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Schweizerisches Bundesblatt.

XX. Jahrgang. lll.

Nr. 44.

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3. Oktober 1868.

Bericht der

ständeräthlichen kommission, betreffend die Petition der Herren Ott und Konsorten in Eisenbahnsachen.

(Vom 14. Juli 1868.)

Mit Eingabe vom April 1867 stellen die Herren G. O t t , Fried.

und R. B o h le n , Gust. V o g t , Brosessor , W u .. st e m b e r g e r und F r i e d l i , alle in Bern , an den Buudesrath zu fanden der Bundesversammlung das Gesuch . ^Die Bundesversammlung moge den Bundesrath beantragen. zu prüfen, ob nicht dem Buudesrath ( e v e n t u e l l d u r c h ei n e E r w e i t e r u n g d e r B u n d e s g e s e z g e b u n g über d e n B a u und den B e t r i e b v o n E i s e n b a h n e n ) eine grossere Kompetenz zu ertheilen sei, um die Regel...ässigkeit der interkautoualen . und internationalen Betriebs- und Anschlussverhältnisse der Schweizerischen Eisenbahnen zu überwachen."

Dem Gesuche selbst legten die Betenten eine gedrukte Motipirung bei , worin spezielle und häusig wiederkehrende Verkehrsstorungen , namentlieh im interkantonalen uud internationalen Verkehr, hervorgehoben; ...us die vorgekommeuen Verspätuugen , Unglüksfälle hingewiesen , und uebst Massregeln gegen solche Uebelftände überhaupt eiue eingreifendere Überwachung des ganzen Betriebes vou Seite des Staates verlangt wird.

Der Buudesrath übernnttelt dieses Betitum den eidgeuössiseheu Räthen, ohne iu die Sache selbst einzugehen, indem nur diesen die Frage

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der Erheblichkeit zustehe , wobei er indessen ausdrüklich bemerkt , dass e.^

^einerseits gegen die Erheblichkeit des gestellten Begehrens nichts einzn.wenden habe.

Jhxe kommission theilt die Anschauung des Bundesrathes und.

glaubt, es dürste nur zwekmässig sein, wenn das bestehende Gesez übe^ den Bau und Betrieb von Eisenbahnen , so weit es sich aus den V^ kehr bezieht, nach 18jährigem Bestände einer eingehenden Prüfung untere legt würde.

Sie verhehlt sich dabei die ungeheure Tragweite einer Revision dieses Gesezes, selbst wenn sie sich nur aus die Betriebsseite desselben beschränken sollte, keineswegs, und müsste heute die Revisionssrage selbst^ in den Räthen erledigt werden, so erschiene in ihren Augen die Sache noch, keineswegs spruchreif. Allein darum handelt es sich zur Stunde auch nicht, sondern nur um einen Austrag an die Exekutive, die Revisionsfrage nach allen Seiten hin zu prüfen, um sodann aus das Resultat einer solchen Untersuchung eine Entscheidung im bejahenden oder ab....

lehnenden Sinne vorzubereiten.

Unter diesen Umständen ist es auch begreiflich , wenn Jhre Kom^

mission in diesem Augenblike nicht im Falle ist, detaillirt vorzuschlagen,

nach welchen Gesichtspunkten diese Untersuchung und Brüfnng auszugehen habe. Das wird eben in erster^ Linie Sache des Bundesrathes sein. - Die Kommission beschrankt sich diesssalls daraus, Jhnen nur einige Gesichtspunkte anzudeuteu, um Sie zu überzeugen, dass diese angeregte Brüsung zeitgemäss und keineswegs als voreilig zu betraehteu ist..

Die engen und . vielseitigen Beziehungen der eidgenossischeu Vostverwaltnug zu den Eisenbahnverwaltungen sind bekannt. Run überbiudet.

allerdings der ^ 8 des bestehenden Eisenbahngleis den Verwaltungen der Eisenbahnen die uuentgeltliehe Besordexuug der Bries- und ^ahrpost..

Der Grundsaz der unentgeltlichen Beorderung der Brief- und Fahrpost.

aus den Eisenbahnen ist in's Ge^ez niedergelegt , aber weiter geht das-

selbe nicht. Es enthält über die Formen und Modalitäten der ^lus-

führuug ebeu keiue Bestimmung. Von daher wohl kam es, dass der.

eidgenössischen Vostverwaltung in ^keiner Weise ein massgebender Einfluß aus das gesammte Kurswesen der schweizerischen Eisenbahnen, somit aus den hauptsächlichsten Theil ihres eigenen Vostknrsweseus eingeräumt ist..

