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ständeräthlichen Commission über Einführung des metrischen Maß- und Gewichtssystems.

(Vom 11. Juli 1868.)

Tit.!

Die Bundesversammlung beschloß in Erledigung des Berichts des Bundesrathes vom 8. September 1865, betreffend die Petitionen um Einführung des metrischen Masses und Gewichtes: ,,Der B u n d e s r a t h ist e i n g e l a d e n , e i n e n Berieht v o r z u l e g e n über d i e A r t u n d W e i s e , w i e d a s r e i n e metrische Mass- und Gewichtssystem in dex Schweiz e i n g e f ü h r t w e r den könnet Der Bundesrath ist dieser Einladung nachgekommen. Vermittelst Botschaft vom 12. Juni 1868 gibt derselbe einlasslichen Berieht über .den gegenwärtigen Stand der Frage und legt den Entwurf eines Bundesbeschlusses betretend Abänderung des ..Gesezes über die Mass- und

Gewichtsorduung. vom 23. Dezember 1851 vor.

Der Nationalrath nahm unterm ..). Juli den vom Bundesrath vorgelegten Bundesbeschluß in etwas verbesserter Redaktion unverändert an, und es ist nun Sache des Ständeraths, die Vorlage einer genauen Vrüsung zu unterstellen.

Bevor wir jedoeh zur Vrüfung des Gesetzes-Entwurfes übergehen, erlauben wir uns, in Kürze auf die Entwicklung der Frage zurückzukommen.

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Verschiedene mit 2814 Unterschriften bedeckte Betitionen an die Bundesversammlung aus allen Kantonen, mit Ausnahme von Schw^z,

Obwalden, Glarus, Baselstadt und Appenzell J. Rh., verlangten Einfuhrung des metrischen Masses und Gewichts.

Jn vollständiger Würdigung der grossen Bedeutung dieser Betitionen beantragte die Betitionskommission mit Bericht vom 27. September 1864, den Gegenstand an den Bundesrath zur Berichterstattung und Antragstellung zu überweisen, was dann auch beschlossen wurde.

Jn dem Berichte der Betitionskommission ist die Ansicht ausgesprachen, dass, so lange der Art. 37 der Bundesverfassung bestehe, von der Einführung des metrischen Systems, als e i n z i g e n und o b l i g e t o x i s c h e n Mass- und Gewichtssvstems, keine Rede sein konne.

.Bei bloss ^sa^u^t aktiver Einführung des Systems sei nicht. zu verkennen^ dass ein bloss fakultative.... Verfahren durch den mehrerwähnten Art. 37 der .Bundesverfassung kaum ausgeschlossen sein mochte.

Der Artikel verlange nur Gleichheit des Masses und Gewichtes für die ganze Schweiz. Er stipulée aber nicht bloss ein Mass und ein Gewicht.

Der Bundesrath hat seinen Bericht vom 8. September 18.65, betreffend die Betitioneu um Einsührung des metrischen Masses und Gewichts, im Oktober 1865 den Räthen vorgelegt. Der Nationalrath hat den Gegenstand in erste Berathung genommen und an eine Kommission gewiesen.

Jnzwischeu erfolgte im Oktober und Ropember 1865 die Revision der Bundesverfassung. Unter Anderm wurde auch der Art. 37 dahin xevidirt: ,,Die Festsetzung von Mass und Gewicht ist Bundessache.^ Der alte Art. 37 lautet : ,,Der Bund wird ans die Grundlagen des bestehen^ den eidgenossischen Konkordates für die ganze Eidgenossenschaft gleiches Mass und Gewicht einführen.^ Selbstverständlich . musste man die Berathung und Beschlusssassung in dieser Augelegenheit .verschieben, bis der revidirte Art. 37 dureh die Volksabstimmung angenommen oder verworsen sei.

Die eidgenossische Abstimmung vom 14. Januar 1866 ergab zwar 159,202 Annehmende gegen 15^,396 Verwerfende, allein von der Mehrheit der Stände wurde der revidirte Art. 37 verworsen, indem nur 91/2 Stände denselben angenommen und dagegen 12^ Stände verworsen haben.

