen der Regierung des Kantons Waadt und der waadtländischen Mitglieder der Bundesversammlung schlössen; sich die Regierung des Kantons Genf und die gent'erische Abordnung der eidgenössischen Räte an. Von einer ganzen Reihe-, von Volksversammlungen langten Resolutionen ein, in welchen die Aufhebung oder Einschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates und die völlige Unterordnung der militärischen Gewalt unter die bürgerliche verlangt wurde. Anderseits mehrten sich die Kundgebungen aus der deutschen Schweiz, in welchen die Wünschbarkeit einer Aussprache im Schosse der Bundesversammlung betont wurde, wobei dann freilich umgekehrt die Wünschbarkeit des uneingeschränkten Fortbestandes der ausserordentlichen Vollmachten betont wurde und das Vertrauen in die politische und militärische Leitung des Landes zum Ausdruck kam.

So konnten wir uns denn der Überzeugung nicht verschliessen, dass durch eine möglichst baldige parlamentarische Erörterung der brennenden P'ragen, welche die neuesten Ereignisse in den Vordergrund gerückt hatten, viel gefährlicher Zündstoff beseitigt werde, und dass es für den Bundesrat unumgänglich notwendig sei zu wissen, auf welcher staatsrechtlichen Grundlage künftig seine verantwortungsvolle Tätigkeit zu fussen hat und ob die Behörde dabei noch das ihr für die Lösung der schweren Aufgabe erforderliche Vertrauen geniesst.

122

Unter den Postulateli, die die waadtländische Vertretung der Bundesversammlung und der Regierungsrat des Kantons Waadt.

dem ßundesrate vorgelegt hatten, steht an erster Stelle die Beschränkung der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates auf die gegenwärtigen Not wendigk e i t e n des L a n d e s . Der Gedanke ist auch sonst häufig zum Ausdruck gebracht worden ; in einem namhaften Teil der Presse ist die Abschaffung der ausserordentliehen Vollmachten und die ,,Rückkehr zürn verfassungsmässigen Zustand" zum Schlagwort geworden.

Der Bundesrat glaubt, sich einer Beschränkung der ihm erteilten Vollmachten, geschweige denn einem Entzuge derselben widersetzen zu sollen.

Mit -Art. 3 des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 betreffend Massnahmen zum Schutze des Landes und zur Aufrechthaltung der Neutralität haben Sie dem Bundesrate unbeschränkte Vollmacht erteilt ,,zur Vornahme aller Massnahmen, die für die Behauptung der Sicherheit, Integrität und Neutralität der Schweiz und zur Wahrung des Kredites und der wirtschaftlichen Interessen des Landes erforderlich werdena.

Seither ist wiederholt die Verfassungsmässigkeit dieses Beschlusses und damit die Rechtsgültigkeit der gestützt auf diese Vollmachten getroffenen Schlussnahmen in Zweifel gezogen worden.

Man hielt vielfach dafür, dass die Bundesverfassung ein ausdrückliches Notverordnungsrecht der Bundesversammlung oder des Bundesrates nicht enthalte, die eidgenössischen Räte ein Recht, das sie nicht selbst besitzen, auch nicht delegieren können, und dass daher jeder vom Bundesrate seit 3. August 1914 gefasste Beschluss, durch welchen Vorschriften erlassen wurden, die Gesetzescharakter besitzen, oder durch welchen bestehendes Gesetzesoder gar Verfassungsrecht abgeändert oder aufgehoben wurde, rechtsungültig sei. Es mag dahingestellt bleiben, ob in den Art. 85, Ziffer 6 und 7 und Art. 102, Ziffer 8, 9 und 10, in Verbindung mit Art. 2 der Bundesverfassung nicht eine ausdrückliche Begründung des sogenannten Notverordnunggrechtes erblickt werden kann.

Jedenfalls steht es nach unserer Auffassung ausser Zweifel, dass auch ohne eine ausdrückliche Verfassungsnorm ein Recht der Bundesbehörden besteht, in einer durch ausserordentliche Ereignisse geschaffenen Notlage des Staates dasjenige zu verfügen, was der höchste Staatszweck : die Behauptung der Sicherheit,
Integrität und Neutralität des Landes und die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt seiner Bürger, erheischt. Mit dieser Auffassung befinden wir uns auch in Übereinstimmung mit der Ansicht unseres

123 obersten Gerichtshofes, wie sie in neuesten Urteilen desselben niedergelegt ist.

Fraglieh kann somit nur noch sein, ob sich die Verhältnisse seit Beginn des Krieges so verändert haben, dass heute eine Notlage, welche das Notverordnungsrecht rechtfertigt, nicht mehr bestehen würde.

Davon kann nach unserer innersten Überzeugung keine Rede sein. Die Tatsache, dass in achtzehn Monaten entsetzlicher Kriegswirren unser Land verschont geblieben ist, hat unser Volk in ein ebenso gefährliches als unbegründetes Sicherheitsgefühl eingelullt.

Auf die Dauer wird das menschliche Gemüt gegen die gewaltigsten und erschütterndsten Eindrücke abgestumpft; die halbwegs normale Abwicklung des äussern Lebens, von Handel und Wandel schafft eine Geistesverfassung, die sich der äussern und innern Gefahren nicht mehr bewusst ist und schliesslich den einzelnen gegenüber den gigantischen Geschehnissen unserer Zeit in Gleichgültigkeit verfallen lässt.

Und doch donnern die Kanonen unmittelbar an unserer Grenze und doch haben sich die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in einem Masse vermehrt und vertieft, von dem im Augenblicke, als Sie uns die ausserordentlichen Vollmachten erteilten, wir selbst noch keine Ahnung hatten und haben konnten.

Wir haben nun noch im Einzelnen zu prüfen, ob wirklich diese Vollmachten entbehrlich geworden sind.

Ganz undenkbar erscheint uns dies mit Rücksicht auf die wirtschaftlichen Bedürfnisse.

Wer konnte in den Augusttagen des Jahres 1914 ahnen, dass neben dem blutigen Kriege in Waffen ein zweiter, wirtschaftlicher, Krieg zwischen den sich gegenüberstehenden Staatengruppen von gleicher Heftigkeit und Leidenschaftlichkeit entbrennen werde, und dass in diesen Krieg die neutralen Staaten mit hineingezogen werden? Wer konnte ahnen, dass alle vertraglichen Rechte, dass die Grundsätze der Haager Konvention, die völkerrechtlichen Normen überhaupt kein ausreichender Schutz sein werden, um den Fortbestand des wirtschaftlichen Lebens eines neutralen Staatswesens zu gewährleisten? Es ist tatsächlich so, dass der Bundesrat gezwungen war, die Fundamente unserer wirtschaftliehen Existenz durch Verständigung mit den kriegführenden Staatengruppen neu zu setzen und auf diesen Fundamenten einen Bau zu errichten, der seinen Halt in den absoluten Notwendigkeiten des täglichen Lebens, in Zweckmässigkeitsgründen und politischen Rücksichten findet, in keiner Weise dagegen mit den Vorschriften unseres Verfassungs- und Gesetzesrechts im Einklang steht. In

124

dem entbrannten wirtschaftlichen Kampfe geht das Bestreben der beiden Staatengruppen dahin, sich gegenseitig alles dasjenige vorzuenthalten, was für die kriegerischen Bedürfnisse oder für das wirtschaftliche Leben irgendwie von Nutzen sein kann.

