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der

nationalräthlichen Kommission, , betreffend den Rekurs des Hrn.

Henri Piqnet von Bellerive.

(Vom 18. Juli 1 868.)

Der Waadtlauder Henri B i g u e t in Bellerive ereditiate lant Obligation d. d. 31. März 1865 dem Freiburger Joh. Baptist M a c h e r e l , damals Eafelier in Avenehes, für gelieferten Wein eine Summe von Fr. 5 4 9 , zahlbar am 30. April 1865. Unterm 8. Jnni 1865 erosfnete der Friedensrichter zn Av..nehes im Austrage von Eignet den Reehtstrieb gegen Macherel für die obige Summe ; es entwich jedoch der

Schuldner den Rechten und begab sich nach Russv., Kts. Freiburg,

worauf Viguet durch den Friedensrichter du 2. Cercle de l'Arrondisse ment de i.i Sarine im August 1865 die Betreibuug gegen denselben wieder ausnehmen liess. Am 14. August 1865 wurden sodann zn Gunsten des Ereditors aus der Hinterlassenschaft des Stephan Macherel, Vaters des Joh. Baptist, und unter Vorbehalt des Nutzniessungsrechts seiner Wittwe, gepfändet: der Antheil des J. B. Maeherel an 11 vermiedenen Schuldscheinen (obligations) und an einem K..üssehi..liugsgnthaben im Gesammtwerthe von Fr. 5336. ...0. --- .Laut Vrotokollauszng d. d.

29. Rovembex 1865 hat sodann der Friedensrichter Jean Eollaud zu Dompierre, da weder der Schuldner J. B. Macherel noch dessen Mutter Marguerite Maeherel, obgleich nach gesetzlicher Vorschrift aufgerufen, por demselben ersehie.uen , in Gemässheit des Art. 59 des Rechtstriebsgesezes dem Ereditor Henri Viguet den Antheil des J. B. Maeherel an den oben erwähnten l 2 Sehuldtiteln bis zum Betrage seiner

156 ^exung sammt Zinsen und Kosten in einer Gesammtsumme pon Fr. 606 65 Ets. zuerkannt ^l .. accordé à l'instant l'adjudication demandée).

Während des Verlaufs der dargestellten Betreibuugsgeschichte hatte unterm 7. Juli 1865 durch einen notarialischen Akt ^Joh. Baptist Macherel seinem Bruder Albin Antoine, dit Albert, die Rechte an der Gesammtheit des Nachlasses seines Vaters S t e p h a n bis zum Schuld.betrage von Fr. 360. 27 abgetreten, und mit Erlass vom 1. Dezember

1865 liess der Eessiouar dem Beauftragten des H. Viguet die Erklärung

zugehen, dass, wenn .^et^terer die geschehene Abtretung nicht anerkennen .

wollte, er am 13. Dezember 1865 vor dem Friedensrichteramte in Dompierre ^u erscheinen habe. Jn Abgang einer gütlichen Verständigung der Parteien erfolgte die .Einleitung des Brozefses vor dem Eivilgerichte des Arrondissement de l^.. Broye. Jn demselben trat Albin Antoine oder Albert Magherei als Kläger mit dem Begehren auf, dass er bis zur Summe von Fr. 360. 27 als E i g e n t h ü m e r derjenigen Werth^.

schriften anerkannt werde, deren Zuerkeunung unterm 2..). Rovember 1865 zu Gunsten Biguets erfolgt war, und dass für die obige Summe jeue Anerkennung als n i c h t i g erklärt werde. Von Biguet wurde dagegen die Zuständigkeit der Freiburg 'schen Gerichte angefochten, mit dem Be.^ gehreu, dass Albert Macherel denselben vor dem Waadtläudiseheu Richter seines Wohnsi^es aufzusuchen habe. Die beiden ^reiburgschen Jnstauzen,

sowohl das Eivilgericht^ der Bro.^ als das Kantonsgericht, wiesen die

von Biguef erhobene sorideeliuatorische Einrede ab . ebenso fand der Buudesrath unterm 7. September 1866 aus erfolgten Rekurs dieselbe

unbegründet. - Die Angelegenheit . blieb nun längere Zeit hindurch auf sieh beruhen. Unterm 26. Juli 1867 hatte ein neuer Vorstand der Parteien vor den. Eivilgerichte der Bro.^e statt, wobei Hr. Advokat Geudre vou ^xeiburg hervorhob, dass die Gesehästsberichtsl^ommission aus Veraulassung des gegen Herrn Viguet erlassenen Urtheils mit dem Bundesrath in Eouflikt gerathen sei, und dass er daher vou dem Rechte des Rekurses au die Bundesversammlung Gebrauch machen werde. Es u.usste desswegeu die Eiustelluug des Rechtshaudels ersolgen. Uuteru..

