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des

schweizerischen Konsuls in Algier (Hrn.

von Oranges,

Kts.. Waadt) über das Jahr 1867.

(Vom 3l. März 1868.)

An den l,ohen Bundesrath.

Lage im gemeinen.

Die andauernde Trokenheit der beiden leztverflossenen Jahre und die eingedrungenen Heuschrekensehwärme haben sowohl das Getreide als auch alle übrigen Boden Erzeugnisse dergestalt zu Grunde gerichtet,

dass in Folge dessen in den zum Militärgebiet im eigentlichen Sinne

des Wortes gehörenden Landschaften eine wirkliehe Hungersnoth ausgebrochen ist.

Das Jahr 1867 eröffnete sieh mit dem Erdbeben vom 2. Januar, das in der Brovinz Algier viele Dörser zerstörte und vielen Menschen den Tod brachte , es war diesem Jahre im Feuern vorbehalten , uns das betrübende Vild eines Volkes zu bieten, das, erst von der Eholera aufs Grausamste heimgesucht, znlezt noch Hungers sterben musste.

Die

Zahl der Opser dieser beiden Laudeskalamitäten wird ans 500,000 Köpfe berechnet, was dem Fünftel der arabischen Bevölkerung gleichkommt.

Jn Folge des von dem Erzbisehos von Algier an die öffentliche

Wohlthätigkeit Europas gerichteten Ausrufs enthüllte sich vor den Augen der Welt die missliche Lage unseres Landes , deren Ernst zn verheimliehen mau hier bemüht gewesen war.

Unserer Ueberzeugung nach war es indessen schwierig , wenn nicht unmöglich, diese Landeskalamitäten zu beschworen, und es ist nicht erlaubt, die ganze Verantwortlichkeit hiesür der Verwaltung auszubürden.

Bundesblatl.. Jahrg. XX. Bd. IlI.

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1.^ Da es hauptsächlich die Bevölkerung des Militärgebietes war, unter welcher die Huugersnoth wüthete, so lässt sich hier eine interessante Vergleichung anstellen zwischen ihrer nahezu. verzweifelten Lage und dem relativen Wohlbefinden der Bewohner des Zivilterritoriums,

die sich mit Leichtigkeit bei den europäischen Kolonisten .Arbeit und

Nahrung verschaffen.

Auch diesmal geht die Kolonisation siegreich aus der Brüfung hervor, indem sie den Rest der arabischen Bevölkerung vom Tode zu erretten hilft, denn die in der Eile, nahezu allerwärts, orgauistrten

Uuterstüzungen sind eben so gnt ihr^Werk, als dasjenige der Administra

toren der Kolonie, deren Bemühungen, ohne diesen edelmütigen Beistand, sich als ohnmächtig herausstellen würden.

Es ist also sehr unrecht, wenn irregeleitete oder selbstsüchtige Zweke verfolgende Schriftsteller die europäische Bevölkerung als eiue solche schildern, die daraus hinziele, die Eingebornen durch alle Mittel aus ihrem Eigenthum zn verdrängen.

Wenn die bittern Ersahrungen des Jahres 1867. an denjenigen nicht spurlos vorübergegangen sind , die ^der Staatsgewalt den Rath ertheilt haben , die arabische Bevolkernng durch das Mittel der Treunung und Fernehaltung von der Kolonisation zu regieren , so werden sich in Bälde der Thätigkeit unserer Kolonisten neue Gesichtskreise erschliessen, denn diese ledern allein besten die ...ur Rettuua des am Al^ grunde stehenden Landes erforderlichen Mittel, wosür die jüngste Ver-

gangenheit ein glänzendes Zeugniss ablegt.

Es ist durchaus nothwendig, aus die Vermehrung der europäischen Bevölkeruug Bedacht zu nehmen, die im Verhältnis. zu der grossen Ausdehnung des Landes um Vieles ^u schwach ist.

Roch ist es uns nicht moglich, die Mittel zu bezeichnen, die man ergreisen wird, um in die geschästlichen Verhältnisse des Landes neues Leben zu bringen ; niemand kennt , in Bezug aus diese Frage , die

wirklichen Absichten der Regierung.

