633

#ST#

Botschaft des

Bundesrathes an die schweiz Bundesversammlung, betreffend die persönliche Bewaffnung der Spezialwaffen.

(Vom 23. Oktober 1868

Tit..

Gleichzeitig mit Jhrer Schlussnahme vom 20. Ehristmonat 1866, betreffend die Einführung von Hinterladungsgewehren bei der Jnfanterie und den Scharfsehüzen , haben Sie dem Bundesrathe den Austrag ertheilt, Jhneu Bericht und Antrag zu hinterbringen, ob die gewehrtragende Mannschaft des Genies , der Artillerie und der Kavallerie mit einer neuen Waffe zu versehen sei.

Raehdem nun diese Frage einer gründlichen Untersuchung unterstellt ^worden ist, beehren wir uns, Jhnen einen sachbezügliehen Gesezentwurf vorliegen und denselben in Folgendem zu begründen.

Die Spezialwassen sind gegenwärtig in nachstehender Weise mit Handfeuerwaffen versehen : 1. G e n i e . Unteroffiziere und Mannschaft der Sappeur- und Bontonnierkompagnien mit einer kurzen Berkussionsflinte mit Bajonnet.

2. A r t i l l e r i e . Die berittenen Unteroffiziere und Trompeter mit einer Berkussionspistole , Unteroffiziere und Soldaten der Barkkompagnien mit einer kurzen Berkussionsflinte mit Bajonnet.

3. K a v a l l e r i e . Unteroffiziere, Trompeter und Mannschaft mit zwei Berkussionspiftolen.

Die Offiziere der Artillerie und der Kavallerie .führen ein Baar

Reiterpiftolen.

^34

1. Genie. Bezüglich der künstigen Bewaffnung des Genies haben wir uns die Fra^e gestellt, ob es überhaupt angemessen fei, diese Truppengattung mit Feuergewehren zu versehen und wir sind^dazu ge^ kommen, diese Frage zu verneinen.

Bontonniers sowohl als Sappeure müssen bei ihren Facharbeiten , gleichviel ob sie im feindlichen Feuer oder von demselben unbelästigt auszuführen find, die ^euergewehre unbedingt ablegen.

Es ist sür den pontonnier ebenso unmoglich, beim Brükenschlage ein Gewehr zu tragen, als dem Sappeur ,^ wenn er bei einem Sturme z. B. sein Werkzeug gebrauchen soll. Aus dem gleichen Grunde sind .auch die Zimmerleute bei den Jnsanteriebatail.lonen schon jezt nicht mit ^ Feuergewehren l.ewafsnet. Das .Ablegen der Gewehre sowohl, als das Wiederausuehmen nach gethaner Arbeit sührt nur zu Zeitverlusten und Verwirrungen , dasselbe ^wird zudem in vielen Fällen gar nicht mehr ausführbar sein.

Alle Arbeiten , welche unmittelbar vor den.. Feinde durch die Genietru.ppen auszuführen siud , werden durch das Feuer der übrigen streit^ baren Truppen gedekt werden müssen und es wird nie vorkommen, dass in einem solchen Falle die Genietruppen selbständig austreteu.

Auch sür Bedekung des Brükentrains und andere Konvois anf Märschen wird ohnediess immer noch Jnsauterie verwendet und es kann ein ausnahmsweiser gedenkbarer Fall, wo ein solcher Eouvoi etwa überfallen würde, wohl kaum einen Grund abgeben, die Boutouuiers und Sappeurs für ihre ganze Dienstzeit mit Feuergewehren zu versehen.

Endlich ist der technische Unterricht, den diese Truppen zu erhalten haben, ein so umfangreicher, dass er uur Sehaden leiden würde , wenn sie auch noch mit Kenntniss und Behandlung des Feuergewehres vertraut gemacht werden müssten.

2. Artillerie. Die Roll.^Bistole , mit welcher die berittenen Unteroffiziere und Trompeter versehen sind , ist eine so unvollkommene Wasfe , dass sie den Anforderungen der Reuzeit in keiner Weise mehr^ entspricht ^ wir halten daher dafür , sie sollte dureh eiue Repetirpistole erseht werden.

Was sodann die Kanoniere betrifft , so dürste vorerst die Frage aufgeworfen werden, ob überhaupt die gesammte Bedienungsmannschaft und uieht bloss die Barkartilleristen mit Gewehren zu bewassueu sei oder nicht. Die .Ansichten hierüber gehen in den verschiedenen Artillerien sehr auseinander. Jn der srau^osischen , belgischen , italienischen und württembergische^ Artillerie ist jeder Kanonier der fahrenden Batterien mit einem Mous^.eton bewassnet, während die osterreiehiseheu , preussischen,^ russischen und die kleinen deutseheu Artillerien nichts von der Bewassnung der Artilleristen mit einem Gewehre wissen Bollen.