Insbesondere soll verhindert werden, dass ein kriegführender Staat über das Gebiet eines Neutralen Waren solcher Art beziehen kann. Nun hat aber, wie wir schon anlässlich der Beantwortung der Interpellation der Herren Ständerat Winiger und Genossen erklärten, unser hochentwickeltes, vielgestaltiges wirtschaftliches Leben eine Abhängigkeit von der Weltwirtschaft erzeugt, die es als ganz unmöglich erscheinen lässt, dass sich unser Land von der einen oder andern Gruppe der Kriegführenden völlig abschliesse.

Deshalb musste mit den beiden Staateügruppea eine Grundlage der Verständigung gefunden werden, zufolge welcher die Kriegszwecke der Kriegführenden mit den dringendsten Bedürfnissen unserer Industrie, unserer Landwirtschaft und unseres Gewerbes und mit der Lebensmittelversorgung des Landes in Einklang gebracht werden konnten. In langen und zähen Verhandlungen, dank den freundschaftlichen Gefühlen und Gesinnungen, die wir bei allen beteiligten Regierungen gefunden haben, konnten die gewaltigen entgegenstehenden Schwierigkeiten überwuuden und eine Lösung gefunden werden, von welcher zu hoffen ist, dass sie unserer Volkswirtschaft auf die Dauer keine Enttäuschungen bereiten wird.

Die Lösung ist auf der einen Seite in der Organisation der dem politischen Departemente unterstellten Treuhandstelle, auf der andern Seite in der Société Suisse de Surveillance économique gefunden worden. Wir sind den Männern, die sich der Leitung dieser Institutionen angenommen haben, von Herzen dankbar, und wenn bis heute noch nicht diejenigen Ergebnisse erzielt werden konnten, die man erhoffte, so vergesse man nicht, dass die Schuld zum grossen Teile an den immer schwieriger sich gestaltenden Bedingungen gelegen ist, unter denen sich der weltwirtschaftliche Verkehr abspielen muss. Das aber ist ganz klar, dass wenn wir diese Organisationen nicht hätten, die Schwierigkeiten in der Versorgung unseres Landes und der einzelnen Zweige der schweizerischen Volkswirtschaft sich ins Ungeheure vermehren würden.

Nun unterliegt es aber gar keinem Zweifel, dass die erwähnten Organisationen
völlig ausser dem verfassungsmässigen und gesetzlichen Rahmen stehen. Sie stehen und fallen daher mit den ausserordentlichen Vollmachten. Dasselbe ist der Fall mit der von uns gehandhabten Politik der Ausfuhrverbote und Ausfuhrbewilligungen. Wir haben Ihnen die Grundzüge derselben schon in unserm Berichte vom 1. Dezember 1914 auseinander-

125

gesetzt. In erster Linie ist der Gesichtspunkt massgebend, ob der Stand der Versorgung des eigenen Landes mit Waren der betreffenden Art ein unter allen Umständen genügender ist oder nicht. Durch das Ausfuhrverbot erlangen wir die Kontrolle über die Inlandsversorgung, durch die Handhabung der Ausfuhrbewilligungen wird es uns ermöglicht, die Ausfuhr unter Berücksichtigung der inländischen Bedürfnisse zu regulieren. In zweiter Linie ermöglicht die Erteilung von Ausfuhrbewilligungen, uns auf dem Wege des Austausches von Exportermächtigungen dasjenige zu verschaffen, was das eigene Land notwendig hat und sich nicht oder nur unter viel ungünstigem Bedingungen von andersher zu beschaffen vermag. Es liegt auf der Hand, dass all das weit über diejenigen Ermächtigungen hinausgeht, die im Bundesgesetz über den schweizerischen Zolltarif dem Bundesrate eingeräumt sind.

Von dieser Wirtschaftspolitik abzugehen, wäre ein Wagnis, für das wir die Verantwortlichkeit nicht übernehmen könnten; sie erscheint uns um so weniger möglich, als die Verhältnisse der Lebensmittel- und Rohstoff beschaff ung je länger je schwieriger werden, wobei nur an die sich häufenden Transportschwierigkeiten, an die im raschen Rückgang stehende Verfrachtungsmöglichkeit, an die immer umfassender und strenger werdenden Absperrungsmassregeln der Kriegführenden erinnert werden soll.

Ganz ausser dem verfassungsmässigen Rahmen stehen sodann die Vorkehrungen, die wir zur Aufrechthaltung der Versorgung des Landes mit Lebensmitteln und andern Bedarlsgegenständen getroffen haben. Wir haben Ihnen im Berichte vom 1. Dezember 1914 über die Einführung einer Art Getreidemonopol und die übrigen mit der Brotversorgung des Landes zusammenhängenden Massnahmen Bericht erstattet. MitBundesratsbeschluss vom 26. März 1915 über die Sicherung der Lederversorgung des Landes und die Festsetzung von Höchstpreisen für Leder wurde der Bedarf der inländischen Gerberei an Häuten und Fellen zwangsweise gedeckt, der Export von solchen beschränkt und das Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, Preise und Lieferungsbedingungen für Häute und Felle festzusetzen und Höchstpreise und Verkaufsbedingungen für Leder, sowie Vorschriften über Herstellung besonderer Ledersorten aufzustellen. Mit Schlussnahme vom 2. Oktober 1915 haben wir die Einfuhr von Reis und Mahlprodukten aus ßeis,
Reisfuttermehle und Reiskleie Inbegriffen, monopolisiert.

Durch unsern Beschluss vom 9. November 1915 über die Sicherung der Milchversorgung des Landes haben wir die Möglichkeit geschaffen, dort, wo eine ausreichende Versorgung der Bevölkerung

126

mit Milch zu angemessenem Preise nicht erreicht werden kann, in einzelnen Betriehen die Verarbeitung der Milch zeitweilig oder dauernd einzustellen und die so freigewordene Milch dem Konsum zuzuführen, ebenso gegenüber Fabriken, die Milch verarbeiten, an die Bewilligung zur Ausfuhr die zur Sicherung der Inlandsversorgung mit Milch nötigen Bedingungen zu knüpfen. Mit Schlussnahme vom 25. Januar 1916 betreffend den Handel mit Milch und Käse wurde der Ankauf und Verkauf der Sommermilch, sowie von ganzen oder teilweisen Mulchen der Winterproduktion ohne Genehmigung des Volkswirtschaftsdepartements, unter Aufhebung entgegenstehender Verträge, verboten und diesem damit die Preisregulierung in die Hand gegeben. Mit Beschluss vom 8. Februar 1916 haben wir die Sicherung der Zuckereinfuhr anhand genommen, was die Beschlagnahme der im Lande befindlichen Zuckervorräte und als Folge davon die Aufhebung der Verträge über Lieferung von Zucker, ferner im Zusammenhang mit dem Einfuhrmonopol die Festsetzung von Höchstpreisen nötig machte. Am 12. dieses Monats ist die Versorgung mit Petroleum und Benzin einem besondern, dem Volkswirtschaftsdepartement angegliederten Bureau übertragen worden. Der Beschluss führt kein eigentliches Monopol ein, sieht dagegen vor, dass die Einfuhr nur mit Bewilligung des genannten Departements erfolgen darf und an die im öffentlichen Interesse liegenden Be-> dingungen geknüpft werden kann, dass private Vorräte beschlagnahmt und endlich dass Höchstpreise für den Gross- und Kleinhandel festgesetzt werden. Mit Beschluss vom 18. dieses Monats endlich haben wir Massnahmen getroffen, um das spekulative Aufkaufen grösserer Vorräte an notwendigen Lebensmitteln zu verhindern. Um zu verhüten, dass durch spekulative Umtriebe solche Waren dem Konsum entzogen und die Preise verteuert werden, wurde das Volkswirtschaftsdepartement ermächtigt, die Beschlagnahme solcher Vorräte vorzunehmen und sie zu angemessenen Preisen nach Festsetzung durch eine Schätzungskommission für den Bund zu erwerben. Abgeschlossene und noch nicht vollzogene Kaufverträge über beschlagnahmte Waren sind nichtig.

