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II. B e r i c h t der

Eisenbahnkontrnisston des Ständeraths über das konzesstonresp. Ratifikationbegehren des Stande... Wallis betreffend Fortsetzung der Eisenbahn Bouveret-Sitten und Bouveret.St. Gingolf.

(Vom 17. Dezember 1867.)

Tit. l Die Gesellschaft der Ligne d'ltahe, bis anhin im Befitz der ne.u zu vergebenden Eisenbahnlinien , ist in Concurs gerathen. Jn diesem Eoneurs hat der Graf A d r i a n de la V a l e t t e die Rechte der srühern Gesellschaft durch Kauf von der Masse an sieh gebracht und auf

Grundlage eines neuen Bflichtenhefts , welches ausdrücklieh ( 58) die

frühere Konzession aufhebt, hat der Kanton Wailis diese neue Konzession festgestellt, deren Genehmigung nachgesucht wird.

Die kommission, nachdem sie die ihr vorgelegten Akten, namentlich das neue Vflichteuhest, resp. die neue Konzession, die eingelangten Zuschritten des Grafen la Valette und den bundesräthliehen Bericht, ein-

lässlich geprüft hatte, fand sich über den ganzen jetzigen Stand der Sache nicht hinreichend aufgeklärt und es erweckten namentlich die erwähnten letzten Zuschristen und die Verhandlungen zwischen dem ndieat von Genf und dem Grafen B e d e n k e n , die sich aus den Akten nicht befriedigend heben l.iessen und aus denen der Antrag auf ,,R icht e i n t r eten zur Zeit hervorgegangen ist.

704 Die Hauptgesichtspunkte, ans weiche gestü^t es die kommission in ihrer ..^flicht erachtet, Jhnen , , R i c h t e i n t r e t e n zur Z e i t ^ zu beantragen, immerhin mit Vollmacht an den Bundesrath, bei aufgeklärterer Sachlage die Genehmigung von sich aus aussprechen zu dürfen, sind kurz folgende: 1. Der Kauf selbst, resp. die Kaufsbedingungen scheinen zwischen den Kontrahenten streitig: Der Graf prätendirt, dass die Fälligkeitstermine des Kaufpreises erst von ^dem Zeitpunkt an laufen, in welchem

die eidgenossische Ratifikation erfolgt sein wird ; die Fallimentsbehörde

dagegen desavouirt des Entschiedensten diese Auffassung und geht für die Verfalltermine der Kaufsumme von einem Zeitpunkt aus, der schon ^ vor eirea 6 Monaten abgelaufen ist. Der Hr. Gras de la Valette prätendirt im Weitern, dass die Räthe der Eidgenossenschast seine Ausfassung gutheissen sollen , durch den Wortlaut der Ratifikation derselben zum Siege verhelfen mochten ; er ruft uns als Schiedsrichter an u. s. w.

^Es ist aber einleuchtend, dass der Bund sich in diesen Streit über die Kaussbedingungen nicht zu mischen hat, noch dessen Austragung in keiner Weise weder viel noch wenig präludieren soll, da diess weder in seinem Recht,. noch in seiner Stellung und Ausgabe liegt, abgesehen davon, dass uns im Moment selbst die volle Aufklärung zu einem gerechten Spruch sehlen würde.

Die erwähnten Differenzen können nun aber schon sür sich allein möglicherweise den Kans selbst in Frage stellen. Der Kans ist aber die ausschliessliche und durchaus notwendige Unterlage der neuen Konzession ; ohne dessen Bestand bleiben die alten Konzessionen in Kraft und die Eoneursmasse bleibt im rechtlichen Besil^ derselben. Weder die Regiernng von Wallis hätte beim Wegsall des Kauss vorerst das Recht, neue Konzessionen zu geben , noch wäre die Eidgenossenschaft in der Lage, solche zu rati.fiziren. Aus der alten Konzession steht Wort und Siegel der Eidgenossenschaft. Man kommt damit nicht aus, über die dem RechtsGeschäft anhängenden Unsicherheiten hierorts hinwegzusehen und die ganze Verantwortlichkeit dem Kantone zuzuschieben. Es geht nicht wohl an, dass die Eidgenossenschaft zweite Konzessionen auf .Linien ratifiée, welche sie in Verbindung mit dem Kanton bereits mit v e r g e b e n hat. Ehre und Rechtsstelluug missrathen uns, derartige zweideutige Situationen. ins Leben zu rufen. Die Differenzen über den Kanf, so scheint es uns, seien dieselben mehr oder weniger ernst gemeint, müssen gehoben sein, ehe in die Ratifikationsfrage eingetreten werden kann.

