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Schweizerisches Bundesblatt.

XX. Jahrgang. lll.

Nr. 43.

26. September 1868.

Kommissionalberichte betreffend das Metersystem.

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Bericht der

nationalräthlichen .kommission über Einführung des metrischen Maß- und Gewichtssystems.

(Vom 9. Juli 1868.)

Tit. l Mit Botschaft vom 8. September 1865 hat der Bundesrath den Antrag gestellt, auf eine Abauder...ng des jetzigen Mass- und Gewiehtsystems nicht einzutreten, weil hiefür weder innere, noch äussere Gründe vorlägen, gestützt namentlich darauf, dass so lange Deutschland und England ihr System zu Gunsten des metrischen nicht ändern, die Frage

für die S..hweiz gar nicht dringlich sei.

Was ist nun seither geschehen und was berichtet der Bundesrath hierüber mit Botschaft vom 12. Juni 1868? Fassen wir alles kurz zusammen, was der Bundesrath berichtet , so ist es für Jhre .kommission eine nicht geringe Befriedigung zu vernehmen , wie ihre Wünsche in ihrem ersten .Bericht vom 6. Jnli 1866 der Erfüllung so nahe stehen und dass sowohl die Wissenschaft der Welt theoretisch als auch die Bedürfnisse des Weltverkehrs praktisch in vollständiger Uebereiustimmung Ein weiter Bericht samm.. Tabellen ist von Hrn. Oberst Bernold in Aus..

ficht gestellt und bleibe also vorbehalten.

Bundesbla..... Jahrg. XX. Bd.IlI.

28

336 sich befinden und das metrische System einstimmig als den besten Raum-, Gewichts- und Werthmesser anerkennen.

Wir reproduziren vorzugsweise den interessanten Jnhalt der Bundesxäthlichen Botschaft , welche den gegenwärtigen Stand der Frage oder vielmehr die Thatsache der Einführung des metrischen Mass- und Gewichtsystems vollständig vor Augen legt.

Der Beschlnss der Bundesversammlung vom 8. Juli 1867 sagt: ,,Der Bundesrath ist eingeladen , einen Bericht vorzulegen über ,,die Art und Weise,^wie das reine metrische Mass- und Gewichtssystem ,.in der Schwe^ eingeführt werden konne.^ Die Fortschritte des metrischen Systems in allen Ländern der Erde ^ .find, wie zu erwarten war, in Wirklichkeit eingetreten.^ Ueberall geht das Gnta.^ten der Sachverständigen dahin , dass ein übereinstimmendes Mass- und Gewichtsystem dringendes Bedürfnis^ des europäischen Verkehrslebens sei und ^ dass kein anderes System sieh in dem Grade eigne, wie das metrische Dezimalsystem.

Die veranstaltete Ausstellung der Gewichte, Masse und Münzen aller Staaten an der internationalen Ausstellung in Baris hat dieses aus^s Glänzendste bewiesen.

Eine wissenschaftliche Kommission wurde konstituirt, um zu prüfen,

wie ein gleicharmiges Mass-, Gewichts- und Mün^system erzielt werden

konne. Alle betheiligten Staaten ernannten offizielle Delegate ; vertreten waren dabei: 1) durch Grossbritannien .

.. 2) ,, Holland

3) ^ Belgien

^

. 4)

,.

Frankreich

6) 7) 8) 9

10 11

^ ,.

,, ,,

Spauien Schweden. .

Norwegen Däuemark

^ Russland^ ,, Rorddeutschland

12 13

,, ,.

Süddentschland Oesterreieh

16)

"

die Türkei, Europa, Asien und Afrika..

5^ ^ Bortugal

14) ., die Schweiz 15) ^ Jtalien 17) ^ Egypteu 18) ., Tunis ^ 1.)) ^, Marokko 20) 21)

Europa.

^ ^ ^ Afrika.

^

,, die Vereinigten Staaten von Nordamerika ^ ^...^.^ ,, Brasilien l ^er^a.

337 Die Kommission war einstimmig für Annahme des metrischen Systems und gab in 4 Hauptsä^en ihre Erklärung dafür dahin ab : 1) Das Dezimalsystem, übereinstimmend mit der allgemein angenommenen Zählmethode, ist am besten geeignet, um die Vielfachen, sowie die Theiler der Gewichte , Masse und Münzen auszudrücken.