Bevor der Bundesrath seineu Berieht abstattete und den Antrag ^stellte: ,,Es sei aus die eiugelaugten Betitionen sür Einführung oder gese^liche Anerkenuuug des metrischen Mass- .und Gewichtss^stemes z u r Z e i t nicht weiter einzutreten,^ fand er sieh veranlasst, die Kautonsregierungen . anzufragen, ob sie mit der Einführung des metrischen Massund Gewiehtss^stemes einverstanden seien oder nicht.

^ ^355 Aus einer Zusammenstellung der Antworten der Kantonsregierungen ergibt sich Folgendes: 9 .ganze Stände und ein halber Stand sind dermalen sur kein anderes als das bisherige System.

5 ganze Stände sind für kein anderes als das metrische System.

7 ganze Stände und ein halber Stand sind sur beide Systeme,

das heisst für Zulassung auch des metrischen Systems.

Von den vielen Einwürfen, welche gegen die Einführung des metrischeu Systems erhoben wurden, erlauben wir uns, nur einige der wesentWichsten hervorzuheben^ Das metrische System sei kein R a t u r m a s s , sondern von einem

solchen durch künstliche Theilung abgeleitet. Die Meterlänge passe

zu keinem der bisher gebräuchlichen Wegrisse von Grosse. für den einen

sei sie zu gross, sür den andern zu kleiu. Es sei dem Bublikum die Umwandlung der früher gebräuchlichen Duodezimaleiutheilung in eine dezimale nicht angenehm. Die l a n d w i r t s c h a f t l i c h e B e v o l k e r un g werde Einsprache erheben; so schnelle Aenderuugen seien nicht

gerechtfertigt, indem die Uebergangszeit grosse Schädigung des konsumi-

renden Publikums herbeisühre. Weder die Bedürfnisse des alltäglichen Verkehrs, noch diejenigen des internationalen Austausches sordern eine Abänderung des bestehenden Systems.

Das Nebeneinanderbestehen zweier Masss^ste...e bringe mehr^oder weniger Verwirrung in die Geschäfte, erschwere die amtliche Kontrolle und verursache sür die Kantone grossere Kosten u. s. w.

Auch der Bundesrath hatte Bedenken gegen die sofortige Einsühruug ^des neuen Systems . er betonte, dass innere Gründe sür eine Verändernng des .^stems nicht vorliegen, dass änssere Gründe zwar in den sortsehreitende.. Eroberuugen ^u suchen und zu findeu seien , die das metrische System in denjenigen Ländern macht, mit denen die Schweiz in lebhasten Beziehungen steht, dass, so lauge aber namentlich Deutschland und England ihr System nicht ändern, die ^rag.. sür die Schweig nicht dringliel^ sei. Der Bundesrath kam sonaeh zum Schlnss, es sei zur Z e i t auf das gestellte Begehren nicht einzutreten.

Die zur Vorberathuug der ^rage niedergese^te nationalräthliche Kommission theilte die oben angegebenen Bedenken nicht; sie fand vielmehr, es sei an der Zeit, so weit die Versassung es gestatte, einen Sehritt vorwärts zu thun, und beantragt uuterm 6. Juli 18.^6: ,,Jn weiterer Aussühruug des Art. 37 der Bundesversassung und, um das gegenwärtig bestehende Mass- und Gewichtssi.stem zu verbessern.

uud zu vervollständigen , soll das metrische Mass.. und Gewichtss.^stem.

f a k u l t a t i v eingeführt und die laut Bundesgese..., vom 23. Dezember^ 1851 angenommenen Masse uud Gewichte sollen ..eben demselben im.

W e s e n t l i c h e n beibehalten werden.^

356 ^ .^er Kommissioualantrag wurde vom Nationalrath zum Beschluß erhoben.

Jm Ständerath kam die Angelegenheit am 20. ...Dezember 1866 in Behandlung^ die hiesür bestellte kommission beantragte: ..Es sei dem nationalräthlichen Beschlusse beizustimmen.^ ^.er Ständerath beschloß hingegen: ,,Der Buudesrath sei einzuladen, einen Bericht vorzulegen über die Art und Weise, wie das reine metrische Mass- und Gewichtssystem in der Schweiz eingeführt werden konne.^ Schließlich trat auch der ....^ionalrath diesem Beschlusse bei.