2. Die vorgelegten Akten geben der kommission auch nicht die Gewissheit, dass^ wir zur Zeit überhaupt nur einen Konzessionsbewerber vor uns haben. Rieht nur scheint die anonyme Gesellschast noch gar nicht ins Leben gerufen , sondern der Herr Graf selbst hat noch keine bestimmte Erklärung abgegeben, dass er sür sich selbst das neue pflichten-

705 heft, di... neue Konzession mit den z u l e g t und s c h l i e s s l i c h .festg e s t e l l t e n M o d i f i k a t i o n e n überhaupt annehme, resp. abgesehen von den streitigen Kaussbedingungen betretend Fälligkeit der Kaussumme, für sieh als verpflichtend erachte. Dieser Umstand ist desshalb von Bedentnng, weil die Bedingungen des neuen Bflichtenhefts, wie sie jetzt lauten, dem Kaufsakt nicht sämmtlieh unterstellt waren. Erst seit dem Kaufsakt find einzelne Modifikationen dieser Bedingungen vorgenommen woxden und nicht für alle liegt die bestimmte Annahmserklärung des Grafen vor. (Es wird diess an der Hand des Kaufsakts, der Verhandlungen .La Valettas mit dem Gouvernement von Wallis uud der legten Redaktion der neuen Konzession genauer nachgewiesen.) Unter diesen Mo-

. difikationen befindet sich z. B. auch die Bestimmung des Domizils der Gesellschaft, ,,Sitten^ (^ 10). Der Sitz der Gesellschaft war en blanc gelassen worden und wurde erst ^u allerlei vom Staatsrath in den Rachträgen beigefügt. Auch über diese, für eine anonyme uud muth-

masslich ausländische Gesellschaft nicht uuwichtige Bestimmung hat der

Herr Graf keine ausdrückliche Annahmserklärung gegeben. Mogen im Uebrigen in den Augen dritter unbefangener Beurteiler die noch nicht ausdrücklich aeeeptirten Modifikationen materiell noch so uubedeutend sein, r e c h t l i c h find sie für die Frage, ob eine in allen Theilen vereinbarte und verpflichtende Konzession den Rätheu vorliege, jedenfalls nicht ohne Bedeutung. Welche .Anzahl von andern eoneludenten Tatsachen für eine eingegangene Rechtsverpflichtung .des Herrn Grafen beigebracht werden konnte (in den Ulkten liegt hiesür nur ein dürftiges Material), in der Aufgabe der Räthe kann doch kaum liegen , Konzessionäre aus Schlusssolgerungen zu finden. Riehts kann in diesem Buul.te eine k l a r e , b e s t i m m t e E r k l ä r u n g ersetzen. Eine solche, so seheint es uns, müsste in casn schon mit Rücksieht aus die erste ^rage vorhanden sein, mit Rücksicht aus die Frage nämlieh , ob die frühern Konzessionen dahingesallen seien ^ Es steint uns eine an und für sich selbstverständliche Forderung, dass in fällen der vorliegenden Art die eidgenössischen Räthe ohne einen bestimmten Konzesfionsbewerber nicht amten sollen. Wäre auch früher in ähnliehen Fällen nicht scharf genng geprüft worden , unangenehme Ersahrungen sordern h e u t e zu mehr Vorsicht auf. Auch in dieser Hinficht kann man sieh hierorts nicht damit Behelfen, die Verantwortlichkeit aus den Kanton zu werfen. Herr La Valette befindet sieh hier in Bern, er konnte die mangelnden bestimmten Erklärungen jeden Augenblick abgeben, konnte sich den Behorden gegenüber aussprechen, dass er die KonCession, so wie fie vorliegt, in allen Theilen annehme, dass er die Disserenken mit der ^allimeutsbehorde gänzlich über fich nehme und, wie sie auch schließlich gelost würden, davon weder die Gültigkeit des Kaufs, noch die Konzesfionsaunah.ne abhängig maehen wolle, - er thut es aber nicht. .Würde unter solchen Verhältnissen gleichwohl die eidgenosfische

706 .Ratifikation ertheilt, so besteht eine Gefahr, dass das amtliche Wort der .).äthe zum Sehaden dritter missbraueht werden konnte.