2) Das metrische System ist wegen den wissensehastlichen Grundlagen, auf die es fusst, wegen der Homogenität der Beziehungen seiner verschiedenen Glieder unter sich , wegen der Einfachheit und der ...Leichtigkeit seiner Anwendungen in den Wissenschaften und Künsten, in der Jndnstrie und dem Handel vollkommen geeignet, universell zu werden.

3) Die Bräzifionsinstrumente und die Methoden , welche angewendet werden, um Kopien der Urmasse und Urgewiehte zu nehmen, haben eine solche Vollkommenheit erlangt, dass die Genauigkeit dieser Kopien den Vedürsnissen der Jndustrie und des Handels und selbst den Forderungen der Wissenschaft in ihrem gegenwärtigen Zustande genügt.

4) Da jede Ersparniss materieller und intellektueller Arbeit eine wirkliche Vermehrung des Reichthums ist, so empfiehlt sieh die Annahme des metrischen Systems vom Staudpunkte der Oekonomie in gleicher Weise, wie Eisenbahnen und Telegraphen und wie die Logarithmen.

Am weitesten vorgerückt ist in der Mass- und ^Gewichtsresorm der n o r d d e u t s c h e Bund mit Zugrundelegung des Meters.

Mit 1. Januar 1870 ist die Anwendung der neuen Masse gestattet, mit 1. Januar 1872 die ausschliessliche Geltung festgesetzt .

der Anschluss der süddeutschen Staaten unzweifelhaft.

Jn O est er re ich sind Vorbereitungen getroffen und eine. möglichst

kurze Uebergangszeit in Aussicht genommen.

England hat das Metersystem schon 1864 fakultativ eingeführt und in diesem Jahre 186^ ist im Parlament ein Geset^esporschlag eingebracht worden , welcher das Dezimalsystem obligatorisch annimmt.

Die 2. Lesuug der ^ill ist bereits beschlossen und zwar mit einer so bedeutenden Majorität, dass an baldiger obligatorischer Einführung nicht zu ^weifeln ist.

R u s s l a n d erklärte schon 1.^59, wenn England den Meter annehme , so werde es nachfolgen und man berichtet , dass man wirklich zum metrischen System übergehen werde.

338

Eingesührt ist das metrische System wirklich schon : in Frankreich,

..Belgien,

den Niederlanden Jtalien,

Spanien,

. Es ist gewiss^, dass in wenigen Jahren alle europäischen Staaten ohne Ausnahme das metrische System eingeführt haben werden.

Portugal, Griechenland, Unsere jetzige Mass- und Gewichtsorduung besteht schon nicht mehr in ihrer vollen gesetzlichen Jntegrität.

^

Die Wissenschaft überhaupt , die polytechnische Schule , eine Reihe verschiedener .^ernssarten, kantonale und eidgenossisehe ^ehorden brauchen das Metermass, tro^ dem geglichen Verbot.

Wenn rings um uns das Metermaß eingeführt würde , so würde sicher dasselbe, ohne dass ein neues Gese^ darüber bestühnde, auch beim Vest.ande des alten Gesezes, allgemein in Gebrauch kommen. Es müsste eine förmliche Anarchie eiutreten, wir hätten ein fremdes Mass ohne gese^lichen ..^..ch.n^ , daher auch vieler Gefährde und Sehaden ausgesetzt, weil eine gesetzliche Mass- und Gewichtsverifikation nicht vorhanden.

Es wäre eine wenig ehrenvolle Situation der Schweiz.

^lus dem ^Gutachten des Direktors der eidgenossischen Eichstätte, des Herrn Brosessor Dr. Wi.ld, eutnehmen wir Folgendes.

Es gibt drei Wege zur Einführung des metrischen Systems : 1) dass es fakultativ eiugesührt würde, ohne dass eiue amtli.he Kontrole über die Richtigkeit der metrischen Masse stattfinden würde , 2) dass es gesetzlich in aller Form neben dem bisherigen eingeführt und der amtlichen Kontrole unterworfen wäre , .3) dass man dasselbe als allein leserliches Mass adoptiren und den Gebrauch des bisherigen nur noch während einer mogliehst kurzen Übergangsperiode gestatten würde.