635 Für unsere Verhältnisse , unsere so kurze Dienstzeit, wäre die Zugabe eines Karabiners sür ^en Bedienungskanonier gewiss eine Reuerung, deren Werth sehr in Frage gezogen werden müsste. Die Beispiele, wo Batterien sieh mit Gewehrsener Feinde vom Halse gehalten haben, stehen sehr vereinzelt da , es wird daher auch allgemein angenommen , dass eine angegriffene Batterie ihr Heil im ..Shrapnell- und Büchsenkartätschfeuer , sowie in dem Schuz durch die Bartikular.bedekung und nicht im Gewehrfeuer der Artilleristen ^zu suchen habe , und dass auch eine Batterie troz Bewaffnung der Artilleristen mit ..Bewehren stets noch der Bartikularbedekung bedürfe.

Zudem wäre die Zugabe eines Earabiners eine solche Belastung der Kanoniere, dass sie dadurch in ihren Verrichtungen am Geschüz nothwendigerweise gehindert werden müssten.

Es erscheint uns daher auch sür die Znkunst die Bewafsnung der Kanoniere mit Handfeuerwaffen nicht gerathen zu sein.

Anders verhält es sich bei den Varkkanonieren. Die Barkkompagnien sind an uud sür sich schwache Korps und zudem zur Bewachung von Barkeonvois ..e. .sehr zersplittert. Je mehr sie den Bewachungsdienst bei dem ihnen übergebenen Material selbst versehen können, um so weniger sind Detaschirungen von Jnfanterie nothwendig.

Die geringe Zahl dieser Truppe sowohl, als der Umstand, dass sie ihre Wassen in nächster Rähe zu gebrauchen sie eine möglichst leichte Waffe erhalten sollte , Marsche noeh wichtige .Arbeiten vorzunehmen hat, wendigkeit hin , ihr ein Repetirgewehr und zwar zu verabsolgen.

3.

Kavallerie.

haben wird und dass da sie oft nach dem weisen auf die Rotheinen Repetirkarabiner

Es ist bereits oben bei der Bewaffnung der

Artillerie gesagt worden, dass die Rollpistole, mit welcher bisher auch die Kavalleristen in je 2 Exemplaren bewaffnet waren , eine so unvollkommeue Wafse sei, dass sie durch eine andere ersezt werden müsse.

.Bei Ersezung dieser Waffe durch eine andere kann es sich wohl nnr um die Wahl zwischen einer Repetirpistole (allfällig doppelläufige Bistole) und dem Karabiner handeln.

Wir sprechen uns in Uebereinstimmung mit dem Ehef der Waffe und einer besondern aus Offizieren verschiedener Wafsen eombinirten .Kommission sür den leztern aus.

Unsere Kavallerie wird wohl nur in ansnahmsweisen fällen dazu gelangen , als Massenkavallerie verwendet zu ^werden , dagegen wird sie namentlich im Vorposten- und Knndschasterdienst , sowie im kleinen .Kriege eine Rolle spielen. Um sie sür diesen Dienst uuabhängig und unternehmend zu machen , muss sie mit einem weittragenden Gewehre

^36 persehen sein , welches das moralische Element der Truppe erhoht.

Durch die Bewaffnung mit dem Karabiner wird die Verwendbarkeit der Kavallerie erweitert , indem ihr gestattet wird , momentan durch abgefessene Reiter die Rolle der Jnfantexie zu übernehmen , da wo bei Mangel an Jnsanterie eine derartige Verwendung am Blaze ist, wie bei Verteidigung von Defileen, Besezung von kleinen Waldungen u. s. w.