^ Judem der Bundesrath vermittelst Botschast vom 12. Jnni 1868 dem erhaltenen Australe nachkommt, gibt er auch Nachricht darüber, welche Fortschritte die ^rage eines allgemeinen europäischen Mass^ und Gewichtssystemes in neuester Zeit gemacht hat.

Aus der Berichterstattnng des Bundesrathes geht unzweideutig hervor, dass die Frage, ob das m e t r i s c h e Mass- und G e w i c h t s -

system das v o r z ü g l i c h e r e s e i , als gelöst zu betrachten ist. Auch unterliegt es keinem Zweifel, dass binnen wenigen Jahren nicht nur in sämmtliehen an die Schweiz grenzenden Ländern, sondern mit wenigen Ausnahmen in allen Staaten Europa^ das metrische Mass- und Gewichtigstem zur Herrschast und ausschließlichen Geltung kommen wird.

Nachdem von den die Schweiz begrenzenden Staaten Frankreich und Jtalien das metrische Mass^ und Gewiehtssystem bereits besinn, der

norddeutsche Buud sich wirklich mit ^ dessen Einsührung beschädigt, die

süddeutschen Staaten in kürzester ^eit uachsolgen werden, und auch in Oesterreich alle Vorbereitungen hiezu getrossen sind, ist ein isolirtes Festhalten an unserm besoudern Mass- uud Gewichtssystem aus längere

Zeit zur Uumoglichkeit geworden.

Für den Augenblick liegt nur noch die Frage zur Lösnng vor, w e l c h e r W e g am b e s t e n ^ u m Z i e l e f ü h r e und w e l c h e r im g e g e n w ä r t i g e n Augenblick b e t r e t e n w e r d e n konne.

^..er Bundesrath theilt die Ansicht der zur Begutachtung dieser Frage ausgestellten Experten, welche dahin geht, dass nur drei Wege für die Einführung des reinen metrischen Mass- uud Gewichtss^stemes eingeschlagen werden konuen.

. 1) Man sühre dasselbe neben dem bereits bestehenden System f a k u l t a t i v ein, d. h. der .^taa.. erklärt einfach, es solle kein Vertrag ^ oder Handel von nun an als ungesetzlich betrachtet werden, weil dabei metrische Masse ^..r Anwendung gekommen sind , er bekümmert sich aber weiterhin in keiner Weise um diese metrischen Masse, ihre Richtigkeit, ihre Beschassenheit u. s. w., oder 2) man sühre .dasselbe neben dem bisherigen mit Gese^skrast in aller Form ein, d. h. man .gestatte die Anwendung der rein metrischen

357 Masse neben den bisherigen als gesetzlich, unterwirst aber beide einer amtlichen .Kontrolle, oder 3) man adoptirt das rein metrische Masss^stem unmittelbar als allein gesezliches und gestattet den ..gebrauch des bisherigen daneben nur.

noch während einer möglichst kurzen Uebergangsperiode.

^..as Einschlagen des ersten Weges wäre eigentlich nur die gesetzliche Sanktionirung eines Rustaudes, wie er als Missbrauch faktisch bereits besteht und also kein Fortschritt, sondern ein Rücksehritt.

Vom administrativen Standpunkte aus erscheint der dritte Weg als der empsehlenswerthere ; denn der gleichzeitige Bestand zweier, wenn auch naheverwandter Masssyfteme in einem Staate hat immer etwas Missliches. Jn den Eichstätten müssen zweierlei Brobemasse unterhalten und von ihnen ans zweierlei Massgrössen beständig kontrollirt werden.

mannigfache Reduktionen der einen Masse aus die andern, Verwirrungen und dergleichen sind unausweichlich, kurz die Administration wird eine komplizirtere und kostspieligere. Ferner würde dadurch, dass man das rein metrische Masss^stem unmittelbar als allein gesetzliches adoptirte und das bisherige nur noch während einer Uebergangsperiode von einigen Jahren daneben duldete, die gesammte Bevölkerung weit mehr dazu hingedrängt, sieh raseh mit dem neuen System vertraut zu machen und seine ..Vorzüge kennen zu lernen.

^ie Vorschriften der Bundesverfassung in Art. 37 verbieten zur

^eit die Eiuschlagung des dritten Weges. Eine Umgehung der Vorschristen der Bundesverfassung konnten wir nicht befürworten, zumal der definitive Entscheid über Aufhebung der geltenden Mass- und Gewichts-

orduuug und Einführung des metrischen Systems als aüsschliesslich ge-

glichen Masses und Gewichts nicht dringlich erscheint.