Alle diese Beschlüsse bedeuten Eingriffe in die verfassungsmässig gewährleistete Handels- und Gewerbefreiheit, deren Tragweite wir nicht im geringsten verkennen. Aber sie sind notwendig, sollen die Bedingungen für die
Beschaffung der nötigsten Bedarfsartikel auch in Zukunft erträgliche sein. Wir sehen voraus, dass bei den immer schwieriger sich gestaltenden Einfuhrverhältnissen unsere Tätigkeit auf diesem Gebiete noch keineswegs ab-

127

geschlossen sein wird. Auch sind wir uns dessen bewusst, dass, weit entfernt, der ausserordentlichen Vollmachten für die Aufrechthaltung und allfällige Erweiterung der volkswirtschaftlichen Massnahmen entbehren zu können, wir ihrer auch nach dem Friedensschlüsse für eine gewisse Übergangszeit bedürfen werden, um unser in den Grundfesten erschüttertes wirtschaftliches Leben allmählich wieder in normale Bahnen überleiten zu können.

In unserer Botschaft vom 2. August 1914 haben wir bemerkt, dass wir zur Lösung der an uns herantretenden Aufgaben der ganzen ökonomischen Kraft der Nation bedürfen werden und Sie daher bitten müssen, uns diese unbeschränkt zur Verfügung zu stellen. Sie haben uns denn auch einen unbegrenzten Kredit .zur Bestreitung der Ausgaben eingeräumt und uns die Ermächtigung zum Abschlüsse allfällig erforderlicher Anleihen erteilt.

Wir bedürfen der erteilten f i n a n z i e l l e n Vollmachten auch für die Zukunft. Wie in einem andern Zusammenhange zu erörtern sein wird, haben wir die Bestreitung der Mobilisationskosten, soweit sie nicht die im direkten Zusammenhang mit den aufgebotenen Truppen stehenden ordentlichen Ausgaben betreffen, von der Kreditbewilligung des Bundesrates abhängig gemacht.

Dagegen können nach der Natur der Sache die Ausgaben für die Mobilisation unserer Armee und den aktiven Dienst nicht auf den Weg der ordentlichen Budgetkreditbewilligung gewiesen werden. Mit Ihrem Einverständnis haben wir sie von den ordentlichen Budgets ausgenommen und aus einem Vorschusskredit auf Kapitalrechnung bestritten. Wir werden auch in Zukunft so vorgehen müssen. Desgleichen muss dem Bundesrate nach wie vor die Befugnis zur Aufnahme von Anleihen erhalten bleiben.

Nach Art. 85, Ziffer 10, der Bundesverfassung fallen Beschlüsse über Aufnahme von Anleihen in die Kompetenz der eidgenössischen Räte. Die hohe Wünschbarkeit, rasch zu handeln, hat schon mitten im Frieden zu dem Bundesbeschluss vom 22. Dezember 1911 betreffend die Aufnahme von Bandesanleihen und die Ausgabe von Bundesbahnobligationen geführt. Damals wurde dem Bundesrate für die Jahre 1912 bis 1916 unter bestimmten Bedingungen die generelle Ermächtigung erteilt, Anleihen zur Bestreitung von Ausgaben aufzunehmen, die auf Gesetz und Bundesbeschluss beruhen, wenn ihre Deckung auf dem Anleihenswege durch Gesetz vorgeschrieben
ist, oder durch Bundesbeschluss angeordnet wird. Es bedarf keiner nähern Erörterung, dass unter den ganz ausserordentlichen Verhältnissen die Schwierigkeiten der Geldbeschaffung und damit die Notwendigkeit des raschen Zu-

128

greifens, wenn die Möglichkeit hierfür geboten ist, ganz gewaltig gewachsen sind. Auch hier gilt der Satz, dass für ausserordentliche Verhältnisse ausserordentliche Mittel bereitgestellt werden müssen.

Die Massnahmen r e c h t l i c h e r Natur, welche wir kraft unserer ausserordentlichen Vollmachten getroffen haben, zielten zunächst auf den Schutz des infolge der Wirtschaftslage bedrängten Schuldners ab, den wir davor zu bewahren bestrebt waren, dass durch Auspfändung und Konkurs seine wirtschaftliche Existenz vernichtet werde. Diesem Grundgedanken diente die das Schuldbetreibungs- und Konkursgesetz abändernde und ergänzende Verordnung vom 28. September 1914. Und im gleichen Gedankengange bewegen sich der Beschluss betreffend die Ausweisung der Mieter, der den infolge der Kriegsereignisse in Notlage geratenen Mietzinsschuldner vor den Härten des Gesetzes schützt, und der Beschluss betreffend besondere Verzugsfolgen, der demjenigen Schuldner zu Hülfe kommen will, der infolge der Wirtschaftslage ausserstande ist, die vertraglich geschuldeten Zins- und Abschlagszahlungen rechtzeitig zu entrichten und daher der Gefahr ausgesetzt ist, das Kapital vorzeitig zurückzuzahlen, oder Strafzinsen entrichten zu müssen. Weitere Beschlüsse betreffen den Schutz der in der Schweiz domizilierten Schuldner gegenüber den in einem fremden Staate domi silierten Gläubigern und die Befristung der Betreibungsstundung. Besondern Schutzzwecken dienen die Beschlüsse zur Verhütung des finanziellen Zusammenbruchs privater Eisenbahnunternehmungen und zum Schutze der Hotelindustrie gegen die Folgen des Krieges. Es ist natürlich nicht daran zu denken, diesem ganzen Komplex von Schutzbestimmungen den rechtlichen Boden entziehen zu wollen, und ebensowenig darf sich der Bundesrat der Selbsttäuschung hingeben, am Ende seiner Hülfsaktion für die durch weitere erhebliche Verlängerung der Kriegswirren in wirtschaftliche Bedrängnis geratenden Volksgenossen zu stehen.