Der Karabiner ist bereits bei der Kavallerie verschiedener Armeen eingesührt und hat sich dort in der Kriegspra^.is bewährt. Gleichwohl hegte man Bedenken , ob eine Kavallerie mit so kurzer Dienstzeit wie die unsrige immer haben wird, es in der Vserdedressur wie in der Schieß fertigkeit soweit bringen werde, um mit Vortheil mit Karabinern bewasfnet werden zu können. Es wurden deshalb mit zwei verschiedenen Detaschementen Versuche angestellt. De.. eine dieser Versuche fand im Jahr 1867 mit 20 waadtländischen Dragonerrekruten in Biere, der andere .im laufenden Jahre mit einem Detasehemeut von Dragonerrekruten von 6 Kantonen in Aarau statt. Die zu diesen Versuchen bestimmten Leute wurden beim Beginn einer Rekrutenschule ohne weitere Auswahl beziehnet, wahrend der Schule speziell aus die neue Waffe bei erhöhter Sorgfalt für die Bferdedrefsnr eingeübt und nach Beendigung der gewohn liehen Schuldienstzeit und Entlassung der übrigen Rekruten noch 14 Tage im Dienste behalten. Das Resultat dieses Unterrichtes , der somit im Gaumen acht Wochen dauerte, war ein über alle Erwartungen günstiger, namentlich muss dies mit Bezug aus die Dressur der Bserde gesagt werden, welche beim Sehiessen eine merkwürdige Ruhe bewiesen. Weniger günstig waren die erreichten Schiessresultate , was jedoch der schlechten Qualität der verwendeten Waffen zugeschrieben werden muss.

Um sich zu überzeugen , ob d.^e gewonneueu Resultate namentlich bezüglich der Bferdedrefsur von einem Dienste zum auderu nieht verloren gehen, wurde diejenige Mannschast, welche leztes Jahr aus den Karabiner eingeübt worden war, im lausenden Jahr aus 6 Tage zu einem Wiederholungskurse besammelt uud es zeigte sieh aus wirklich überraschende Weise , dass die Vserde nach einem Jahr noch ebenso ruhig im ^euer standen, wie unmittelbar nach ihrer ersten Justrnktion.

Es ist also nicht zu besürchteu, dass eine Jnftruktion von 8 Wochen Mann und Vserd nicht
hinlänglich auf den .^tandpunlt bringe. , um mit aller Beruhigung den Karabiuer eiusühren ^u konnen, ja es wird dabei gewiss in mancher Beziehung das bisher in den Rekrutenschnleu Erreichte überholt. Alle Sachverständigen aber, die wir angehort haben, sind der Ansicht, dass eine Dienstdauer von 8 Wochen unerlässlieh sei, wir werden daher anlässlich der Vorlage einer ueueu Militärorganisation hieraus Rükficht nehmen.

Die Trompeter der Dragonerkompagnien sollen mit der gleichen Repetirpistole bewaffnet werden , di.. oben sür die berittenen Unterossi-

637 ziere der Artillerie porgeschlagen worden ist. dagegen halten wir dasür.

daß entgegen einem Antrage, die Unteroffiziere mit der Bistole zu versehen, diese den Karabiner, aus den sie als Rekruten eingeübt worden find, behalten sollen.

Der biner nur wassnung Artillerie

Dienst der Guiden ist ein derartiger , dass ihnen ein Karalästig sein müsste ; wir beschränken uns daher, sür ihre Beeine Repetirpistole wie sür die berittenen Unterossiziere .c. der vorzuschlagen.

Die Einführung der neuen Waffe braucht nicht eine sofortige zu .^ein , sondern kann sueeessive geschehen , indem man alljährlich die Rekruten damit persieht. ^ Bei Einführung des Karabiners ist dies sogar nothwendig, wenn man nicht die sämmtlichen Drägouerkompagnien auf laniere Zeit in Dienst berufen will.

Die Kosten betreffend, so wird hinsichtlich der Bewaffnung der be^ rittenen Unterossiziere der Artillerie , der Trompeter und Arbeiter , der Kavallerie und der Guiden den Kantonen eine jedenfalls unbedeutende Mehrausgabe als bisher zugemuthet , da die neue Repetirpistole nicht viel mehr kosten wird, als zwei bisherige Bistolen. Zudem vertheilt sieh die Ausgabe auf eine Reihe von Jahren. Wir glauben daher nicht, dass der Bund sür diese für jeden einzelnen Kanton minime Anschasfuug in Mitleidenschaft zu ziehen sei. Dagegen schlagen wir por, dass ..^und und Kantone die Kosten der Repetirkarabiner in gleichem Verhältnisse tragen wie die der Repetirgewehre der Jnsanterie.

Von ^eite des Bundes werden diese Kosten, da sie sich auf meh^rere Jahre vertheilen, aus das jeweilige Jahresbüdget genommen.

Die daherigen .Ausgaben werden bei Zuschlag von 20 .^ Ueberzähligen zur reglementarisehen Zahl von Gewehrtragenden und die Kosten des Repetirkarabiners sammt gese^lichem Munitionsvorrath zu Fr. 90 angenommen, im Ganzen betragen: ^ Anzahl der Gewehrtragenden.

.. ^l u s z ü g e r -V a r k k o m p a g n i e n à 52 Mann .

.

.

312

.

.

.