Jahre laug mühteu sich die Bundesbehorden ab, die Bahnverwaltuugen selbst gegen eine angemessene Entschädigung zur Einsührung von soge-.

nannten Rachtzügeu zu vermogeu .--- es blieb ohue Erfolg , und die ^ache kam so. weit, dass die Kommission des Ratioualraths im

Jahr 1865, welche eiue diesssallsige Botschaft des Bundesrathes zu be-

guta.hten hatte, ohne Widerspruch konstatireu durste: dass seit Jubetriel...sezuug der Eisenbahnen der Bries- und Fahrpostdienst schlechter als vor

369 dem Bestand der Eisenbahnen geworden, eine Thatsaehe, welche die

Gesezgeber im Juli 1852 sicherlich weder befürchtet noch beabsichtigt

haben.

(Vergleiche Bundesgesez vom 28. Juli 1852.

1865, lll. Bd. S. 60 und S. 471.) .

Bundesblatt von

Jm ^ 10 des gleichen gesezes ist den Eisenbahnverwaltungen die Bflicht zum Transport von Militär und Kriegsmunition überbunden. Es brauchte viele Unterhandlungen , um über diesen Transport in Kriegszeiten zwischen dem Bund und den Eisenbahnverwaltungen zu einem Einverständnis.. zu kommen. Ob dieses für den Bund in befriedigender Weise ausfiel,^ weiss Jhre Kommission nicht, aber sieher bleibt, dass selbst dieses Resultat nur vom guten Willen der Verwaltungen abhing, es

stüzte sich nicht ans bestimmte gesezliche Ausführungen. Roch im Ver-

laufe der gegenwärtigen Session des Ständerathes wurden Klagen laut

wegen eigentümlichen Anständen bezüglich Beförderung von Munition in der Ostschweiz --- Uebelftände , die möglicherweise eben auf eine mangelhafte Gesezgebung zurükzusuhren sind. ^ Fast sämmtliche Kantone der Schweiz werden von Eisenbahnen durchschnitten ; jeder Kanton ertheilte eigene Konzessionen. Jn jedem Kanton bestehen entweder geschriebene oder auch ungeschriebene Geseze über die Verantwortung des Frachtsührers , sei es wegen Verlust von Gütern, wegen Beschädigungen derselben, wegen unrichtiger Jnstradirung oder verspäteter Abgabe. Hinwiederum hat jede Eisenbahngesellschaft persucht, diese Hastpflicht selbst durch den Jnhalt ihrer Vslichtenheste und Frachtscheine zu regele. Kurz, in .dieser Beziehung besteht eine eigentliehe Musterkarte von rechtlichen Bestimmungen, in welche hinein sich kaum ein Jurist vom ^ache , geschweige denn der Kausmann hineinarbeiten kann. ^Dieses bedingt eine ganz absonderliche Rechtsunsicherheit, welche wohl nur zum Schaden unseres Handels sortbestehen kann. Das

Gesez von 1852 regelte natürlich diese Rechtsverhältnisse nicht; die

Uebelstände traten erst al.lmälig ein.^und es wäre wohl zu viel von jener Zeit gefordert, wenn man verlangte, sie hätte, der ganzen seitherigen .. Entwikelung voraneilend, Alles vorhersehen und Alles regeln können.

Es lässt sich nicht bestreiten , dass in den lezten Jahren häufige Verspätungen bei Eisenbahnzügen vorkamen. Eine ost wiederholte Verspätung aus einer einzigen Linie zieht Unregelmäßigkeiten auf allen andern Linien nach sich. Solche Verspätungen sind nicht nur für einzelne ^ersonen unangenehm, sondern für das ganze ^Verkehrswesen hö^st storend und nachtheilig. Run hat an der Hand der jezigen Geseze der Bund kein Recht, solchen Verspätuugen vorzubeugen; wie denn die einzelnen sie veranlassenden Gesellschaften in keiner Weise znr Verantwortung oder gar Ersazleistnng herangezogen werden können.

370 Der ^Bund und die. Kantone find berechtigt, nach Ablauf bestimmter Fristen die Eisenbahnen zurukzuk^sen , w.^bei die ursprünglichen Baukosten den bedeutendsten Faktor bei Berechnung dex Entschädigungssumme bildet. Es leuchtet ein , dass zur Stunde , nachdem das Hauptnez der Schweizerischen Eisenbahnen gegentheils fertig ist, Bund und Kantone ein grosses Jnteresse haben, diese Erstellungskosten festzustellen. Und um dieses richtig ^u kennen, wird namentlich eine genaue Ausscheidung der

eigentlichen Bau- und Unterhaltungskosten nothig sein. Diessfalls haben

Verhandlungen zwischen Bund und Kantonen einerseits und den Gesellhaften anderseits stattgesunden. Ein Schema wurde, so viel bekannt, z. B. im Ra^on der Zentralbahn. freilieh unter Widerspruch de.^ Kanrons Solothuxn, festgestellt und von der ^entralb..hng.^sells^..ft ausgefüllt.

Allein in wie weit diese sogenannte Baustatistik richtig ist, ist wohl kaum

geprüft worden, und es ist sehr in Fra^e, ob an der Hand der jezigen Gesezgebung dieses lettere dem Staat möglich ist.