Über die Erlasse m i l i t ä r i s c h e r Natur, die wir kraft unserer Vollmachten beschlossen haben, verweisen wir zunächst auf unseren Bericht vom 1. Dezember 1914. Seit diesem Zeitpunkt waren eine Reihe von Erlassen administrativer Natur beschlossen worden, die sich auf Abweichungen beziehen von den Vorschriften des Verwaltungsreglements (Entschädigung für Rechnungsstellung,
Pferdeentschädigungen, Entschädigung an die Gemeinden für andauernde Truppenbelegung, für Logis der Stäbe, für andauernde Benützung von Küchen und Werkstätten) und

129 der Truppenordnung (Aufstellung von Infanterie-Einheiten, Zahl der Gebirgsfourgons, Beobachtungswagen der Feldbatterien), Abweichungen, die sich an Hand der Erfahrungen im Verlaufe der langen Dauer der Truppenaulstellung als notwendig herausgestellt haben. Hierzu kommen Schlussnahmen über Mietgeld der Requisitioos-Fuhrwerke, Stroheinfuhr, Bekleidungswesen. Die Erfahrung, dass wenn die Übertretungen der Vorschriften über Pferdepiquetstellung nach Massgabe von Art. 213, Abs. 3 M 0.

dem Bundesstraf'gericht überwiesen werden, dieses in ganz unstatthafter Weise mit solchen Geschäften überschwemmt würde, hat zur Überweisung an die kantonalen Gerich te geführt. Mit Beschlüssen vom 13. August 1915 haben wir die provisorische Organisation des Militärflugwesens vorgenommen und Vorschriften über Rekrutierung, Ausbildung und Besoldung der Fliegertruppe aufgestellt.

Es wird auch künftig wünschbar sein, dass Massnahmen dieser Art, die sich als notwendig herausstellen, mit Vermeidung aller Weiterungen getroffen werden können, um so mehr, als die organisatorischen Vorschriften meist in direktem Zusammenhang mit den vom Bundesrate auf Grund seiner finanziellen Vollmachten beschlossenen-Kreditbewilligungen stehen.

So bleiben denn schliesslich nur noch die Massnahmen p o l i t i s c h e r Natur zu erörtern, die vom Bundesrate kraft seiner ausserordcntlichen Vollmachten getroffen wurden.

Bestimmte Vorgänge bedauerlicher Art veranlassten uns, in einem Kreisschreiben vom 26. März 1915 festzustellen, dass in weiten Kreisen unserer Bevölkerung eine Stimmung Platz gegriffen habe, die unsere ernste Sorge zu erwecken geeignet sei.

Sympathien und Antipathien in bezug auf die einzelnen kriegführenden Staaten seien in einer Art und Weise zum Ausdruck gekommen, die mit der Stellung und den Pflichten eines neutralen Staates nicht vereinbar seien, und es zeige sich dabei ein Mangel an nationalem Fühlen und Denken, den wir nur mit tiefem Bedauern feststellen können.

Wir wiesen die Behörden an, mit Nachdruck und Ausdauer gegen die förmliche Ueberschwemmung mit Broschüren, Flugblättern, Illustrationen, Postkarten usw., teils verhetzenden, teils pornographischen Inhalts anzuKämpfen, einer Literatur, durch welche der gesunde Sinn unseres Volkes verwirrt und auf falsche Bahnen gelockt werde.

Wir empfahlen sodann der besondern Aufmerksamkeit der Behörden das Verhalten der in der Schweiz befindlichen Aus-

130 ;

länder, die seit Beginn der Kriegswirren mit der grössten Liberalität und sehr erheblichen finanziellen Lasten in unserem Lande behalten wurden, die sich nun auch bewusst zu bleiben haben, dass sie die Gastfreundschaft eines n e u t r a l e n Landes gemessen.

Wir wiesen die Behörden an, dort, wo diese Ausländer den sich hieraus für sie ergebenden Pflichten zuwiderhandeln, mit rücksichtsloser Strenge einzuschreiten.

Dem gleichen Gedankengange der Sorge für die Neutralität des Staates und den nationalen Gedanken, der diesem Kreisschreiben zugrunde liegt, folgt auch die V e r o r d n u n g vom 2. Juli 1915 b e t r e f f e n d die B e s c h i m p f u n g f r e m d e r Völker, S t a a t s o b e r h ä u p t e r oder R e g i e r u n g e n . Danach ist die öffentliche Beschimpfung eines fremden Volkes, seines Staatsoberhauptes oder seiner Regierung in Wort, Schrift, Bild oder Darstellung unter Strafe gestellt.

Wir hielten es im Sinne von Art. 102, Ziff. 9, der Bundesverfassung als unsere Pflicht, in den ganz ausserordentlich schwierigen Zeiten, die wir erleben, masslosen Angriffen gegen fremde Völker, Staatsoberhäupter und Regierungen entgegenzutreten, durch welche sie in der öffentlichen Meinung herabgewürdigt, oder dem Hasse und der Missachtung preisgegeben werden sollen, unsere Pflicht nicht bloss, weil dadurch unsere guten Beziehungen zu andern Staaten gefährdet werden, sondern hauptsächlich auch weil dadurch der innere Friede und der Zusammenhalt des eigenen Landes Schaden leiden muss. Dass eine solche Gefahr besteht, darüber haben uns die gemachten Erfahrungen volle Gewissheit verschafft; niemals wäre es zu einer so bedauerlichen innern Spannung gekommen, wenn man sich in den öffentlichen Äusserungen der Sympathie für die einen, der Abneigung, ja des Hasses gegen die andern kriegführenden Völker die gebotene Zurückhaltung auferlegt hätte. Wir haben den Entscheid darüber, ob auf Grund der erwähnten Strafbestimmung eine Strafverfolgung stattzufinden habe, unserer eigenen Prüfung und Ueberlegung vorbehalten. Wir waren und sind übrigens keineswegs gewillt, von dieser Kompetenz einen schrankenlosen Gebrauch zu machen ; sind doch seit Inkrafttreten dieses Beschlusses erst zwei Strafeinleitungen erfolgt, welche beide mit einer Verurteilung durch das Bundesstrafgericht geendet haben. Man darf indessen
keineswegs hieraus folgern, dass der Bundesratsbeschluss überflüssig oder entbehrlich sei. Seine Bedeutung liegt nicht allein oder auch nur in erster Linie in der Sanktion begangener Übertretungen, sondern in der prophylaktischen Wirkung; das blosse

131

Bestehen einer solchen Vorschrift verhindert eine publizistische Anarchie, gegen die sonst ein ausreichender Schutz nicht vorhanden wäre.

Das führt uns zur Behandlung der Frage der P r e s s z e n s u r überhaupt. Wir haben in unserm Berichte vom 1. Dezember 1914 die grundsätzliche Linie gezeichnet, welche wir gegen die Pressausschreitungen einzuhalten gewillt waren. Wir haben diese Linie nicht verlassen. Dagegen hat es sich erwiesen, dass die Handhabung der Presszensur der Einheitlichkeit, Gleichmässigkeit und Übersichtlichkeit ermangelte. Das hatte seinen Grund darin, dass eine ganze Reihe von Instanzen das Kontrollrecht für sich in Anspruch nahmen und es unabhängig voneinander, damit natürlich auch zuweilen widerspruchsvoll, handhabten. Wir wollen auch gar nicht leugnen, dass wiederholt bedauerliche Missgriffe vorgekommen sind. Zwischen der militärischen und politischen Zensur bestand keine sichere Abgrenzung, und vielfach haben militärische Organe auf einem Gebiete sich betätigt, das ihnen die Verordnung vom 10. August 1914 betreffend Veröffentlichungmilitärischer Nachrichten keineswegs als Tätigkeitsfeld zugewiesen hatte. Auf bürgerlichem Boden waren es die aus der Postordnung und aus Verträgen mit Bahnhofbuchhandlungen abgeleiteten Befugnisse und Rechte, welche in Konkurrenz traten mit den Aufgaben, die dem für die Leitung der innem und äussern Politik zunächst verantwortlichen Departernente aus dem bundesrätlichen Zensurbeschlusse erwachsen waren. Eine Abklärung und Sanierung dieser Verhältnisse ist durch den B u n d e s r a t s b e s c h l u s s vom 27. J u l i 1915 b e t r e f f e n d die P r e s s k o n t r o l l e w ä h r e n d d e r K r i e g s w i r r e n , erfolgt.

