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schweizerischen Konsuls in Odessa (Hrn.

Otto Trithen von

St. Stephan, Kts. Bern) über das Jahr

1867.

(Vom 11/23. März 1867.)

An den l, ...l. e n Bundesrath.

Erster Theil.

Die Ausdehnung Südrnsslands , sür dessen Vrodukte die Häfen des schwarzen und asow'schen Meeres als Absazpläze dienen , ist so gross , dass es unmoglieh ist , allgemein zutreffende Behauptungen über die ihm durch die .klimatischen Verhältnisse angewiesene Lage auszustellen , denn es findet in diesen klimatischen Verhältnissen der zu Südrussland gehörenden Gouvernements, ja sogar in deren Vartialzonen , nicht bloss von Jahr zu Jahr, sondern selbst in einem und demselben Jahre ein

beständiger Wechsel statt. Als Folge dieser Unbeständigkeit oder Ver-

änderlichkeit , die im Jahre l 867 i.. grellster Weise auftrat, ersreuen sieh gegenwärtig alle Bevölkerungklassen der östlich von Odessa liegenden Gouvernements des besten Wohlergeheus , während in den westlichen Gouvernements Roth und Elend ihren .Höhepunkt erreicht haben.

Während also ein Theil von Befsarabien gezwungen ist, das zum Unterhalt der Bevölkerung erforderliche Getreide aufzukaufen, und während die Ukraine kaum ihre Ansaaten einerntet , sehen sieh die übrigen , bis zu den .Ländern am Don reichenden Provinzen Reurusslands im Genusse einer gesegneten Ernte , die sie in den Stand sezt , ungeheure Massen von Getreide zur Ansfnhr abzugeben, welche unter dem Einflusse des

612 in fast gan^ Europa herrschenden Rothstandes zu bisher unerhörten Breiseu verkaust werden.

Dank diesen Umständen und den im Jnnern des Landes von früher hex noch vorhandenen Vorräthen hat die Aussuhr aus den Hasen des schwarzen und des asow'schen Meeres eine^ niegesehene Hohe erreicht, und es muss der gewinn, den der Handel hieraus gezogen, ausserordentlich gross gewesen sein, indem die Getreidepreise aus den Konsammärkten fortwährend gestiegen sind und sich aus ihrer Hohe behauptet haben.

Die Jndustrie, welche, bevor sie im Lande festen Fuss gefasst, einen harten Kamps durchzumachen hatte, beginnt sieh auszubreiten und zu gedeihen, trozdem das Jahr 1867 kein sehr günstiges war, am allerwenigsten was die ^ukerrassinerien anbetrifft, indem die Breise. in Folge der reichlichen Runkelrübenernte um ein Ramhastes zurük ^ingeu. Auch die Dampsmühlen lieserteu geringere Resultate als bisher , die .......heurung des Getreides machte es nämlich unmöglich, Mehl zu billigen preisen nach der Türkei zu liesern. Die Dampssägen machen gute Geschäfte und permehren sich, ebenso die Brennereien und Bierbrauereien. Mit einem Worte, alle industriellen Unternehmungen, an deren ..^pize sieh Männer von Erfahrung befinden, denen auch die erforderlichen Geldmittel zu Gebote stehen, nehmen einen glüklichen Fortgang, während hingegen da, wo

diese Bedingungen sehlen, das Gegentheil eintritt. Diese^ Thatsache be-

stärkt mich in meiner ileberzengnng , dass in Südrussland die Jndnstrie zu gedeihen vermag , insofern die Oberleitung uur ersahrnen und verständigen Mäunern anvertraut ist.

Seit der Emanzipation der Leibeigenen hat die Laudwirthschast, entgegen den Befürchtungen, die sieh in dieser Hinsicht kund gegeben,

keine Rükschritte gemacht, und ich bin, trozdem mir keine statistischen Rach-

weise zu Gebote stehen , um den Umsaug der vor zehn Jahren , d. h.

vor der Emanzipation, angebauten Bodensläche mit dem Umfange des jezt angebauten zu vergleieheu, überzeugt, dass der Uuterschied eiu bedeu^ tender ist.

Die Zucht der Merinoschafe nimmt in besriedigender Weise zu, obgleich die Konkurrenz mit der australischen und Eap-Wolle schwer zu bestehen ist. Jch glaube hier erwähnen zu sollen, dass unter denen, die sich um die Einführung der Merinoschafe in Südrussland verdient gemacht haben, einige Schweizer in erster Linie erscheinen , und ihr Rame steht in der Geschichte des akerbau liehen Fortschritts unserer Landesgegeud, seitdem sie unter die russische Herrschast übergegangen ist. Jch will hier bloss die Ramen B i e t e t , D e m o l e , P h i l i b e r t , S a l o z anführen, die zur Einsührung von Verbesserungen in der Schafzucht, sowie auch zur Vervollkommnung der Raee das Meiste beigetragen haben. Roeh an der lezten Ausstellung in Baris war es ein Genfer, Hr. Amedée.

.