Jn der ..^.hat, könnte nicht die Konzession an Dritte , mit allem Detail der Verhältnisse nicht Vertraute, verkaust und bevor die noch bestehenden Differenzen ausgetragen sind, zu einem Gegenstand der Spekulation gemacht werden^ Hierunter müsste aber das Vertrauen aus

die ^Verläßlichkeit des amtlichen Worts der Eidgenossenschaft mitberührt,

unser Eredit im Auslande geschmälert werden. Ohne die Absieht, gegen irgend eine Berso.i ein Misstrauen schleudern zu wollen, hat der Bund ein R e e h t und in jüngsten Ersahrungen selbst eine A u s f o r d e r u n g , in Zukunft mit V o r s i c h t zu handeln. (Entgegen der Einwendung, alles dieses gehe den Bund nichts an, wird in mündlicher Ausführung^

und zur Unterstützung des Gesagten noch mit den ^15 und 16 des Eisenbahngleis argumentirt.)

Begründung der Vollmachtertheilung an den Bundesrath.

Zur Begründung der beantragten Vollmacht geht der Reserent der kommission in eine mundliche Diskussion der vorgelegten Konzession ein.

Er zei^t, dass sie dem Kanton grossere Garantien biete, als die frühere, und dass der Bnnd, wenn die geäusserten Bedenken gehoben seien, keinen Grund mehr habe , die Ratifikation zu verweigern , dass auch gerechte Rücksichtnahme aus .^ie Jnteressen^ uud Wünsche des Kantons Wal.lis, sowie das eidgenossische Jnteresse am Zustandekommen der in Frage liegenden Linien die Vollmaehtsertheiluug rechtfertige, damit kein Zeitverlust eintreten müsse. Es wir^ von der Eommission lediglich verlangt, dass auch die Eidgenossenschaft (vide ^ 29 und 32 der Konzession) ihrerseits die nöthigen Vorbehalte rücksichtlich der Sicherung der RhoneKorrektion machte.

^..estü^t anf diese Erorterung stellt die Eommission folgenden Antrag: (Wurde unverändert angenommen, siehe Bundesbeschluß Gese^-

sammlung l.^., .^. 232.)

B e r n , den 17. Dezember 1867.

Jm A u f t r a g e der E o m m i s s i o n , Der Berichterstatter:

^. .^a.^ele^ Ständerath.

707

Votum des

^errn Ständerath ^aberlin nber den Nekur.^ Mnller, be.treffend den interkantonalen Gerichtsstand sur Jnjurien.

(Vom 18. Dezember 1867.)

^it..

Referent schick^ voraus eine Darstellung der faktischen Verhältnisse dieses .^

.^ursfalles vergleiche Bundesrath.^beschluß vom 12. ^uni 18..^ , Bunde.^bl..tl. vo.^ 18.^7. Bd. III, S. 82.. und Berichte der .^erren .....ationaträthe Bünzli unl..

Cé resale vom 1.... Dezember 1.8^, Bunde^bla^ von 18.^8, I, S. 4. .7 .....e^ -.- und sähr.^ dann fort wie folgt .

Rach dieser summarischen Darstellung des faktischen ......hatbestandes soll ich .die Ehre haben, das rechtliche Befinden der Kommissionsmehxheit , welches aus Abweisung des Rekurses lautet , in Jhrem Schoosse zu vertreten. Um in der Saehe klar zu sehen, scheint mir vor Allem

aus notwendig, das Vexhältniss derEivil^ und der S tra s- Gerichts^

barkeit der Kantone u n t e r sieh und g e g e n ü b e r den. B u n d e festzustellen. Damit wird der richtige Standpunkt für die Beurteilung im Allgemeinen gewonnen und zugleich die eigentliche Streitfrage selber beinahe schon beantwortet sein. Denn uieht darnm handelt es sich und k a n n es sich handeln , nach theoretischen Gesichtspunkten und mit gesetzgeberischer Freiheit, etwa u.ie im Einheitsstaate, deu Gerichtsstand für Jnjurieu zu b e s t i m m e n (abgesehen von den B r esspergehen, mit Be.^ug ans welche der Art. 45 der Bundesverfassung dem Bunde ein ^usnahmsweises Jnterventionsreeht zugewiesen hat), sondern ^ie Frage

Bunde^bIat... Jahrg. XX. Bd. I.