Der erste Weg wäre eine Sanktiouirung des Zuftandes , wie er jet^t faktisch als Missbrauch besteht , also kein Fortschritt , sondern ein

Rückschritt , höchstens finanziell etwas günstig erscheinend , weil die An-

schafsung der ^robemasse erspart würde. . Reben gesetzlich bestehendem kontrolirtem Mass un- Gewicht, ein anderes Mass einführen, ohne amtliche .^ontrole, ist geradezu verwerflich. Die .Cantone würden ge^wnugen, eine .^ontrole ein^usühren , dadurch aber eine^ verschiedene Vollziehung veranlassen, welche gar kein Vertraueu im Vublikum finden würde.

Der zweite und dritte Weg legen den Kantonen einige finanzielle Opfer auf. Reue U r m a. ss e werden vor der Hand nicht beschafft werden ; das Meter und das Kilogramm in der eidgenössischen Eichstätte.

339 sind vollkommen ausreichend. Von der Erstellung metrischer Mustermasse sur die Kantone von Seite des Bundes kann abgesehen werden.

Die Mustermasse haben in vielen Kantonen nur zur Mobliruug der Archive gedient und erscheinen nach Begründung der eidgenossischen Eich-

statte als ganz überflüssig. Die lettere ersüllt ihren Zweck zur Verisikation der V r o b e m a s s e viel besser, sicherer und billiger. Jn einer neuern Voll^i..l.uugsverorduuug kann der alte. Vassus betreffend die Mustermasse gestrichen werden.

Reu a..zuseh...sfeu sind daher uur die au die Kantonseichstätten zu ertheilenden Brobemasse, deren Kosten von jeher den Kantonen zur Bestreitung zugefallen sind.

1)^ Meterstab .^ bout von Messing mit Etui ^r. 100.

2) ^erie von Flüssigkeitsmassen von Messing mit Etui ^r. 200.

3^ .^er.e von Messiuggewichteu von 500 Gramme herunter bis zu

1 Mgr. mit Etui ^r. 50.

^lls grossere Vrobemass^Gewichte konneu vor der Haud die bisherigen Gewichlsp^ramiden von Gusseiseu dienen.

Grossere Hohlmasse für trockene Gegenstände dürsten überflüssig sein, weil in neuerer Zeit fast überall die Messung solcher Gegenstände durch Wägung erfolgt, so dass sogar in den meisten Kantonen die bestehenden Hohlmasse für trockene Gegenstände sast gan^ ansser Gebrauch gekommen sind.

Den Gewichts.^ 3 bes^t fchou eiue grosse Zahl vou Eichst^ätten.

Die Anschaffung der sämmtlicheu uothwendigeu rein metrischen Brobemasse pro Eichstätte belaufen sich demnach bloss aus ^r. 300, respektive

Fr. 3.^0.

Eine massige ^ahl von Eichstätten wäre das ......^ie. rationelle Verfahreu zur Erzielung einer guteu ^rduuug ; die Kosten daher für jeden Kantou so unbedeuteud, dass ein ernstlicher Einwand gegen Einsührung des metrischen Systems aus diesem Grunde n^cht denkbar ist und um so weniger, als die Beschafsnug leicht ans ^wei oder mehrere Jahre vertheilt werden kann.

Querst würde man bloss die Längenmasse und Gewichte, etwas später erst auch die ^lüssigkeitsmasse , die überhaupt weniger drängen , einführen.

Die ersten ^wei Wege ersorderu ziemlich dieselben finanziellen Opfer

und stehen sich diesfalls gleich . dagegen wäre der dritte Weg administrativ empsehlenswerther. Der gleichzeitige Bestand zweier, wenn auch verwandter Masss^steme hat immer etwas Missliches. Zweierlei Brobemasse müssteu unterhalten und kontrolirt werden, mannigfache Reduktionen der einen Masse in die andern find unausweichlich , die ..ldmiuistration

340 daher komplizirter und kostspieliger. Wenn das Metermass als allein gesetzlich adoptât würde und das bisherige nur noch wahrend der Uebergangsperiode geduldet wäre, würde die gesammte Bevölkerung sieh rascher mit dem neuen System bekannt machen und der Vortheile des universellen Masses schneller theilhastig werden. Es wäre dieser Weg unstreitig der beste.