22 Auszüger^Dragonerkompagnien a 65 Mann .

13 Reserve-Dragonerkompagnien ,, 49 .,

6 Reserve-Varkkompagnien ,, ^34 ,, .

.

.

. 1,430 .

637

20^ Ueberzählige

.

.

.

Zu Fr. ..0 Davon zu Lasten des Bundes

.

204

2,583 . . 517 Summa 3,100 . Fr. 279,000 .

,, 209,250

Fr. 69,750

638 Schließlich machen wir noch daraus aufmerksam, dass de.^. gesezesentwuxf die Festsezung der Ordonnanz, wie dies auch bei der Bewasfnung der Jusanterie geschehen ist, dem vom Bundesrathe ^u erlassenden Regle.mente überweist und diese Bestimmuug aueh aus die Seitengewehre ausdehnt^, wobei beabsichtigt wird, in Zukunft für die Kanonierrekruten der Feldbatterien statt den srauzosischen Jusanteriesäbel, das Maschinenmesser vorzuschreiben und dadurch Uebereinstimmun^ mit dem Barksoldaten .^u erzielen.

Genehmigen Sie , Tit. , die erneuerte Versicherung unserer ansBezeichneten Hochachtung.

.^ B e r n , den 23. Oktober 1868.

^

Jm Ramen des schweiz. Bundesrathes, De r B u n de s p r ä s i de n t .

.^r. .^. Dubs.

Der Kanzler der Eidgenossenschaft : ^chies,.

Beschluß entwnrf betreffend

die persönliche Bewaffnung der Sp.^alwaffen.

Die B u n d e s p e r s a m m l u u g der schwei^erisehen^ Eidgen o s s e n sehast, uach Einsicht einer Botsehast des Bundesrathes vom 23. Oktober

1868,

beschliesst:

Art. 1. Die Sappeure und Bontonuiers siud nur mit einem Seiteugewehre zu l.ewassueu.

Art. 2. Die .^..ssi^iere, berittenen Unteroffiziere und die Trompeter der Artillerie erhalten eine Repetirpistole , die Unterossiziere und Soldaten der Barkkompaguien einen Repetirkarabiner.

639 Art. .^. Die Unteroffiziere und Reiter der Dragonerkompagnien ^werden mit einem Repetirkarabiner , die Ossiziere und Trompeter der Dragonerkompagnien , sowie die Offiziere, Unteroffiziere und Soldaten der Guidenkompagnien mit einer Repetirpistole bewaffnet.

Art. 4. Die nähere Ordonnanz der Feuerwaffen und der SeitenBewehre der Spezialwasfeu bestimmt das Reglement.

Art. 5. Diese Forschriften beziehen sich mit Ausnahme der l^enie-.

truppen, welche die Handseuerwasfen nicht mehr zu tragen haben, bloss aus die nen ins Bundesheer Eintretenden, beziehungsweise aus die neu besorderten Ostiere und Unteroffiziere.

Art. 6. Die Anschasfung der Bistoleu ist Sache der Kantone.

^ln die Kosten der ersten Anschaffung der neuen Karabiner tragt der Bund drei Viertel bei, die betreffenden Kantone ein Viertel. Die Erhaltung und Ergänzung dieser Waffen liegt den Kantonen ob.

Art. 7. Die Art. 40-42 des Bundesgesezes über die Bekleidung, Bewaffnung und Ausrüstung des Bundesheeres vom 27. August 1851 . treten hiemit ausser Krast.

Art. 8. Der Bundesrath ist mit der Vollziehung dieses Beschlusses beauftragt.

^ .

.

.

^ ^ ^ ^ ^ ^ ^ .

^ .

. ^

Bun^blal... Jahrg. XX. Bd. III.

.51

Schweizerisches Bundesarchiv, Digitale Amtsdruckschriften Archives fédérales suisses, Publications officielles numérisées Archivio federale svizzero, Pubblicazioni ufficiali digitali

Botschaft des Bundesrathes an die schweiz. Bundesversammlung, betreffend die persönliche Bewaffnung der Spezialwaffen. (Vom 23. Oktober 1868.)

In

Bundesblatt

Dans

Feuille fédérale

In

Foglio federale

Jahr

1868

Année Anno Band

3

Volume Volume Heft

51

Cahier Numero Geschäftsnummer

---

Numéro d'affaire Numero dell'oggetto Datum

14.11.1868

Date Data Seite

633-639

Page Pagina Ref. No

10 005 960

Das Dokument wurde durch das Schweizerische Bundesarchiv digitalisiert.

Le document a été digitalisé par les. Archives Fédérales Suisses.

Il documento è stato digitalizzato dell'Archivio federale svizzero.