Doch konnen wir

ein in den Augen der algierischen Kolonisten

bedeutsames Ereigniss nicht m.t Stillschweigen übergehen , nämlich den von Seite des Kaisers für eine rnude Summe von 200,000 ^ranken er^ folgten. Ankauf des Landguts .^onch Bonkandou^ zu L'.^rhah, Brovin^ Algier, vou 800 Hektaren Flächeuinhalt. Allgemein waltet die Ansicht,

es sei dies in der Absicht der Gründuug einer Musterwirtschaft ge-

scheheu.

Es wäre für Algerien zu wünschen, dass dieses gute Beispiel rasch

von grossen Kapitalisten nachgeahmt würde. solchen dürste es, an der Hand der bereits gemachten Erfahrungen, unschwer gelingen, ihre Kapitalien und gleichzeitig auch den Landesreiehthum zu vergrössern.

119 .^^el.^ese^ebui^.

Von den im Jahre 1867 eingetretenen Abänderungen erwähnen wir einzig der am 1. August erfolgten Ermächtigung der Zollbüreaux^

^n Bhilippeville und Bona zur Abfertigung der nach dem Werthe ta^rten Gewebe, als einer auch den schweizerischen Handel berührenden Thatsache.

.^mil.t^ft.

T a b a k . Jn Folge der Ansprüche der Regie, bei Vornahme der ^Klassirung , beginnt sich in unserer Provinz eine Abnahme des Tabakbaus zu Beigen. Künftighin muss das Bestreben aus Erzeugung von bessern Sorten gerichtet sein, widrigenfalls der algierische Tabak seines Absa^es verlustig gehen wird.

F l a c h s . Der Flachsbau scheint den Kolonisten sehr zu konveniren; sie wenden sich ihm mehr und mehr zu, trozdem dass das Rosten aus dem Vlaze mit Schwierigkeiten verbunden ist.

W e i n . . Das Bilanzen von Reben wird fortgebt, obwohl die algierischen Weine keinen leichten Absaz finden. Sie besizen nämlich ^rosstentheils einen Erdgeschmak, an den sich der Gaumen nur mit Mühe Bewohnen kann , und haben überdiess den Fehler , ^dass sie sich durch das Alter nicht verbessern.

G e t r e i d e . Das von den Arabern bewohnte Gebiet wird aus der Ansaat des Jahres 1867, die, wie man hort, gleich Rull ist, keine Ernte erzielen. Dagegen sind die Aussichten für die Kolonisten in unserer Provinz und in derjenigen von Konstantine sehr günstig.

B a u m w o l l e . Durch die amerikanische Konkurrenz wird unsere Baumwollenkultur notwendig in eine schlimme Stellung gedrängt, ja wir müssen der Befürchtung Raum geben, dass sie von den Pflanzern, die sehr uuzusriedeu zu sein scheinen, gänzlich verlassen werde.

Man vermuthet, die Abuahme dieser Kultur werde in der Provinz Oran 50 Prozent uud^ in der^ Provinz Algier 90 Prozent betragen.

Handel.

E i n s u h r.

Wir glauben nicht, dass der schweizerische Handel in diesem Jahre an der Einfuhr von baumwolleneu Geweben zum Gebrauehe der Araber starken Autheil genommen habe. Diese Einsuhr hat übrigens , gegenüber dem Jahre 1866, um mehr als 7 Millionen abgenommen.

Es ist wahr, der Vlaz war überfüllt, wenig oder gar keine Käufer

stellten sich ein und zahlreiche Fallimente, eine Folge des pl.^lichen

120 Sinkens der Breise und des d.uxch. de.n Blaz Rouen erfolgten Kreditentzuges, standen in Aussicht.

Die wenigen Schwei.zexhäuser, welche Geschafte nach unsexm Lande machen, sollen ihre Zurükhaltung in einem für die Kolonie so schwierige^n Zeitpunkt keineswegs bedauern.

Auch der Handel mit wollenen, leinenen, hänfenen und seidenen Geweben wax nicht gluklieher. Eine Verminderung von Fr. 1,300^000 ist konstatirt.

Der Getreidehandei allein ist, des grossen Bedarfs des Landes wegen,

in diesem Jahre gut gegangen.