Die Vorschriften der B^ndesversassung in .^lrt. 37 sprechen gegen diesen Weg, weil die Einführung des Meters neben dem aus diesem abgeleiteten bisherigen System nicht verboten, wohl aber die ^lbschafs^ng und die ausschliessliche Einführung des Metershftems ohne Revision des Art. 37 nicht znlassig wäre. Eine Umgehung der Vorschriften der Bundesversassung ist nicht gerechtsertiget. Die ..^enderuug sämmtlicher Verkehrsmasse erfordert weniger .^lns^and, wenn dieselbe in kürzerer Zeit in zwei, anstatt in 5 oder 10 Jahren erfolgt, aber das Voll. zieht es gewiss vor, im ^ause eines längern Zeitraums die bisherigen Masse durch die neuen ersetzen zu lassen und die bedeutenden Opser auf mehrere .Jahre zu vertheilen.

Der Rath geht also dahin, dass die Einführung des rein metrischen Systems mit gesetzlicher Kontrol^ neben dem bisherigen beschlossen werde.

Um eine bessere Uebereinstimmung in den Kantonen zu erzielen wird beantragt , eine alle Eichmeister der Schweiz bindende Eichmeister^Anleitung zu erlassen und sämmtli.he metrische ^robemasse durch das Mittel der eidgenössischen Erstatte zu beschaffen und zu justireu.

Der Bundesrath stimmt im Wesentlichen dieser Auffassung bei.

Es sei nicht an derzeit, das jetzt geltende Massshstem aufzuheben und das neue eiuzuführen.

Ein definitiver Entscheid sei noch nicht vorbereitet. Es anzunehmen , dass man sieh zu Halbheiteu und Verquickten lasse und das metrische System nicht in möglichster Reinheit wolle, aber Fragen praktischer Ratur kommen zu sorgfältiger

sichtiger Erwägung in Betracht.

sei nicht verleiten einführen und um-

Weder nach innen noch anssen sei eine Rothwendigkeit zu s o f o r t i g e r Aeuderuug.

Der gegenwärtige gesetzwidrige Znstand sei nicht der Art , dass er zur Kalamität sich gestalte , welche sofortige radikale Abhilfe erheische.

Es sei die Möglichkeit geboten, das Gesetz den Verhältnissen anzupassen

.durch Erweiterung des Toleranzartikels, um dadurch wieder einen legalen Zustand herzustellen.

341 Deutschland, Oesterreich, England und Russland haben noch keine definitiven Entscheide gefasst und diese Staaten werden zudem für den Uebergang in das neue System Fristen von mehreren Jahren einräumen, so dass die Schweiz bei einer spätern definitiven Reform nicht hinter den andern Staaten zurükbleiben werde.

Wünschenswerth sei es, die definitiven Geseze dieser Staaten zu kennen, bevor wir znr definitiven Reform schreiten.

Es bestehen Zweisel, ob die Bundesverfassung die Aushebung des Koukordatss^stems gestatte ; zur Stunde handelt es sich nicht darum und

kommt es später dazu, so werdeu die Schwierigkeiten (hoffentlich) beseitigt sein, entweder durch die Gewalt der Umstände und durch die Ueberein.^ stimmung der offentliehen Meinung, oder durch Revision der diesfallsigen Vorschrift der Bundesverfassung. Je^t sei weder das Eine noch das Andere der Fall und man müsse sich mit Massregeln begnügen , welche mit Umgehuug der konstitutionellen Streitfragen die spätere Entscheidung vorbereiten und erleichtern.

Wenn der Bundesrath wesentlich denselben Massregeln, wie sie im

Gutachten des Direktors der eidg. Eiehftätte enthalten sind ^ beistimmt,

so kann er dagegen nicht rathen, das xein metrische ...^ftem in a l l e r F o r m gese^lich neben dem bestehenden einzuführen , wi^ dies in der z w e i t e n der drei Alternativen angedeutet ist.

Die volle gesetzliche Einführung des metrischen Systems erheischt auch eine bestimmte gese^liche .Definition desselben in Werth und Benennuug. Wäre es jet^t schon entschieden , dass das metrische System in alleu Ei.^elnheiten unverändert nach französischem Muster angeuommen ..^erde, so wäre ein solches Fairen zum Voraus ohne Rachtheil ; offenbar aber würden Uebelstände sich zeigen, wenn die je^t gese^lich eingeführten Massgrossen und Massbenennungen bei späterer definitiver Reform wieder abgeändert werden müssten. Fragen dieser Art tauchen jel^t schon auf und kommen zu ernstlicher Berathung.

. .