^

50

708 lst einzig und ausschließlich die, ob die ^Verletzung eines verfassuna^m a s s i g e n Rechtes.^ vorliege, zu dessen Schutz die Bundesversammlung einzuschreiten berechtigt und beziehungsweise verpflichtet ist^ (Art. 5 der Bundesversassung.) Jm gebiete der E i v i l g e r i c h t s b a r k e i t ist die Souveränetät der Kantone in der Art b e s c h r ä n k t , dass für .,pexfonliche Anforderungen^ der Gerichtsstand des Wohnortes des ausrechtgehenden ,,Schuldners^ mit festem Wohnsitz, und zwar exklusiv, aufgestellt ist. (Art. 50 der Bundesverfassung.) Diese B e s c h r ä n k u n g der Jurisdiktion der Kantone ist dann aber ausgeglichen durch die ExW e i t e r u n g der Vollziehbarkeit der rechtskräftigen Eivilurtheile ü b e r die G r e n z e n des b e t r e f f e n d e n K a n t o n s hinaus, indem naeh.^

Art. 49 der Bundesverfassung .,die rechtskrästigen Eivilurtheile, die

in einem Danton gefällt sind, in der ganzen Eidgenossenschaft vollzogen werden können.^ Ganz anders gestaltet sieh die Sache im Gebiete der Strafgerichtsbarkeit. Jn dieser Hinsicht stehen sieh die Kantone beinahe wie fremde Staaten gegenüber (mit Ausnahme der hier nicht in Betracht sollenden Art. 45 und 54 der Bundesverfassung, nach welchen die Bresssreiheit im ganzen Umfang der Eidgenossenschaft gewährleistet ist und wegen politischer Vergehen kein Todesurtheil gesällt werden darf).

Jhre Jurisdiktion ist hier so zu sagen unbeschränkt^ und erstreckt sieh auf alle Versonen (Einwohner), die sich aus dem Staatsgebiete befinden und auf alle Vergehen, die auf demselben verübt worden oder gegen den betretenden Staat oder dessen Angehörige gerichtet stnd. (Legeres unter Vorbehalt des Art. 53, wovon später die Rede sein wird.) Hinwiederum ist dann aber jeder Kanton in Bezug auf die V o l l z i e h u n g der Strafurtheile im weitesten ^inne des Wortes aus die ihm selber zu Gebote stehenden Ex^ekutivmittel angewiesen. Es gibt keinen Art. 49 der Bundesversassung sur die ...^trasurtheile wie für die Zivilurtheile.

Sondern die Hülseleistung, zu welcher die Kantone in dieser Richtung gegenseitig verpflichtet sind, besteht einzig und allein in der Handbietung, welche die Bundesverfassung und die Bundesgesetzgebung in der

Form der Auslieferungspflicht der angeschuldigten, als.^

zum Zwecke der A u s ü b u n g der S t r a s g e r i c h t s b a r k e i t selbst, aufgestellt hat. Eine Bflicht zur Vollziehung der von einem andern Danton gefällten Strasurtheile besteht nicht. . Daraus folgt, diese Sätze aus den vorliegenden Fall augewendet und in der Voraussetzung , dass wir es hier n i c h t mit einem Eivil urtheil zu thun haben, dass zwar

der Kanton St. Gallen das Urtheil des Bezirksgerichts der Stadt

St. Gallen vom 19. .....ovember 1866 mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln in Vollziehung zu setzen besugt ist , so gut er kann und mag; dass aber kein anderer Kanton, und also auch nieht die Regierung des Kantons Uri, zu dessen Exekution von Bundes wegen angehalten werden kann. Ebensowenig kommt aber auch dem Bunde irgend ein Einmischungsreeht (nach Art. 5 oder 49 der Bundesverfassung) aus dem

709 Grunde. eines K o n f l i k t e s der k a n t o n a l e n G e w a l t e n zu, weil ein solcher Konflikt überall nicht vorliegt. Dass es sich nämlieh nicht um ein Eivilurtheil handelt, welchem nach Art. 49 der Bundesverfassung in der ganzen Eidgenossenschaft Vollzug zu verschaffen wäre, soll sogleich näher erortert werden.