^Es verbleibt schließlich der zweite der oben angegebenen Weg.^ als der einzige, welcher unter den vorhandenen Umständen ohne Gefahr und mit Rutzen eingeschlagen werden kann --- nämlich gesetzliehe Gestattung der Anwendung metrischer Masse und Gewichte und Ausstattung der amtlichen Erstatten mit den nothigen Mitteln, um.. diese Masse und Gewichte da, wo sie angewendet werden wollen, zu verifieiren und zu

beglaubigen.

Erscheint es im Jnteresse der gesetzliehen Ordnung als nothwendig, den Gebrauch metrischer Masse. und Gewichte sörmlieh als zulässig anzuerkennen, so ist es auch ^flicht, im Weitern dafür zu sorgen, dass nicht beliebig verschiedene, unrichtige und falsche metrische Verkehrsmasse zur.

Anwendung kommen.

Was nun die Einführung des fakultativen metrischen Masses und Gewichtes selbst anbetrifft, so erachtet die Kommission mit dem Bundesrath, die sich darbietenden Schwierigkeiten seien wohl zu .überwinden.

358 Eine spezielle Aufführung und Besehreibung der metrischen Masse und ..Gewichte ist zur Zeit nicht geboten. Reue Urmasse müssen nicht beschafft wenden, d^ die neuen in der eidgenössischen Eichstätte deponirten Muttermasse, d.as Meter und das Kilogramm, sowie insbesondere die daraus genau bezogenen, kaum erst vollendeten neuen Urmasse ausreichend sind.

Es bleiben als neu anzuschaffen nur die an ^.ie Kantonseichstätten ^u vertheilenden Brobemasse, nämlich ein Meterstab à hont mit Theilung in Zentimeter und theilweise auch in Millimeter, eine Serie von Flüssigkeitsmassen von Messing mit Griffen und ..Glasplatten , und eine Serie von Messinggewichten von 500 grammes herunter bis zu 1 Milligramm. Die den Kantonen für diese Anschaffungen ausfallenden Kosten werden nur 300 bis 350 Franken betragen.

Die Kommission verhehlt sieh übrigens nicht, dass der gemachte Vorschlag Uebelstände iu sich birgt^ welche nur nach und nach beseitigt werden können. Während der Uebergangsperiode wird nicht derjenige Grad der Ordnuug, der Sieh^erheit und Einheitlichkeit herrschen, welcher so notwendig wäre. Wenn übrigens die kantonalen Behordeu mit gutem Beispiele vorangehen und sür die amtlichen Bublikatioueu und für den Abschluss der Verträge das metrische Mass^. und Gewichtssi.stem zu Grunde legen, wird das Vublikum sich um so rascher damit vertraut machen und dasselbe anwenden. Die deutschen Schweizer wissen bereits, was Meter und Liter ist. sie werden auch bald begreifen, was Kilometer, Kilogramm , Are und Hektare^ zu bedeuten hat. Der bundes-

räthliche Vorschlag .entspricht ganz dem gegenwärtigen Stand der Dinge ;

er bildet ein notwendiges Uebergangsstadium zum obligatorischen reinen Meters^stem. Jm Uebrigen darf noch hervorgehoben werden, dass^ d.^r al.lmälige Uebergang vom je^igen System zum neuen dem verkehr^ treibenden Vublikum Gelegenheit gibt, die neuen Masse, Gerichte und Gesässe aller Art je nach ...^edürsniss nach nnd nach a.^uschasseu, ^und dass somit die zu bringenden Geldopser sich ans eine Anzahl Jahre vertheilen, eine Erleichterung, welche nicht zu Unterschalen ist.

Aus diese Gründe gestü^t, beantragt die Kommission einmüthig, dem nationalräthlichen Beschlusse beizutreten.

V er n, den 11. Juli 1868.

Jm Ramen der Kommission, Der Berichterstatter:

^. ^allauer.

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Bericht der ständeräthlichen Kommission über Einführung des metrischen Maß- und Gewichtssystems. (Vom 11. Juli 1868.)

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26.09.1868

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