Zunächst wird die militärische Presskontrolle auf die militärischen Nachrichten nach Massgabe der oben angeführten Verordnung vom 10. August 1914 beschränkt.

Für die Handhabung der politischen Presskontrolle wird eine Presskontrollkommission von 5 Mitgliedern eingesetzt, wovon zwei auf Vorschlag des Vereins der Schweizer Presse ernannt werden.

Der Entscheidungsbefugnis unterliegen zwei Gruppen von Presserzeugnissen neutralitätswidrigen Inhalts oder Charakters, einmal schweizerische Presserzeugnisse, die nicht zu den inländischen Pressorganeri zu rechnen sind, wie Bücher, Broschüren, Flugschriften, Plakate, Zirkulare,
Postkarten, sodanu die vom Auslande her in die Schweiz eingeführten Presserzeugnisse. In bezug auf die schweizerischen Presserzeugnisse dagegen, die als inländische Pressorgane zu betrachten sind, hat die Presskontrollkom-

132

mission nur die Aufgabe, dem Bundesrate wegen besonders schwerer Ausschreitungen, durch welche die guten Beziehungen der Schweiz zu andern Staaten gefährdet werden, oder die mit der neutralen Stellung der Schweiz nicht vereinbar sind, Antrag auf Verwarnung, eventuell auf Suspendierung zu stellen.

Die von der Presskontrollkommission im Rahmen der oben erörterlen Befugnisse zu treffenden Massnahmen gegen Pressausschreitungen sind das Ausstellungsverbot, das Vertriebsverbot, die Einziehung, sodann das Verbot der offenen Postbeförderung und das Verbot der Einfuhr oder der Ausfuhr.

Die Presskontrollkommission ist vom Bundesrate aus den Herren Prof. Dr. Eugen Huber als Präsident und Prof. Dr. Ernst Röthlisbergar, Nationalrat Max von Diesbach, Prof. Paul Rochat und Redaktor Dr. Emil Welti als Mitgliedern zusammengesetzt worden. Die Herren Rochat und Dr. Welti waren vom Verein der Schweizer Presse in Vorschlag gebracht. Im Oktober ist Herr Prof. Eugen Huber mit Rücksicht auf seine angestrengte Inanspruchnahme als Professor der -hiesigen Hochschule zurückgetreten und durch Herrn Prof. Röthlisberger als Präsident, Herrn alt Bundeskanzler Dr. Ringier als Mitglied ersetzt worden.

Die Verordnung betreffend die Beschimpfung fremder Völker, Staatsoberhäupter oder Regierungen und der Bundesratsbeschluss betreffend die Presskontrolle haben einer lebhaften Kritik gerufen ; sie ist auch heute noch nicht verstummt. Gegenteils sind es in der Hauptsache diese beiden Vorlagen, welche den immer neu zum Ausdruck gebrachten Begehren um Aufhebung der unbeschränkten Vollmachten des Kundesrates auf politischem Gebiete zugrunde liegen. Es ist nicht sowohl die Organisation der Presskontrolle, die angefochten wurde -- vielmehr erscheint sie als eine Sanierung der vorher bestandenen Übelstände empfunden worden zu sein -- als die Institution der Zensur als solche. Es ist nicht verwunderlich, dass in einer Demokratie jede Einschränkung der Pressfreiheit als schwerer, vielfach als unerträglicher Eingriff empfunden wird. Allein die schrankenlose Pressfreiheit setzt, soll nicht das Wohl des Staates darunter leiden, in erster Linie eine weitgehende Selbstzucht der Presse voraus und eine solche ist, auch wenn überall der beste Wille vorhanden wäre, in Zeiten, wie wir sie gegenwärtig durchleben, wo die auf uns eindringenden Weltereignisse
die ruhige, sachliche Beurteilung der Verhältnisse ungeheuer erschweren und die Leidenschaften aufgepeitscht werden, fast nicht einzuhalten. Dazu kommt, dass in Zeiten, wie die heutigen, die Entgleisungen auch nur

133 ganz vereinzelter Pressorgane mit absoluter Sicherheit einen schädlichen, vielleicht verhängnisvollen Rückschlag in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht zur Folge haben. Unter solchen Verhältnissen ist eine gewisse Einschränkung der Presst'reiheit eine staatspolitische Notwendigkeit. Dabei ist ohne weiteres zuzugeben, dass das, was auf dem Gebiete der Presszensur verfügt wurde, weit entfernt davon ist, ein wirksamer Schutz gegen Schädigungen zu sein. Die Verordnung wirkt nur vorbeugend, und auch das nur in recht beschränktem Masse. Wirksamer wäre die Präventivzensur. Wir haben uns immer dagegen gesträubt, sie einzuführen.

Sie setzt Qualitäten der mit der Zensur beauftragten Persönlichkeit voraus, die nur spärlich aufzufinden sind ; sie schafft Verantwortlichkeiten, die zu schweren Verlegenheiten führen können und sie ist dem demokratischen Empfinden im innersten zuwider.

Unzweifelhaft könnte nur im Falle der höchsten staatlichen Krise zu diesem Mittel gegriffen werden. Auf der anderen Seite darf auch die Tätigkeit der Organe der Presskontrolle und die Wirkung ihrer dankenswerten Bemühungen nicht unterschätzt werden. Die Presskontrollkommission hat bisher in 255 Fällen ein Verbot der offenen Postsendung und Ausstellung, in 36 Fällen ein Vertriebsverbot ausgesprochen, in 41 Fällen die anfechtbaren Presserzeugnisse einziehen lassen und in 6 Fällen ein einfaches Einfuhrverbot ausgesprochen. Betroffen wurden durch diese Verbote 185 illustrierte Zeitschriften, 24 Zeitungen, 62 Broschüren, 16 Karten-Serien, 18 Kai ender-AI bums, 7 Bücher, 15 Zeitschriften, 11 Flugblätter. Nach der Sprache verteilen sich die betroffenen Erzeugnisse wie folgt: 182 französische, 135 deutsche, 17 italienische, 4 englische. Aus dem Auslande stammen 325, aus der Schweiz 13. Auf Beschluss der Kommission wurden an 25 einheimische Pressorgane Mahnbriefe wegen unneutralen Verhaltens Berichtet.

Wir würden es in hohem Masse bedauern, wenn wir den Ausschreitungen der Presse und der ganzen, namentlich vom Auslande her betriebenen leidenschaftlichen Propaganda und Hetzerei in Schrift und Bild sozusagen wehrlos gegenüberstehen müssten, und sind der festen Überzeugung, dass das nicht im Interesse, unseres Landes, seiner Beziehungen gegen aussen und seiner innern Verhältnisse sein würde.