613 P h i l i b e r t , der für die von ihm eingesandte vortreffliche feine Wolle die goldene Medaille erhielt. Uebrigens sehen wir auch in andern Zweigen der Landwirthschaft und Jndustrie .Landsleute eine sehr ehrenvolle Stellung einnehmen, so, was den Weinbau anbetrisst, die T a r d e n t , B o x g e a u d , Larguier, Dantz und Andere mehr, deren Ramen im besten Andenken fortleben ; in der Rothgerbereibe merken wir die Erzeugnisse B a scho u d ^ s in der Krimm und diejenigen von Ramaz in Bodolien, die sehr gesucht sind. Der Zuker^aus der Fabrik von Fr. Jen n i erhält immer die höchsten Vreise. Auch gibt es schweizerische Mechaniker, die Stellungen von Be-

deutung bekleiden und wegen ihrer Jntelligenz, Tätigkeit und ^.uten Aufführung geachtet sind.

Der Einfnhrhandel nahm im Jahre 1867 einen ganz ausserordentlichen Ausschwung. Besonders weisen nachstehende Artikel dem Vorjahre gegenüber eine ansehnliche Vermehrung ^aus :

Einsuhr 1866.

1867.

Thee . ^.

. .

. Bud 15,469 Bud 23,062 Kaffee . . ^ .

. . ,, 43,527 ,, 70,422 Oel . . .

. . ,, 90,758 ,, 146,675 Tabak . . . . . , , 36,521 ,, 40,586 Baumwolle und Baumwollenzeug ,, 10,068 ,, 18,921 Farbholz . ,, 8,145 ,, 20,960 Eisen . . . . . , , 846,368 ,, 3,395,666 Steinkohlen . " 4,719,671 ^, 7,440,137 Die Vermehrung aus den beiden lezterwähnl.en Artikeln ist zu stark, als dass sie nicht eine besondere Bemerkung verdiente. Was das Eisen anbetrifft, so rührt die Vermehrung von der enormen Einsuhr pon Schienen her, welche die verschiedenen , gegenwärtig im Bau begriffenen Eisenbahnlinieu ersordern . die vermehrte Kohleneinsuhr hat. ihre Ursache in der steigenden Entwiklung der See- und Flnssdampfschiffahrt, der Eisen.bahnen und industriellen Etablissemente.

Auch die Ausfuhr war um Vieles stärker als diejenige des Jahres 1866, die Vermehrung betrug nicht weniger als annähernd sechs Millionen Rubel, und hätte noch eine höhere Ziffer erreicht , wäre nicht aus naeh^ stehenden Artikeln ^eine Verminderung eingetreten.

Aussuhr im Jahre 1866.

1867.

Mehl .

.

Tseh. 116,084 Tsch. 85,559.

Haser uud Gerste . ,, 342,128 ,, 51,563.

......alg .

.

Bud 473,555 ,, 211,362.

Wolle .

.

,, 331,556 ,, 248,015.

Pferde u. anderes ViehsürRub. 374,^15 ,, Riehts.

Der Eisenbahnbau wird in Südrussland mit der grossten Thätigkeit sortgesezt, und wahrscheinlich werden^ wir noch im Laufe dieses Jahren

6l4 die Linien Odessa^Elisabethgrad und Odessa..Kiew beendigt und die Arbeiten in der einen Richtung bis Krementschug und in der andern bis Woloe^sk an der osterreichischen Grenze, wo sich die Linie Brod..... L e m b e r g anschliesst, fortgeführt sehen.

Sehr beklagenswerth ist es, dass das Material, worüber die bereits im Betriebe stehenden Linien perfügen, so unzureichend ist u^.d dem Be-

dürsnisse des Handels und des ^ublikums nicht genügt.

Die Obligationen der Hypothekarbank des Gouvernements Eherson

(zinstragend zu 5^.^.) sehwankten zwischen 71 und 73.^. Die Billets der kaiserliehen Bank (5^). welche vor einem Jahre auf 68.^ gesallen waren , haben sieh gehoben und werden zu 78 ^ begeben , besonders

aber siud es die Billets des inlandischen Anleiheus mitBrämien, deren Kurs gestiegen ist und die sieh, je nach der Rahe der ^iehung, zwischen

118 und 128^ behaupten.

Zinsfuß und Diseouto standen sast das ganze Jahr hindurch für gute Unterschristen aus ungefähr 10^.

^toeiter ^heil.

...

Die Zahl der Erzieher und Lehrer, der Gouvernanten und Kindermädchen hat sich im Jahre l 867 noch mehr vermindert als im Jahr

1866. Dies kommt daher, dass sich die Unterr..chtsanstalten sowohl für

Knaben als Mädchen im Jnnern des Landes in bedeutenden. Masse vermehren, und dass daher die Eltern, die ihre Kinder dorthin schikeu konnen, keiue Hanslehrer mehr brauchen.

Obgleich die schweizerische Wohlthätigkeitsgesellschast Gelegenheit hatte , an bedürstige ^andsleute Unterstützungen in grosserm Umsang als im Vorjahre zu verabreieheu , so hat sieh ihr Kapital denuoeh um Rub.

417. 40 Kop. vermehrt und beträgt jezt 965 R..bel 45 Kopeken.

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Bern) über das Jahr 1867. (Vom 11/23. März 1867.)

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