Allein der Rekurrent (Herr alt..Landammann Vineenz Müller) bexust sich im Weitern aus ein nach seiner Behauptung verlebtes i n di viduell.es verfassungsmäßiges Recht, für dessen Wiederherstellung jeder e i n z e l n e Sehwei^erbürger die Dazwisehenknnft des Bundes anrnsen kann. Und zwar mit vollem Recht, vorausgesetzt, dass das Klagesundament selbst über Verletzung eines verfassungsmäßigen Rechtes ein begründete^ sei. Der Art. 53 der Bundesverfassung lautet nämlich : Niemand darf seinem versass...ngsmäs.ugen Gerichtsstand entzogen, und ,,es dürsen daher keine Ausnahmegerichte ausgestellt werden.^ Dies..

wäre nun aber allerdings der ^all, w e n n die Jnjurie, um deren Bestrasung es sieh gehandelt hat , n i ch t oder n i eh t a u eh im Danton St. Gallen verübt zn betrachten oder mit andern Worten , wenn das korum delicti c o m m e s s i nicht an diesem Orte vorhanden wäre.

Hätte ^. B. die Vrozesssehrist des Herrn Müller, in ....elcher die injuri-

osen Stellen gegen Herrn Eurti enthalten waren, das Territorium des Kantons Uri nicht überschritten und dasjenige des Kantons St. Gallen nicht erreicht, so würde von einer Kompetenz der St. Gallischen Gerichte wohl kaum die ^Rede sein konnen. Nachdem diess aber geschehen ist, srägt es sich nun , ob nicht eben desshalb die Behorden des Kantons St. Gallen zur Ausübung ihrer Jurisdiktion vom Staudpunkte des forum delicti commissi aus zuständig waren ^ Die bisherige bundes.^ rechtliche Vra^is hat den Entscheid davon abhängig gemacht, ob die Ge^etzgebnng des betreffenden Kantons die Jnjurie unter den Begriff einer Eivilanspraehe (einer Klage aus Genugtuung und ..^ehadenersatz) oder unter denjenigen eines D e l i k t e s stellt. Jm Kanton ^t. Gallen ist unbestritten das Letztere der Fall und somit wäre die Frage im Sinne der Abweisung des Rekurses nach dem bisherigen Buudesreehte bereits entschieden. Jndess will der Reserent der Kommissions -Mehrheit den Vertretern der Minderheitsansieht aus freien Stücken die Konzession machen, dass es nicht a b s o l u t in die Willkür der Kantone gesetzt sein dürse, durch eine beliebige, von den allgemeinen Rechtsbegrifsen abweichende Ausstellung des Tatbestandes der Vergehen oder des kornm delicti commini die Zweckbestimmung des ^lrt. 53 der Bundesverfassung möglicherweise illusorisch zu machen. Die kantonale Gesetzgebung steht vielmehr allerdings unter der Herrschast des Art. 53 der Bundesperfassung. Allein es kann anderseits von einer direkten oder indirekten Umgehung des Art. 53 der Bundesverfassung auch nur dannzumal die Rede sein, wenn die Subsumption der Jnjurie unter dem Begriff des Deliktes mit den Lehren der Wissensehast oder mit den Grundsätzen d^

^710 allgemeinen Rechtes (mit dem sogen. jn... ^entlnni^ im Widerspruch stünde.

Davon ist nun aber --^ ganz abgesehen von der Uebereinstin.mung mit der Gesetzgebung einer Reihe fremder Staaten .-- schon desshalb nicht die Rede, weil nicht blos die Mehrzahl der Kantone, sondern weil auch das eidgenossisehe Strafgesetz die Jnjurie als Delikt behandeln, woran natürlich der Umstand nichts ändert, dass in der Regel die Strasver.^

folgung durch die .anzeige oder Kl.age des Beleidigten bedingt ist , so-

wie. dass dieselbe in den Formen des Eivilprozesses vor sieh geht. Und in der That, Titl, was ist im Grunde die Jnjurie Anderes denn eine von der Gesetzgebung zum Vergehen gestempelte Uebertretung einer moralisehen Vorschrift.^ Rieht um Mein und Dein handelt es sich in erster Linie, - es sind das höchst aeeessorisehe Dinge - ; nicht Vermögensrechte oder übertragbare Sachen sind hier in Frage. .,,Die Ehre .st ein unsichtbares Ding, oft hat sie der, der sie nicht hat.^ Das eharak^ teristische Merkmal ist der unerlaubte Angriff ans die Ehre, die nicht nach Ziffern bemessen werden kann. Treffend vergleicht Shakespeare die Ehrverletznng mit dem g e m e i n e n D i e b f t a h l , wenn er im