O

Die vorstehenden Ausführungen dürften Ihnen gezeigt haben, dass auf den verschiedenen Gebieten seiner Tätigkeit der Bundesrat der ihm verliehenen ausserordentlichen Vollmachten nicht

134

antraten kann. Es ist aber auch eine Erwägung allgemeiner Art, welche uns veranlasst, Sie zu bitten, an diesen Vollmachten nichts zu ändern. Sie haben sie uns erteilt in einem Augenblicke höchster Gefahr für unser Land, und es könnte ja nun die Einwendung erhoben werden, eine solche Gefahr sei heute nicht mehr oder nicht mehr im gleichen Masse vorhanden und folglich ein Bedürfnis für so weitgehende Kompetenzen nicht mehr gegeben. Wir möchten indessen eindringlich vor der Unterschätzung der Gefahren warnen, die unser Land nach wie vor bedrohen ; ein zu weit getriebener Optimismus müsste sich bitter rächen. Und wenn sich die Verhältnisse zum schlimmen wenden, wenn unvermutet neue Schwierigkeiten und Gefahren auftauchen sollten, so besteht das höchste Interesse daran, sofort handeln zu können. Vergesse man endlich nicht, dass das Ansehen der obersten Landesbehörde in Frage steht ; dieses Ansehen nach aussen unangetastet und uneingeschränkt zu erhalten, liegt im hohen Interesse des Landes. Die Stellung des Bundesrates nach aussen und innen würde durch eine gegenteilige Schlussnahme der eidgenössischen Räte eine Schwächung erleiden, in einem Augenblick, wo das uneingeschränkte V e r t r a u e n in die Regierung des Landes eine staatliche Notwendigkeit ist.

Das zweite Postulat, das die waadtländische Vertretung der Bundesversammlung und der Regierungsrat des Kantons Waadt dem Bundesrate unterbreitet haben und das auch in mannigfachen Resolutionen der letzten Wochen zum Ausdruck gekommen ist, geht auf die U n t e r o r d n u n g der m i l i t ä r i s c h e n G e w a l t u n t e r die b ü r g e r l i c h e Gewalt.

Wir haben im Verlaufe der öffentlichen Diskussion der letzten Zeit den Eindruck gewonnen, dass in dieser Frage vielfache Missverständnisse bestehen, dass insbesondere fälschlich angenommen wird, die militärische Gewalt, welche das Armeekommando ausübt, sei ein Ausfluss der ausserordentlichen Vollmachten des Bundesrates, die dieser ihm übertragen habe; mit der Einschränkung oder Aufhebung dieser Vollmachten falle daher auch die behauptete militärische Vorherrschaft dahin. Wir bestreiten zunächst mit aller Entschiedenheit, dass eine solche militärische Suprematie je bestanden habe, oder vom Träger der militärischen Gewalt auch nur angestrebt worden sei. Sodann aber betonen wir, dass die Stellung des Generals auf dem Gesetze

135 und nicht auf ausserordentlichen Vollmachten beruht, die der Bundesrat ganz oder zum Teil auf ihn übertragen hätte.

Das Verhältnis zwischen General und Bundesrat, zwischen Militärgewalt und bürgerlicher Gewalt, ist durch das Gesetz betreffend die Militärorganisation vom 12. April 1907 geordnet.

Gemäss Art. 204 M. 0. führt der General den Oberbefehl über die Armee. Er erhält vom Bundesrate Weisung über den durch das Truppenaufgebot zu erreichenden Endzweck.

Gemäss Art. 208 M. 0. befiehlt der General alle militärischen Massnahmen, die er zur Erreichung dieses Endzweckes für notwendig und dienlich erachtet. Er verfügt über die personellen und materiellen Streitmittel des Landes nach seinem Gutfinden.

Gemäss Art. 210 M. 0. wird, wenn der General das Aufgebot weiterer Heeresteile verlangt, dieses Aufgebot durch den Bundesrat verfügt und vollzogen.

Gemäss Art. 217 M. 0. ist in Zeiten von Krieg und Kriegsgefahr der General berechtigt, den Kriegsbetrieb der Eisenbahnen zu verfügen.

Es unterliegt keinem Zweifel, dass das Gesetz die Stellung des Generals ganz bewusst zu einer völlig selbständigen und unabhängigen hat gestalten wollen. Das hat nicht gehindert, dass der General von Anfang an darauf gehalten hat, auch in rein militärischen Angelegenheiten, in Fühlung mit dem Bundesrate zu bleiben und wichtige Entschliessungen nur im Einverständnis mit dieser Behörde zu treffen. So sind, um nur diesen einen wichtigen Punkt hervorzuheben, die sukzessiven Aufgebote der mit dem Grenzschutz betrauten Truppenteile zum Gegenstande der gemeinsamen Beratung und des Einverständnisses gemacht worden.

Dem Gesetze wird nun der Vorhalt gemacht, die von ihm getroffene Abgrenzung der Stellung des Generals sei zwar passend für den Fall von Krieg und Kriegsgefahr, dagegen habe man nicht an einen Zustand gedacht, der zwischen Kriegszustand und Friedensverhältnis gelegen sei und eine Art bewaffneter Neutralität bedeute, einen Zustand, wie er sich nun eben für die Schweiz im Laufe des neunzehnmonatlichen europäischen Krieges herausgestellt habe.

Wir halten es nicht für ungefährlich, auf ein solches Zwischenstadium zwischen Krieg und Frieden abstellen und die Erfordernisse der Kriegsbereitschaft nach einem solchen bemessen zu wollen. Wir glauben, dass der Gesetzgeber von 1907 sich genau Rechenschaft gegeben hat, was unter der dem ,,Kriege"1 gleichgeordneten Bundesblatt. 68. Jahrg. Bd. I.

12

136

,,Kriegsgefahr" zu verstehen sei, und dass er mit voller Überlegung schon für die Zeit der blossen Kriegsgefahr einen in seinen Entschliessungen und Massnahmen zum Schutze des Landes selbständigen, von der politischen Behörde unabhängigen Oberbefehlshaber vorsah. Trotz all den glücklicherweise zahlreichen und gewichtigen Anzeichen dafür, dass wir nicht in den Krieg verwickelt werden, haben wir doch auch heute noch mit der Möglichkeit zu rechnen, dass die ,,Kriegsgefahr11 sich verschärft und unsere Grenzen verteidigt werden müssen. Deshalb erachten wir das Begehren, auf dem Wege der Abänderung der Militärorganisation zu einer Einschränkung der Rechte und Kompetenzen des Generals für den Zustand der sogenannten bewaffneten Neutralität zu schreiten, als unbegründet und gefahrlich.

Auf der andern Seite können auch wir uns der Erkenntnis nicht verschliessen, dass es für unsere Sicherheit nicht notwendig und aus praktischen Gesichtspunkten nicht wünschenswert wäre, wenn das Armeekommando in den tatsächlichen Verhältnissen, unter denen wir leben, von seinen gesetzlichen Kompetenzen ohne Rücksicht und Fühlung mit den bürgerlichen Behörden uneingeschränkten Gebrauch machen wollte.

Das ist, wie wir bereits betont haben, seit der Mobilmachng nie der Fall gewesen und wir haben denn auch sofort beim Armeekomrnando Verständnis und Entgegenkommen gefunden, als wir eine Reihe von Erlassen vorbereiteten, die für die besondere Lage, in der wir uns zurzeit befinden, eine mit dem Friedensverhältnis besser im Einklang stehende Ordnung verschiedener Materien vorsahen.