Das Gutachten der deutschen sachverständigen Kommission giebt hierüber interessante Aufschlüsse und sagt : wenn auch das Meter als Grundlage angenommen sei und als Folge hievon zugleich die Annahme der auf das Meter gegründeten fernern Massgrössen sich ergebe, so trete doch keineswegs die Rothwendigkeit hervor, in legerer Beziehung dem Beispiele Frankreichs hinsichtlich aller Einzelnheiten sich anzuschließen.

Jm metrischen System liege durchaus kein Hinderniss, der im Volke tief eingewurzelten halbierenden Theilung in erforderlicher Weise ..Rechnung zu tragen ; einzelne Massgrossen können neben^ ihrem dermalen Aufbau d^adisch u^.tergetheilt^ werden, und es empfiehlt sich^ solches im Besondern für die in das Gebiet des häuslichen Lebens einschlägigen Gemässe. .

342 Der norddeutsche Gesetzesentwurs zeigt , wie diesen Modifikationen Rechnung getragen wurde.

Die Einführung des metrischen Systems ist nicht gleichbedeutend mit der umgeänderten Annahme des ganzen theoretischen Gebäudes in allen Einzelheiten. Aehnliche Fragen wie in Deutschland werden auch bei uns sich geltend machen. Man soll dahe... die Untersuchungen hierüber und den Entscheid selbst nicht präludieren in unzweckmäßiger und unnothiger Weise.

Der Bundesrath kommt somit auf den zweiten der oben angegebenen Wege, mit Ausschluss der Annahme in a l l e r ^ o r m und beantragt gesetzliche Gestaltung der Anwendung metrischer Masse uud Gewichte, und Ausstattung der amtlichen Erstatten mit den uothigen Mitteln, um diese Masse und Gewichte da. wo sie angewendet werden ^wollen, ^u verifiziren und zu beglaubigen.

Dadurch wird die gesetzliche Anerkennung des faktisch bereits Bestehenden ausgesprochen. Die Massregel ist eine Aussöhnung des Gesetzes mit den realen Verhältnissen. Die Autorität des Gesetzes wird wiederhergestellt. Die Unsicherheit bei Transaktionen mit ungesetzlichen metxischen Massen und Gewichten wird entfernt und privaten uud Behörden sind von dem Vorwurs der Missachtung des Gesetzes besreit. Die Massxegel ist ohne Schwierigkeit durchführbar , da sie keinen Zwang ausübt und im Grunde nur die Toleranz erweitert, welche im Art. 7 des Bundesgesezes gewährt ist. Der Vorbehalt der Umwandlung anderer Masse in gesetzliche wird sur metrisches Mass wegsallen.

Dass diese neuen metrischen Masse uud Gewichte unter amtliche Kontrolle gestellt werden, ist durchaus nothwendig. Die amtliche Kontrolle ist man dem Vublikum schuldig, um dasselbe vor Unordnung, Unsicherheit uud Täuschung zu bewahreu, und hat auch desshalb grosseu Werth, weil damit der späteru definitiven Einführung des metrischen Systems wesentlich vorgearbeitet wäre.

Die Unkosten der Anschaffung der Brobemasse sur die Kautone sind nicht erheblich , indem sie sür eine Eichstätte uicht hoher als 300 Fr.

xesp. 350 Fr. zu stehen kommen.

Der Bund hat einen Theil seiner Ausgabe durch Beschassung und genaueste Vergleichnng der metrischen Urmasse und Urgewichte , durch

Errichtung der eidg. Eichstätte und deren Ausstattung mit allen sowohl

für die gewöhnlichen Justirnngen , wie für die genaueren Messungen ..

notwendigen Apparate mit e.nem Aufwand pon über ^r. 30,000 bexeits erfüllt, so dass ihm nur noch übrig bliebe, die kantonalen Archive mit den metrischen Mustermassen und Mustergewichten zu versehen.

343 Es ist den Kantonen zu empfehlen, die Justirung der den betreffenden Eichstätten zu verabfolgenden Brobemasse einfach durch die eidgenossische Eichstätte vornehmen zu lassen. Die Anfertigung der Mustermesse uud Gewichte hätte daher keinen praktischen Zweck mehr uud es ist die Frage, ob solche noch zu verabfolgen sei.^n (und welche), bis zur definitiven Reform zu verschieben.