17. Dezember 1867 gab .^err Advokat Gendre wirklieh der Aussühruug des Rekurses statt, und es hat der Ständerath am 11. Juli 1868 den-

selben verworfen.

Uebergeheud zur r e c h t l i c h e n Erorteruug des Falles, so hat Jhre

.Kommission dem Urtheile des Kantousgeriehts Freiburg d. d. 18. Mai 1866 entnommen, dass dasselbe seine Kompetenz wesentlich gründete aus

die Art. 21, 28 uud 30, Ziff. 2 der Eivil-Brozess-Orduung vom 12.

Oktober 184..).

Jn

den Angen

der Kommission

erscheint

es als

sehr zweifelhaft , ob Artikel 28 hier zutreffe , da derselbe mit dem 37. Titel des Brozessgesetzes, welcher von der Beschlagnahme, als einer

157 v o r s o r g l i c h e n Massuahme^ handelt, im Zusammenhang steht, und da die durch H. Viguet erlaugte Zuerkennung des Rechts aus die 12

Schuldtitel doch gewiss mehr in sich schliesst als eine bloss provisorische

Berechtigung.

Um so unzweifelhafter erschien es dagegen Jhrer Kommission, dass

die ^reiburg^scheu Gerichte in Handhabung der Art. 21 und 30, Ziff. 2, ihrer Eivil-Vrozess-Ordnung sich für die Anhaudnahme des Falles als kompetent erklaren mußten. Der Eingang des Art. 21 stellt unter den .acuons eine Kategorie aus, welche sie als dingliche aus bewegliches Gut gerichtete Klagen bezeichnet, uud definirt dieselben. Rach unserm Dafürhalten lässt es sich im Ernst nicht bestreiten, ^ass, wenn einerseits Vig..et aus dem Grunde der im Wege. Rechtstriebs erlangten Z u erk e n n u n g . anderseits Albert ^Macherel aus dem Grunde der E e ss io n das Eigenthumsrecht aus die 12 Schuldtitel, so weit der Erbsantheil ^es J. B. Maehexel solches mit sich bringt, ansprechen, wir es mit einer Klage ^u thun haben, wie das Freiburg'sche Gese^ solche vorgesehen hat.

Das zweite Alinea des Art. 21 schreibt sodann vor, dass, sosern der Beklagte keinen Wohnsi^ im Kanton habe, die d i n g l i c h e ans bew e g l i c h e s Gut gerichtete Klage vor dem lornm rei si^e angebracht werden müsse, und zu allem Ueberslusse verordnet noch Art. 30, dass der Kantonsfremde in a l l e n dinglichen Klagen dem Ruse vor die Freiburg'scheu Gerieht.^ zu folgen habe. ^uu braucht mau nur ^u wissen, dass Biguet ein Waadtlau^er ist uud iu Bellerive seineu Wohnsil^ hat, um ^u der ^chlusssolgerung zu gelaugeu, dass die flirten Art. 21 und .30 vollkonnnen aus ihn zutreffen. Es hat denn auch der Rekurrent nicht gewagt, die Auwendbar.eit derselben auf ihn anzufechten . dagegen begründet Henri Biguet sein Begehren um Aufhebung der beiden ^rei....ure^schen Urtheile durch die iu denselben liegende Verlegung der Art.

48 uud 50 der Bundesverfassung. Es ist wohl zu berücksichtigen, dass,

würden die Art. 21 und 30 der ^reiburg^schen Eivil-Bro^ess^rdnnng ^eine Verlegung der .Bundesverfassung iuvolviren, es bei der Aushebung ^es freibnrgiseh^kautonsgeriehtlicheu Erkenntnisses vom 18. Mai 1866 uicht sein Bewenden haben konnte, sondern die Bundesversammlung gleichzeitig die Aenderung jeuer bu^deswidrigen Vorschriften ^u beschliessen hätte. Der Art. 48 der Bundesverfassung soll nun verlebt worden sein, weil uach Jnhalt desselben alle ^ehwei^erbürger in der Gese^gebung sowohl als im gerichtliehen Verfahren den Bürgern des K a n t o n s gleiehgehalten werden müssen, und weil der ^ 21 des ^reiburg^schen Brozessgesel^es im Rachsal^e a u s n a h m s w e i s e für dingliehe.