Ein erster Erlass, B u n d e s r a t s b e s c h l u s s b e t r e f f e n d Z u s t ä n d i g k e i t f ü r d i e A u s g a b e n d e r Armee während der Z e i t der K r i e g s m o b i l m a c h u n g , bestimmt, dass die Armeeleitung, ohne besondere Kreditbewilligung durch den Bundesrat, zuständig ist, für alle Ausgaben, die im Verwaltungsreglement für die Armee vorgesehen und festgesetzt sind. Dagegen müssen die Kredite für alle übrigen Ausgaben, namentlich solche für Bekleidung, Bewaffnung, Ausrüstung, Munition, Befestigungsanlagen, Bauten und Strassen, vom Bundesrate bewilligt werden. Von der ersten Zeit der Mobilmachung abgerechnet, haben Armeeleitung und Armeestab für den grössten Teil, der ausserordentlichen Ausgaben Kredite beim Bundesrate nachgesucht; immerhin ist diese Abgrenzung nicht konsequent eingehalten worden und es besteht ja an sich kein Zweifel, dass die Armee-

137

leitung aphand . von Art. 208 M. 0. einer solchen Kreditbewilligung .nicht bedurft hätte. Wir legen Wert darauf, im Einverständnis, troit dem General hier klare Verhältnisse zu schaffen.

Für. die ordentlichen Ausgaben, die sich auf Bestimmungen des Verwaltungsreglementes stützen, wie Sold, Verpflegung Unterkunft, Mietgelder, Transportwesen, Kulturschaden, Entschädigung von Gemeinden, ist in der Hauptsache die Zahl der aufgebotenen Truppen massgebend und da, wie bereits erörtert, das Aufgebot im Einvernehmen zwischen der militärischen und zivilen Gewalt erfolgt, so ist ja hiedurch die finanziell« Mitwirkung des Bundesrates gewährleistet. Für die ausserordentlichen Ausgaben erfolgt sodann die bundesrätliche Kreditbewilligung auf dem gewöhnlichen Wege.

·Entsprechend der reinlichen Ausscheidung zwischen militärischer und bürgerlicher Gewalt ist auch das Armeekriegskommissariat angewiesen, seine Verwaltungstätigkeit auf die Bedürfnisse der Armee zu beschränken und Handelsgeschäfte für Rechnung Dritter ohne ausdrückliche Bewilligung des Bundesrates, oder, in dringenden Fällen, der zuständigen Departemente., nicht abzuschliessen. Das Armeekriegskommissariat hatte seinerzeit, in dankenswerter Weise seine Dienste in weitem Umfange derschweizerischen Volkswirtschaft zur Verfügung gestellt und sehr bedeutende Mengen von Lebensmitteln und Rohstoffen in die Schweiz eingeführt. Die private und staatliche Organisation der Einfuhr lässt diese Mitwirkung des Armeekriegskommissariates nunmehr entbehrlich erscheinen und es war wünschenswert, dessen Tätigkeit streng auf die militärischen Bedürfnisse zu beschränken.

Ein zweiter Erlass, B u n d e s r a t s b e s c h l u s s b e t r e f f e n d den D i e n s t der H e e r e s p o l i z e i , beschränkt deren Tätigkeit auf den Dienst bei der Truppe. Sie kann auch zum Dienst bei der Grenzkontrolle herangezogen werden, jedoch nur im Einverständnis mit den kantonalen Behörden. Eine Reihe kantonaler Regierungen erklären, dieser Mitwirkung bei der Grenzkontrolle nicht entraten zu können ; andere besorgen die Grenzkontrolle mit eigenen Polizeikräften. Es ist zu erwarten, dass auf Grund dieses Beschlusses Reibungen und Konflikte mit der kantonalen Polkeigewàlt künftig vermieden werden können ; auch erscheint eine Einschränkung der Tätigkeit der Heerespolizei als wünschbar.
Ein dritter Erlass, B u n d e s r a t s b e s c h l u s s b e t r e f f e n d d'Cn N a c h r i c h t e n d i e n s t z u g u n s t e n f r e m d e r M ä c h t e , entzieht das Betreiben dos Nachrichtendienstes auf

138

schweizerischem Gebiete zugunsten einer fremden Macht der militärischen Gerichtsbarkeit und bezeichnet für diese strafbaren Handlungen das Bundesstrafgericht als zuständig, ausgenommen wenn der Täter eine der Militärstrafgerichtsbarkeit unterstellte' Person ist, oder wenn neben dem unerlaubten Nachrichtendienst auch das Delikt des Verrates in Frage steht. Dementsprechend wird die Leitung der Polizei in bezug auf unerlaubten Nachrichtendienst der Bundesanwaltschaft übertragen. Ihr stehen die Nachrichtenabteilung des Armeestabes, die Heerespolizei und die kantonalen Polüeiorgane zur Verfügung. Der Bundesrat bezeichnet für diese Geschäfte einen ausserordentlichen Bundesanwalt und für die Durchführung der Voruntersuchung einen oder mehrere ausserordentliche Untersuchungsrichter.

Das Betreiben von Nachrichtendienst auf Schweizergebiet zugunsten fremder Staaten ist von der eigentlichen Spionage, die einen besonders wichtigen Fall des Kriegsverrates, d. h. eines gegen unsere eigenen militärischen Interessen gerichteten Vergehens darstellt, grundsätzlich verschieden. Der Nachrichtendienst, bei dem als Geschädigte nur fremde Staaten in Betracht kommen, wird bestraft, weil dieses in der Regel von verkommenen Personen betriebene Geschäft unter Umständen die Neutralität kompromittieren kann, hauptsächlich aber, weil wir unsern Boden von diesen zweifelhaften Elementen säubern und die Versuchung von unserer eigenen Bevölkerung fern halten wollen. Die seit der Mobilisation gemachten Erfahrungen haben gezeigt, dass die Nachrichten Vermittlung in der Tat ausschli esslich fremde Staaten berührt; in keinem Fall konnte eine Anklage auf Verrat ausgedehnt werden, und es war in keinem Falle auch nur genügenden Anlass zu einem derartigen Verdachte vorhanden. Die Armee hat somit an der Verfolgung dieser Delikte nur ein mittelbares Interesse, und es erscheint die Überweisung an die Bundesanwaltschaft und im Zusammenhang damit die Übertragung der Spruchkompetenz an das Bundesstrafgericht sachlich um so mehr gerechtfertigt, als die Behandlung solcher Straffälle im engen Zusammenhang mit der Fremdenpolizei steht, welche zum Tätigkeitskreise der Bundesanwaltschaft gehört.

Ein vierter Erlass, B u n d e s r a t s b e s c h l u s s b e t r e f f e n d Übertragung von Kompetenzen der Militärgerichte an die b ü r g e r l i c h e
n G e r i c h t e , entlastet die Militärgerichte von der Abwandlung einer Reihe von Zuwiderhandlungen gegen Verordnungen und Beschlüsse mehr wirtschaftlicher als militärischer Natur.

