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Bundesrathsbeschluss in

Sachen des Herrn Anton Ludwig Mar o l an i von Celerina,.

Kts. Graubünden, wohnhaft in Wien, und Genossen, betreffend Gerichtsstand in Erbschaften.

(Vom 11 Mai 1868.)

Der s c h w e i z e r i s c h e B u n d e s r a t h

hat iu Sachen des Herrn Anton .Ludwig M a r o l a n i , von Eelerina (Graubünden), wohnhaft in Wien, und Genossen, betreffend Gerichtsstand in Erbsehaftssachen , nach angehortem Berichte des Justiz- und Volizeidepartements, und nach Einsieht der Akten, woraus sieh ergeben : I.

Jm Jahr 1864 starb iu Altstädten, Kts. St. Gallen, ein

Florian Marolani, welcher gleichzeitig Bürger in Altstädten und in Eelerina , Kts. Graubünden , war. Ueber seinen bedeutenden Rachlass verfügte er durch zwei testamentarische Verordnungen, woriu er jedoch nur die Gebäulichkeiten und Liegenschaften , die er in Eelerina besass, nebst den dort befindlichen Fahrnisgegenständen, , seinen Verwandten zuwies. Jn einem Raehtrage übertrug er den von ihm ernannten Testamentsvollziehern auch die Verwaltung und Verkeilung der Erbschaft.

H. Als Erben des Florian .Marolani meldeten steh Andreas D r i o schvon Vonte , Kts. Graubündeu , Sohn der Ursula Drioseh

.

8l 1 geb. Marolani, und vier Söhne eines Bruders dieser Ursula, geb. Maxolani, Rameus Anton Marolani von Eelerina, nämlich : ^luton Ludwig und Jakob Ehristian Marolani, wohnhaft in Wien, Eduard Marolani, wohnhast in Venedig, und Joseph Marolani, wohnhast im Eugadin.

Zwischen diesen Erben erhob sich nun Streit darüber, ob der im Danton Graubünden befindliche Rachlass dem bündnerischen Gerichtsstand...

unterworfen sei oder demjenigen des Kantons St. Gallen, indem Andreas Driosch unter der Herrschast des Erbgesezes von Graubünden durch Représentation eines ganzen Stammes die Hälfte, nach St. gallischem Erbgesez dagegen nur einen Kopstheil, d. h. ^ Theil von dem fraglichen Vermögen erben würde.

Andreas Driosch liess daher seine Miterben vor das Vermittleramt Oberengadin zitiren, woselbst diese ^eine förmliche Kompetenzeinrede erhoben.

lll.

Jn Folge dessen stellte Andreas Driosch an den Kleinen Rath des Kantons Granbünden das Gesuch um Bezeichnung des Gerichtsstaudes. Die genannte Behorde erklärte jedoch mit Entscheid vom 23.

..September 1867 , dass der im Kreise Oberengadin befindliche Rachlass der bünduerischen Gerichtsbarkeit unterworfen und demzufolge das Be-

zirksgericht Maloja als erste Jnstanz für eine bezügliche Erbschafts- und Theilungsklage zuständig sei.

Dieser Entscheid stü^te sich wesentlich aus sollende Motive : Der ^ 1, Ziff. 4, Litt. a des bündnerischen .^r.vatreehtes schreibe vor , dass das dortige Erbrecht seine Anwendung finden soll ans alle Erbschaften und Vermächtnisse , die von Kantousangehörigen herkommen (auch wenu sie im Auslande augesallen wären), sosern Kantonsaugehorige dabei betheiligt find. Run sei der im Kanton Graubünden liegende Theil des fraglichen Nachlasses .^en Erben ab mtesl^to zugesallen , und es liege ein Streit zwischen den Miterben vor, nämlich eine Klage aus Erbsehaststheilung , die nicht unter den Art. 50 der Bundesverfassung falle, soudern dinglicher Ratur sei, mithin erscheine nicht das kor^m hereditat^, sondern das lorum rei sit^e als zuständig. Der Grundsaz der Universalität einer Erbschaft bestehe in der Schweiz nur da, ....o er durch formliche Konkordate unter den Kantonen vereinbart worden sei ; Graubüudeu und ^.t. Gallen seien aber einem solchen Konkordate nie beigetreten, mithin bleiben über die in ihrem Gebiete befindlichen Erbschaftsobjel.te einzig und allein ihre Kantousgesezgebungen maßgebend.

Die behauptete Vrävention der St. Gallischen Gerichte begründe für den im Kanton Graubünden liegenden Rachlass kein Bräjudiz.

l'^. Gegen diesen Entscheid rekurrirte Herr Fürsprech Fässler in ^ .^t. Gallen Rau.eus der Gebrüder Marolani an den Bundesrath und stellte in seiner Eingabe vom 13. Januar 1868 das Gesnch , dass derselbe ausgehoben werden mochte.

^12 Es handle sich nämlich um die Frage, ob die Testamentse^ekutoren

die Theilung der fraglichen Verlasseuschast nach Massgabe des Testa-

mentes durchzuführen haben oder nicht.

Der Erblasser habe an seinem Bürger- und Wohnorte Altstädten eine einheitliche Verwaltung und Teilung des ganzen Vermögens ein^esezt. Die Erbschaft sei am gleichen Orte erosfnet und aus Grundlage der Testamente angetreten worden.