auf bewegliche^ Gut gerichtete Klagen den Richter der g e l e g e n e n ^.aehe als den zuständigen erkläre, wenn der Beklagte a u s s e r h a l b des Kau-

158 tons wohne. Es konnte wohl nie iu der Absicht der Bundesverfassung liegen, zu statuiren, dass, seie.n die ..Verhältnisse des Do m i e i ls, welche sie wollen., der eine Sehweizerbürg.er dem andern durchaus gleichgestellt werde. Damit würde, und zwar oft zum Rachtheile der ausserhalb eines Cantons wohnenden Bro^essparteien selbst, in viele wichtige prozessnalische Vorschriften, wie^. B. betreffend die rechtliche Vertretung, die Sicherstellung der Kosten, das Armenreeht ...e., eine bedeutende Bresche geschossen werden.

Der Sinn des Art. 48 der Bundesverfassung war offenbar nur der, dass unter gleich gestalteten Verhältnissen der Kantonsbürger vor den übrigen Schweizerbürgern nicht bevorzugt werden dürfe. Wenn also die

Freiburg'sche Gesetzgebung bei dinglichen auf b e w e g l i c h e s Gut

gerichteten Klagen, sofern der Beklagte im Kanton wohnt, den Berichtsstand seines Domieils, sosern derselbe ausser dem Kanton wohnt, den Gerichtsstand der gelegenen Sache als den zuständigen anweist, so widersprach eine derartige Bestimmung nicht der Bundesverfassung, immerhin vorausgesetzt, dass der ausserhalb des Kantons wohnende Freiburger nicht anders gehalten werde, als ein Waadtländer oder anderer Schweizerbürger. Run kann nicht behauptet, geschweige bewiesen werden, dass für den auswärts wohnenden ^rei^urger ein anderes Gesetz gelte, als für den Waadtländer, die Fassung des Art. 2l der Eivil-Brozess-Ordun..g beweist vielmehr das Gegentheil.

Anch von einem andern Standpunkte aus erscheint uns die ^rei-

burg^sche Gesetzgebung als eine die Gleichstellung aller Betheiligten,

domieiliren dieselben wo sie wollen, konsequent wahrende. Der ^weck des Art. 21^derVrozess-Ordnung war kein anderer, als die Vindil^ation der Hoheitsrechte des Staates für die dinglichen Klagen aller Kathego^ rien, wenn das Streitobjekt aus ^reiburg^schem Gebiete sich befindet.

Wollte nun dieses ...^.ouveränitätsrecht gan^ strenge durchgeführt werden, so hatte, wenn der Beklagte nicht im Kauton ^reiburg domieilirt, der Gesetzgeber keine andere Wahl, er musste iu solchen fallen den Gerichts^ stand ^er gelegenen Sache aufstellen.

Der Art. 50 der Bundesverfassung, dahin lautend. ,,^er aufrecht stehende schweizerische Schuldner, welcher einen sesten Wohnsitz hat, muss für personliehe Ansprachen vor dem Richter seines Wohnortes gesucht werden,^ soll sodann durch die ^reiburg'schen Gerichte verletzt worden sein. Es dürste wohl anzunehmen sein, dass in wohlbewusster Weise der Ausdruck: , , p e r s o n l i c h e A n s p r a c h e n ^ (nicht Klageu) gewählt worden ist, um damit anzudeuten, dass, soseru zwischen dem Kläger und Beklagten ein Ob li gationsverhältuiss waltet, dann der Beklagte an ^seinem .Wohnorte aufgesucht werde.. müsse. .^ier stehen der Kläger Maeherel und der Beklagte .^iguet durchaus iu keinen.. Sehuldverhältnisse zn eiuander , sie streiten sich darum, wer auf die in ^chuldtitelu be-

159 stehende väterliche Erbschaft ihres Schuldners J. B. Macherel die bessern Rechte erlaugt habe , beide viudieiren das im Ru^niessungsbest.^e der

Wittwe Marg. Macherel befindliehe bewegliche Vermögen des Schuldners als ihr Eigenthum. Wir haben es demnach nicht mit einer Klage

zu thun, auf welche der Wortlaut des Art. 50 d.er Bundesverfassung strikte zutrifft. - Allein abgesehen hievon. geht eine entschiedene bundesrechtliche Bra^s dahin, dass, wenn zweiBersonen um das Eigenthum au einer b e w e g lichen Sache sich streiten, eine solche Klage al^ eine d i n g l i c h e angesehen und behandelt wird. (Ullmer's staatsrechtliche Vraxis, H. Band,

^ Rr. 872 und 873.)