Die polizeiliche Aufsicht über die Sicherheit des Betriebes steht jezt ganz unter den kantonalen Behörden. Der Bund al.^ solcher hat hiezu

keine Besugniss. Es ist klar, dass diese Aussicht durch die Kantone,

welche vielleicht nur auf eine k.^.rze Entsernung von der Linie einer ..Gesellschaft durchzogen werden , nicht ausgeübt werden kann. Es bedarf hiezu nothwendig einer zentralen Stelle , welche den Bahnbetrieb einer ganzen Gesellschaft überwachen kann. Von daher kommt es, dass d.ese staatliche Aufsicht sich nahezu aus Rull reduzirt. Ein Untersuch des Bahn.. wie des Rohmaterials von Seite staatlicher Organe hat wohl in der Schweiz noch nie stattgefunden. Man sezt Lokomotive in Gang.

ohne irgend welche staatliche Zustimmung. Lokomotivsührer werden angestellt , ohne dass sie vielleicht von Jemanden anderm als einem der Verwaltung untergeordneten Jnspektor gekannt sind. Die ^Schnelligkeit der einzelnen ^...ge regulirt jede Gesellschaft sür steh, sowie deren^ Kreu^ungen und Eoin^ideuzen aus den Stationen , was Alles z. B. in Frankreich schon durch eine Verordnung vom 15. Juli 1845 eine Regel.ung im^ Juteresse einer staatlichen .Aussicht fand. Und doch hängt von der Aufmerksamkeit und der ^obrität eines .Lokomotivführers, von dem tadellosen Zustande jeder Wagenachse und der Schienen, von dem gewisseuhasi.en Einhalten bestimmter Zeitmomente, das Leben von hundert und hundert Menschen ab. Der Staat überwacht die Einrichtung jedes Feuerheerdes,^deu Gebrauch von Schiesswassen und Giftstoffen, und hat bis dato noch nie einen Schritt gethau bezüglich der polizeilichen Ueberwachung des neuen grossarti^en Verkehrsmittels. Wir anerkennen gerne die Umsicht und Gewissenhaftigkeit unserer schweizerischen Eisenl.^ahnverwaltungen ; die Schwe^ ^ählt wenig Unglüke. A.lein man muss immer bedenken , unser ganzes Betrieb.smaterial ist verhältnissmässig neu , auch an ihm zehrt der Zahn der .^eit, und ein einziger Fehlgriff bei gewissen Anstellungen

.^71 onnte eine solche Katastrophe nach sich ziehen , dass es^ gerechtfertigt erscheint , zu prüfen , ob eine solche totale staatliche Aussichtslosigkeit ...m Blaze fei.

^ . .^ Wenn a...ch vielleicht in der .Schweiz zur Stunde wenige Disferen^ialtarife bestehen, konnte doch die Zeit kommen, wo dieselben einen eben so unbilligen als schädlichen Einfluss ausübten ; sowie eine strenge Ueberwaehung der Tarife, die den Kantonen eine Unmöglichkeit ist , sehr im Jnteresse des Bublikums liegen müsste und einzig vom Bund ausgeübt werden kann.

Diese wenigen H i n d e u t u n g e n , Herren Ständeräthe, werden ^ Sie überzeugen, dass ein Untersuch der Sache gerechtfertigt ist. Jhre Kommisston ist dabei we^t entfernt , zu glauben , dass nicht noch andere nicht aufgezählte Gesichtspunkte zur Brüsu..g der Revisionsfrage unseres Eisenbahnwesens gefunden werden könnten . ebenso mochte sie noch keineswegs d i e A n s i eh t a u s^ s p r e eh e u . dass alle diese angeregten und andere Uebelstände angesichts der im jezigen Eisenbahngeseze niedergelegten Grundsäze über den Vrivatbau der Eisenbahnen, auch wirklieh auf gesezliehem Wege geregelt werden k ö n n e n und d ü r s e n . . ^ l l l ^ d a s b l e i b t n o c h e i n e o s s e n e F r a g e , deren .Losnng später d e m Gesezgeber überlasseu werden muss.

. Gestuft auf diese kurze Anseinandersezuug beantragt Jhnen Jhre Kommission einstimmig :

Die E i n g a n g s a n g e f ü h r t e V e t i t i on ist dem B un-

desrath zurVrüsung und Berichterstattung ^uzuweisen.

B e r n , ^en 14. Juli 1868.

Die ständeräthlichen Kommissionsmitglieder : ^

^ote.

.^eler.

^o.^nin.

.^iu^ier.

.^esor.

.^eber (Luzern), Berichterstatter.

Der Ständerath nahm ^blgen Antrag unterm 1^. .Juli an.

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Bericht der ständeräthlichen Kommission, betreffend die Petition der Herren Ott und Konsorten in Eisenbahnsachen. (Vom 14. Juli 1868.)

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03.10.1868

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