139

. Darnach werden die Verfolgung und Beurteilung der in den verschiedenen Erlassen über Brotversorgung, Einfuhr von Getreide, Mehl, Futtermitteln, Reis und Mahlprodukten aus Reis, Strohbeschaffung, Lederversorgung unter Strafe gestellten Handlungen, sowie die Widerhandlungen gegen die Ausfuhrverbote den Kantonen übertragen. Wenn von der Zersplitterung der Rechtssprechung ein ungünstiger Einfluss auf die tatsächliche Handhabung der materiellen Vorschriften jener wichtigen Erlasse befürchtet werden sollte, so ist dem entgegenzuhalten, dass die sehr einschneidenden administrativen Ahndungs-Befügnisse fortbestehen und dass in ihnen für die grösste Zahl der Fälle eine ausreichende Gewähr für strenge Ahndung von Zuwiderhandlungen gegeben ist.

Wir erwähnen in diesem Zusammenhang den Bundesratsbeschluss vom 9. Juli 1915 b e t r e f f e n d E i n s c h r ä n k u n g der M i l i t ä r g e r i c h t s b a r k e i t ; durch denselben haben wir für die durch den Aufgebotsbeschluss vom 1. August 1914 den Militärgesetzen unterstellten Beamten, Angestellten und Arbeiter der öffentlichen Verkehrsanstalten und der Militärverwaltung, der eidgenössischen Militärwerkstätten und -Anstalten, der Zeughäuser und Magazine die Militärgerichtsbarkeit auf die vorsätzlichen Dienstpfiichtveiietzungen von militärischer Bedeutung beschränkt.

In einem füoften Erlass, B u n d e s r a t s b e s c h l u s s bet r e f f e n d d e n B e t r i e b d e r V e r k e h r s a n s t a l t e n , wird der Kriegsbetrieb der Eisenbahnen aufgehoben. Auch diese Massnahme ist im Einverständnis mit der Armeeleitung getroffen worden. Die einer so einschneidenden Massnahme entgegenstehenden Bedenken dürften sich durch den Hinweis darauf erledigen, dass im Falle der Verschlechterung der Lage oder bei Eintritt bedrohlicher Ereignisse von einem Tag zum andern der Kriegsbetrieb der Eisenbahnen wieder verfügt werden kann.

In Art. 2 dieses Beschlusses sind mit Rücksicht auf die weit gediehenen Vorbereitungen für die Festsetzung des Sommerfahrplanes 1916 und die Kürze der Zeit bis zu dessen Inkrafttreten die Vorschriften des Bundesratsbeschlusses betreffend den Sommerfahrplan 1916. vom 26. November 1915 vorbehalten worden.

Mit den im vorstehenden erörterten Erlassen glauben wir dem Postulate einer bessern Abgrenzung der bürgerlichen und militärischen Gewalten
und einer Anpassung der letztern an die tatsächlichen, in mehr als einer Richtung ausserge wohn liehen Verhältnisse in ausreichendem Masse entsprochen zu haben. Eine förmliche Abänderung des Bundesgesetzes über die Militärorganisation haben

140 wir von uns aus nicht vorgenommen ; es hätte uns widerstrebt, die ,,für die Behauptung der Sicherheit, Integrität und Neutralität der Schweiz"1 uns erteilten ausserordentlichen Vollmachten dazu zu gebrauchen, gerade die auf den aktiven Dienst und die Verwendung des Heeres zur Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes beaüglichen, grundlegenden Bestimmungen abzuändern, beziehungsweise abzuschwächen. · Aus ähnlichen Gründen schlagen wir Ihnen auch keine Revision unseres militärischen Grundgesetzes vor; wir glauben, dass es unser Volk in seiner grossen Mehrheit nicht verstehen würde, wollte man in der Stunde der Gefahr die Hand an diejenigen Bestimmungen legen, die gerade im Hinblick auf die tatsächlichen Erfahrungen des Kriegsjahres 1870/71 die Stellung des Oberbefehlshabers der schweizerischen Armee so gestalten sollten, dass sie den Erfordernissen der Kriegsbereitschaft und Schlagfertigkeit des Heeres entspricht.

Entschiedene Stellung nehmen wir ein gegenüber dem da und dort in Resolutionen zum Ausdruck gebrachten Gedanken, ein Oberbefehlshaber der Armee sei zurzeit überhaupt entbehrlich, und der Armeestab, wie auch die jeweils aufgebotenen Truppen könnten dem schweizerischen Militärdepartemente unterstellt werden. Das Auftauchen solcher Ideen beweist eine vollständige Misskennung der tatsächlichen Lage. Wir hätten gehofft, dass die Kriegsereignisse, welche sich vor unsern Augen abrollten, wenigstens e i n e Überzeugung gezeitigt hätten: dass unsere Neutralität nur so lange einen Schutz für unsere Unabhängigkeit bildet, als sie nicht nur von dem Willen des ganzen Volkes getragen wird, sondern auch mit ausreichenden militärischen Schutzmitteln ausgestattet ist. Wir hätten gehofft, dass das Verständnis dafür allgemein geworden wäre, dass der Zustand der Neutralität nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten schafft, und dass die oberste Pflicht dahin geht, durch Aufwendung entsprechender Verteidigungsmittel den sämtlichen Kriegführenden den Beweis zu leisten, dass. wir den Schutz unserer Grenzen nicht nur bewerkstelligen w o l l e n , sondern auch k ö n n e n . Mit solchen Auffassungen steht nun aber das Begehren, in einem kritischen Abschnitte des europäischen Krieges auf einen Oberbefehlshaber der schweizerischen Armee zu verzichten, im allerschroffsten Widerspruch. Dabei wollen wir nur
andeuten, welche geradezu unhaltbaren Verhältnisse durch die Unterstellung von Armeestab und Truppe unter Militärdepartement 'und Bundesrat : geschaffen würden.

Wir geben uns der Hoffnung hin, dass die Erörterung dièses

141 unseres Berichtes und der damit in Zusammenhang stehenden Fragen die eidgenössischen Räte geeinigt finden werde in dem Bestreben, die innern Schwierigkeiten zu überwinden und diejenige kraftvolle Geschlossenheit und Einheit wiederzugewinnen, die allein gewährleistet, dass unser Land heil, kräftig und lebensfähig aus der gefährlichsten Krise der letzten hundert Jahre hervorgehen wird.

Genehmigen Sie, Tit., die Versicherung unserer vorzüglichen Hochachtung.

B e r n , den 19. Februar

1916,

Im Namen des Schweiz. Bundesrates, Der Bundespräsident:

Decoppet.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft: Schatzmann.

# S T #

Schweizerische Bundesversammlung.

Im Einverständnis mit den Präsidenten beider Räte hat der Bundesrat den ursprünglich auf den 27. März 1916 in Aussicht genommenen Beginn der Fortsetzung der ordentlichen Wintersession der schweizerischen Bundesversammlung (6. Tagung der XXIII. Amtsdauer) nun auf den 6. März 1916, nachmittags 4*/2 Uhr, .festgesetzt.

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

II. Bericht des Bundesrates an die Bundesversammlung über die von ihm auf Grund des Bundesbeschlusses vom 3. August 1914 getroffenen Massnahmen. (Vom 19. Februar 1916.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1916

Année Anno Band

1

Volume Volume Heft

08

Cahier Numero Geschäftsnummer

575

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

23.02.1916

Date Data Seite

119-141

Page Pagina Ref. No

10 025 972

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.