Zu unserm Bedauern sehen

wir uns nicht in der .Lage, über die in diesseitiges Departement ein-^ geführten .Qualitäten genaue .....^.chweise zu. liefern , indem^ die Douane in ihrem Bericht über diesen. Bnnkt nichts mitgetheilt hat. Das aber ist gewiss, dass uns aus dem einzigen Hafen von Marille 2.08,000 metrische Zentner. ..^etxeide zugesührt worden sind. Die Lieferungen vom schwarzen Meer her müssen noch bedeutender gewesen sein.

Auch bei der Einfuhr verschiedener Lebensmittel bemerken wir eine ziemlieh starke Vermehrung. Es wurden eingeführt : Differenz zu Gunsten der Vermehrung.

^llogramm.

.^Iogramm.^

Mehl . . . . . 3,615,829 . . . . . 2,515,115 ...^etroknete Gemüse (und

Mehl^ aus solchen) . 3,322,666 . . . . . 2,104,986 Früchte . . . . . 3,668,507 . . . . . 2,660,105 Käse . . . . . 413,281 . . . . .

46,358 Der schweizerische Uhrenhandel machte schon seit Langem Geschäfte in diesem Lande , die Gesammthohe seines Umsazes ist uns jedoch ungekannt, da die Zolle an den Grenzen entrichtet werden müssen.

Ausfuhr.

Die Ausfuhr der natürlichen Landesprodukte scheint^ an Gesammtwerth nicht zugenommen zu haben^ Die nachstehenden Artikel allein machen eine Ausnahme :

Rindvieh .

Schafe .

Rohe Häute ,, Wolle Olivenol .

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Zahl.

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11,571 .

. t 8l ,852 .

Kilogramm.

. 927,067 .

. 1,655,771 .

. 2,125,127 .

Differenz zu Gunsten der Vermehrung.

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Zahl.

. 4,724 . ^7,272 Kilogramm.

. 285,065 . 542,507 . 237,299

121 Dagegen stellt sich bei der Mehrzahl der übrigen Artikel eine Verminderung heraus.

Die Vermehrung in der Viehanssuhr rührt hauptsächlich von dem im Süden herrschenden Futtermangel her. Die schwierige Lage dex arabischen Eigenthümex wurde begreiflicherweise von den Däusern gehörig ausgenuzt.

Eisenbahnen und

^

Die Arbeiten an der Linie Algier-Oran werden jenseits Blidah thätig sortgesezt. Es ist von uns bereits bemerkt worden, dass der Bau dieser Eisenbahn erst im Jahr 1871 vollendet sein werde.

Der Küsteudienst, vormals durch die Schisse der .Kriegsmarine versehen, welche aber bloss Depeschen oder Korrespondenzen und nichtmilitärische Reisende nur in beschränkter Zahl an Bord nahmen, ist nunmehr an die Gesellschaft der Messageries imperiales übergegangen.

Die Abfahrten finden regelmässig jeden Samstag statt : von Algier nach Oran um 10 Uhr Abends und von Algier nach Bona um 10 Uhr Vormittags. Alle zwischenliegeuden Punkte beider Linien werden l.erührt, so dass daselbst die Aus- und Einschiffung der .Korrespondenzen, Waaren und Reisenden bewirkt werden kann. Für den Handelsverkehr Algiers mit den beiden andern Provinzen ist dies ein ausserordentlicher

Vortheil.

Industrie.

M e h l p r o d n k t i o n.

Seitdem ans die Konstruktion der Mühlen grössere Sorgfalt verwendet wird, geht die Mehlproduktion Algeriens einer Verbesserung entgegen. Die so getreidereiche. Provinz Konstantine besizt schon seit mehrern Jahren bedeutende Mühlen , die Provinz Algier hat deren sehr schone in Medeah, Blidah, Milianah und Algier, die Provinz Oran hingegen ist weniger gut versorgt.

T a b a k - und E i g a r r e n s a b r i k a t i o n .

Es bestehen in den drei Provinzen zahlreiche Etablissemente , die theils Einheimischen, theils Europäern angehoren. Thatsache ist, dass.

die Eigarren Algeriens einen gewissen Rus gewonneu haben, der, unseres Erachtens , im Hinblick aus den dazu verweudeten Tabak nicht immer ein verdienter ist , allein die Fabrikation ist vortrefflich uud ganz geeignet, einem Tabak Absaz zu verschossen, der ohne diese Fabrikationsweise, die man der Geschiklichkeit der algerischen Arbeiterinnen zu danken hat, für andere Zweke unbrauchbar sein würde.