Die amtliche Kontrole und Verifikation soll ^nicht nur auf Verlangen von Betheiligten geschehen, sondern muss^weuu wirklicher Schutz gewährt werden soll, so weit gehen, dass nur geeichtes uud bezeichnetes metrisches Mass gebraucht werden dars, und dass demzufolge der Art. 8 des gegenwärtigen Gesezes bezüglicher Bussen auch auf den gebrauch metrischer Masse und Gewichte ausgedehnt würde.

So viel entnehmen wir aus dem Jnhalt der buudesräthlichen Botschast vom 12. Juni 1868.

Wir erlauben uns noch auf die Vorgänge in Deutschland besonders aufmerksam zu macheu. Richts ist geeigneter , die Bedeutung des metrischen Mass - uud Gewi.htss.^stems in's rechte Licht zu setzeu , als die Aussprüche und Beschlüsse deutscher Gewährsmänner und deutscher Behordeu , wie sie durch die Kommission von Sachverständigen , durch deu Reichsrath des uor^eutscheu Bundes und durch die deutsche fresse kund geworden siud. Jn dieser Angelegenheit steht Deutschland ohne alle nationale Eisersucht Frankreich gegenüber. Deutschland adoptirt eine frauzosische volkswirthsehastliehe ^chopfung der Revolution ohne allen

Rückhalt und ohue allen Widerspruch in grossartiger Unparteilichkeit, in

klarem Erkennen und Urtheile... Kein Areopag der Welt konnte berech^ tigter und kompetenter ^u Gericht st^en. Es ist ein Trinmph klaren Denkens und Erkennens über jede nationale Eifersüchtelei , so sehr sie sonst und namentlich in heutigen Tagen vielfach dargeboten uud auch provozirt wäre. Es ist der Triumph der Vra^is und Thatkraft eines denkenden Volkes und .widerlegt die Sage vom gxossen Denker ohne entsprechende That. Die geuiale .^hopsung des franzostsehen Geistes, das metrische Mass- uud Gewichtss.,stem wird durch den deutschen Geist zum Mass- und Gewichtigstem der Welt erklärt.

Wir bringen einige Zitate ^ur Kenntniss, wie sie in jüngster Zeit die Allgemeine Zeitung von Augsburg gebracht hat.

.^lus Berliu wird berichtet: ,,.^lm ^13. Juni beschäftigte sich das ,,Haus fast volle sechs Stunden mit der Berathuug des Commissions-

.Berichts über die Mass^ und Gewichts-.^rdnungs-Vorlage. Dazu hatte

,,Becker-Dortmund deu präjudieiellen Autrag gestellt : Die Vorlage ^...r

344 ,,Zeit abzulehnen und den Bundesrath anzufordern, mit andern Regie,,rnngen in Europa und Amerika, insbesondere 1nit den Regierungen .,von Grossbritannien, Rnssland und den Vereinigten Staaten, Verhand,,luugeu über Herstellung eines gemeinsamen Masss...stemes anzuknüpfen.

,,Sämmtliche .Redner erkannten mehr oder weniger die Rothwendigkeit ,,der Einführung eines Rormalmasses und die Vortheile des Meter- und ^Deeimals^stems an. p. Thadden, Twesten und von Unruh hatten sich ,,das Verdienst ^erworben, sur das neue System alte deutsche Ramen zu ,,retten : ^.Meter .....^ Stab , Zentimeter - Reuzoll , Millimeter .^ Strich , Dekameter ....^ Kette, .Litter ......... Kanne, 1/2 .Litter ....^ Schoppen. 100

,,Litter -.... Fass , 50 Litter ^ Scheffel.

"Rach Art.

1 ist die Grundlage des Masses und ^Gewichtes der

,,Meter. Ais Urmass (Art. 2.) gilt derjenige Vlatiustab , welcher im ,,Besi^ der koniglich preussischen Regierung sieh befindet, im Jahr 1863 ..durch eiue von dieser und der kaiserlieh-frau^osischen Regierung bestellte ..Kommission mit dem in dem kaiserlichen Archiv zu Baris ausbewahrten ..Metre des Archives verglichen und bei der Temperatur des schmelzenden

,,Eises gleich 100,000,301 Meter befunden worden ist.