Die Kommission würde es ^für gewagt halten, in ihrer Argumentation so weit zu gehen, dass die ans bewegliche Gegenstände gerichteten Klagen in allen Kantonen als d i n g l i c h e ^ualifizirt werden. allein im

Kanton Freiburg, wo das Streitobjekt liegt. stellt sich solches, wie

wir oben gesehen haben, als unzweifelhaft heraus, und die Entseheidungen der Bundesbehorden untersten jene theoretische Ansicht durch die herrschende Vra^is -Daher der A n t r a g aus . A b w e i s u n g de.... R e k u r s e s .

Bei diesem .Anlasse kouneu wi^r ni..ht umhin, auf die Missstände aufmerksam zu machen, welche die Zulassung eines durchaus u u e i n g e s c h r ä n k t e n Rekursrechtes über Beschlüsse des Bundesrathes ...n die Bundesversammlung zur Folge hat.

Der Werth des gegenwärtigen Streitobjekts beträgt ^r. 360, und die bundesräthliehe Entscheidung datirt sich vom 7. September 1866. Run liess der Rekurrent Biguet d r e i Si^un^sperioden der Bundesversammluug vorübergehen, ehe er den Entscheid des Bundesrathes vor dieselbe brachte , und erst in der nunmehrigen v i e r t e n kann, nach Umfluss von 22 Mouaten,

die Erledigung des Austandes vor sich gehen. Jn^visehen blieb die

Austragung der streitigen Eigenthumssrage bei den Freiburg^sehen Ge-

richten sistirt. Ebenso gut als 2, hätte Biguet auch 4 und 6 Jahre

warten konnen, bevor er seineu Rekurs bei der Bundesversammlung anhängig machte, da ja die Berechtigung hiesür in keiner Weise einge.^ ^ i e l t ist. Wir werden uns wohl hüten, dem Nationalräthe eiuen sachbezüglichen A n t r a g vorzulegen, da wir wissen, wie verliebt die beiden Räthe^iu ihre Rel.urskompetenzeu sind. Dagegeu war die Kommission gleichsam genothigt, sieh die ^rage auszuwerfen, ob denn die Würde nnd das Ausehen der Bundesversammlung dabei gewinnen konne, wenn die Art der Ausübung ihrer Rekurskompeteuz derartigen Vro^essversehleppungen Vorschub leistet und die kantonalen Gerichte in ihrer Aufgabe, die bürgerlichen Rechte der Varteieu moglichst schnell zur Verwirklichuug zu bringen, hemmt.. Wir antworten auf die gestellte .^rage mit Reiu,

160 und glauben, durch das Mittel dieses Berichts dem Bundesrathe zu bedenken geben zu sollen, ob nicht durch Ansehung von p e r e m t o x i s c h e n Fristen den Verschleppungen und .durch Anwendung von Besehlusses-Tar^en den ebenfalls bei Rekursen häufig vorkommenden Trölereien ein entschiedenes Ziel gesetzt werden sollte. Das Wie mag hoherer Ueberlegung anheimgestel.lt bleiben.

Bern, den 18. Juli 1868.

Ramens der nationalräthlichen .kommission.

Der Berichterstatter:

.

Labl^t.

Mitglieder der Kommission: ^ Herren.

Ph. .^. ^abhardl. in ^rauenfeld.

M. ^....^uoz in Sltten. ^ergI. defsen Bericht Veuille fedéle.)

^. Theller in ...uzern. .

Der Rekurs ^lguet wurde v^n der Bundesversammlung abgewiesen ^Stände^ ralh 11. ^uli, Nationalrath ^5. ^ull^..

^ ^ , .

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Bericht der nationalräthlichen Kommission, betreffend den Rekurs des Hrn. Henri Piqnet von Bellerive. (Vom 18. Juli 1 868.)

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1868

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38

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

22.08.1868

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155-160

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10 005 886

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