Andreas Driosch konne also nur aus Grundlage und nach Massgabe des rechtskräftigen Testamentes sein Betrefsniss herausverlangen ,^ und müsse dasür nach Art. 50 der Bundesverfassung die Teftaments^ekutoren

in Altstädten belangen.

Die Beklagten (die Gebrüder Marolani) haben aus der Verlassenschaft noch nichts erhalten, konuen also mit dem Kläger nichts theilen.

Sie seien die unrechten Bel.la^en. Die Kla^e wolle irrig als eine dingliche ^ualisi^irt werden, denn der gesammte Raehlass liege noch in der Verwaltuug der Testameutser^.kutoren in Altstädten und sie , die Rekurreuten, protestieren, dass man sie zu einer Theilung verpflichte, da noch gar nichts in ihrem Bestze sich befinde.

V. Samens des Andreas Driosch wnrde diese Beschwerde von Herrn Dr. B. E. Blauta in Ehur uuterm 11. Mär^ 1868 mit dem Antrage auf Abweisung beantwortet , und ^war im Wesentlichen gestüzt auf eine weitere Ausführung der im rekurrirteu Beschlösse der Regiernug von Graubüuden eutwikelteu Gründe, und ans die in ähnlichen Fällen von den Bnndesbehorden aufgestellten Grundfä^e.

J n Erwägung: 1) Der Grundsaz der Einheit eiuer Erbschaft ist ein Grundsaz des positiven Rechts und der Gesezgebung, und reicht daher, abgesehen von seiner sonstigen Richtigkeit und Zwekmässigkeit, nicht weiter als die Ge..

fe^gebung des betreffende Staates.

2) Die Richtigkeit dieses ^a^es ist unzweiselhast, wenn man einerseits die Vorschrift des ^..lrt. 3 der Bundesverfassung in's Auge fasst

und andererseits in Erwägung ^ieht. dass es des Konkordates vom 15.

Juli 1822 über Testirnngsfähigkeit und Erbrechtsverhältnisse bedurfte, um ein einheitliches Verfahren zu erzielen, welches Koukordat von den beigetretenen Kantonen uoch imu.^er in Anwendung gebracht wird , was nicht der Fall sein würde, wenn eine Bundesvorschrift für solche ^älle allgemeine Regeln aufstellen würde.

3) Diesem Konkordate sind aber die Kautone. St. Gallen und Graubündeu nicht beigetreteu; andere Bundesvorschriften über die Behandl.ung vou Erbesuachlässen bestehen aber nicht. es bleibt daher in Ermanglung anderer Bestimmungen einzig massgebend das in dieser Materie unbeschränkte Souveränitätsrecht des Kantons Graubüuden, anf dessen Staatsgebiet die zu vertheileuden Erbsehastsgegenstände liegen.

813 4) Es fragt sich nur noch, ob durch das Testament der VerlassenSchaft ein einheitlicher Eharakter gegeben worden und dadurch der Gexichtsstand, sowie die Gesezgebung bestimmt worden sei, nach welcher VerHaltung, Theilung und Ausrichtung erfolgen sollen. Diese Frage muss .aber schon desswegen verneint ^ werden , weil der Erblasser gerade über ^den in Frage stehenden Erbtheil nichts verfügte , sondern hier die Jntestaterbsolge eintreten liess , die Erben also krast des gesezlichen Erbrechtes ihre Ansprüche geltend machen.

5) Eben so wenig kann die Aufstellung von Testamentsex^ekutoren die .einheitliche Behandlung der Erbschast bedingen. Einerseits erben die Bratendenten nicht aus^ testamentarischer Verfügung , und andererseits steht die Ausstellung von Testamentsvollstrekeru in keiner Verbindung mit der ^rage des Gerichtsstandes.. dieselben haben so gut wie ^die ^Erben das rechtlich begründete Forum und die betreffende Gesezgebuug .anzuerkennen.

6) Wenn noch behauptet wird , es habe Driosch thatsachlieh den St. Gallischen Gerichtsstand anerkannt, so ist dieses ganz unrichtig. Er hat, wie die übrigen Miterben, die Gültigkeit des Testamentes nicht angefochten ; sobald aber die Frage austauchte , wo und wie die angesallene Erbschast getheilt werden soll, hat er den bündnerisehen Gerichtsstand als den zuständigen angerufen ; beschlossen: 1. Es sei der Rekurs als unbegründet abgewiesen.

2.

Sei dieser Beschluß der Regierung des Kantons Graubüuden für sich und zuhanden des Rekursbeklagten , sowie den Rekurrenten ..unter Rüksendung der Akten mitzutheilen.

Also beschlossen, Bern, den 11. Mai 1868. ^ Jm Ramen des schweizerischen Bundesrathes,

Der Buudespräsident. ^ I^ .^. Dnbs.

Der Kanzler der Eidgenossenschast: ^ieß.

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^Bund^bla^. Jahrg. XX. Bd. II.

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Bundesrathsbeschluss in Sachen des Herrn Anton Ludwig Marolani von Celerina, Kts.

Graubünden, wohnhaft in Wien, und Genossen, betreffend Gerichtsstand in Erbschaftssachen. (Vom 11. Mai 1868.)

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