.,Aus den Antrag der Kommission forderte das Haus gleichzeitig ,,das Bräsidium des Bundesrathes aus :

,,1) ein neues , streng dezimales Münzs^stem baldthnnliehst dem ,,Reichstag vorznlegen nnd dabei besondere Rücksieht daranf ^u nehmen, ,,dass dasselbe moglichst viele Garantien seiner Erweiterung zu einem ^allgemeinen System aller zivilistxten Rationen biete ; .,2) durch Verhandlungen mit denjenigen Staaten, in welchen das ,,metrische ^stem des Maasses und Gewichtes angenommen ist, oder ,,wird, dahin zn wirken, dass Abweichungen von dem gemeinschaftlichen ,,^stem nur von .einer Konferenz sämmtlicher betheiligter Staaten be^schloffen werden^ dürfen..'

(Allgemeine Zeitung Rr. 168.^16. Juni .l 868.)

,,Für b a l d i g e E r l e d i g u n g d e r ^ M ü n z - , Mass- u n d , , G e w i c h t s f r a g e , a u s . ^ . . b e r f r a n k e n.^ ^,Die Frau^oseu brachten noch im Taumel der Revolution, mitten

,,iu Krieg, Roth und Wirrsaal, ein Münz-, Mass- und Gewichtssi.stem

,,zu Stande , wie es geistreicher ersonnen und praktischer durchgeführt ^nieht gedacht werden kann. Sie haben damit allen verstäudigen Ratiouen ,,jede Mühe weiteren Rachdenkens darüber erspart , und wenn es nieht ,,läugst von kürzester Haud in der ganzen zivilisirten Welt eingeführt .,worden ist , so lasst sich dafür ebenso wenig ein vernünstiger Grund ,,angeben , als warum unser ho.hsts..liger Bundestag während eines

345 .,33jährigen Friedens^ und einer halbhundertjährigen .Langeweile an et-

,,was ahnliches gar nie ernstlich gedacht hat. Richt weniger räthselhaft ..sind --- angesichts der sranzösisch-belgischen und italienischen Währung ,,und nach dem guten Beispiel der Schweiz die Resultate unserer ,,Müuzkonserenzen, denen schliesslieh die .^rone mit einem Goldstück gleichen Samens ausgesät wurde. Diese Münze ist so künstlich normirt, dass

"sie richtig in keinen Münzfüss der gesammten Christenheit passt. ...lls ,,numismatische Missgeburt hat sie sich uuver.^üglich so kursunsähig be-

^.wiesen , dass wohl 9..) Vrozent der Bevölkerung der Münzkonventions,,staaten von deren Einführung noch gar keine .^.euntniss haben und k^aum ,,eiuer von tausend sich rühmen kann , sie leibhaftig mit eigenen Augen ..gesehen zu haben. Jn den Kurszetteln wird sie längst ignorirt , und ,,uur hie und da in laugen Zwischenräumen einmal --- als Knriosum --,,zu ..^ath^gescheuken und dergleichen perausgabt.

,,Die Frage steht jedem Barteistaudpunkte so seru, sie ist einer Er,.orter.ung ihrer Wichtigkeit so wenig bedürftig , dass mau wohl ohne

..^angninität an ihre baldige und unbedenkliche. Erledigung glauben

..sollte. ^lm kürzesten wäre die Einführung des neuen Masses im ein.,faehsten Verorduungswege , wie uns denn jede Wohlthat am sichersten ,,und zweck.nässigsten durch Oktro^irung , nothigenfalls mit Anwendung

,,gelinden ^wangs , beig^braeht wird. Ueberzengt aber ist wohl jeder

,,Braktiker, dass alle Welt fünfzig Tage nach der Einführung ^es bereits "unbegreiflich gefunden haben wird, dass man damit fünfzig Jahre ge"zogert hat.^

(Allgemeine Zeitung, Beilage Rr. 176. 24. Juni 1868.)

^ass die Dentschen die Benennungen des metrischen Masss.^stems in deutsche Sprache übersehen wollen, ist vom deutschen Standpunkt aus erklärlich, indem sie ein nur deutsch redendes Volk vor sich haben. Wir glauben aber auch die Deutschen hätten die Raubfischen Benennungen, gleichviel, ob sie einer spi^fiudigen Philologie nicht ganz korrekt erscheinen, ganz intakt lassen. sollen , weil sie ein universelles Weltmass erzielen wollen , welches mit den französischen Benennungen leichter als mit deutschen Eingang findet, un^d weil die Deutschen eine ungeheure Masse Fremdworter im täglichen Leben sprechen und verstehen , ohne .^luftoss daran zu uehmen, dass sie nicht deutsch sind. ^ür uns Schweizer, die wir deutsch, französisch, italienisch und romanisch sprechen , wäre es des Guten zu viel, wenn wir jeder Rationalsprache gerecht werden wollten und das metrische .^stem in vier verschiedenen Sprachen benennen wollten.