..,Othello^ den Fähndrich Jago (ans Venedig) sagen lässt: ,,Der gute ^ame ist bei Mann und ^eib Da... . a l l e r h ö c h s t e K l e i n o d ihrer Seelen.

...^er .^eld mir stiehlt, stiehl Tand, .S ist ..^was .- nichts, ^S war mein, .^ ist sein, war Sklave Tausender^ D^el, wer mir meinen guten ^amen raub.^, Beraubt mich dessen, was ihn nicht bereichert, Mich aber wahrhaft arm machte..

Jst also die Substan^ der Klage wesentlich eine strafrechtliche , so

fragt es sich schließlich blos noch , ob das Vergehen am Orte der Ab-

fassung der Schrift oder nicht ebensowol an dem Orte verübt worden sei , wohin das Aktenstück zur Mitteilung oder Weiterverbreitung ver^ fandt worden ist^ Die Antwort aus diese ^.rage gibt kraft der, wie wir oben gesehen haben, unter Vorbehalt des Art. 53 der BundesVerfassung unbeschränkten Souveränetät der Kantone im Gebiete der Strasgeriehtsbarkeit .-.- die Gesetzgebung oder Geriehtsprax^is des Kautons St. Gallen , sosern diese letztere nicht eine indirekte Umgehung de.^ Art. 53 der Bundesverfassung in sich schliesst. Rnn aber ist über den internationalen beziehungsweise den interkantonalen Gerichtsstand de..^ begangenen Vergehens die Doktrin und die Gesetzgebung der Länder so beschaffen, dass man die Annahme eines korum delicti commissi auch an dem Orte, wo der incuriose Gedanke in die Anssenw^lt tritt und s e i nen E s s e k t ä u s s e r t , zum Mindesten nieht als die Aufstellung eines Ausnahmsgerichtes ..^.alifiziren kann. Wenn Jemand mittelst der Bewegung seines Armes, mittelst eines Flintenschusses u. drgl. eiue Dritt^erson aus dem Territorium eines andern Staates verwundet oder tobtet : wer wollte es den Behorden des letztern Staates verwehren, die StrafGerichtsbarkeit über den ..^häter auszuüben (so .veit solches in seiner

711 Macht liegt), auch wenn der Thäter mit seinen Füssen auf dem Gebiete eines dritten Staates gestanden war^ Ebenso ist es im vorliegenden

Falle gleichgültig, ob Hr. Müller das incuriose Aktenstück p er so n li ch

^nach St. Gallen getragen oder sich zu diesem Zwecke der B o st b e d i e n t habe. Die W i r k u n g der Jniurie hat sich ^in St. Gallen geäußert und hier muss auch die Wiederherstellung der Ehre durch das Strafurtheil erfolgen. Ohne diess gäbe es unter Umständen gar keine Mogliehkeit eines wirksamen Rechtschu^es gegen Jnjurien, die z. B. vom Auslande her in die Schweiz geschleudert würden. Bei der Ehrverlet^ung ^tritt noch die bezeichnende Eigenthümliehkeit hinzu, dass es keinen Versuch dieses Vergehens gibt, woraus abermals folgt, dass eben für da^ am Orte der V e r b r e i t u n g erst vollendete oder vielmehr erst began^ene Vergehen das koruni delicti comniissi Vla.^ greift.

B e r n , den 18. Dezember 1867.

Ramens der Mehrheit der ständeräthlichen Rekurskommisston:

^. ^aberl^.

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II. Bericht der Eisenbahn-Kommission des Ständeraths über das konzessionsresp.

Ratifikationbegehren des Standes Wallis betreffend Fortsetzung der Eisenbahn BouveretSitten und Bouveret-St. Gingolph. (Vom 17. Dezember 1867.)

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