122 .^^e...

Das Jahr 1866--^1867 war für die B.^qne d... l'Albe kein ungünstiges ., ihre Operationen s.hlossen mit einer Vermehrung von mehr als einer Million.

Die Disko...togesehäste dieses Etablissements betrugen in dem ^eitxaum vom 1. Rovember 1866 .^ 31. Oktober 1867:

in Algier . . . 43,236 Effekten ,, Eonstantine . . 36,031 ,, ,, .^ran . . . 39,605 ^ Zusammen 118,872 Effekten Aus 31. Oktober 1866 beliefen sieh die Diskontogeschaste aus . 121,586 Effekten Verminderung der Es-

sekten 1867 .

.

mit Fr.

,, ,, ,, ,, mit Fr.

31,492,393. 03 37,171,633. 35 ^ 28,839,269. 87 97,503,296. 25

mit Fr. 96,329,727. 36

Vermehrung

2,714 des Werths Fr. 1,173,568. 89

Die Vrovinz Eo..sta..tiue ist es also , die der Bau.. das Meiste ^ abwirft. Dividende und ^ins wurden per ^lktie von ^r. 500 Nominalwerth auf Fr. 63 festgesezt. Diese Aktien werdeu gegenwärtig au der

Borse in Marseille ^u Fr. 10^0-1020 notirt.

Die Soc.ete ^aerale Al^rieune Fremy Tal.^bot ..^ Comp. hat aus dem Blaze Algier ein Diskonte und Jn^assogesehäft gegründet, mit Sueeursalen in ...^rau und Eoustautine.

Z i n s. s u ^ u u d D i s k o u t o.

Der gesezliehe Ziusfuss beträgt noch immer 10 ^.

Der Diskonto steht bei der Banque de l'.^l^rie zu 6, bei der ^ociete ^n.^le ..^l^erienne zu .^^/.^ Brozeut.

^eeasfelltrauzen.

Die lie.uidirte Comp.^^nie ..^riqne Fran^^e ist bisher noeh dnreh keine andere Gesellschaft erseht worden.

^iamander.n.^.

Jm Jahre 1867 ^dieselbe, wie wir vermuthen, gle^h ^ll gewesen. Uebrigens geschah nichts z... ihrer Ermuthigung und da.^ herr^ sehende Elend war auch nicht da^n augethan, um znr Einwanderung anzuregen.

123 Einem amtlichen Jahresberichte entnehmen wir folgende Angaben, die sich aus die Volkszählung von 1866 stüzen : Rekapitulation der Gesammtbepolkeruug der konstituirten Gemeinden des Zivilterritorinms und ihre.. finanziellen Hilfsmittel :

Departement Algier . Einwohnerzahl 195.936 Franken 2,424,673 ,, Oran .

., 135,032 ,, 2,243,747 ,, Eonstantine ,, 120,349 ., 4,285,220 Total: Einwohner 451,317

Franken 8,953,640

Die Europäer figuriren darunter mit nicht mehr als 217,990 topfen.

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schweizerischen Generalkonsuls in St. Petersburg (Hrn. Adolf von St. fallen) über das Jahr 1867.

(Vom 1.Mai 1868.)

An den hohen Bundesrath.

Theil.

I. Lage im A l l g e m e i n e n . Die Regierung schreitet konsequent aus der vou ihr betreteuen Bahn der zeitgemäßen Reformen fort, besonders hat sie im verflossenen Jahr ihre Aufmerksamkeit aus die

Rechtspflege gerichtet. Das mündliehe ossentliche Gerichtsverfahren und

also anch die bisher vermisste vollständige Trennung der Justiz von der Verwaltung ist in folgenden 20 Gouvernements definitiv eingeführt worden :

1) St. Vetersburg, 2) Rovgorod, 3) Bskoff (Vleskan), 4) Moskau, 5) Räsan, 6) Wladimir, 7) .....aluga, 8) Tnla, 9) Twer, 10) Ja-

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Bericht des schweizerischen Konsuls in Algier (Hrn. von Granges, Kts.. Waadt) über das Jahr 1867. (Vom 3l. März 1868.)

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Jahr

1868

Année Anno Band

3

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37

Cahier Numero Geschäftsnummer

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Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

15.08.1868

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117-123

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10 005 876

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