Denn wie die einten es deutsch benennen wollten, so könnten und dürften es die andern französisch oder italienisch oder romanisch benennen. Die Nomenklatur des^ sranzosischen Gesezes ist für uns gerade ein geschickter Ausweg zur Ausgleichung der vier Sprachzonen. Die deutschen Schweizer

346 wissen jet^t schon ganz gut , was Meter und Liter ist , sie werden auch bald wissen, was Kilometer. Kilogramm, Are, Hektare .e. heisst.

Zur Vervollständigung der Uebersicht über den Stand und die ^eschichte der Einführung des Meter-S^stems geben wir noch einige Daten über die Zeit der Einführung in den Ländern Europas und andern

Welttheileu.

Jn F r a n k r e i c h , wo dasselbe zuerst und schon 1792 aufgestellt worden war, wurde es dennoch erst im Jahre 1840 für obligatorisch erklärt.

Jn B e l g i e n datirt die Einführung seit 1836 , beziehungsweise

1855.

H o l l a n d nahm das Metersystem mit Beibehaltung der alten Benennungen , denen nur die Silbe ,,Re..^ vor^esezt wurde , schon im Jahre 1819 an.

S p a n i e n hat^ das metriche System seit 1859 adoptirt und.

bereits auch aus seine Kolonien ausgedehnt.

P o r t u g a l folgte im Jahr 1862.

Jn J t a l i e u huldigten die Lombardie und Biemout schon lange diesem System, das in neuester Zeit im ganzen Kouigreich eingesührt ist.

G r i e c h e n l a n d hat bereits im ^Jahre 1846 diesen Weg eingeschlagen.

Jn der ueueu Welt folgen M e ^ i e o , G u a t e m a l a , E h i l e .

E o st a r . e a , R e u g r ä u a d a , V e n e z u e l a und E k u a d o r dem Metermaße.

Weuigstens schon beantragt ist die Einführung dieses Systems in S ch w e d e u , N o r w e g e n und D ä n e m a r k.

Die r u s s i sche Regierung hat deu jahrelangen angelegentlichsten Vorstellungen des verstorbeneu Akademikers A. v. K u p f s e r wenigstens insoweit entsprochen, als sie sich unter der Bedingung dafür erklärt hat, dass England dasselbe ^stem annimmt.

Jn England bedienen sich die Jngenienre schon längst des Metermasses und im ^ebruar 1864 that das Parlament einen ersten Schritt in dieser Richtung , indem es mit 90 e^egen 52 Stimmen ein Besetz abschaffte , welches den Gebrauch eines fremden Mass- und Gewichtssystems verbot. Wendet sieh aber einmal das, nebenbei bemerkt, noch von einer heillosen Verwirrung seiner Messungsmethoden heimgesuchte England mit seinen Kolonien uud seinem riesenhaften Handel dem sran.^osischen ^stem ^u, so ist es keine Frage mehr, dass dann dasselbe ^u eiuem allgemeinen Weltmasse geworden , als welches es auch schon im .Jahre 1855 von der bei Gelegenheit der Variser Ausstellung und vor-

347 zugsweise auf Anregung mehrerer einsichtsvollen englischen Gelehrten gebildeten Assoeiatiou aufgestellt wurde.

(Allgemeine Zeitung , Beilage ^r. 180 vom 28. Juni 1868).

Die Kommission beantragt einstimmig, es moge der ..^ese^esvorsehlag, wie der Bundesrath ihn vorschlägt , angenommen werden.

Er entspricht ganz dem gegenwartigen Stand der Dinge.

Er begründet einen geglichen Zustand in den Mass- und GewichtsVerhältnissen ,^ wie er dermalen leider nicht vorhanden ist.

Er bildet ein notwendiges Uebergangsstadium zum obligatorischen reinen Meters.^stem , welchen Uebergang man haben müsste , wenn man auch je^t schon das neue System vollständig als obligatorisch adoptiren würde.

B e r n , den 9. Juli 1868.

Jm ^amen der Kommission , Der Berichterstatter:

L. Bernol.^ Oberst.

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Bericht der nationalräthlichen Kommission über Einführung des metrischen Maß- und Gewichtssystems. (Vom 9. Juli 1868.)

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